Artikel 15a RL 2019/944/EU

Recht auf gemeinsame Energienutzung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, und, sofern ein Mitgliedstaat dies beschlossen hat, andere Kategorien von Endkunden, das Recht haben, sich auf diskriminierungsfreie Weise innerhalb derselben Gebotszone oder innerhalb eines von diesem Mitgliedstaat festgelegten engeren geografischen Gebiets als aktive Kunden an der gemeinsamen Energienutzung zu beteiligen

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass aktive Kunden das Recht haben, erneuerbare Energie auf der Grundlage privater Vereinbarungen oder über eine Rechtsperson gemeinsam zu nutzen. Die Teilnahme an der gemeinsamen Energienutzung darf nicht die gewerbliche oder berufliche Haupttätigkeit der aktiven Kunden sein, die an der gemeinsamen Energienutzung beteiligt sind.

(3) Aktive Kunden können für die Wahrnehmung folgender Aufgaben einen Dritten als Organisator der gemeinsamen Energienutzung benennen:

a)
Kommunikation über Vereinbarungen über die gemeinsame Energienutzung mit anderen relevanten Stellen wie Versorgern und Netzbetreibern, auch über Aspekte im Zusammenhang mit den geltenden Tarifen und Entgelten, Steuern oder Abgaben,
b)
Unterstützung bei Steuerung und Ausgleich von flexiblen Lasten hinter dem Messpunkt sowie von Anlagen zur verteilten Erzeugung und Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die Teil der einschlägigen Vereinbarungen über die gemeinsame Energienutzung sind,
c)
Vertragsabschlüsse und Abrechnung mit den aktiven Kunden, die an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen,
d)
Installation und Betrieb, einschließlich der Messung und Wartung, der Anlage zur Erzeugung oder Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen.

Der Organisator der gemeinsamen Energienutzung oder ein anderer Dritter kann Eigentümer oder Betreiber von Speicheranlagen oder Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen von bis zu 6 MW sein, ohne als aktiver Kunde zu gelten, es sei denn, er ist einer der aktiven Kunden, die sich an dem Vorhaben zur gemeinsamen Energienutzung beteiligen. Der Organisator der gemeinsamen Energienutzung erbringt diskriminierungsfreie Dienstleistungen und bietet transparente Preise, Tarife und Dienstleistungsbedingungen. In Bezug auf Unterabsatz 1 Buchstabe c des vorliegenden Absatzes gelten die Artikel 10, 12 und 18. Die Mitgliedstaaten legen den Regelungsrahmen für die Anwendung dieses Absatzes fest.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass aktive Kunden, die sich an der gemeinsamen Energienutzung beteiligen,

a)
unbeschadet geltender nicht diskriminierender Steuern, Abgaben und kostenorientierter Netzentgelte berechtigt sind, die gemeinsam genutzte Elektrizität, die innerhalb eines Zeitraums, der nicht länger als der Bilanzkreisabrechnungszeitraum ist, in das Netz eingespeist wird, von ihrem gesamten gemessenen Verbrauch abzuziehen;
b)
alle Verbraucherrechte und -pflichten als Endkunden gemäß dieser Richtlinie haben,
c)
den Verpflichtungen eines Versorgers nicht nachkommen müssen, wenn die erneuerbare Energie durch einzelne Haushalte mit einer installierten Kapazität von bis zu 10,8 kW und durch Mehrparteienhäuser mit einer installierten Kapazität von bis zu 50 kW gemeinsam genutzt wird,
d)
Zugang zu freiwilligen Musterverträgen haben, die faire und transparente Vertragsbedingungen für Vereinbarungen über die gemeinsame Energienutzung enthalten;
e)
bei Konflikten, die sich im Zusammenhang mit Vereinbarungen über gemeinsame Energienutzung ergeben können, gemäß Artikel 26 Zugang zur außergerichtlichen Streitbeilegung mit anderen Vertragsparteien der Vereinbarung über gemeinsame Energienutzung haben,
f)
von Marktteilnehmern oder von ihren Bilanzkreisverantwortlichen nicht unfair und diskriminierend behandelt werden,
g)
über die Möglichkeit von Änderungen von Gebotszonen gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) 2019/943 sowie über die Tatsache informiert werden, dass das Recht auf gemeinsame Nutzung erneuerbarer Energie gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels beschränkt ist;
h)
die relevanten Netzbetreiber und Marktteilnehmer, einschließlich der relevanten Versorger, entweder unmittelbar oder über den Organisator der gemeinsamen Energienutzung über Vereinbarungen über gemeinsame Energienutzung in Kenntnis setzen.

