Präambel RL 2021/1883/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 79 Absatz 2 Buchstaben a und b,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
In der Mitteilung der Kommission vom 3. März 2010 mit dem Titel „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum” werden die Ziele vorgegeben, die Union zu einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft zu entwickeln, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern und das Arbeitskräfteangebot besser an den Bedarf anzupassen. In jener Mitteilung wurde festgestellt, dass eine umfassende Arbeitsmigrationspolitik und eine bessere Integration von Migranten notwendig sind. Maßnahmen zur Erleichterung der Zulassung von hoch qualifizierten Fachkräften aus Drittländern sind in diesem breiteren Kontext zu sehen.
(2)
Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 26. und 27. Juni 2014 unterstrichen, dass sich Europa am globalen Wettlauf um Talente beteiligen muss, wenn es attraktiv für Talente und Fachkräfte bleiben will. Daher sollten Strategien zur Maximierung der Möglichkeiten der legalen Zuwanderung entwickelt und die geltenden Rechtsvorschriften verschlankt werden.
(3)
In der Mitteilung der Kommission vom 13. Mai 2015 mit dem Titel „Europäische Agenda für Migration” wird eine attraktive unionsweite Regelung für hoch qualifizierte Drittstaatsangehörige gefordert und darauf hingewiesen, dass die Richtlinie 2009/50/EG des Rates(4) überarbeitet werden muss, um die Union in die Lage zu versetzen, Talente wirksamer anzuwerben und damit auch zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen für die Union sowie des Arbeitskräftemangels und der Qualifikationsdefizite in Schlüsselsektoren der Wirtschaft in der Union beizutragen. Die Forderung zur Überarbeitung jener Richtlinie wird in der Mitteilung der Kommission vom 23. September 2020 über „ein neues Migrations- und Asylpaket” bekräftigt, in dem festgestellt wird, dass die Reform der Blauen Karte EU „anhand eines wirksamen und flexiblen EU-weiten Instruments einen echten Mehrwert im Hinblick auf die Anwerbung von Fachkräften bringen” muss.
(4)
Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung vom 12. April 2016(5) eine ehrgeizige und zielgerichtete Überarbeitung der Richtlinie 2009/50/EG, einschließlich der Frage des Anwendungsbereichs, gefordert.
(5)
Es ist notwendig, die Herausforderungen in Angriff zu nehmen, die in der Mitteilung der Kommission vom 22. Mai 2014 über die Durchführung der Richtlinie 2009/50/EG festgestellt wurden. Die Union sollte das Ziel verfolgen, eine attraktivere und wirksamere unionsweite Regelung für hoch qualifizierte Fachkräfte aus Drittländern einzuführen. Das Konzept der Union für die Anwerbung solch hoch qualifizierter Fachkräfte sollte weiter harmonisiert werden, und die Blaue Karte EU sollte dabei zum wichtigsten Instrument mit schnelleren Verfahren, flexibleren und inklusiveren Zulassungskriterien und umfassenderen Rechten, einschließlich größerer Mobilität innerhalb der EU, werden. Da das erhebliche Änderungen der Richtlinie 2009/50/EG erfordern würde, sollte die Richtlinie aufgehoben und durch eine neue Richtlinie ersetzt werden.
(6)
Es sollte ein klares und transparentes unionsweites Zulassungssystem geschaffen werden, welches es ermöglicht, hoch qualifizierte Fachkräfte aus Drittländern anzuwerben und zu halten sowie die Mobilität dieser Fachkräfte zu fördern. Die vorliegende Richtlinie sollte unabhängig davon gelten, ob der ursprüngliche Zweck des Aufenthalts des Drittstaatsangehörigen die Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung oder ein anderer ist, der sich später in den Zweck der hoch qualifizierten Beschäftigung ändert. Dabei sind die Prioritäten der Mitgliedstaaten, der Bedarf ihrer Arbeitsmärkte und ihre Aufnahmekapazitäten zu berücksichtigen. Diese Richtlinie sollte die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, zum Zweck einer hoch qualifizierten Beschäftigung einen anderen nationalen Aufenthaltstitel als eine Blaue Karte EU zu erteilen, unberührt lassen. Auch sollte diese Richtlinie es dem Inhaber einer Blauen Karte EU unbenommen lassen, zusätzliche Rechte und Leistungen nach innerstaatlichem Recht in Anspruch zu nehmen, die mit dieser Richtlinie vereinbar sind.
