Artikel 2 RL 2019/1/EU
Begriffsbestimmungen
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- 1.
- „nationale Wettbewerbsbehörde” eine Behörde, die von einem Mitgliedstaat nach Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 als für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV zuständige Behörde bestimmt worden ist; die Mitgliedstaaten können eine oder mehrere Verwaltungsbehörden ( „für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörden” ) bzw. Justizorgane ( „für Wettbewerb zuständige nationale Justizorgane” ) mit dieser Aufgabe betrauen;
- 2.
- „für Wettbewerb zuständige nationale Verwaltungsbehörde” eine Verwaltungsbehörde, die von einem Mitgliedstaat für die Wahrnehmung aller oder einiger Aufgaben einer nationalen Wettbewerbsbehörde benannt wird;
- 3.
- „für Wettbewerb zuständiges nationales Justizorgan” ein Justizorgan, das von einem Mitgliedstaat für die Wahrnehmung einiger Aufgaben einer nationalen Wettbewerbsbehörde benannt wird;
- 4.
- „Wettbewerbsbehörde” eine nationale Wettbewerbsbehörde, die Kommission oder beide, je nach Zusammenhang;
- 5.
- „Europäisches Wettbewerbsnetz” das aus den nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission bestehende Behördennetz, das ein Forum für Diskussion und Zusammenarbeit im Hinblick auf die Anwendung und Durchsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV bildet;
- 6.
- „nationales Wettbewerbsrecht” Bestimmungen des nationalen Rechts, mit denen überwiegend dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit den Artikeln 101 und 102 AEUV und die nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf denselben Fall und parallel zum Wettbewerbsrecht der Union angewandt werden, sowie Bestimmungen des nationalen Rechts, mit denen überwiegend dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit den Artikeln 101 und 102 AEUV und die in Bezug auf Artikel 31 Absätze 3 und 4 dieser Richtlinie alleinig zur Anwendung kommen, unter Ausschluss nationaler Rechtsvorschriften, mit denen natürlichen Personen strafrechtliche Sanktionen auferlegt werden;
- 7.
- „nationales Gericht” ein Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne des Artikels 267 AEUV;
- 8.
- „Rechtsmittelinstanz” ein nationales Gericht, das im Wege ordentlicher Rechtsmittel befugt ist, Entscheidungen einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder darüber ergehende gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, unabhängig davon, ob das jeweilige Gericht selbst die Befugnis hat, eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festzustellen;
- 9.
- „Durchsetzungsverfahren” Verfahren vor einer Wettbewerbsbehörde, in denen Artikel 101 oder 102 AEUV zur Anwendung kommt, bis die jeweilige Wettbewerbsbehörde das Verfahren im Falle einer nationalen Wettbewerbsbehörde durch Erlass einer Entscheidung nach Artikel 10, 12 oder 13 dieser Richtlinie oder im Falle der Kommission durch Erlass einer Entscheidung nach Artikel 7, 9 oder 10 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 beendet hat oder zu dem Schluss gelangt ist, dass kein Anlass für weitere Maßnahmen ihrerseits besteht;
- 10.
- „Unternehmen” im Sinne der Artikel 101 und 102 AEUV jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung;
- 11.
- „Kartell” eine Absprache oder eine abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zwecks Abstimmung ihres Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt oder Beeinflussung der relevanten Wettbewerbsparameter durch Verhaltensweisen wie unter anderem — aber nicht ausschließlich — die Festsetzung oder Koordinierung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, auch im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums, die Aufteilung von Produktions- oder Absatzquoten, die Aufteilung von Märkten und Kunden einschließlich Angebotsabsprachen, Ein- und Ausfuhrbeschränkungen oder gegen andere Wettbewerber gerichtete wettbewerbsschädigende Maßnahmen;
- 12.
- „geheimes Kartell” ein Kartell, dessen Bestehen ganz oder teilweise verborgen ist;
- 13.
