Präambel RL 2019/1023/EU
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 53 und 114,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Ziel dieser Richtlinie ist es, zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen und Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, etwa des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit, zu beseitigen, die auf Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften und Verfahren für die präventive Restrukturierung, die Insolvenz, die Entschuldung und Tätigkeitsverbote zurückzuführen sind. Ohne dass die Grundrechte und Grundfreiheiten der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden, zielt diese Richtlinie darauf ab, solche Hindernisse zu beseitigen, indem sichergestellt wird, dass bestandsfähige Unternehmen und Unternehmer, die in finanziellen Schwierigkeiten sind, Zugang zu wirksamen nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen haben, die es ihnen ermöglichen, ihren Betrieb fortzusetzen, dass redliche insolvente oder überschuldete Unternehmer nach einer angemessenen Frist in den Genuss einer vollen Entschuldung kommen und dadurch eine zweite Chance erhalten können, und dass die Wirksamkeit von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren, insbesondere durch Verkürzung ihrer Dauer, erhöht wird.
- (2)
- Durch eine Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur ihrer Vermögenswerte und ihrer Verbindlichkeiten oder anderer Teile ihrer Kapitalstruktur, einschließlich des Verkaufs von Vermögenswerten oder Unternehmensteilen oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, des Unternehmens als Ganzem, sowie durch operative Maßnahmen sollte die Restrukturierung Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten in die Lage versetzen, ihre Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise fortzusetzen. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften nichts anderes im Einzelnen vorgesehen ist, sollten operative Maßnahmen wie die Beendigung oder Änderung von Verträgen oder der Verkauf oder die sonstige Veräußerung von Vermögenswerten den allgemeinen Anforderungen genügen, die nach nationalem Recht — insbesondere nach zivil- und arbeitsrechtlichen Vorschriften — für solche Maßnahmen vorgesehen sind gelten. Jegliche Umwandlungen von Verbindlichkeiten in Eigenkapital sollten ebenfalls im Einklang mit den im nationalem Recht vorgesehenen Schutzvorkehrungen stehen. Präventive Restrukturierungsrahmen sollten es Schuldnern vor allem ermöglichen, sich frühzeitig wirksam und im Hinblick auf die Vermeidung ihrer Insolvenz zu restrukturieren, um so die unnötige Liquidation bestandsfähiger Unternehmen zu begrenzen. Diese Rahmen sollten dabei helfen, Arbeitsplatzverluste und den Verlust von Know-how und Kompetenzen zu verhindern und den Gesamtwert für die Gläubiger — im Vergleich zu dem, was sie im Falle der Liquidation des Gesellschaftsvermögens oder im Falle des nächstbesten Alternativszenarios ohne Plan erhalten hätten — sowie für die Anteilsinhaber und die Wirtschaft insgesamt zu maximieren.
- (3)
- Präventive Restrukturierungsrahmen sollten darüber hinaus dem Aufbau notleidender Kredite vorbeugen. Die Verfügbarkeit wirksamer präventiver Restrukturierungsrahmen würde sicherstellen, dass Maßnahmen ergriffen werden, bevor Unternehmen ihre Kredite nicht mehr bedienen können, und so dazu beitragen, das Risiko zu verringern, dass Kredite bei Konjunkturabschwüngen zu notleidenden Krediten werden, und die negativen Auswirkungen auf den Finanzsektor abmildern. Ein erheblicher Prozentsatz von Unternehmen und Arbeitsplätzen könnte bewahrt werden, wenn in allen Mitgliedstaaten, in denen sich Niederlassungen, Vermögenswerte oder Gläubiger der Unternehmen befinden, präventive Restrukturierungsrahmen existierten. Im Restrukturierungsrahmen sollten die Rechte aller Beteiligten, einschließlich der Arbeitnehmer, auf ausgewogene Weise geschützt werden. Gleichzeitig sollten nicht bestandsfähige Unternehmen ohne Überlebenschance so schnell wie möglich abgewickelt werden. Wenn ein Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten nicht wirtschaftlich bestandsfähig ist oder seine wirtschaftliche Bestandsfähigkeit nicht ohne Weiteres wiederhergestellt werden kann, könnten Restrukturierungsmaßnahmen zu einer Beschleunigung und Anhäufung von Verlusten zum Nachteil der Gläubiger, der Arbeitnehmer und sonstiger Interessenträger sowie der Wirtschaft als Ganzes führen.
- (4)
- Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen Unterschiede in der Bandbreite der Verfahren, die Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten zur Verfügung stehen, um ihr Unternehmen zu restrukturieren. Einige Mitgliedstaaten verfügen über ein begrenztes Spektrum an Verfahren, die eine Restrukturierung von Unternehmen erst relativ spät im Rahmen von Insolvenzverfahren erlauben. In anderen Mitgliedstaaten ist eine Restrukturierung zwar früher möglich, aber die dafür zur Verfügung stehenden Verfahren sind nicht so wirksam, wie sie sein könnten, oder sie sind sehr förmlich, da sie insbesondere die Nutzung außergerichtlicher Vereinbarungen beschränken. Im Insolvenzrecht wird immer häufiger nach präventiven Lösungen gesucht. Zunehmend werden Verfahren bevorzugt, die im Gegensatz zum herkömmlichen Vorgehen, ein in finanzielle Schwierigkeiten geratenes Unternehmen zu liquidieren, auf die Sanierung des Unternehmens oder zumindest die Bewahrung seiner noch wirtschaftlich bestandsfähigen Geschäftsbereiche abzielen. Dieser Ansatz trägt, neben anderen Vorteilen für die Wirtschaft, häufig dazu bei, Arbeitsplätze zu erhalten oder Arbeitsplatzverluste zu verringern. Darüber hinaus reicht der Grad der Beteiligung von Justiz- oder Verwaltungsbehörden oder von ihnen benannten Verwaltern von einer Nichtbeteiligung oder minimaler Beteiligung in einigen Mitgliedstaaten bis hin zu einer umfassenden Beteiligung in anderen. Auch bei den nationalen Vorschriften, die Unternehmern eine zweite Chance bieten, vor allem indem ihnen die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit aufgelaufenen Schulden erlassen werden, bestehen zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede in der Länge der Entschuldungsfrist und den Bedingungen für die Gewährung einer Entschuldung.
- (5)
- In vielen Mitgliedstaaten dauert es mehr als drei Jahre, bis zahlungsunfähige aber redliche Unternehmer sich entschulden und einen Neuanfang machen können. Aufgrund ineffizienter Rahmen für die Entschuldung und Tätigkeitsverbote müssen Unternehmer ihren Sitz in andere Länder verlegen, wenn sie innerhalb eines angemessenen Zeitraums einen Neubeginn wagen wollen, was sowohl für ihre Gläubiger als auch für die Unternehmer selbst mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. Lange Tätigkeitsverbote, die häufig mit einem zur Entschuldung führenden Verfahren einhergehen, verursachen Hindernisse für die Freiheit, eine selbstständige unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben.
- (6)
- Die übermäßig lange Dauer von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass niedrige Befriedigungsquoten erzielt und Anleger von Anlageaktivitäten in Ländern, in denen ein Risiko langwieriger und unverhältnismäßig kostspieliger Verfahren besteht, abgeschreckt werden.
- (7)
- Unterschiede zwischen Mitgliedstaaten bei den Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren schlagen sich in Mehrkosten für Anleger nieder, wenn sie das Risiko, dass Schuldner in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten, oder die Risiken der Investition in bestandsfähige Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten, sowie die zusätzlichen Kosten für die Restrukturierung von Unternehmen mit Niederlassungen, Gläubigern oder Vermögenswerten in anderen Mitgliedstaaten bewerten. Dies wird im Falle der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen besonders deutlich. Anleger nennen Unsicherheit in Bezug auf Insolvenzvorschriften oder das Risiko langwieriger oder komplexer Insolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat als einen der Hauptgründe dafür, dass sie außerhalb des Mitgliedstaats, in dem Sie ihren Sitz haben, nicht investieren oder nicht in eine Geschäftsbeziehung mit einem Partner außerhalb ihres eigenen Mitgliedstaats treten. Diese Unsicherheit wirkt abschreckend, wodurch die Niederlassungsfreiheit der Unternehmen und die Förderung der unternehmerischen Initiative eingeschränkt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gefährdet wird. Zumeist verfügen vor allem Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (im folgenden „KMU” ) nicht über die erforderlichen Ressourcen, um die Risiken im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Aktivitäten bewerten zu können.
- (8)
- Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren führen zu ungleichen Bedingungen beim Zugang zu Krediten und zu ungleichen Befriedigungsquoten in den Mitgliedstaaten. Eine stärkere Harmonisierung im Bereich Restrukturierung, Insolvenz, Entschuldung und Tätigkeitsverbote ist daher für einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt im Allgemeinen und für eine funktionierende Kapitalmarktunion im Besonderen sowie für die Widerstandsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften, einschließlich der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, unerlässlich.
- (9)
- Die Mehrkosten für die Risikobewertung und eine grenzüberschreitende Vollstreckung von Forderungen für Gläubiger überschuldeter Unternehmer, die ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, um nach viel kürzerer Zeit eine Entschuldung zu erlangen, sollten ebenfalls verringert werden. Die Mehrkosten für Unternehmer, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, um eine Entschuldung zu erlangen, sollten ebenfalls verringert werden. Darüber hinaus hemmen die Hindernisse, die durch lange Tätigkeitsverbote im Zusammenhang mit der Insolvenz oder der Überschuldung eines Unternehmers verursacht werden, das Unternehmertum.
- (10)
- Restrukturierungen, insbesondere größere Restrukturierungen mit erheblichen Auswirkungen, sollten auf der Grundlage eines Dialogs mit den Beteiligten erfolgen. Dieser Dialog sollte die Wahl der in Betracht gezogenen Maßnahmen im Verhältnis zu den Zielen und zu Alternativen der Restrukturierung abdecken und für eine angemessene Einbindung der Arbeitnehmervertreter im Einklang mit dem Unionsrecht und dem nationalen Recht sorgen.
- (11)
- Die Hindernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten beschränken sich nicht auf rein grenzüberschreitende Situationen. In einem zunehmend vernetzten Binnenmarkt, in dem der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gilt, und der eine immer stärkere digitale Dimension hat, sind nur sehr wenige Unternehmen rein national tätig, wenn man alle relevanten Aspekte wie Kundenstamm, Lieferkette, Tätigkeitsbereich, Anleger- und Kapitalbasis berücksichtigt. Selbst rein nationale Insolvenzen können durch den sogenannten Dominoeffekt von Insolvenzen Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts haben, wenn die Insolvenz eines Schuldners weitere Insolvenzen in der Lieferkette auslöst.
- (12)
- Die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) befasst sich mit Fragen der Zuständigkeit, der Anerkennung und Vollstreckung, des anwendbaren Rechts und der Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren sowie der Vernetzung von Insolvenzregistern. Ihr Anwendungsbereich umfasst präventive Verfahren, die die Rettung wirtschaftlich bestandsfähiger Schuldner fördern, sowie Entschuldungsverfahren für Unternehmer und andere natürliche Personen. Die Unterschiede zwischen dem jeweiligen nationalen Recht, welches diese Verfahren regelt, werden in der genannten Verordnung jedoch nicht behandelt. Zudem würde ein ausschließlich auf grenzüberschreitende Insolvenzen beschränktes Instrument weder alle Hindernisse für den freien Verkehr beseitigen, noch wäre es für Anleger möglich, im Voraus den grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen Charakter potenzieller finanzieller Schwierigkeiten des Schuldners in der Zukunft zu bestimmen. Deshalb ist es notwendig, über Fragen der justiziellen Zusammenarbeit hinauszugehen und materiellrechtliche Mindeststandards für präventive Restrukturierungsverfahren sowie für Verfahren zur Entschuldung von Unternehmern festzulegen.
- (13)
- Diese Richtlinie sollte unbeschadet des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) 2015/848 gelten, jedoch vollständig mit dieser Verordnung vereinbar sein und diese ergänzen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, präventive Restrukturierungsverfahren einzuführen, die bestimmten Mindestgrundsätzen der Wirksamkeit genügen. Sie verfolgt keinen anderen Ansatz als den der genannten Verordnung, nach dem die Mitgliedstaaten Verfahren beibehalten oder einführen können, die nicht die Bedingungen der öffentlichen Bekanntmachung für die Mitteilung nach Anhang A der genannten Verordnung erfüllen. Die vorliegende Richtlinie schreibt zwar nicht vor, dass bei den Verfahren in ihrem Anwendungsbereich sämtliche Bedingungen für die Mitteilung nach dem genannten Anhang A erfüllt sein müssen, ihr Ziel ist aber, die grenzüberschreitende Anerkennung dieser Verfahren und die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Urteile zu erleichtern.