(7)
Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass für Inhaber einer Blauen Karte EU und Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels für die Zwecke einer hoch qualifizierten Beschäftigung bei Verfahrensrechten und Gleichbehandlungsrechten, Verfahren und dem Zugang zu Informationen gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten. Insbesondere sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für Inhaber einer Blauen Karte EU und ihre Familienangehörigen keine geringeren Verfahrensgarantien und -rechte gelten als für Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels. Die Mitgliedstaaten sollten zudem dafür sorgen, dass Personen, die eine Blaue Karte EU beantragen, bei Anerkennungsverfahren für Arbeitgeber nicht schlechter gestellt sind als Personen, die einen nationalen Aufenthaltstitel beantragen, und dass sie keine höheren Gebühren für die Bearbeitung ihres Antrags zu tragen haben. Schließlich sollten die Mitgliedstaaten Informations- und Werbemaßnahmen für die Blaue Karte EU vornehmen, die sich auf demselben Niveau bewegen wie im Falle nationaler Aufenthaltstitel, beispielsweise bei den nationalen Websites zur legalen Migration, bei Informationskampagnen und bei Schulungsprogrammen für die zuständigen Migrationsbehörden.
(8)
Um das System der Blauen Karte EU zu stärken und zu fördern und hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittländern anzuwerben, wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, die Werbemaßnahmen und Informationskampagnen zur Blauen Karte EU, gegebenenfalls auch an Drittländer gerichtete Werbemaßnahmen und Informationskampagnen, zu intensivieren.
(9)
Die Mitgliedstaaten sollten die vorliegende Richtlinie nach Maßgabe insbesondere der Richtlinien 2000/43/EG(6) und 2000/78/EG(7) des Rates ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Überzeugungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung umsetzen. Damit der Grundsatz der Nichtdiskriminierung greift, sollten Inhaber einer Blauen Karte EU im Falle jeder Art der Diskriminierung, auch auf dem Arbeitsmarkt, nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts Rechtsmittel einlegen und Beschwerde einreichen können.
(10)
In Anbetracht des Eurostat-Berichts vom 21. Februar 2020 mit dem Titel „Hard-to-fill ICT vacancies: an increasing challenge” (Schwer zu besetzende IKT-Stellen: eine zunehmende Herausforderung) und seiner Schlussfolgerungen zu dem weit verbreiteten Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), der auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten herrscht, sollten höhere berufliche Fähigkeiten einem Hochschulabschluss gleichgestellt werden, wenn eine Blaue Karte EU für die beiden folgenden „höheren” Positionen beantragt wird: Führungskräfte in der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (ISCO (International Standard Classification of Occupation/Internationale Standardklassifikation der Berufe)-08-Klassifikation 133) und akademische und vergleichbare Fachkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie (ISCO-08-Klassifikation 25). Da für den Erwerb eines Bachelor-Abschlusses mindestens drei Jahre erforderlich sind, sollte die verlangte einschlägige Berufserfahrung drei Jahre betragen. Dieser Zeitraum ist auch angesichts des rasanten Tempos der technologischen Entwicklung im IKT-Sektor und der sich ändernden Bedürfnisse der Arbeitgeber gerechtfertigt.
(11)
Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, die Bewertung und Validierung höherer beruflicher Fähigkeiten für die Zwecke der Blauen Karte EU zu erleichtern.
(12)
Es ist vorgesehen, dass das Verzeichnis der in einem Anhang dieser Richtlinie dargelegten Berufe geändert werden könnte — insbesondere im Anschluss an diesbezügliche Bewertungen durch die Kommission, die sich u. a. auf die Auskünfte der Mitgliedstaaten über den Bedarf auf ihren Arbeitsmärkten zur Anerkennung der Berufserfahrung gemäß dieser Richtlinie in anderen Tätigkeitsbereichen stützt. Die Kommission sollte solche Bewertungen alle zwei Jahre vornehmen.
(13)
Bei nicht im Anhang aufgeführten Berufen sollten die Mitgliedstaaten Anträge auf eine Blaue Karte EU annehmen können, die auf belegte höhere berufliche Fähigkeiten gestützt werden, nachgewiesen anhand einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung, die sich auf einem mit einem Hochschulabschluss vergleichbaren Niveau bewegt und für den im Arbeitsvertrag oder verbindlichen Arbeitsplatzangebot genannten Beruf oder Beschäftigungsbereich relevant ist.
