Präambel RL 2015/720/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Die Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) wurde erlassen, um die Auswirkungen von Verpackungen und Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu vermeiden bzw. solche Auswirkungen zu verringern. Zwar stellen Kunststofftragetaschen eine Verpackung im Sinne dieser Richtlinie dar, doch enthält die Richtlinie keine spezifischen Maßnahmen hinsichtlich des Verbrauchs an solchen Taschen.
- (2)
- Der derzeitige Verbrauch an Kunststofftragetaschen führt zu einer starken Vermüllung und einer ineffizienten Ressourcennutzung; er dürfte sogar noch zunehmen, wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Das Wegwerfen von Kunststofftragetaschen führt zu Umweltbelastungen und verschärft das weitverbreitete Problem der Ansammlung von Abfällen in Gewässern, die weltweit die aquatischen Ökosysteme bedrohen.
- (3)
- Außerdem hat die Anhäufung von Kunststofftragetaschen in der Umwelt eindeutig negative Auswirkungen auf bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten.
- (4)
- Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 50 Mikron (im Folgenden „leichte Kunststofftragetaschen” ), die bei weitem den größten Anteil der in der Union verbrauchten Kunststofftragetaschen ausmachen, werden seltener wiederverwendet als Kunststofftragetaschen aus stärkerem Material. Daher werden leichte Kunststofftragetaschen schneller zu Abfall und aufgrund ihres geringen Gewichts häufiger weggeworfen.
- (5)
- Die derzeitigen Recyclingraten von leichten Kunststofftragetaschen sind äußerst niedrig und werden aufgrund einer Reihe praktischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten in naher Zukunft voraussichtlich keine hohen Werte erreichen.
- (6)
- Gemäß der Abfallhierarchie hat die Vermeidung Vorrang. Kunststofftragetaschen dienen verschiedenen Zwecken und werden auch in Zukunft weiter verwendet werden. Um sicherzustellen, dass die benötigten Kunststofftragetaschen nicht als Abfall in die Umwelt gelangen, sollten angemessene Maßnahmen getroffen und Verbraucher über die richtige Abfallbehandlung in Kenntnis gesetzt werden.
- (7)
- Der Verbrauch an Kunststofftragetaschen in der Union variiert sehr stark je nach Konsumverhalten, Umweltbewusstsein und Effektivität der von den Mitgliedstaaten ergriffenen politischen Maßnahmen. Einigen Mitgliedstaaten ist es gelungen, den Verbrauch an Kunststofftragetaschen deutlich zu reduzieren, sodass der Durchschnittsverbrauch in den sieben Mitgliedstaaten mit den besten Ergebnissen nur 20 % des Durchschnitts der Union beträgt.
- (8)
- Die Verfügbarkeit und Genauigkeit von Daten zum aktuellen Verbrauch an leichten Kunststofftragetaschen variiert je nach Mitgliedstaat. Genaue und vergleichbare Verbrauchsdaten sind zur Beurteilung der Effektivität von Verringerungsmaßnahmen und zur Sicherstellung von einheitlichen Durchführungsbedingungen von entscheidender Bedeutung. Daher sollte eine gemeinsame Methode zur Berechnung des jährlichen Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen pro Person entwickelt werden, um den Fortschritt bei der Verringerung des Verbrauchs an solchen Taschen zu überwachen.
- (9)
- Außerdem hat sich gezeigt, dass für die Verwirklichung jedweder Ziele hinsichtlich der Verringerung des Verbrauchs an Kunststofftragetaschen die Information der Verbraucher eine entscheidende Rolle spielt. Aus diesem Grund sind Bemühungen auf Ebene der Institutionen notwendig, um die Sensibilisierung der Verbraucher für die Umweltauswirkungen von Kunststofftragetaschen zu verstärken und gegen die immer noch verbreitete Vorstellung anzugehen, wonach Kunststoff ein unschädliches und billiges Material ist.
- (10)
- Um dauerhafte Verringerungen des durchschnittlichen Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen zu fördern, sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um den Verbrauch an leichten Kunststofftragetaschen im Einklang mit den allgemeinen Zielen der Abfallpolitik der Union und der Abfallhierarchie im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5) deutlich zu verringern. Bei solchen Verringerungsmaßnahmen sollte der derzeitige Verbrauch an Kunststofftragetaschen in den einzelnen Mitgliedstaaten insofern berücksichtigt werden, als ein höherer Verbrauch ehrgeizigere Anstrengungen verlangt; ferner sollten bereits erzielte Verringerungen berücksichtigt werden. Zur Überwachung der Fortschritte bei der Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen ist es notwendig, dass nationale Behörden ihre Daten über deren Verbrauch im Einklang mit Artikel 12 der Richtlinie 94/62/EG übermitteln.