- (14)
- Der Vorteil der Anwendung der Verordnung (EU) 2015/848 besteht darin, dass sie Schutzvorkehrungen gegen eine missbräuchliche Verlagerung des hauptsächlichen Interesses des Schuldners während grenzüberschreitender Insolvenzverfahren vorsieht. Bestimmte Beschränkungen sollten auch für Verfahren gelten, die nicht unter die genannte Verordnung fallen.
- (15)
- Die Restrukturierungskosten müssen sowohl für Schuldner als auch für Gläubiger gesenkt werden. Deshalb sollten die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die eine frühzeitige Restrukturierung bestandsfähiger Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten und die Möglichkeit einer Entschuldung für redliche Unternehmer behindern, verringert werden. Die Verringerung solcher Unterschiede dürfte zu mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Berechenbarkeit in der Union führen. Sie sollte die Rendite für alle Arten von Gläubigern und Anlegern maximieren und grenzüberschreitende Investitionen fördern. Mehr Kohärenz der Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren sollte außerdem die Restrukturierung von Unternehmensgruppen unabhängig vom Standort der Mitglieder der Gruppe in der Union erleichtern.
- (16)
- Die Beseitigung der Hindernisse für eine wirksame präventive Restrukturierung bestandsfähiger Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten trägt dazu bei, den Verlust von Arbeitsplätzen und Verluste für Gläubiger in der Lieferkette zu minimieren, erhält Know-how und Kompetenzen und kommt damit der Wirtschaft insgesamt zugute. Die Erleichterung einer Entschuldung für Unternehmer würde dazu beitragen, deren Ausschluss vom Arbeitsmarkt zu vermeiden und sie in die Lage zu versetzen, ihre unternehmerische Tätigkeit unter Berücksichtigung der aus den gesammelten Erfahrungen gezogenen Lehren wiederaufzunehmen. Zudem würde eine Verkürzung der Restrukturierungsverfahren zu höheren Befriedigungsquoten für die Gläubiger führen, da der Schuldner oder das Unternehmen des Schuldners mit der Zeit in der Regel nur weiter an Wert verliert. Schließlich würden effiziente Verfahren der präventiven Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung eine bessere Bewertung der mit Kreditvergabe- und Kreditaufnahmeentscheidungen verbundenen Risiken ermöglichen und eine Anpassung für insolvente oder überschuldete Schuldner erleichtern, wodurch sich die wirtschaftlichen und sozialen Kosten beim Schuldenabbau minimieren ließen. Mit dieser Richtlinie sollte den Mitgliedstaaten die Flexibilität gewährt werden, gemeinsame Grundsätze anzuwenden und gleichzeitig die nationalen Rechtssysteme zu wahren. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, in ihren nationalen Rechtssystemen andere, präventive Restrukturierungsrahmen als die in dieser Richtlinie vorgesehenen beizubehalten oder solche einzuführen.
- (17)
- Den Unternehmen, vor allem KMU, die 99 % aller Unternehmen in der Union ausmachen, dürfte ein kohärenterer Ansatz auf Unionsebene zugutekommen. KMU werden eher liquidiert als restrukturiert, da sie unverhältnismäßig höhere Kosten zu tragen haben als größere Unternehmen. KMU — insbesondere, wenn sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden — verfügen häufig nicht über die erforderlichen Mittel, um die hohen Restrukturierungskosten zu tragen und die effizienteren Restrukturierungsverfahren, die nur in einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, zu nutzen. Um solchen Schuldnern bei einer kostengünstigen Restrukturierung zu helfen, sollten umfassende Checklisten für Restrukturierungspläne, die an die Bedürfnisse und Besonderheiten von KMU angepasst sind, auf nationaler Ebene entwickelt und online zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollten Frühwarnsysteme eingerichtet werden, die Schuldner warnen, wenn Handeln dringend erforderlich ist, unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel, die KMU für die Einstellung von Fachleuten zur Verfügung stehen.
- (18)
- Bei der Definition der KMU sollten die Mitgliedstaaten die Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(5) oder die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen(6) gebührend berücksichtigen.
- (19)
- Es ist angezeigt, bestimmte Schuldner vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen, nämlich Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen im Sinne des Artikels 13 Nummer 1 beziehungsweise 4 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(7), Kreditinstitute im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(8), Wertpapierfirmen und Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 2 beziehungsweise 7 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, zentrale Gegenparteien im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates(9), Zentralverwahrer im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(10) sowie andere Finanzinstitute und Unternehmen, die in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(11) angeführt sind. Für diese Unternehmen gelten besondere Regelungen, und die nationalen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden haben ihnen gegenüber weitreichende Eingriffsbefugnisse. Die Mitgliedstaaten sollten andere Finanzunternehmen ausnehmen können, die Finanzdienstleistungen erbringen, die vergleichbaren Regelungen und Eingriffsbefugnissen unterworfen sind.
- (20)
- Aus ähnlichen Erwägungen ist es auch angezeigt, öffentliche Stellen nach nationalem Recht vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen. Die Mitgliedstaaten sollten ferner in der Lage sein, den Zugang zu präventiven Restrukturierungsrahmen auf juristische Personen zu beschränken, da die finanziellen Schwierigkeiten von Unternehmern nicht nur durch präventive Restrukturierungsverfahren, sondern auch durch Entschuldungsverfahren oder durch informelle Restrukturierungen auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarungen effizient geregelt werden können. Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Rechtssystemen, in denen die gleiche Art von Unternehmen in diesen jeweiligen Rechtssystemen einen unterschiedlichen Rechtsstatus hat, sollten eine einheitliche Regelung auf alle solche Unternehmen anwenden können. Ein nach dieser Richtlinie festgelegter präventiver Restrukturierungsrahmen sollte keine Auswirkungen auf Forderungen und Ansprüche aus betrieblichen Altersversorgungssystemen gegenüber einem Schuldner haben können, wenn diese Forderungen und Ansprüche in einem vor der Restrukturierung liegenden Zeitraum entstanden sind.
- (21)
- Die Überschuldung von Verbrauchern ist wirtschaftlich und sozial äußerst bedenklich und steht mit dem Abbau des Schuldenüberhangs in engem Zusammenhang. Zudem ist es häufig nicht möglich, klar zwischen Schulden, die von einem Unternehmer im Rahmen der Ausübung seiner unternehmerischen, geschäftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit gemacht wurden, und denjenigen, die er nicht bei diesen Tätigkeiten gemacht hat, zu unterscheiden. Unternehmerwürden nicht wirksam von einer zweiten Chance profitieren, wenn sie getrennte Verfahren mit unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen und Entschuldungsfristen durchlaufen müssten, um sich von ihren geschäftlichen Schulden und von ihren anderen Schulden, die sie außerhalb ihrer Geschäftstätigkeit gemacht haben, zu befreien. Diese Richtlinie enthält zwar keine verbindlichen Vorschriften über die Überschuldung von Verbrauchern, aber es wäre den Mitgliedstaaten aus den genannten Gründen zu empfehlen, so früh wie möglich die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Entschuldung auch auf Verbraucher anzuwenden.
- (22)
- Je früher ein Schuldner seine finanziellen Schwierigkeiten erkennen und geeignete Maßnahmen treffen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine wahrscheinliche Insolvenz abgewendet wird, beziehungsweise — im Falle eines Unternehmens mit dauerhaft verminderter Bestandsfähigkeit — desto geordneter und effizienter würde der Abwicklungsprozess sein. Deshalb sollten klare, aktuelle, prägnante und nutzerfreundliche Informationen über die zur Verfügung stehenden präventiven Restrukturierungsverfahren sowie ein oder mehrere Frühwarnsysteme vorgesehen werden, die für Schuldner einen Anreiz bieten, bei beginnenden finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig zu handeln. Frühwarnsysteme in Form von Warnmechanismen, die anzeigen, wenn der Schuldner bestimmte Arten von Zahlungen nicht getätigt hat, könnten beispielsweise durch die Nichtzahlung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen ausgelöst werden. Solche Instrumente könnten von den Mitgliedstaaten oder, sofern das Ziel erreicht wird, von privaten Einrichtungen entwickelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten Informationen über Frühwarnsysteme online zur Verfügung stellen, beispielsweise auf einer eigens eingerichteten Website oder Webpage. Die Mitgliedstaaten sollten die Frühwarnsysteme je nach Größe des Unternehmens anpassen und spezifische Bestimmungen über Frühwarnsysteme für große Unternehmen und Gruppen festlegen können, in denen sie deren Besonderheiten berücksichtigen. Durch diese Richtlinie sollte für die Mitgliedstaaten keine Haftung für potenzielle Schäden aufgrund von Restrukturierungsverfahren eingeführt werden, die durch solche Frühwarnsysteme ausgelöst werden.
- (23)
- Um die Unterstützung der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter zu verstärken, sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Arbeitnehmervertreter Zugang zu relevanten und aktuellen Informationen über die Verfügbarkeit von Frühwarnsystemen erhalten, und es sollte ihnen auch möglich sein, die Arbeitnehmervertreter bei der Bewertung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners zu unterstützen.
- (24)
- Schuldnern — einschließlich juristischer Personen und, wenn nach nationalem Recht vorgesehen, natürlicher Personen und Gruppen von Unternehmen — sollte ein Restrukturierungsrahmen zur Verfügung stehen, der es ihnen ermöglicht, ihre finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig anzugehen, wenn es sich als wahrscheinlich erweist, dass ihre Insolvenz abgewendet und die Bestandsfähigkeit ihrer Geschäftstätigkeit gesichert werden kann. Ein Restrukturierungsrahmen sollte zur Verfügung stehen, bevor ein Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird, das heißt, bevor der Schuldner nach nationalem Recht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens erfüllt, das die Insolvenz des Schuldners voraussetzt und in der Regel den vollständigen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge hat. Um einen Missbrauch der Restrukturierungsrahmen zu verhindern, sollten die finanziellen Schwierigkeiten des Schuldners auf eine wahrscheinliche Insolvenz hinweisen, und der Restrukturierungsplan sollte die Insolvenz des Schuldners abwenden und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen können.
- (25)
- Die Mitgliedstaaten sollten festlegen können, ob Forderungen, die fällig werden oder entstehen, nachdem das präventive Restrukturierungsverfahren beantragt oder eröffnet wurde, in die präventiven Restrukturierungsmaßnahmen oder die Aussetzung Einzelvollstreckungsmaßnahmen einbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, ob die fälligen Zinsen auf Forderungen der Wirkung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen unterliegen.
- (26)
- Die Mitgliedstaaten sollten eine Bestandsfähigkeitsprüfung als Voraussetzung für den Zugang zu dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Restrukturierungsverfahren einführen können. Die Durchführung einer solchen Prüfung sollte sich nicht nachteilig auf die Vermögensbasis des Schuldners auswirken, was sich unter anderem durch die Gewährung einer einstweiligen Aussetzung oder dadurch erreichen lässt, dass die Durchführung des Tests nicht mit unverhältnismäßigen Verzögerungen einhergeht. Die Vorgabe, dass keine nachteiligen Auswirkungen entstehen dürfen, sollte jedoch nicht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten ausschließen, von den Schuldnern zu verlangen, dass sie den Nachweis ihrer Bestandsfähigkeit auf eigene Kosten erbringen.
- (27)
- Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zum Restrukturierungsrahmen für Schuldner, die wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Rechnungslegungs- oder Buchführungspflichten verurteilt wurden, einschränken können, sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, auch für solche Schuldner, deren Bücher und Aufzeichnungen in einem Maße unvollständig oder unzureichend sind, das es unmöglich macht, die geschäftliche und finanzielle Situation des Schuldners festzustellen, den Zugang zu präventiven Restrukturierungsverfahren einzuschränken.
- (28)
- Die Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich von in dieser Richtlinie vorgesehenen präventiven Restrukturierungsrahmen auf Fälle erstrecken können, in denen sich Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befinden, sofern diese Schwierigkeiten mit der tatsächlichen und erheblichen Gefahr verbunden sind, dass ein Schuldner gegenwärtig oder in Zukunft seine Verbindlichkeit bei Fälligkeit nicht begleichen kann. Der maßgebliche Zeitraum zur Feststellung einer solchen Gefahr kann mehrere Monate oder auch länger betragen, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen sich der Schuldner in nichtfinanziellen Schwierigkeiten befindet, die die Fortführung seines Unternehmens und mittelfristig seine Liquidität gefährden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Schuldner einen Auftrag verloren hat, der für ihn von entscheidender Bedeutung war.