(14)
Der Begriff „hoch qualifizierte Beschäftigung” beinhaltet, dass der Beschäftigte nicht nur ein hohes Maß an Fachkompetenz besitzt, die durch höhere berufliche Qualifikationen nachgewiesen wird, sondern auch, dass die durchzuführende Arbeit ihrem Wesen nach eine entsprechende Kompetenz verlangt. Während auf dem modernen Arbeitsmarkt nicht immer und unbedingt ein direkter Zusammenhang zwischen den Qualifikationen und der Arbeit bestehen muss, sollten die Aufgaben und Pflichten im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag für eine hoch qualifizierte Beschäftigung so spezialisiert und komplex sein, dass das erforderliche Kompetenzniveau für die Ausübung dieser Arbeiten gemäß dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats üblicherweise dem Abschluss von Bildungsprogrammen und den dadurch erworbenen Qualifikationen der Stufen 6, 7 und 8 der Internationalen Standardklassifikation für das Bildungswesen (International Standard Classification of Education, ISCED) 2011 oder gegebenenfalls der Stufen 6, 7 und 8 des weitgehend ähnlichen Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) oder, bei bestimmten Berufen, vergleichbaren höheren beruflichen Fähigkeiten entspricht.
(15)
In Übereinstimmung mit Artikel 79 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollte diese Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühren, festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort als Arbeitnehmer oder Selbstständige Arbeit zu suchen. Auf dieser Grundlage sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, einen Antrag auf eine Blaue Karte EU entweder als unzulässig zu betrachten oder abzulehnen.
(16)
Personen, die internationalen Schutz im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(8) genießen, verfügen über ein weites Spektrum von Rechten, darunter das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt in dem Mitgliedstaat, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat. Um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt in der gesamten Union zu verbessern, sollten Personen, die internationalen Schutz genießen und hoch qualifiziert sind eine Blaue Karte EU in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat, beantragen können. In diesen anderen Mitgliedstaaten sollten sie denselben Regeln unterliegen wie alle anderen Drittstaatsangehörigen, die in den Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie fallen, und diese Richtlinie sollte keine Auswirkung auf ihren Status in dem Mitgliedstaat haben, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat. Personen, die internationalen Schutz genießen, sind auch dazu berechtigt, in dem Mitgliedstaat, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat, eine Blaue Karte EU zu beantragen. In diesen Fällen sollten aus Gründen der rechtlichen Klarheit und der Kohärenz die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Gleichbehandlung und das Recht auf Familienzusammenführung nicht gelten. Diese Rechte sollten weiterhin nach Maßgabe des Besitzstands im Asylbereich und gegebenenfalls gemäß der Richtlinie 2003/86/EG des Rates(9) geregelt werden.
(17)
Die Frage des Übergangs der Verantwortung für Personen, die internationalen Schutz genießen, fällt nicht in den Regelungsbereich der vorliegenden Richtlinie. Der Schutzstatus und die mit internationalem Schutz einhergehenden Rechte sollten nicht aufgrund der Erteilung einer Blauen Karte EU an einen anderen Mitgliedstaat übergehen.
(18)
Um unabhängige Mobilität innerhalb der EU zu erleichtern und die geschäftliche Tätigkeit hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern, die das Recht auf Freizügigkeit genießen, zu vereinfachen, sollten diese Drittstaatsangehörigen nach den gleichen Regeln Zugang zur Blauen Karte EU erhalten wie andere Drittstaatsangehörige, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Dieser Anspruch betrifft Personen, die aufgrund familiärer Bindungen zu einem Unionsbürger nach den einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht auf Freizügigkeit genießen, und sollte unabhängig davon bestehen, ob der betreffende Unionsbürger von seinem Grundrecht nach Artikel 21 AEUV Gebrauch gemacht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, und auch unabhängig davon, ob der betreffende Drittstaatsangehörige zuerst Inhaber einer Blauen Karte EU oder zuerst Begünstigter des Rechts auf Freizügigkeit war. Diese Inhaber der Blauen Karte EU sollten daher berechtigt sein, eine hoch qualifizierte Beschäftigung auszuüben, Geschäftsreisen in andere Mitgliedstaaten zu unternehmen und ihren Aufenthalt in verschiedenen Mitgliedstaaten zu nehmen, unabhängig davon, ob sie in Begleitung des betreffenden Unionsbürgers sind oder nicht. Die Rechte, die diese Drittstaatsangehörigen als Inhaber einer Blauen Karte EU erwerben, sollten die Rechte, die sie gemäß der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(10) in Anspruch nehmen können, unberührt lassen. Aus Gründen der rechtlichen Klarheit und der Kohärenz bei der Familienzusammenführung und dem Grundsatz der Gleichbehandlung sollten die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG Vorrang haben. Alle Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über Personen, die das Recht auf Freizügigkeit genießen, sollten auch für Drittstaatsangehörige gelten, die ein Recht auf Freizügigkeit genießen, das dem aus Übereinkommen entweder zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Drittländern andererseits oder aus Übereinkommen zwischen der Union und Drittländern erwachsenden Recht der Unionsbürger gleichwertig ist.