Die Mitgliedstaaten können die in Unterabsatz 1 Buchstabe c genannte Höchstgrenze wie folgt anpassen:

a)
bei einzelnen Haushalten kann die Höchstgrenze auf bis zu 30 kW erhöht werden,
b)
bei Mehrparteienhäusern kann die Höchstgrenze auf bis zu 100 kW angehoben oder, bei Vorliegen ordnungsgemäß begründeter besonderer Umstände, die mit einer geringeren durchschnittlichen Größe der Wohnungen zusammenhängen, auf ein Minimum von 40 kW verringert werden.

(5) Handelt es sich bei anderen Kategorien von Endkunden, die an Vorhaben über gemeinsame Energienutzungen beteiligt sind, um Endkunden, deren Größe über die kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgeht, so gelten folgende zusätzliche Bedingungen:

a)
Die installierte Kapazität der mit dem Vorhaben zur gemeinsamen Energienutzung verbundenen Anlage zur Stromerzeugung darf höchstens 6 MW betragen,
b)
die gemeinsame Energienutzung erfolgt in einem vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten lokalen oder begrenzten geografischen Gebiet.

(6) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass relevante Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber oder andere benannte Stellen

a)
mindestens einmal monatlich gemäß Artikel 23 Messdaten im Zusammenhang mit der gemeinsamen Nutzung von Elektrizität überwachen, erheben, validieren und den relevanten Endkunden und Marktteilnehmern übermitteln und zu diesem Zweck geeignete IT-Systeme installieren;
b)
eine zuständige Kontaktstelle einrichten, die

i)
Vereinbarungen über die gemeinsame Energienutzung registriert,
ii)
praktische Informationen für die gemeinsame Energienutzung bereitstellt,
iii)
Informationen über relevante Zählpunkte sowie über Änderungen des Standorts und der Beteiligung entgegennimmt und
iv)
gegebenenfalls die Berechnungsmethoden frühzeitig auf klare und transparente Weise validiert.

(7) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete und diskriminierungsfreie Maßnahmen, um sicherzustellen, dass schutzbedürftige Kunden und von Energiearmut betroffene Kunden Zugang zu Vorhaben für die gemeinsame Energienutzung haben. Diese Maßnahmen können finanzielle Unterstützungsmaßnahmen oder Erzeugungszuteilungsquoten umfassen.

(8) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei Vorhaben zur gemeinsamen Energienutzung, die im Eigentum von Behörden stehen, schutzbedürftige Kunden und von Energiearmut betroffene Kunden oder Bürgerinnen und Bürger Zugang zu der gemeinsam genutzten Elektrizität haben. Dabei unternehmen die Mitgliedstaaten alles in ihrer Macht Stehende, um darauf hinzuwirken, dass die Menge der zugänglichen Energie sich im Durchschnitt auf mindestens 10 % der gemeinsam genutzten Energie beläuft.

(9) Die Mitgliedstaaten können die Einführung von Steckersolargeräten mit einer Kapazität von bis zu 800 W an und auf Gebäuden vorantreiben.

(10) Die Kommission stellt den Mitgliedstaaten Leitlinien zur Verfügung, ohne den Verwaltungsaufwand zu erhöhen, um die Erstellung eines standardisierten Ansatzes im Hinblick auf die gemeinsame Energienutzung zu erleichtern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und Bürgerenergiegemeinschaften sicherzustellen.

(11) Dieser Artikel berührt weder das Recht der Kunden auf freie Wahl ihres Versorgers gemäß Artikel 4 noch die geltenden nationalen Vorschriften für die Zulassung von Versorgern.

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