- (29)
- Zur Förderung der Effizienz und zur Verringerung von Verzögerungen und Kosten sollten die nationalen präventiven Restrukturierungsrahmen flexible Verfahren umfassen. Wird diese Richtlinie über mehr als ein Verfahren innerhalb eines Restrukturierungsrahmens umgesetzt, so sollte der Schuldner mit dem Ziel einer effektiven Restrukturierung zu allen in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechten und Schutzvorkehrungen Zugang haben. Abgesehen von den Fällen, in denen gemäß dieser Richtlinie eine Pflicht zur Beteiligung von Justiz- oder Verwaltungsbehörden besteht, sollten die Mitgliedstaaten die Beteiligung solcher Behörden auf die Fälle beschränken können, in denen dies erforderlich und angemessen ist, wobei unter anderem das Ziel, die Rechte und Interessen der Schuldner und anderer betroffener Parteien zu wahren, sowie das Ziel, Verzögerungen und Kosten der Verfahren zu verringern, berücksichtigt werden. Ist es Gläubigern oder Arbeitnehmervertretern nach nationalem Recht gestattet, ein Restrukturierungsverfahren einzuleiten und handelt es sich bei dem Schuldner um ein KMU, so sollten die Mitgliedstaaten die Zustimmung des Schuldners zur Bedingung für die Einleitung des Verfahrens machen und sie sollten auch beschließen können, diese Anforderung auf Schuldner auszuweiten, bei denen es sich um große Unternehmen handelt.
- (30)
- Um unnötige Kosten zu vermeiden, dem frühzeitigen Charakter der präventiven Restrukturierung Rechnung zu tragen und Schuldnern einen Anreiz zu bieten, bei finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig die präventive Restrukturierung zu beantragen, sollten sie grundsätzlich die Kontrolle über ihre Vermögenswerte und den täglichen Betrieb ihres Unternehmens behalten. Die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten zur Überwachung der Tätigkeit eines Schuldners oder zur teilweisen Übernahme der Kontrolle über den täglichen Betrieb eines Schuldners sollte nicht in jedem Fall zwingend sein, sondern im Einzelfall je nach den Umständen des Falles bzw. den besonderen Erfordernissen des Schuldners erfolgen. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten bestimmen können, dass die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten unter bestimmten Umständen immer erforderlich ist, etwa wenn dem Schuldner eine allgemeine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird, wenn der Restrukturierungsplan im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt werden muss, wenn der Restrukturierungsplan Maßnahmen enthält, die die Arbeitnehmerrechte berühren, oder wenn sich der Schuldner oder seine Unternehmensleitung in ihren Geschäftsbeziehungen kriminell, betrügerisch oder schädigend verhalten haben.
- (31)
- Zur Unterstützung der Parteien bei der Aushandlung und Ausarbeitung eines Restrukturierungsplans sollten die Mitgliedstaaten die zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorsehen, wenn eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde dem Schuldner eine allgemeine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gewährt, sofern in einem solchen Fall ein Verwalter zur Wahrung der Interessen der Parteien erforderlich ist, wenn der Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt werden muss, wenn dies vom Schuldner beantragt wurde oder wenn dies von der Mehrheit der Gläubiger beantragt wird sofern die Gläubiger die Kosten und Gebühren des Verwalters übernehmen.
- (32)
- Ein Schuldner sollte eine entweder von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde gewährte oder aufgrund Gesetzes mögliche vorübergehende Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, um dadurch die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan zu unterstützen, damit der Schuldner während der Verhandlungen seinen Betrieb fortsetzen oder zumindest den Wert seines Vermögens erhalten kann. Die Aussetzung sollte auch gegenüber Dritten, die Sicherheiten leisten, einschließlich Bürgen und Ausstellern von Sicherheiten, angewendet werden können, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch bestimmen können, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Gewährung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen verweigern können, wenn eine solche Aussetzung nicht erforderlich ist oder wenn sie nicht den Zweck erfüllen würde, die Verhandlungen zu unterstützen. Ein Mangel an Unterstützung seitens der erforderlichen Mehrheiten der Gläubiger oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, die tatsächliche Unfähigkeit des Schuldners, seine fällig werdenden Schulden zu begleichen, könnten Gründe für eine Verweigerung darstellen.
- (33)
- Zur Erleichterung und Beschleunigung der Durchführung von Verfahren sollten die Mitgliedstaaten widerlegbare Vermutungen für das Vorliegen von Gründen für eine Verweigerung der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen festlegen können, zum Beispiel wenn der Schuldner ein für zahlungsunfähige Schuldner typische Verhaltensweise an den Tag legt — also etwa einen erheblichen Zahlungsrückstand gegenüber Arbeitnehmern, Steuerbehörden oder Sozialversicherungsträgern-, oder wenn ein Schuldner oder die gegenwärtige Geschäftsleitung eines Unternehmens eine Finanzstraftat begangen hat, welche die Annahme begründet, dass eine Mehrheit der Gläubiger die Aufnahme der Verhandlungen nicht unterstützen würde.
- (34)
- Eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen könnte allgemein gelten, also alle Gläubiger betreffen, oder nur für einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen gelten. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmte Forderungen oder Forderungskategorien unter genau festgelegten Umständen vom Geltungsbereich der Aussetzung ausschließen können, wie etwa Forderungen, die durch Vermögenswerte besichert sind, deren Wegnahme die Restrukturierung des Unternehmens nicht gefährden würde, oder Forderungen von Gläubigern, für die eine Aussetzung eine unangemessene Beeinträchtigung darstellen würde, etwa durch einen nicht ausgeglichenen Verlust oder eine Wertminderung von Sicherheiten.
- (35)
- Um einen fairen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und denen der Gläubiger sicherzustellen, sollte der Höchstzeitraum einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen höchstens bis zu vier Monate betragen. Für komplexe Restrukturierungen wird jedoch möglicherweise mehr Zeit benötigt. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmen können, dass die Justiz- oder Verwaltungsbehörde die ursprüngliche Frist für die Aussetzung in diesen Fällen verlängern kann. Wenn die Justiz- oder Verwaltungsbehörde keine Entscheidung über die Verlängerung trifft, bevor die Aussetzung endet, sollte die Aussetzung mit Ablauf der Aussetzungsfrist enden. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte die Gesamtdauer der Aussetzung auf zwölf Monate begrenzt werden. Die Mitgliedstaaten sollten eine unbefristete Aussetzung vorsehen können, wenn der Schuldner nach nationalem Recht insolvent wird. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, ob eine kurze zwischenzeitliche Aussetzung gelten, die bis zur Entscheidung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde über den Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen angeordnet wird, auf die zeitlichen Fristen gemäß dieser Richtlinie anzurechnen sind.
- (36)
- Um zu gewährleisten, dass den Gläubigern kein unnötiger Nachteil entsteht, sollten die Mitgliedstaaten bestimmen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen aufheben können, wenn sie nicht länger den Zweck erfüllt, die Verhandlungen zu unterstützen — zum Beispiel, wenn deutlich wird, dass die erforderliche Mehrheit der Gläubiger die Fortführung der Verhandlungen nicht unterstützt. Die Aussetzung auch dann aufgehoben werden, wenn die Gläubiger durch diese in unangemessener Weise beeinträchtigt werden, sofern die Mitgliedstaaten eine solche Möglichkeit vorsehen. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit einer Aufhebung der Aussetzung auf Fälle beschränken können, in denen Gläubiger keine Gelegenheit hatten, sich zu äußern, bevor die Aussetzung in Kraft trat oder verlängert wurde. Die Mitgliedstaaten sollten auch eine Mindestdauer vorsehen können, während der die Aussetzung nicht aufgehoben werden kann. Bei der Prüfung, ob eine unangemessene Beeinträchtigung der Gläubiger vorliegt, sollten die Justiz- oder Verwaltungsbehörden berücksichtigen können, ob im Falle einer Aussetzung der Gesamtwert des Vermögens erhalten bliebe und ob der Schuldner bösgläubig oder in Schädigungsabsicht handelt oder ganz allgemein den berechtigten Erwartungen der Gesamtheit der Gläubiger zuwiderhandelt.
- (37)
- Diese Richtlinie erstreckt sich nicht auf Bestimmungen zu Ausgleichszahlungen oder Schutzvorkehrungen für Gläubiger, deren Sicherheit während der Aussetzung voraussichtlich an Wert verlieren wird. Einzelne Gläubiger oder eine Gläubigerklasse würden durch die Aussetzung beispielsweise dann in unangemessener Weise beeinträchtigt, wenn ihre Forderungen infolge der Aussetzung erheblich schlechter gestellt würden als ohne die Aussetzung oder wenn der Gläubiger stärker benachteiligt würde als andere Gläubiger in ähnlicher Lage. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass, sobald eine unangemessene Beeinträchtigung eines oder mehrerer Gläubiger oder einer oder mehrerer Gläubigerklassen festgestellt wird, die Aussetzung entweder für diese Gläubiger oder Gläubigerklassen oder für die Gesamtheit der Gläubiger aufgehoben werden kann. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, wer berechtigt ist, einen Antrag auf Aufhebung der Aussetzung zu stellen.
- (38)
- Mit der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen sollte auch die Verpflichtung des Schuldners zur Beantragung — oder die Eröffnung auf Antrag eines Gläubigers — eines Insolvenzverfahrens, das zur Liquidation des Schuldners führen könnte, ausgesetzt werden. Solche Insolvenzverfahren sollten zusätzlich zu denen, die gesetzlich als einzig mögliche Folge die Liquidation des Schuldners haben können, auch Verfahren umfassen, die zu einer Restrukturierung des Schuldners führen könnten. Die Aussetzung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag von Gläubigern sollte nicht nur in den Fällen gelten, in denen Mitgliedstaaten eine allgemeine, alle Gläubiger umfassende Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen vorsehen, sondern auch in den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen für nur eine begrenzte Zahl an Gläubigern vorsehen. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten in der Lage sein zu bestimmen, das Insolvenzverfahren auf Antrag von Behörden, die nicht als Gläubiger auftreten, sondern im allgemeinen Interesse handeln — zum Beispiel einer Staatsanwaltschaft -eröffnet werden können.
- (39)
- Diese Richtlinie sollte Schuldner nicht daran hindern, Forderungen von nicht betroffenen Gläubigern und während der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen entstehende Forderungen betroffener Gläubiger im normalen Geschäftsgang zu erfüllen. Um sicherzustellen, dass Gläubiger mit Forderungen, die vor der Eröffnung eines Restrukturierungsverfahrens oder vor einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen entstanden sind, den Schuldner nicht zur Begleichung dieser Forderungen drängen, die ansonsten durch die Umsetzung des Restrukturierungsplans gekürzt würden, sollten die Mitgliedstaaten eine Aussetzung der Verpflichtung des Schuldners in Bezug auf Zahlungen auf diese Forderungen vorsehen können.
- (40)
- Wenn gegen einen Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, können einige Lieferanten über in sogenannten Ipso-facto-Klauseln festgelegte vertragliche Rechte verfügen, die es ihnen gestatten, den Liefervertrag allein wegen der Insolvenz zu kündigen, selbst wenn der Schuldner seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hat. Ipso-facto-Klauseln könnten auch dann ausgelöst werden, wenn ein Schuldner präventive Restrukturierungsmaßnahmen beantragt. Werden solche Klauseln geltend gemacht, wenn der Schuldner lediglich über einen Restrukturierungsplan verhandelt oder eine Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen beantragt oder werden sie in Verbindung mit einem mit der Aussetzung zusammenhängenden Ereignis geltend gemacht, kann sich eine vorzeitige Kündigung negativ auf das Unternehmen des Schuldners und die erfolgreiche Rettung des Unternehmens auswirken. Daher muss für solche Fälle vorgesehen werden, dass die Gläubiger Ipso-facto-Klauseln nicht geltend machen dürfen, die an Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan, an eine Aussetzung oder an mit der Aussetzung zusammenhängende Ereignisse anknüpfen.
- (41)
- Eine vorzeitige Kündigung kann die Fähigkeit des Unternehmens gefährden, seinen Betrieb während der Restrukturierungsverhandlungen fortzuführen, insbesondere wenn die Kündigung Verträge über wesentliche Lieferungen wie Gas, Strom, Wasser, Telekommunikation und Kartenzahlungsdienste betrifft. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen, dass Gläubiger, für die die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gilt und deren Forderungen vor der Aussetzung entstanden sind und vom Schuldner noch nicht bezahlt wurden, nicht berechtigt sind, während der Aussetzung Leistungen aus wesentlichen noch zu erfüllenden Verträgen zu verweigern oder diese Verträge zu kündigen, vorzeitig fällig zu stellen oder in sonstiger Weise zu ändern, sofern der Schuldner seinen Verpflichtungen aus diesen Verträgen, die während der Aussetzung fällig werden, weiterhin nachkommt. Zu erfüllende Verträge sind beispielsweise Miet- und Lizenzverträge, langfristige Lieferverträge und Franchiseverträge.
