Artikel 76 RL 2018/1972/EU

Regulatorische Behandlung neuer Bestandteile von Netzen mit sehr hoher Kapazität

(1) Unternehmen, die gemäß Artikel 67 als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht auf einem oder mehreren relevanten Märkten eingestuft wurden, können nach dem Verfahren des Artikels 79 nach Maßgabe des Unterabsatzes 2 des vorliegenden Absatzes Verpflichtungszusagen anbieten, um den Aufbau eines neuen Netzes mit sehr hoher Kapazität, das bis zu den Gebäuden des Endnutzers oder der Basisstation aus Glasfaserkomponenten besteht, für Ko-Investitionen zu öffnen, indem beispielsweise Miteigentum oder langfristige Risikoteilung — durch Kofinanzierung oder durch Abnahmevereinbarungen, die spezielle Rechte mit strukturellem Charakter verleihen — seitens anderer Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste angeboten werden.

Wenn die nationale Regulierungsbehörde diese Verpflichtungszusagen bewertet, prüft sie insbesondere, ob das Angebot für Ko-Investitionen die folgenden Bedingungen erfüllt:

a)
Es steht während der gesamten Lebensdauer des Netzes jederzeit Anbietern elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste offen;
b)
es würde anderen Ko-Investoren, die Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste sind, ermöglichen, auf den nachgelagerten Märkten, auf denen das Unternehmen, das als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, tätig ist, langfristig wirksam und nachhaltig im Wettbewerb zu bestehen, und zwar zu Bedingungen, die Folgendes umfassen:

i)
gerechte, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen, die den Zugang zur vollen Kapazität des Netzes in dem Umfang ermöglichen, der der Ko-Investition entspricht;
ii)
Flexibilität hinsichtlich Wert und Zeitpunkt der von den einzelnen Ko-Investoren zugesagten Beteiligung;
iii)
die Möglichkeit einer künftigen Aufstockung der Beteiligung; und
iv)
gegenseitige Rechte, die sich die Ko-Investoren nach Errichtung der gemeinsam finanzierten Infrastruktur gewähren;

c)
es wird vom Unternehmen rechtzeitig und, wenn es die in Artikel 80 Absatz 1 aufgeführten Merkmale nicht aufweist, spätestens sechs Monate vor dem Beginn des Aufbaus der neuen Netzbestandteile veröffentlicht. Auf der Grundlage nationaler Gegebenheiten kann dieser Zeitraum verlängert werden;
d)
Zugangsnachfrager, die sich nicht an der Ko-Investition beteiligen, können von Beginn an von derselben Qualität, derselben Geschwindigkeit und denselben Bedingungen profitieren und dieselben Endnutzer erreichen wie vor dem Aufbau, wobei ein von den nationalen Regulierungsbehörden unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf den betreffenden Endkundenmärkten bestätigter Mechanismus zur allmählichen Anpassung hinzukommt, mit dem die Anreize für eine Beteiligung an den Ko-Investitionen aufrechterhalten werden; mit diesem Mechanismus wird sichergestellt, dass die Zugangsnachfrager Zugang zu den Netzelementen mit sehr hoher Kapazität haben, und zwar zu einem Zeitpunkt und auf der Grundlage transparenter und nichtdiskriminierender Bedingungen, die das unterschiedliche Ausmaß des Risikos für die jeweiligen Ko-Investoren in den verschiedenen Phasen des Aufbaus angemessen widerspiegeln und der Wettbewerbssituation auf den Endkundenmärkten Rechnung tragen;
e)
es entspricht mindestens den Kriterien in Anhang IV und erfolgt nach Treu und Glauben.

(2) Gelangt die nationale Regulierungsbehörde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der gemäß Artikel 79 Absatz 2 durchgeführten Marktprüfung zu dem Schluss, dass die angebotene Verpflichtungszusage für Ko-Investitionen die Bedingungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels erfüllt, so erklärt sie diese Verpflichtungszusage gemäß Artikel 79 Absatz 3 für bindend und erlegt keine zusätzlichen Verpflichtungen gemäß Artikel 68 in Bezug auf die von den Verpflichtungszusagen betroffenen Elemente des neuen Netzes mit sehr hoher Kapazität auf, sofern wenigstens ein potenzieller Ko-Investor eine Ko-Investitionsvereinbarung mit dem Unternehmen, das als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, eingegangen ist.

Unterabsatz 1 gilt unbeschadet der regulatorischen Behandlung von Gegebenheiten, bei denen den Ergebnissen von Marktprüfungen gemäß Artikel 79 Absatz 2 zufolge die Bedingungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels nicht erfüllt werden, die jedoch Auswirkungen auf den Wettbewerb haben und für die Zwecke der Artikel 67 und 68 berücksichtigt werden.

Im Wege einer Ausnahme von Unterabsatz 1 dieses Absatzes kann eine nationale Regulierungsbehörde in hinreichend begründeten Fällen Abhilfemaßnahmen gemäß den Artikeln 68 bis 74 in Bezug auf die neuen Netze mit sehr hoher Kapazität vorschreiben, beibehalten oder anpassen, um erhebliche Wettbewerbsprobleme auf bestimmten Märkten zu lösen, wenn die nationale Regulierungsbehörde feststellt, dass diese Wettbewerbsprobleme aufgrund der besonderen Merkmale dieser Märkte andernfalls nicht gelöst würden.

(3) Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen fortlaufend die Einhaltung der in Absatz 1 genannten Bedingungen und können von dem Unternehmen, das als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, verlangen, ihnen jährliche Konformitätserklärungen vorzulegen.

Dieser Artikel berührt nicht die Befugnis einer nationalen Regulierungsbehörde, bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen im Zusammenhang mit einer Ko-Investitionsvereinbarung, die aus Sicht der Regulierungsbehörde den Bedingungen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels entspricht, gemäß Artikel 26 Absatz 1 eine Entscheidung zu treffen.

(4) Das GEREK veröffentlicht nach Anhörung der Interessenträger und in enger Zusammenarbeit mit der Kommission Leitlinien, um die einheitliche Anwendung der in Absatz 1 aufgeführten Bedingungen und in Anhang IV aufgeführten Kriterien durch die nationalen Regulierungsbehörden zu fördern.

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