- (11)
- Von den Mitgliedstaaten zu ergreifende Maßnahmen können den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente wie Preisfestsetzung, Steuern und Abgaben einschließen, die sich zur Verringerung des Verbrauchs an Kunststofftragetaschen als besonders effektiv erwiesen haben, sowie von Marktbeschränkungen wie Verboten abweichend von Artikel 18 der Richtlinie 94/62/EG, sofern diese Beschränkungen verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sind.
- (12)
- Diese Maßnahmen können je nach Umweltauswirkungen von leichten Kunststofftragetaschen nach deren Verwertung oder Entsorgung, deren Recycling- und Kompostierungseigenschaften, der Haltbarkeit oder dem spezifischem Verwendungszweck dieser Taschen sowie aufgrund der Berücksichtigung potenzieller negativer Substitutionseffekte variieren.
- (13)
- Die Mitgliedstaaten können Ausnahmeregelungen für Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 15 Mikron (im Folgenden „sehr leichte Kunststofftragetaschen” ) beschließen, deren Zweck die Erstverpackung von losen Lebensmitteln ist, sofern dies aus Hygienegründen erforderlich ist oder ihre Verwendung zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung beiträgt.
- (14)
- Die Mitgliedstaaten können die Einnahmen aus Maßnahmen, die gemäß der Richtlinie 94/62/EG im Hinblick auf eine dauerhafte Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen ergriffen werden, frei verwenden.
- (15)
- Programme zur Sensibilisierung der Verbraucher im Allgemeinen und Bildungsprogramme für Kinder können bei der Verringerung des Verbrauchs an Kunststofftragetaschen eine wichtige Rolle spielen.
- (16)
- In der europäischen Norm EN 13432 zu den „Anforderungen an die Verwertung von Verpackungen durch Kompostierung und biologischen Abbau — Prüfschema und Bewertungskriterien für die Einstufung von Verpackungen” sind die Eigenschaften festgelegt, die ein Material aufweisen muss, um als „kompostierbar” zu gelten, darunter die Recyclingfähigkeit des Materials durch biologische Verwertung, also durch Kompostierung und anaerobe Zersetzung. Die Kommission sollte das Europäische Komitee für Normung auffordern, eine gesonderte Norm für in Privathaushalten kompostierbare Verpackungen zu erarbeiten.
- (17)
- Es ist wichtig, dass die unionsweite Anerkennung von Etiketten oder Kennzeichnungen für biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststofftragetaschen gewährleistet ist.
- (18)
- Einige Kunststofftragetaschen werden von ihren Herstellern als „oxo-biologisch abbaubar” oder „oxo-abbaubar” bezeichnet. Im Falle dieser Taschen werden herkömmlichen Kunststoffen Zusatzstoffe zugesetzt. Aufgrund dieser Zusatzstoffe zerfallen die Kunststoffe mit der Zeit in kleine Partikel, die in der Umwelt verbleiben. Die Bezeichnung solcher Taschen als „biologisch abbaubar” kann also irreführend sein, da diese möglicherweise keine Lösung für das Problem der Vermüllung bieten, sondern vielmehr sogar eine zusätzliche Verschmutzung darstellen können. Die Kommission sollte die Auswirkung der Verwendung von oxo-abbaubaren Kunststofftaschen auf die Umwelt prüfen und dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vorlegen, der gegebenenfalls Maßnahmen zur Begrenzung des Verbrauchs solcher Taschen oder zur Verringerung schädlicher Auswirkungen enthält.
- (19)
- Von den Mitgliedstaaten zu ergreifende Maßnahmen zur Verringerung des Verbrauchs an Kunststofftragetaschen sollten zu einer dauerhaften Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen und nicht zu einem allgemeinen Anstieg des Verpackungsaufkommens führen.
- (20)
- Die in dieser Mitteilung vorgesehenen Maßnahmen stehen im Einklang mit der Mitteilung der Kommission über einen Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa, und sie sollten zu Maßnahmen gegen Abfälle im Meer beitragen, die aufgrund der Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(6) getroffen werden.
- (21)
- Die Richtlinie 94/62/EG sollte daher entsprechend geändert werden —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 214 vom 8.7.2014, S. 40.
- (2)
ABl. C 174 vom 7.6.2014, S. 43.
- (3)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. April 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 2. März 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. April 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
- (4)
Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 365 vom 31.12.1994, S. 10).
- (5)
Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3).
- (6)
Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie) (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19).
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