- (42)
- Diese Richtlinie legt Mindestnormen für den Inhalt eines Restrukturierungsplans fest. Jedoch sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, zusätzliche Erläuterungen im Restrukturierungsplan vorzuschreiben, zum Beispiel hinsichtlich der Kriterien, anhand derer die Gläubiger gruppiert wurden, was im Falle von nur teilweise besicherten Schulden von Bedeutung sein kann. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet werden, ein Expertengutachten über den Wert der Vermögenswerte zu verlangen, der im Plan angegeben werden muss.
- (43)
- Die von einem Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger, einschließlich der Arbeitnehmer, und — wenn nach nationalem Recht zulässig — die Anteilsinhaber sollten das Recht haben, über die Annahme eines Restrukturierungsplans abzustimmen. Die Mitgliedstaaten sollten begrenzte Ausnahmen von dieser Regel vorsehen können. Die von dem Restrukturierungsplan nicht betroffenen Parteien sollten weder Stimmrechte in Bezug auf den Plan haben, noch sollte ihre Unterstützung für die Annahme eines Plans erforderlich sein. Der Begriff der betroffenen Parteien sollte Arbeitnehmer nur in ihrer Eigenschaft als Gläubiger einschließen. Wenn Mitgliedstaaten beschließen, die Forderungen von Arbeitnehmern vom präventiven Restrukturierungsrahmen auszunehmen, sollten Arbeitnehmer daher nicht als betroffene Parteien betrachtet werden. Die Abstimmung über die Annahme eines Restrukturierungsplans könnte in Form eines förmlichen Abstimmungsverfahrens oder einer Konsultation und des Abschlusses einer Vereinbarung mit einer erforderlichen Mehrheit der betroffenen Parteien durchgeführt werden. Wenn die Abstimmung in Form einer Vereinbarung mit der erforderlichen Mehrheit durchgeführt wird, könnten die betroffenen Parteien, die an der Zustimmung nicht beteiligt waren, dennoch die Möglichkeit erhalten, sich dem Restrukturierungsplan anzuschließen.
- (44)
- Um zu gewährleisten, dass im Wesentlichen ähnliche Rechte fair behandelt werden und dass Restrukturierungspläne angenommen werden können, ohne die Rechte betroffener Parteien in unangemessener Weise zu beeinträchtigen, sollten die betroffenen Parteien in unterschiedlichen Klassen behandelt werden, die den Kriterien für die Klassenbildung nach nationalem Recht entsprechen. Klassenbildung bedeutet die Gruppierung der betroffenen Parteien mit dem Zweck, einen Plan in der Weise anzunehmen, dass ihre Rechte und der Rang ihrer Forderungen beziehungsweise Beteiligungen zum Tragen kommen. Zumindest gesicherte und ungesicherte Gläubiger sollten stets in unterschiedlichen Klassen behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch vorschreiben können, dass mehr als zwei Klassen von Gläubigern gebildet werden, einschließlich verschiedener Klassen ungesicherter und gesicherter Gläubiger und Klassen von Gläubigern mit nachrangigen Forderungen. Die Mitgliedstaaten sollten auch gesonderte Klassen für andere Arten von Gläubigern ohne ausreichende gemeinsame Interessen schaffen können, wie Steuerbehörden oder Sozialversicherungsträger. Die Mitgliedstaaten sollten vorschreiben können, dass gesicherte Forderungen auf der Grundlage einer Bewertung der Sicherheiten in gesicherte und ungesicherte Teile unterteilen werden können. Die Mitgliedstaaten sollten auch besondere Vorschriften festlegen können, mit denen eine Klassenbildung unterstützt wird, wenn Gläubiger, die wie Arbeitnehmer oder kleine Lieferanten ihre Engagements nicht diversifizieren können oder aus anderen Gründen besonders schutzbedürftig sind, von der Klassenbildung profitieren würden.
- (45)
- Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, aufgrund ihrer relativ einfachen Kapitalstruktur von der Verpflichtung zur Behandlung von betroffenen Parteien in unterschiedlichen Klassen ausgenommen werden können. In Fällen, in denen KMU sich dafür entschieden haben, nur eine Abstimmungsklasse zu bilden und diese Klasse gegen den Plan stimmt, sollten die Schuldner im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen dieser Richtlinie die Möglichkeit haben, einen anderen Plan vorzulegen.
- (46)
- Die Mitgliedstaaten sollten auf jeden Fall gewährleisten, dass Fragen, die für die Klassenbildung von besonderer Bedeutung sind, zum Beispiel Forderungen verbundener Parteien, in geeigneter Weise in ihrem nationalen Recht behandelt werden, und das ihr nationales Recht Vorschriften enthält, die sich mit Eventualforderungen und streitigen Forderungen befassen. Den Mitgliedstaaten sollte gestattet sein, zu regeln, wie streitige Forderungen im Hinblick auf die Zuteilung von Stimmrechten zu behandeln sind. Die Justiz- oder Verwaltungsbehörde sollte die Klassenbildung — einschließlich der Auswahl der vom Plan betroffenen Gläubiger — prüfen, wenn ein Restrukturierungsplan zur Bestätigung vorgelegt wird. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch vorsehen können, dass eine solche Behörde die Klassenbildung auch zu einem früheren Zeitpunkt prüfen kann, falls derjenige, der den Plan vorschlägt, vorab um eine Validierung oder um Orientierungshilfen ersucht.
- (47)
- Die erforderlichen Mehrheiten sollten im nationalen Recht festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass nicht eine Minderheit betroffener Parteien in jeder Klasse die Annahme eines Restrukturierungsplans, der ihre Rechte und Interessen nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt, vereiteln kann. Ohne das Mehrheitsprinzip, das ablehnende gesicherte Gläubiger bindet, wäre eine frühzeitige Restrukturierung in vielen Fällen nicht möglich, zum Beispiel, wenn eine finanzielle Restrukturierung notwendig, das Unternehmen im Übrigen aber bestandsfähig ist. Um sicherzustellen, dass die Parteien in dem Maße Einfluss auf die Annahme von Restrukturierungsplänen haben, in dem sie an dem Unternehmen beteiligt sind, sollte die erforderliche Mehrheit auf dem Betrag der Forderungen der Gläubiger beziehungsweise der Beteiligungen der Anteilsinhaber in jeder Klasse beruhen. Die Mitgliedstaaten sollten darüber hinaus vorschreiben können, dass bezogen auf die Anzahl der betroffenen Parteien in jeder Klasse eine Mehrheit erreicht werden muss. Die Mitgliedstaaten sollten Vorschriften hinsichtlich betroffener Parteien mit Stimmrecht, die dieses Recht nicht auf korrekte Art und Weise ausüben oder nicht vertreten sind, erlassen können und zum Beispiel festlegen können, dass diese betroffenen Parteien zur Erreichung einer Beteiligungsschwelle oder zur Berechnung einer Mehrheit miteinbezogen werden. Die Mitgliedstaaten sollten auch eine Beteiligungsschwelle für die Abstimmung festlegen können.
- (48)
- Die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Kürzung der Forderungen der Gläubiger beziehungsweise der Beteiligungen der Anteilsinhaber in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Restrukturierung verbundenen Vorteilen steht und dass die Gläubiger und die Anteilsinhaber Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf haben. Die Bestätigung ist besonders dann notwendig, wenn es ablehnende betroffene Parteien gibt, wenn der Restrukturierungsplan Bestimmungen zu neuer Finanzierung enthält oder wenn der Plan zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führt. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch festlegen können, dass die Bestätigung durch eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde auch in anderen Fällen notwendig ist. Eine Bestätigung eines Plans, der zum Verlust von mehr als 25 % der Arbeitsplätze führt, sollte nur dann erforderlich sein, wenn es nach nationalem Recht zulässig ist, dass präventive Restrukturierungsrahmen Maßnahmen mit unmittelbaren Auswirkungen auf Arbeitsverträge vorsehen.
- (49)
- Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde einen Plan zurückweisen kann, wenn feststeht, dass dieser die Rechte ablehnender Gläubiger oder Anteilsinhaber so stark mindert, dass sie entweder weniger erhalten würden, als sie nach vernünftigem Ermessen im Falle der Liquidation des Unternehmens des Schuldners — unabhängig davon, ob diese stückweise oder in Form eines Verkaufs des Unternehmens als Ganzes erfolgen würde, je nach den besonderen Umständen des einzelnen Schuldners — erwarten könnten, oder weniger als sie nach vernünftigem Ermessen im Falle des nächstbesten Alternativszenarios — wenn der Restrukturierungsplan nicht bestätigt würde — erwarten konnten. Wenn jedoch der Restrukturierungsplan im Wege eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt wird, sollte auf den in einem solchen Szenario anzuwendenden Schutzmechanismus verwiesen werden. Haben sich Mitgliedstaaten für die Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen entschieden, sollte der Wert des Unternehmens des Schuldners — anders als beim Liquidationswert — längerfristig betrachtet werden. Der Wert des fortgeführten Unternehmens ist in der Regel höher als der Liquidationswert, da er auf der Annahme beruht, dass das Unternehmen seine Tätigkeit mit der geringstmöglichen Störung fortsetzt, das Vertrauen der finanziellen Gläubiger, Aktionäre und Kunden genießt, weiter Einnahmen erzielt und die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer begrenzt.
- (50)
- Obwohl die Erfüllung des Kriteriums des Gläubigerinteresses nur im Falle einer diesbezüglichen Beanstandung des Restrukturierungsplans von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde geprüft werden sollte, um zu vermeiden, dass in jedem Fall eine Bewertung erfolgt, sollten die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass andere Bedingungen für die Bestätigung von Amts wegen geprüft werden können. Die Mitgliedstaaten sollten andere Bedingungen hinzufügen können, die für die Bestätigung eines Restrukturierungsplans erfüllt werden müssen, zum Beispiel, dass Anteilsinhaber angemessen geschützt sind. Die Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten die Bestätigung von Restrukturierungsplänen ablehnen können, wenn keine vernünftige Aussicht besteht, dass diese die Insolvenz des Schuldners verhindern oder die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würden. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht sicherstellen müssen, dass eine solche Überprüfung von Amts wegen geschieht.
- (51)
- Die Übermittlung an alle betroffenen Parteien sollte eine der Bedingungen für die Bestätigung eines Restrukturierungsplans sein. Die Mitgliedstaaten sollten die Form und den Zeitpunkt der Übermittlung sowie Bestimmungen für die Behandlung unbekannter Forderungen im Hinblick auf die Übermittlung festlegen können. Sie sollten auch vorsehen können, dass nicht betroffene Parteien über den Restrukturierungsplan informiert werden müssen.
- (52)
- Die positive Bewertung des „Kriteriums des Gläubigerinteresses” sollte so verstanden werden, dass kein ablehnender Gläubiger nach dem Restrukturierungsplan schlechter gestellt wird als entweder im Falle der Liquidation, unabhängig davon, ob diese stückweise oder in Form eines Verkaufs des Unternehmens als Ganzen erfolgt, oder im Falle des nächstbesten Alternativszenarios, sollte der Restrukturierungsplan nicht bestätigt werden. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Umsetzung des Kriteriums des Gläubigerinteresses im nationalen Recht eine dieser Bedingungen auswählen können. Dieses Kriterium sollte immer dann angewandt werden, wenn ein Plan bestätigt werden muss, um für ablehnende Gläubiger oder gegebenenfalls ablehnende Gläubigerklassen verbindlich zu sein. Infolge des Kriteriums des Gläubigerinteresses könnten die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Plan keinen vollständigen oder teilweisen Erlass der ausstehenden Forderungen von öffentlichen institutionellen Gläubigern, die nach nationalem Recht einen privilegierten Status genießen, vorschreiben.
- (53)
- Zwar sollte ein Restrukturierungsplan stets angenommen werden, wenn er von der erforderlichen Mehrheit in jeder betroffenen Klasse unterstützt wird, jedoch sollte ein Restrukturierungsplan, der nicht von der erforderlichen Mehrheit in jeder betroffenen Klasse unterstützt wird, immer noch auf Vorschlag eines Schuldners oder mit Zustimmung des Schuldners von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden können. Handelt es sich um eine juristische Person, sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, ob zum Zwecke der Annahme oder Bestätigung eines Restrukturierungsplans unter dem Schuldner das vertretungsberechtigte Organ der juristischen Person oder eine bestimmte Mehrheit der Aktionäre oder Anteilsinhaber gelten soll. Damit der Plan im Falle eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigt wird, sollte er von einer Mehrheit der Abstimmungsklassen betroffener Parteien unterstützt werden. Mindestens eine dieser Klassen sollte eine Klasse gesicherter Gläubiger sein oder gegenüber der Klasse gewöhnlicher ungesicherter Gläubiger vorrangig sein.