- „Geldbußenerlass” den Umstand, dass einem Unternehmen als Anerkennung dafür, dass es im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit einer Wettbewerbsbehörde zusammengearbeitet hat, eine Geldbuße erlassen wird, die ihm andernfalls wegen seiner Beteiligung an einem geheimen Kartell auferlegt worden wäre;
- 14.
- „Geldbußenermäßigung” den Umstand, dass die Geldbuße, die einem Unternehmen wegen seiner Beteiligung an einem geheimen Kartell auferlegt worden wäre, als Anerkennung dafür, dass es im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit einer Wettbewerbsbehörde zusammengearbeitet hat, ermäßigt wird;
- 15.
- „Kronzeugenbehandlung” sowohl den Geldbußenerlass als auch die Geldbußenermäßigung;
- 16.
- „Kronzeugenprogramm” ein Programm in Bezug auf die Anwendung des Artikels 101 AEUV oder einer entsprechenden Bestimmung des nationalen Wettbewerbsrechts, in dessen Rahmen ein an einem geheimen Kartell Beteiligter unabhängig von den übrigen Kartellbeteiligten an einer Untersuchung der Wettbewerbsbehörde mitwirkt, indem er freiwillig seine Kenntnis von dem Kartell und seine Beteiligung daran darlegt und ihm dafür im Gegenzug durch Entscheidung oder Beschluss bzw. Verfahrenseinstellung die wegen seiner Beteiligung an dem Kartell zu verhängende Geldbuße erlassen oder ermäßigt wird;
- 17.
- „Kronzeugenerklärung” eine freiwillige mündliche oder schriftliche Darlegung seitens oder im Namen eines Unternehmens oder einer natürlichen Person gegenüber einer Wettbewerbsbehörde, in der das Unternehmen oder die natürliche Person seine bzw. ihre Kenntnis von einem Kartell und seine bzw. ihre Beteiligung daran darlegt und die eigens zu dem Zweck formuliert wurde, im Rahmen eines Kronzeugenprogramms bei der Wettbewerbsbehörde den Erlass oder die Ermäßigung der Geldbuße zu erwirken, oder eine Aufzeichnung dieser Darlegung; dies umfasst keine Beweismittel, die unabhängig von einem Durchsetzungsverfahren vorliegen, unabhängig davon, ob diese Informationen in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind oder nicht, das heißt keine bereits vorhandenen Informationen;
- 18.
- „Vergleichsausführungen” eine freiwillige Darlegung seitens oder im Namen eines Unternehmens gegenüber einer Wettbewerbsbehörde, die ein Anerkenntnis des Unternehmens oder seinen Verzicht auf das Bestreiten der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder 102 AEUV oder das nationale Wettbewerbsrecht und seiner Verantwortung für diese Zuwiderhandlung enthält und die eigens zu dem Zweck formuliert wurde, der betreffenden Wettbewerbsbehörde die Anwendung eines vereinfachten oder beschleunigten Verfahrens zu ermöglichen;
- 19.
- „Antragsteller” ein Unternehmen, das im Rahmen eines Kronzeugenprogramms einen Antrag auf Geldbußenerlass oder -ermäßigung stellt;
- 20.
- „ersuchende Behörde” eine nationale Wettbewerbsbehörde, die ein Amtshilfeersuchen nach Artikel 24, 25, 26, 27 oder 28 stellt;
- 21.
- „ersuchte Behörde” eine nationale Wettbewerbsbehörde, an die ein Amtshilfeersuchen gerichtet wurde; bei einem Amtshilfeersuchen nach Artikel 25, 26, 27 oder 28 kann es sich dabei um die zuständige öffentliche Stelle handeln, die für die Durchsetzung entsprechender Entscheidungen nach nationalen Gesetzen, sonstigen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren die Hauptverantwortung trägt;
- 22.
- „rechtskräftige Entscheidung” eine Entscheidung, gegen die ein ordentliches Rechtsmittel nicht oder nicht mehr eingelegt werden kann.
(2) In dieser Richtlinie sind alle Bezugnahmen auf die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV oder auf Zuwiderhandlungen gegen diese Artikel so zu verstehen, dass sie auch die parallele Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts auf denselben Fall umfassen.
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