- (54)
- Es sollte möglich sein, dass, wenn eine Mehrheit der Abstimmungsklassen den Restrukturierungsplan nicht unterstützt, der Plan dennoch bestätigt werden kann, sofern er von zumindest einer der betroffenen oder beeinträchtigten Klassen von Gläubigern unterstützt wird, die im Falle einer Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten nach nationalem Recht eine Zahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten würde oder, wenn im nationalen Recht vorgesehen, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie eine Zahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten würde. Im diesem Fall sollten die Mitgliedstaaten die Anzahl der Klassen, die für eine Genehmigung des Plans benötigt werden, erhöhen können, ohne notwendigerweise vorzuschreiben, dass all diese Klassen bei einer Bewertung des Schuldners als fortgeführtes Unternehmen nach nationalem Recht eine Auszahlung erhalten oder eine Beteiligung behalten. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht die Zustimmung aller Klassen vorschreiben. Entsprechend sollte in Fällen mit nur zwei Klassen von Gläubigern die Zustimmung von zumindest einer Klasse als ausreichend angesehen werden, wenn die anderen Voraussetzungen für die Anwendung eines klassenübergreifenden Cram-downs erfüllt sind. Als Beeinträchtigung von Gläubigern sollte eine Kürzung ihrer Forderungen gelten.
- (55)
- Bei einem klassenübergreifenden Cram-down sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ablehnende Klassen betroffener Gläubiger nach dem vorgeschlagenen Plan nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt werden und die Mitgliedstaaten sollten für hinreichenden Schutz solcher ablehnender Klassen sorgen. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, eine ablehnende Klasse betroffener Gläubiger zu schützen, indem sie sicherstellen, dass diese mindestens ebenso günstig wie andere gleichrangige Klassen und günstiger als alle nachrangigeren Klassen gestellt werden. Alternativ könnten die Mitgliedstaaten eine ablehnende Klasse betroffener Gläubiger schützen, indem sie sicherstellen, dass eine solche ablehnende Klasse in vollem Umfang befriedigt wird, wenn eine nachrangige Klasse nach dem Restrukturierungsplan eine Auszahlung erhält oder eine Beteiligung behält (im Folgenden „Regel des absoluten Vorrangs” ). Bei der Umsetzung des Konzepts der „vollumfänglichen Befriedigung” sollten die Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum haben, auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Zahlung, solange die Hauptforderung und, im Falle von gesicherten Gläubigern, der Wert der Sicherheit geschützt sind. Die Mitgliedstaaten sollten auch entscheiden können, wie die vollumfängliche Befriedigung der ursprünglichen Forderung in gleichwertiger Weise gestaltet werden kann.
- (56)
- Die Mitgliedstaaten sollten von der Regel des absoluten Vorrangs abweichen können, zum Beispiel, wenn es als angemessen erachtet wird, dass Anteilsinhaber nach dem Plan bestimmte Beteiligungen behalten, obwohl eine vorrangige Klasse eine Verringerung ihrer Forderungen in Kauf nehmen muss, oder dass Lieferanten von wesentlichen Versorgungsgütern, die unter die Bestimmungen über die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen fallen, vor vorrangigen Gläubigerklassen bezahlt werden. Die Mitgliedstaaten sollten zwischen den oben genannten Schutzmechanismen wählen können.
- (57)
- Zwar sollten die berechtigten Interessen der Aktionäre und anderen Anteilsinhaber geschützt werden, die Mitgliedstaaten sollten jedoch sicherstellen, dass sie nicht grundlos die Annahme von Restrukturierungsplänen verhindern können, die den Schuldner in die Bestandsfähigkeit zurückführen würden. Die Mitgliedstaaten sollten dies mit verschiedenen Mitteln erreichen können, beispielsweise indem sie Anteilsinhabern nicht das Recht gewähren, über einen Restrukturierungsplan abzustimmen und die Annahme eines Restrukturierungsplans nicht von der Zustimmung der Anteilsinhaber abhängig machen, die im Falle einer Bewertung des Unternehmens bei Anwendung der normalen Rangfolge der Liquidationsprioritäten keine Zahlung oder sonstige Gegenleistung erhalten würden. Wenn Anteilsinhaber jedoch das Recht haben, über einen Restrukturierungsplan abzustimmen, sollte eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde den Plan trotz der Ablehnung durch eine oder mehrere Klassen von Anteilsinhabern durch Anwendung der Regeln eines klassenübergreifenden Cram-downs bestätigen können. Mitgliedstaaten, die Anteilsinhaber von der Abstimmung ausschließen, sollten die Regel des absoluten Vorrangs im Verhältnis zwischen Gläubigern und Anteilsinhabern nicht anwenden müssen. Eine weitere Möglichkeit, um sicherzustellen, dass Anteilsinhaber nicht grundlos die Annahme von Restrukturierungsplänen verhindern, wäre sicherzustellen, dass Restrukturierungsmaßnahmen, die sich unmittelbar auf die Rechte der Anteilsinhaber auswirken und nach dem Gesellschaftsrecht durch eine Anteilsinhaberversammlung bestätigt werden müssen, keine unangemessen hohen Mehrheiten benötigen und dass Anteilsinhaber keine Zuständigkeit bei Restrukturierungsmaßnahmen haben, die sich nicht unmittelbar auf ihre Rechte auswirken.
- (58)
- Mehrere Klassen von Anteilsinhabern können erforderlich sein, wenn unterschiedliche Beteiligungen mit unterschiedlichen Rechten vorliegen. Für Anteilsinhaber von KMU, bei denen es sich nicht um reine Anleger, sondern um die Inhaber der Unternehmen handelt, die auch auf andere Weise, etwa mit Managementerfahrung, einen Beitrag zum Unternehmen leisten, besteht möglicherweise kein Anreiz, unter diesen Bedingungen eine Restrukturierung vorzunehmen. Der klassenübergreifende Cram-down sollte deshalb für Schuldner, bei denen es sich um KMU handelt, fakultativ bleiben.
- (59)
- Zur Umsetzung des Restrukturierungsplans sollten die Anteilsinhaber von KMU die Möglichkeit haben, mit Sachleistungen zur Restrukturierung beizutragen, indem sie beispielsweise auf ihre Erfahrung, ihren guten Ruf oder ihre Geschäftsbeziehungen zurückgreifen.
- (60)
- Arbeitnehmer sollten während der gesamten Dauer der präventiven Restrukturierungsverfahren den vollen arbeitsrechtlichen Schutz genießen. Insbesondere sollte diese Richtlinie die Arbeitnehmerrechte unberührt lassen, die durch die Richtlinien 98/59/EG(12) und 2001/23/EG des Rates(13) und die Richtlinien 2002/14/EG(14), 2008/94/EG(15) und 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(16) garantiert werden. Die Verpflichtungen zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer nach den zur Umsetzung der Richtlinien erlassenen nationalen Rechtsvorschriften werden in keiner Weise berührt. Dies schließt auch Verpflichtungen mit ein, die Arbeitnehmervertreter gemäß der Richtlinie 2002/14/EG die Arbeitnehmervertreter über den Beschluss, ein präventives Restrukturierungsverfahren in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten und anzuhören.
- (61)
- Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter sollten Informationen zu dem vorgeschlagenen Restrukturierungsplan erhalten, soweit dies im Unionsrecht vorgesehen ist, damit sie die verschiedenen Szenarien eingehend prüfen können. Darüber hinaus sollten Arbeitnehmer und ihre Vertreter in dem Maße einbezogen werden, wie dies zur Erfüllung der im Unionsrecht vorgesehenen Anhörungserfordernisse notwendig ist. Angesichts der Notwendigkeit, ein angemessenes Schutzniveau für Arbeitnehmer zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, nicht erfüllte Forderungen der Arbeitnehmer von einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen auszunehmen, und zwar unabhängig davon, ob diese Forderungen vor oder nach Gewährung der Aussetzung entstanden sind. Eine Aussetzung der Vollstreckung nicht erfüllter Forderungen der Arbeitnehmer sollte nur für die Beträge und für den Zeitraum gestattet sein, für die die Erfüllung dieser Forderungen in vergleichbarer Höhe nach nationalem Recht auf andere Weise wirksam garantiert ist. Wenn die Haftung von Garantieeinrichtungen nach nationalem Recht in Bezug auf die Laufzeit der Garantie oder den den Arbeitnehmern gezahlten Betrag beschränkt ist, sollten die Arbeitnehmer ihre Forderungen wegen mangelnder Erfüllung auch während der Aussetzung der Vollstreckung gegen den Arbeitgeber vollstrecken können. Alternativ sollten die Mitgliedstaaten die Forderungen der Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich des präventiven Restrukturierungsrahmens ausnehmen und ihren Schutz im nationalen Recht vorsehen können.
- (62)
- Wenn ein Restrukturierungsplan den Übergang eines Unternehmens- oder Betriebsteils zur Folge hat, sollten die Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis, insbesondere der Anspruch auf Lohn, im Einklang mit den Artikeln 3 und 4 der Richtlinie 2001/23/EG gewahrt werden, unbeschadet der besonderen Vorschriften für den Fall eines Insolvenzverfahrens nach Artikel 5 der genannten Richtlinie und insbesondere der in Artikel 5 Absatz 2 der genannten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten. Diese Richtlinie sollte unbeschadet der in der Richtlinie 2002/14/EG garantierten Rechte auf Unterrichtung und Anhörung — unter anderem in Bezug auf Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können — mit dem Ziel einer Einigung über diese Entscheidungen gelten. Ferner sollten Arbeitnehmer, deren Forderungen von dem Restrukturierungsplan betroffen sind, nach der vorliegenden Richtlinie das Recht haben, über einen Plan abzustimmen. Für die Zwecke der Abstimmung über den Restrukturierungsplan sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, Arbeiternehmer getrennt von anderen Gläubigern in eine eigene Klasse zu gruppieren.
- (63)
- Die Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten nur dann über die Ermittlung des Wertes eines Unternehmens — entweder in der Liquidation oder im nächstbesten Alternativszenario wenn der Restrukturierungsplan nicht bestätigt wurde — entscheiden, wenn eine ablehnende betroffene Partei den Restrukturierungsplan beanstandet. Dies sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Bewertungen in einem anderen Zusammenhang nach nationalem Recht durchzuführen. Es sollte jedoch möglich sein, dass eine solche Entscheidung auch darin besteht, dass eine durch einen Experten vorgenommene Bewertung oder eine Bewertung, die in einem früheren Stadium des Prozesses durch den Schuldner oder eine andere Partei vorgelegt wurde, gebilligt wird. Wird die Entscheidung getroffen, eine Bewertung durchzuführen, sollten die Mitgliedstaaten für eine Bewertung in Restrukturierungsfällen eigene, vom allgemeinen Zivilprozessrecht getrennte Ausnahmeregelungen vorsehen können, um eine zügige Durchführung zu gewährleisten. Die nationalen Vorschriften zur Beweislast im Falle einer Bewertung sollten von dieser Richtlinie nicht berührt werden.
- (64)
- Die verbindliche Wirkung eines Restrukturierungsplans sollte auf die betroffenen Parteien beschränkt sein, die an der Annahme des Plans beteiligt waren. Die Mitgliedstaaten sollten festlegen können, was unter der Beteiligung eines Gläubigers zu verstehen ist, einschließlich im Falle von unbekannten Gläubigern oder Gläubigern von zukünftigen Forderungen. Zum Beispiel sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können, wie mit Gläubigern umzugehen ist, denen der Plan ordnungsgemäß übermittelt wurde, die aber nicht an den Verfahren beteiligt waren.
- (65)
- Betroffene Parteien sollten die Möglichkeit haben, einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Verwaltungsbehörde einzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten zudem eine Möglichkeit schaffen können, einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans durch eine Justizbehörde einzulegen. Um die Wirksamkeit des Plans zu gewährleisten, die Unsicherheit zu verringern und ungerechtfertigte Verzögerungen zu vermeiden, sollten Rechtsbehelfe jedoch in der Regel in Bezug auf die Umsetzung des Restrukturierungsplans keine aufschiebende Wirkung haben. Die Mitgliedstaaten sollten die Gründe für die Einlegung von Rechtsbehelfen bestimmen oder beschränken können. Bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung zur Bestätigung eines Plans sollten die Mitgliedstaaten der Justizbehörde gestatten können, eine vorläufige Entscheidung oder eine einstweilige Verfügung zu erlassen, die die Ausführung und Umsetzung des Plans für den Fall eines Erfolgs des anhängigen Rechtsmittels absichert. Ist ein Rechtsmittel erfolgreich, sollten die Justiz- und Verwaltungsbehörden als Alternative zur Aufhebung des Plans die Abänderung des Plans- falls die Mitgliedstaaten eine solche Möglichkeit vorsehen — und Bestätigung des Plans ohne Abänderungen in Erwägung ziehen können. Die Parteien sollten Abänderungen an dem Plan vorschlagen oder über sie abstimmen können, sei es auf ihre Eigeninitiative oder auf Aufforderung der Justizbehörde. Die Mitgliedstaaten könnten auch Bestimmungen vorsehen, laut derer die Partei, deren Rechtsmittel erfolgreich war, für finanzielle Verluste entschädigt wird. Dem nationalen Recht sollte die Möglichkeit verbleiben, zu regeln, wie mit einer möglichen neuen Aussetzung oder einer Verlängerung der Aussetzung umgegangen wird, falls die Justizbehörde entscheidet, dass das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat.
- (66)
- Der Erfolg eines Restrukturierungsplans hängt häufig davon ab, ob dem Schuldner finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt wird, um erstens den Betrieb des Unternehmens während der Restrukturierungsverhandlungen und zweitens die Umsetzung des Restrukturierungsplans nach dessen Bestätigung zu unterstützen. Finanzielle Hilfe sollte im weiteren Sinne verstanden werden und Folgendes miteinschließen: Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren, Vorräten, Rohstoffen und Versorgungsdienstleistungen, zum Beispiel dadurch, dass dem Schuldner ein längerer Rückzahlungszeitraum gewährt wird. Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen sollten daher von Insolvenzanfechtungsklagen ausgenommen werden, die zum Ziel haben, solche Finanzierungen in späteren Insolvenzverfahren als die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlungen für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar zu erklären.
- (67)
- Nationale Insolvenzvorschriften, die Insolvenzanfechtungsklagen für Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen vorsehen oder nach denen neue Kreditgeber mit zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Sanktionen belegt werden können, weil sie Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten Kredit gewähren, könnten die Verfügbarkeit der für die erfolgreiche Aushandlung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans erforderlichen Finanzierung gefährden. Diese Richtlinie sollte nicht andere Gründe dafür berühren, neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar zu erklären, oder dafür, eine zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Haftung für Anbieter solcher Finanzierungen zu begründen, wie im nationalen Recht festgelegt. Mögliche andere Gründe sind unter anderem Betrug, Bösgläubigkeit, eine bestimmte Art von Beziehung zwischen den Parteien, die mit Interessenkonflikten verbunden sein können, wie zum Beispiel bei Transaktionen zwischen nahestehenden Parteien oder zwischen Anteilsinhabern und dem Unternehmen oder bei Transaktionen, bei denen eine Partei einen Wert oder Sicherheiten erhalten hat, welche er zum Zeitpunkt der Transaktion oder in der Art, wie sie durchgeführt wurde, nicht zu beanspruchen hatte.
- (68)
- Bei der Gewährung einer Zwischenfinanzierung wissen die Parteien nicht, ob der Restrukturierungsplan schließlich bestätigt wird oder nicht. Daher sollten die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein, den Schutz von Zwischenfinanzierungen auf die Fälle zu beschränken, in denen der Plan von den Gläubigern angenommen oder von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wird. Zur Vermeidung möglichen Missbrauchs sollten nur Finanzierungen geschützt werden, die für die Fortsetzung des Betriebs oder das Überleben des Unternehmens des Schuldners oder für die Erhaltung oder Steigerung des Wertes dieses Unternehmens bis zur Bestätigung des Plans nach vernünftigem Ermessen unverzüglich erforderlich sind. Des Weiteren sollte diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran hindern einen Ex-ante-Kontrollmechanismus für Zwischenfinanzierungen einzuführen. Die Mitgliedstaaten sollten den Schutz neuer Finanzierungen auf Fälle beschränken können, in denen der Plan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde, und den Schutz von Zwischenfinanzierungen auf Fälle, in denen diese einer Ex-ante-Kontrolle unterzogen wurden. Ein Ex-ante-Kontrollmechanismus für Zwischenfinanzierungen oder andere Transaktionen sollte von einem Restrukturierungsbeauftragten, einem Gläubigerausschuss oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde angewandt werden. Schutz vor Insolvenzanfechtungsklagen und Schutz vor persönlicher Haftung sind Mindestgarantien, die für Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen gewährt werden sollten. Wenn neue Kreditgeber ermutigt werden sollen, das erhöhte Risiko einzugehen, das mit einer Investition in einen rentablen Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten verbunden ist, sind jedoch möglicherweise weitere Anreize notwendig, zum Beispiel ein Vorrang solcher Finanzierungen zumindest gegenüber ungesicherten Forderungen in späteren Insolvenzverfahren.
- (69)
- Zur Förderung einer Kultur, in der die präventive Restrukturierung frühzeitig in Anspruch genommen wird, ist es wünschenswert, dass auch Transaktionen, die für die Verhandlung oder Umsetzung eines Restrukturierungsplans angemessen und unverzüglich notwendig sind, in späteren Insolvenzverfahren Schutz vor Insolvenzanfechtungsklagen erhalten. Justiz- oder Verwaltungsbehörden sollten bei der Feststellung der Angemessenheit und unverzüglichen Notwendigkeit von Kosten und Gebühren beispielsweise Prognosen und Kostenschätzungen berücksichtigen können, die den betroffenen Parteien, einem Gläubigerausschuss, einem Restrukturierungsbeauftragten oder den Justiz- oder Verwaltungsbehörden selbst übermittelt wurden. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten auch von den Schuldnern verlangen können, sachdienliche Schätzungen bereitzustellen und zu aktualisieren. Ein solcher Schutz sollte die Sicherheit bei Transaktionen mit Unternehmen, die sich bekanntermaßen in finanziellen Schwierigkeiten befinden, erhöhen und Gläubigern und Anlegern die Angst nehmen, dass diese Transaktionen alle für nichtig erklärt werden könnten, falls die Restrukturierung misslingt. Die Mitgliedstaaten sollten einen Zeitpunkt vor der Eröffnung eines präventiven Restrukturierungsverfahrens und der Gewährung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen vorsehen können, ab dem die Gebühren und Kosten für die Aushandlung, Annahme oder Bestätigung des Restrukturierungsplans oder die Inanspruchnahme professioneller Hilfe für den Restrukturierungsplan vor Insolvenzanfechtungsklagen geschützt sind. Im Falle anderer Zahlungen und Auslagen und des Schutzes der Zahlung von Arbeitnehmerlöhnen könnte ein solcher Zeitpunkt auch die Gewährung der Aussetzung oder die Eröffnung des präventiven Restrukturierungsverfahrens sein.
- (70)
- Um die präventive Restrukturierung weiter zu fördern, muss gewährleistet sein, dass Unternehmensleitungen nicht davon abgehalten werden, vertretbare Geschäftsentscheidungen zu treffen oder vertretbare wirtschaftliche Risiken einzugehen, vor allem wenn dies die Aussichten auf eine Restrukturierung potenziell bestandsfähiger Unternehmen verbessert. Wenn ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, sollte die Unternehmensleitung Schritte einleiten, um Verluste möglichst gering zu halten und eine Insolvenz abzuwenden, wie zum Beispiel: Inanspruchnahme professioneller Beratung unter anderem zu Restrukturierung und Insolvenz, etwa durch Nutzung von Frühwarnsystemen, soweit vorhanden; Schutz der Vermögenswerte des Unternehmens, um einen möglichst hohen Wert zu sichern und den Verlust wesentlicher Vermögenswerte zu verhindern; Analyse der Struktur und der Funktionen des Unternehmens, um die Bestandsfähigkeit zu prüfen und die Ausgaben zu senken; keine Vornahme der Arten von Transaktionen für das Unternehmen, die Gegenstand einer Insolvenzanfechtungsklage werden könnten, es sei denn, es gibt einen triftigen wirtschaftlichen Grund dafür; Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, wenn dies unter den gegebenen Umständen sinnvoll ist, um einen möglichst hohen Wert als fortgeführtes Unternehmen zu sichern; Führung von Verhandlungen mit den Gläubigern und Einleitung präventiver Restrukturierungsverfahren.
- (71)
- Wenn dem Schuldner die Insolvenz droht, kommt es auch darauf an, die berechtigten Interessen der Gläubiger vor Managemententscheidungen zu schützen, die sich auf die Zusammensetzung des Schuldnervermögens auswirken können, insbesondere wenn diese Entscheidungen eine weitere Wertminderung des Vermögens bewirken könnten, das für Restrukturierungsmaßnahmen oder für die Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung steht. Es ist daher notwendig, sicherzustellen, dass die Unternehmensleitung es unter diesen Umständen vermeidet, vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen vorzunehmen, die auf Kosten der Anteilsinhaber zu persönlichen Vorteilen führen, und vermeidet, Transaktionen unter Marktwert zuzustimmen oder Maßnahmen zu treffen, die eine unfaire Bevorzugung eines oder mehrerer Interessenträger zur Folge haben. Die Mitgliedstaaten sollten die entsprechenden Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie umsetzen können, indem sie sicherstellen, dass Justiz- oder Verwaltungsbehörden bei der Beurteilung, ob ein Mitglied der Unternehmensleitung für Verletzungen der Sorgfaltspflicht haftbar zu machen ist, die Bestimmungen dieser Richtlinie zu den Pflichten der Unternehmensleitung berücksichtigen. Diese Richtlinie zielt nicht darauf ab, eine Rangfolge zwischen den verschiedenen Parteien festzulegen, deren Interessen gebührend berücksichtigt werden müssen. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch in der Lage sein, eine solche Rangfolge festzulegen. Diese Richtlinie sollte die nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen unberührt lassen.
- (72)
- Unternehmer, die eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche selbstständige Tätigkeit ausüben, können Gefahr laufen, insolvent zu werden. Die je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Möglichkeiten für einen Neustart könnten einen Anreiz für überschuldete oder insolvente Unternehmer bieten, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen zu verlegen, in dem sie niedergelassen sind, um in den Genuss von kürzeren Entschuldungsfristen oder attraktiveren Bedingungen für eine Entschuldung zu kommen, was für die Gläubiger zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit und Mehrkosten bei der Beitreibung ihrer Forderungen führt. Zudem stellen die Auswirkungen einer Insolvenz, insbesondere das soziale Stigma, die rechtlichen Folgen — etwa das Verbot, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben — und die anhaltende Unfähigkeit zur Begleichung von Schulden, für Unternehmer, die ein Unternehmen gründen oder eine zweite Chance erhalten wollen, bedeutende Negativanreize dar, obwohl erwiesen ist, dass Unternehmer, die insolvent wurden, beim nächsten Mal bessere Aussichten auf Erfolg haben.
- (73)
- Daher sollten die negativen Auswirkungen von Überschuldung oder Insolvenz auf Unternehmerinsbesondere dadurch verringert werden, dass eine volle Entschuldung nach Ablauf einer bestimmten Frist ermöglicht und die Dauer von mit der Überschuldung oder Insolvenz eines Schuldners zusammenhängenden Tätigkeitsverboten begrenzt wird. Der Begriff der Insolvenz sollte im nationalen Recht festgelegt werden und auch als Überschuldung verstanden werden können. Der Begriff des Unternehmers im Sinne der vorliegenden Richtlinie sollte sich nicht auf Geschäftsführer oder Mitglieder einer Unternehmensleitung; diese sollten nach nationalem Recht behandelt werden. Die Mitgliedstaaten sollten entscheiden können, wie der Zugang zur Entschuldung erlangt werden kann, was die Möglichkeit einschließt, vom Schuldner einen Antrag auf Entschuldung zu verlangen.
- (74)
- Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit vorsehen können, die Tilgungspflicht insolventer Unternehmer anzupassen, wenn sich ihre finanzielle Situation erheblich verändert, sei es zum Besseren oder zum Schlechteren. Diese Richtlinie sollte nicht die Befürwortung des Tilgungsplans durch eine Mehrheit der Gläubiger verlangen. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass es Unternehmern nicht untersagt ist, während der Umsetzung des Tilgungsplans eine neue Tätigkeit in demselben oder in einem anderen Bereich aufzunehmen.
- (75)
- Eine Entschuldung sollte im Rahmen von Verfahren verfügbar sein, die einen Tilgungsplan, eine Verwertung von Vermögenswerten oder eine Kombination aus beidem umfassen. Bei der Umsetzung dieser Bestimmungen sollten die Mitgliedstaaten zwischen diesen Alternativen wählen können. Falls gemäß nationalem Recht mehrere zur Entschuldung führende Verfahren zur Verfügung stehen, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass zumindest bei einem dieser Verfahren die Möglichkeit für einen insolventen Unternehmer besteht, sich innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Jahren vollständig zu entschulden. Im Falle von Verfahren, bei denen eine Verwertung von Vermögenswerten und ein Tilgungsplan miteinander kombiniert werden, sollte die Entschuldungsfrist spätestens an dem Tag beginnen, zu dem der Tilgungsplan von einem Gericht bestätigt wird oder mit seiner Umsetzung begonnen wird, beispielsweise mit der ersten Zahlung gemäß dem Tilgungsplan; sie könnte aber auch früher beginnen, etwa zum Zeitpunkt der Entscheidung, das Verfahren zu eröffnen.
- (76)
- Bei Verfahren ohne Tilgungsplan sollte die Entschuldungsfrist spätestens am Tag der Entscheidung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde über die Eröffnung des Verfahrens oder am Tag der Bestimmung der Insolvenzmasse beginnen. Die Mitgliedstaaten sollten zum Zwecke der Berechnung der Entschuldungsfrist gemäß dieser Richtlinie vorsehen können, dass das Konzept der „Eröffnung des Verfahrens” keine vorläufigen Maßnahmen umfasst, wie etwa Erhaltungsmaßnahmen oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, es sei denn, solche Maßnahmen ermöglichen die Verwertung von Vermögenswerten, einschließlich der Veräußerung von Vermögenswerten und deren Verteilung an Gläubiger. Die Bestimmung der Insolvenzmasse sollte nicht unbedingt im Wege einer formellen Entscheidung oder Bestätigung einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde erfolgen müssen, wenn eine solche Entscheidung nicht gemäß den nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist, und könnte aus dem Einreichen der Auflistung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten bestehen.
- (77)
- Wenn der zu einer Entschuldung führende Verfahrensablauf die Verwertung der Vermögenswerte eines Unternehmers vorsieht, müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben vorzusehen, dass der Antrag auf Entschuldung getrennt von der Verwertung der Vermögenswerte behandelt wird, vorausgesetzt, ein solcher Antrag stellt einen wesentlichen Bestandteil des zur Entschuldung führenden Verfahrensablaufs gemäß der vorliegenden Richtlinie dar. Den Mitgliedstaaten sollte es möglich sein, über die nationalen Vorschriften zur Beweislast für die Wirksamkeit der Entschuldung zu entscheiden, das heißt, dass es möglich sein sollte, Unternehmer gesetzlich zu verpflichten, die Einhaltung ihrer Verpflichtungen nachzuweisen.
- (78)
- Eine volle Entschuldung oder ein Ende der Tätigkeitsverbote nach einer Frist von höchstens drei Jahren ist nicht in jedem Fall angemessen; daher könnten Ausnahmen von dieser Regel festgelegt werden müssen, die mit im nationalen Recht festgelegten Gründen ausreichend gerechtfertigt sind. Solche Ausnahmeregelungen sollten zum Beispiel für den Fall eingeführt werden, dass der Schuldner unredlich oder bösgläubig gehandelt hat. Wenn Unternehmer nach nationalem Recht nicht von einer Vermutung der Redlichkeit und des guten Glaubens profitieren, sollte ihnen eine Einleitung des Verfahrens aufgrund der Beweislast für ihre Redlichkeit und ihren guten Glauben nicht unnötig erschwert oder aufwendig gestaltet werden.
- (79)
- Bei der Prüfung, ob ein Unternehmer unredlich war, könnten die Justiz- oder Verwaltungsbehörden Umstände wie die folgenden berücksichtigen: Art und Umfang der Schulden, Zeitpunkt des Entstehens der Schuld, Anstrengungen des Unternehmers zur Begleichung der Schulden und zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, unter anderem im Zusammenhang mit öffentlichen Erlaubnissen und dem Erfordernis ordnungsgemäßer Buchführung, Handlungen seitens des Unternehmers zur Vereitelung einer Inanspruchnahme durch Gläubiger, die Erfüllung von Pflichten im Zusammenhang mit einer wahrscheinlichen Insolvenz, die den Unternehmenseignern als Mitgliedern der Geschäftsleitung obliegen, sowie die Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union und des nationalen Wettbewerbsrechts und des Arbeitsrechts der Union und des nationalen Arbeitsrechts. Es sollte auch möglich sein, Ausnahmeregelungen einzuführen, wenn der Unternehmer bestimmte rechtliche Verpflichtungen nicht erfüllt hat, unter anderem Verpflichtungen, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen, welche die Form einer allgemeinen Verpflichtung haben könnten, Einkommen oder Vermögenswerte zu erwirtschaften. Spezielle Ausnahmeregelungen sollten darüber hinaus festgelegt werden können, wenn sie notwendig sind, um einen Ausgleich zwischen den Rechten des Schuldners und den Rechten eines oder mehrerer Gläubiger zu gewährleisten, etwa wenn der Gläubiger eine natürliche Person ist, die größeren Schutzes bedarf als der Schuldner.
- (80)
- Eine Ausnahme könnte auch gerechtfertigt sein, wenn die Kosten des zu einer Entschuldung führenden Verfahrens, einschließlich der Gebühren für Justiz- und Verwaltungsbehörden sowie für Verwalter, nicht gedeckt sind. Die Mitgliedstaaten sollten bestimmen können, dass die Vorteile einer vollen Entschuldung zu widerrufen werden können, zum Beispiel, wenn sich die finanzielle Situation des Schuldners aufgrund unvorhergesehener Umstände, etwa eines Lotteriegewinns oder des Erhaltens eines Erbes oder einer Schenkung, wesentlich verbessert. Die Mitgliedstaaten sollten nicht daran gehindert werden, unter wohldefinierten Umständen und in ausreichend begründeten Fällen zusätzliche Ausnahmen vorzusehen.
- (81)
- Wenn im nationalen Recht ein ausreichend begründeter Grund vorliegt, könnte es angemessen sein, die Möglichkeit der Entschuldung für bestimmte Schuldenkategorien einzuschränken. Es sollte für die Mitgliedstaaten möglich sein, besicherte Schulden nur bis zu dem im nationalen Recht bestimmten Wert der Sicherheit von der Möglichkeit der Entschuldung auszunehmen, wohingegen die übrigen Schulden als unbesicherte Schulden behandelt werden sollten. Die Mitgliedstaaten sollten in ausreichend begründeten Fällen weitere Schuldenkategorien ausschließen können.
- (82)
- Die Mitgliedstaaten sollten beschließen können, dass die Justiz- oder Verwaltungsbehörden entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Person mit einem berechtigten Interesse überprüfen können, ob die Unternehmer die Bedingungen für eine volle Entschuldung erfüllt haben.
- (83)
- In dem Fall, dass einem Unternehmer infolge eines Tätigkeitsverbots die Genehmigung oder Lizenz zur Ausübung einer bestimmten handwerklichen, geschäftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit verweigert oder entzogen wurde, sollte die vorliegende Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit nehmen, vom Unternehmer nach Ablauf des Tätigkeitsverbots die Einreichung eines Antrags für eine neue Genehmigung oder Lizenz zu verlangen. Trifft eine Behörde eines Mitgliedstaats eine Entscheidung in Bezug auf eine besonders überwachte Tätigkeit, so sollte sie — selbst nach Ablauf der Verbotsfrist — auch berücksichtigen können, dass dem insolventen Unternehmer gemäß der vorliegenden Richtlinie eine Entschuldung gewährt wurde.
- (84)
- Private und berufliche Schulden, die nicht sinnvoll getrennt werden können, zum Beispiel, wenn ein Vermögenswert sowohl für die berufliche Tätigkeit des Unternehmers als auch außerhalb dieser genutzt wird, sollten im Rahmen eines einzigen Verfahrens behandelt werden. Sehen die Mitgliedstaaten vor, dass diese Schulden verschiedenen Insolvenzverfahren unterliegen, so ist eine Koordinierung zwischen diesen Verfahren erforderlich. Diese Richtlinie sollte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lassen, alle Schulden eines Unternehmers im Rahmen eines einzigen Verfahrens zu behandeln. Die Mitgliedstaaten, in denen Unternehmer ihre Geschäfte während des Insolvenzverfahrens auf eigene Rechnung fortsetzen dürfen, sollten nicht daran gehindert werden vorzusehen, dass diese Unternehmer Gegenstand eines neuen Insolvenzverfahrens werden können, wenn diese fortgesetzten Geschäfte insolvent werden.
- (85)
- Transparenz und Berechenbarkeit der Verfahren hinsichtlich der Erzielung von Ergebnissen, die die Erhaltung von Unternehmen und eine zweite Chance für Unternehmer fördern oder die effiziente Liquidation nicht bestandsfähiger Unternehmen erlauben, müssen beibehalten und verbessert werden. Ferner muss die in vielen Mitgliedstaaten übermäßig lange Dauer von Insolvenzverfahren, die zu Rechtsunsicherheit für Gläubiger und Anleger sowie zu niedrigen Befriedigungsquoten führt, verringert werden. Angesichts der mit der Verordnung (EU) 2015/848 festgelegten Mechanismen für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Verwaltern in grenzüberschreitenden Fällen muss außerdem die Professionalität aller beteiligten Akteure in der gesamten Union auf ein vergleichbares hohes Niveau gebracht werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Mitglieder der Justiz- und Verwaltungsbehörden, die mit Verfahren der präventiven Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung befasst sind, angemessen ausgebildet sind und über die für ihre Zuständigkeiten erforderliche Sachkunde verfügen. Diese Ausbildung und Sachkunde könnte auch während der Ausübung der dienstlichen Tätigkeit als Mitglied einer Justiz- und Verwaltungsbehörde oder — vor der Ernennung für die Ausübung einer solchen dienstlichen Tätigkeit — bei der Ausübung einer sonstigen einschlägigen beruflichen Tätigkeit erworben werden.
- (86)
- Eine solche Ausbildung und Sachkunde sollten es ermöglichen, Entscheidungen mit potenziell erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen auf effiziente Weise zu treffen, sollte aber nicht so verstanden werden, dass Mitglieder einer Justizbehörde ausschließlich Sachen im Bereich der Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung bearbeiten müssen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren effizient und zügig durchgeführt werden können. Die Einrichtung von Fachgerichten oder -kammern oder die Ernennung von Fachrichtern im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften sowie die Bündelung der Zuständigkeit bei einer begrenzten Zahl von Justiz- oder Verwaltungsbehörden würden effiziente Mittel zur Erreichung der Ziele der Rechtsicherheit und der Effizienz der Verfahren sein. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein vorzuschreiben, dass Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren Vorrang vor anderen Verfahren haben.
- (87)
- Die Mitgliedstaaten sollten auch sicherstellen, dass von Justiz- oder Verwaltungsbehörden bestellte Verwalter (im Folgenden „Verwalter” ) im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung angemessen ausgebildet sind, in transparenter Weise unter gebührender Berücksichtigung der Notwendigkeit effizienter Verfahren bestellt werden, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beaufsichtigt werden und dass sie ihre Aufgaben integer erfüllen. Es ist wichtig, dass sich die Verwalter an die Standards für solche Aufgaben halten, etwa die Absicherung durch eine Berufshaftpflichtversicherung. Die angemessene Ausbildung, Befähigung und Sachkunde der Verwalter könnte auch während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit erworben werden. Die Mitgliedstaaten sollten die erforderliche Ausbildung nicht selbst anbieten müssen, sondern dies können beispielsweise Berufsverbände oder sonstige Einrichtungen tun. Insolvenzverwalter im Sinne der Verordnung (EU) 2015/848 sollten in den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie einbezogen werden.
- (88)
- Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, vorzuschreiben, dass Verwalter von einem Schuldner, von Gläubigern oder von einem Gläubigerausschuss aus einer Liste oder aus einem Pool, die beziehungsweise der von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zuvor gebilligt wurde, ausgewählt werden. Dem Schuldner, den Gläubigern oder dem Gläubigerausschuss könnte bei der Auswahl eines Verwalters ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Sachkunde und der allgemeinen Erfahrung sowie den Anforderungen des betreffenden Falls gewährt werden. Schuldner, bei denen es sich um natürliche Personen handelt, könnten ganz von dieser Pflicht ausgenommen werden. In Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen sollte bei der Bestellung des Verwalters unter anderem der Fähigkeit des Verwalters gemäß den Verpflichtungen nach der Verordnung (EU) 2015/848, mit Insolvenzverwaltern sowie Justiz- und Verwaltungsbehörden anderer Mitgliedstaaten zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, sowie seinen personellen und administrativen Ressourcen für möglicherweise komplexe Fälle gebührend Rechnung getragen werden. Die Mitgliedstaaten sollten nicht daran gehindert werden, einen Verwalter durch andere Auswahlmethoden, beispielsweise eine Zufallsauswahl mithilfe einer Software, auszuwählen, sofern sichergestellt ist, dass bei Verwendung dieser Methoden der Erfahrung und der Sachkunde des Verwalters gebührend Rechnung getragen wird. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, über die Verfahrenswege für die Ablehnung der Auswahl oder der Bestellung eines Verwalters oder für die Beantragung des Ersetzens des Verwalters zu entscheiden; dies kann beispielsweise ein Gläubigerausschuss sein.
- (89)
- Die Verwalter sollten Aufsichts- und Regulierungsmechanismen unterliegen, die wirksame Maßnahmen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht der Verwalter, die ihren Pflichten nicht nachkommen, umfassen sollten, wie: eine Kürzung der Vergütung des Verwalters, die Streichung von der Liste oder aus dem Pool der Verwalter, die in Insolvenzverfahren bestellt werden können, sowie gegebenenfalls Disziplinar- oder Verwaltungssanktionen oder strafrechtliche Sanktionen. Solche Aufsichts- und Regulierungsmechanismen sollten Vorschriften nach nationalem Recht über die Haftpflicht für Schäden aufgrund eines Verstoßes gegen vertragliche oder außervertragliche Verpflichtungen unberührt lassen. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch nicht verpflichtet sein, spezifische Behörden oder Stellen einzurichten. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass Informationen über die Behörden oder Stellen, die die Aufsicht über die Verwalter ausüben, öffentlich zugänglich sind. Ein bloßer Verweis, beispielsweise auf die Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, sollte als Information ausreichen. Es sollte grundsätzlich möglich sein, diese Standards zu erreichen, ohne dass neue Berufe oder Befähigungsnachweise im nationalen Recht eingeführt werden müssen. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, diese Bestimmungen zur Ausbildung und Überprüfung nach nationalem Recht auch auf andere Verwalter, die nicht unter diese Richtlinie fallen, auszuweiten. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein vorzusehen, dass Streitigkeiten über die Vergütung von Verwaltern vor anderen Verfahren Vorrang haben müssen.
- (90)
- Um die Verfahren weiter zu verkürzen, eine bessere Beteiligung der Gläubiger an Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zu erleichtern und ähnliche Bedingungen für Gläubiger unabhängig von ihrem Standort in der Union zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten Vorkehrungen treffen, damit Schuldnern, Gläubigern, Verwaltern und Justiz- und Verwaltungsbehörden die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel ermöglicht wird. Es sollte daher möglich sein, Verfahrenshandlungen wie die Geltendmachung von Gläubigerforderungen, Mitteilungen an Gläubiger oder die Einlegung von Beschwerden und Rechtsbehelfen mit elektronischen Kommunikationsmitteln vorzunehmen. Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass Mitteilungen an einen Gläubiger nur dann elektronisch vorgenommen werden dürfen, wenn der betreffende Gläubiger der elektronischen Kommunikation zuvor zugestimmt hat.
- (91)
- Die Parteien in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren sollten nicht verpflichtet sein, elektronische Kommunikationsmittel zu nutzen, wenn diese nach nationalem Recht nicht vorgeschrieben sind, unbeschadet dessen, dass die Mitgliedstaaten ein verbindliches System für die elektronische Einreichung und Zustellung von Dokumenten in Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren einrichten können. Die Mitgliedstaaten sollten die konkreten elektronischen Kommunikationsmittel auswählen können. Beispiele solcher Kommunikationsmittel könnten ein eigens erstelltes System für die elektronische Übermittlung solcher Dokumente oder die Verwendung von E-Mail sein, ohne dass die Mitgliedstaaten daran gehindert werden, Elemente einzuführen, mit denen die Sicherheit der elektronischen Übermittlungen im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates(17) gewährleistet wird, beispielsweise elektronische Signaturen oder Vertrauensdienste, etwa Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben.
- (92)
- Für die Überwachung der Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie ist es wichtig, zuverlässige und vergleichbare Daten über die Ergebnisse von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren zu sammeln. Die Mitgliedstaaten sollten daher Daten mit einer ausreichenden Detailtiefe erheben und aggregieren, damit genau bewertet werden kann, wie die Richtlinie in der Praxis funktioniert, und sollten der Kommission diese Daten übermitteln. Das Übermittlungsformular für die Datenübermittlung an die Kommission, sollte von der Kommission mit Unterstützung eines Ausschusses im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(18) erstellt werden. Das Formular sollte eine Liste der wichtigsten Verfahrensergebnisse enthalten, die allen Mitgliedstaaten gemein sind. Beispielsweise könnten in einem Restrukturierungsverfahren diese wichtigsten Ergebnisse folgende sein: der Plan wird von einem Gericht bestätigt; der Plan wird von einem Gericht nicht bestätigt; die Restrukturierungsverfahren werden in Liquidationsverfahren umgewandelt oder eingestellt, da ein Liquidationsverfahren eingeleitet wurde, bevor der Plan von einem Gericht bestätigt wurde. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet sein, diejenigen Verfahren, die vor der Ergreifung einschlägiger Maßnahmen enden, nach Art des Ergebnisses aufzuschlüsseln, sondern könnten stattdessen die Gesamtzahl aller Verfahren angeben, die für unzulässig erklärt, abgelehnt oder vor der Verfahrenseröffnung zurückgezogen werden.
- (93)
- Das Übermittlungsformular sollte eine Liste von Optionen enthalten, die von den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden könnten, wenn sie die Größe eines Schuldners feststellen, und zwar durch Bezugnahme auf eines oder mehrere der Merkmale für die Definition von KMU und Großunternehmen, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Zu der Liste sollte die Option gehören, dass die Größe des Schuldners allein anhand der Zahl der Arbeitnehmer festgestellt wird. In dem Formular sollten die Elemente der durchschnittlichen Kosten und der durchschnittlichen Befriedigungsquote, für die es den Mitgliedstaaten möglich sein sollte, freiwillig Daten zu erheben, festgelegt werden, weitere Angaben zu den Elementen gemacht werden, die berücksichtigt werden könnten, wenn die Mitgliedstaaten eine Probenerhebungstechnik anwenden, beispielsweise zum Stichprobenumfang, der die Repräsentativität in Bezug auf die geografische Verteilung, die Größe der Schuldner und den Wirtschaftszweig gewährleistet, und es sollte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, zusätzliche Angaben zu machen, beispielsweise zur Gesamthöhe der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Schuldner.
- (94)
- Die Stabilität der Finanzmärkte hängt stark von Finanzsicherheiten ab, insbesondere wenn die Sicherheit in Verbindung mit der Beteiligung an ausgewiesenen Systemen oder an Zentralbankgeschäften geleistet wird und wenn zentralen Gegenparteien Margen zur Verfügung gestellt werden. Da der Wert von als Sicherheit dienenden Finanzinstrumenten sehr unbeständig sein kann, kommt es entscheidend darauf an, ihren Wert schnell zu realisieren, bevor er sinkt. Die Bestimmungen der Richtlinien 98/26/EG(19) und 2002/47/EG(20) und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sollten daher ungeachtet der Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten sollten Nettingmechanismen, einschließlich Close-out-Nettingmechanismen, von der Wirkung der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen auch dann ausnehmen dürfen, wenn sie nicht unter die Richtlinien 98/26/EG und 2002/47/EG und die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 fallen, sofern solche Vereinbarungen nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vollstreckbar sind.
- (95)
- Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des am 16. November 2001 in Kapstadt gemeinsam unterzeichneten Übereinkommens über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung, und der zugehörigen Protokolle sind, sollten in der Lage sein, ihren bestehenden internationalen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen. Die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen sollten mit den Ausnahmen gelten, die erforderlich sind, um die Anwendung dieser Bestimmungen sicherzustellen, ohne die Anwendung dieses Übereinkommens und der zugehörigen Protokolle zu berühren.
- (96)
- Die Wirksamkeit des Prozesses der Annahme und Umsetzung eines Restrukturierungsplans sollte nicht durch das Gesellschaftsrecht gefährdet werden. Die Mitgliedstaaten sollten daher von den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates(21) abweichen können, die die Verpflichtungen betreffen, eine Hauptversammlung einzuberufen und die Aktien vorzugsweise den bisherigen Aktionären anzubieten, und zwar in dem Umfang und für den Zeitraum, wie dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Aktionäre Restrukturierungsmaßnahmen nicht in missbräuchlicher Ausübung ihrer Rechte nach der genannten Richtlinie vereiteln. So kann es beispielsweise erforderlich sein, dass die Mitgliedstaaten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Einberufung einer Hauptversammlung oder von den üblichen Fristen für den Fall vorsehen, dass die Unternehmensleitung bei schweren und plötzlichen Verlusten des gezeichneten Kapitals und einer wahrscheinlichen Insolvenz dringend Maßnahmen zum Schutz der Vermögenswerte des Unternehmens, zum Beispiel durch die Beantragung einer Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen, ergreifen muss. Ausnahmen vom Gesellschaftsrecht könnten auch erforderlich sein, wenn im Restrukturierungsplan die Ausgabe neuer Aktien, die vorrangig den Gläubigern als Schuldenkapitalisierungen angeboten werden können, oder die Herabsetzung des gezeichneten Kapitals im Falle eines Übergangs von Unternehmensteilen vorgesehen ist. Solche Ausnahmen sollten auf den Zeitraum begrenzt werden, den die Mitgliedstaaten für erforderlich halten, um einen präventiven Restrukturierungsrahmen festzulegen. Die Mitgliedstaaten sollten nicht verpflichtet werden, vollständig oder teilweise, unbefristet oder befristet vom Gesellschaftsrecht abzuweichen, sofern sie sicherstellen, dass Bestimmungen des Gesellschaftsrechts die Wirksamkeit des Restrukturierungsprozesses nicht gefährden können, oder sofern die Mitgliedstaaten über andere, ebenso wirksame Instrumente verfügen, mit denen sie sicherstellen, dass die Aktionäre nicht grundlos die Annahme oder Umsetzung eines Restrukturierungsplans verhindern, der die Bestandsfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen würde. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten der Wirksamkeit derjenigen Bestimmungen besondere Bedeutung beimessen, die mit der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen und der Bestätigung des Restrukturierungsplans in Verbindung stehen; diese sollten durch die Einberufung oder die Ergebnisse der Hauptversammlung der Aktionäre nicht ungebührlich behindert werden. Die Richtlinie (EU) 2017/1132 sollte daher entsprechend geändert werden. Die Mitgliedstaaten sollten bei der Beurteilung, welche Ausnahmeregelungen im Rahmen des nationalen Gesellschaftsrechts erforderlich sind, um diese Richtlinie wirksam umzusetzen, einen gewissen Ermessensspielraum genießen und sollten auch ähnliche Ausnahmen von der Richtlinie (EU) 2017/1132 für Insolvenzverfahren vorsehen können, die nicht unter diese Richtlinie fallen, die jedoch Restrukturierungsmaßnahmen ermöglichen.
- (97)
- Im Hinblick auf die Festlegung und spätere Änderungen des Datenübermittlungsformulars sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 ausgeübt werden.
- (98)
- Die Kommission sollte eine Studie durchführen, um zu ermitteln, ob Gesetzgebungsvorschläge für den Umgang mit der Insolvenz von Personen erforderlich sind, die keine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, jedoch als Verbraucher vorübergehend oder dauerhaft und in gutem Glauben nicht in der Lage sind, ihre fällig werdenden Schulden zu begleichen. In dieser Studie sollte untersucht werden, ob der Zugang dieser Personen zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen geschützt werden muss, um zu gewährleisten, dass sie unter angemessenen Bedingungen leben.
- (99)
- Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten(22) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.
- (100)
- Da die Ziele dieser Richtlinie von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil Unterschiede zwischen den nationalen Restrukturierungs- und Insolvenzrahmen nach wie vor Hindernisse für den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit darstellen würden, sondern vielmehr auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
- (101)
- Am 7. Juni 2017 hat die Europäische Zentralbank eine Stellungnahme(23) abgegeben —
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 21.
- (2)
ABl. C 342 vom 12.10.2017, S. 43.
- (3)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. März 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 6. Juni 2019.
- (4)
Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 19).
- (5)
Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19).
- (6)
Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36).
- (7)
Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).
- (8)
Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).
- (9)
Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).
- (10)
Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).
- (11)
Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).
- (12)
Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225 vom 12.8.1998, S. 16).
- (13)
Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16).
- (14)
Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29).
- (15)
Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 vom 28.10.2008, S. 36).
- (16)
Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28).
- (17)
Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).
- (18)
Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
- (19)
Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45).
- (20)
Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43).
- (21)
Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. L 169 vom30.6.2017, S. 46).
- (22)
ABl. C 369 vom 17.12.2011, S. 14.
- (23)
ABl. C 236 vom 21.7.2017, S. 2.
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