(19)
Diese Richtlinie gilt nicht für Drittstaatsangehörige, die zur Durchführung von Forschungsprojekten einen Forschungsaufenthalt in einem Mitgliedstaat beantragen, da für sie die Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates(11) maßgebend ist, durch die ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der Forschung eingeführt wurde. Gemäß der Richtlinie (EU) 2016/801 rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige sollten jedoch gemäß der vorliegenden Richtlinie berechtigt sein, eine Blaue Karte EU zu beantragen. Ebenso sollten rechtmäßig aufhältige Inhaber einer Blauen Karte EU gemäß der Richtlinie (EU) 2016/801 den Aufenthalt als Forscher beantragen können. Damit diese Möglichkeit gewährleistet ist, sollte die Richtlinie (EU) 2016/801 entsprechend geändert werden.
(20)
Diese Richtlinie gilt zwar nicht für Drittstaatsangehörige, die die Zulassung in die Union als unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(12) beantragen, doch unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer, die sich rechtmäßig in der Union aufhalten, sollten eine Blaue Karte EU nach Maßgabe der vorliegenden Richtlinie für andere als die durch die Richtlinie 2014/66/EU abgedeckten Zwecke beantragen können.
(21)
Es ist notwendig, ein flexibles, klares und ausgewogenes Zulassungssystem vorzusehen, das sich auf objektive Kriterien gründet, wie etwa die Tatsache, dass der Antragsteller einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine Dauer von mindestens sechs Monaten hat, die Einhaltung der in den jeweiligen Beschäftigungszweigen geltenden Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder innerstaatlichen Gepflogenheiten, eine von den Mitgliedstaaten an ihren Arbeitsmarkt anpassbare Gehaltsschwelle und die Tatsache, dass der Antragsteller eine höhere berufliche Qualifikation oder gegebenenfalls höhere berufliche Fähigkeiten vorweisen kann.
(22)
Diese Richtlinie sollte innerstaatliche Verfahren zur Anerkennung von Diplomen unberührt lassen. Je nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats sollte für die Beurteilung, ob der betroffene Drittstaatsangehörige über einen Hochschulabschluss oder eine gleichwertige Qualifikation verfügt, auf die Stufen 6, 7 und 8 der ISCED 2011 oder gegebenenfalls auf die Stufen 6, 7 und 8 des weitgehend ähnlichen EQR Bezug genommen werden.
(23)
Den Mitgliedstaaten wird nahegelegt, die Anerkennung von Dokumenten zur Bescheinigung der einschlägigen höheren beruflichen Qualifikationen des betreffenden Drittstaatsangehörigen zu erleichtern und für Personen, die internationalen Schutz genießen und möglicherweise nicht über die erforderlichen Dokumente verfügen, geeignete Regelungen zur Beurteilung und Validierung von deren vorherigen Hochschulabschlüssen oder gegebenenfalls höheren beruflichen Fähigkeiten festzulegen.
(24)
Um eine hinreichende Angleichung der Zulassungsbedingungen innerhalb der Union sicherzustellen, sollten ein unterer und ein oberer Faktor für die Berechnung der Gehaltsschwelle festgelegt werden. Die unteren und die oberen Grenzen für die Festlegung der nationalen Gehaltsschwelle sollte durch Multiplikation dieser unteren und oberen Faktoren mit dem durchschnittlichen Bruttojahresgehalt in dem betreffenden Mitgliedstaat berechnet werden. Als Gehaltsschwelle sollte nach Anhörung der Sozialpartner gemäß den innerstaatlichen Gepflogenheiten ein Betrag innerhalb der Spanne zwischen unteren und oberen Grenzen festgelegt werden. Anhand dieser Gehaltsschwelle sollte das Mindestgehalt bestimmt werden, das ein Inhaber einer Blauen Karte EU verdienen muss. Für den Erhalt einer Blauen Karte EU sollte ein Antragsteller also mindestens ein Gehalt in Höhe der von dem betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Gehaltsschwelle erhalten.
(25)
Die Mitgliedstaaten sollten für bestimmte Berufe, bei denen der betreffende Mitgliedstaat einen besonderen Arbeitskräftebedarf sieht, eine niedrigere Gehaltsschwelle festlegen können, sofern diese Berufe in die Hauptgruppe 1 oder 2 der ISCO fallen. In jedem Fall sollte solch eine Gehaltsschwelle nicht unter dem 1,0-Fachen des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts in dem betreffenden Mitgliedstaat liegen.
(26)
Im Einklang mit den Prioritäten der neuen europäischen Kompetenzagenda für Europa in der Mitteilung der Kommission vom 10. Juni 2016, insbesondere der Priorität, die Abstimmung von Kompetenzbedarf und -nachfrage zu verbessern und den Fachkräftemangel zu beheben, wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, gegebenenfalls nach Anhörung der Sozialpartner Verzeichnisse mit den Beschäftigungsbereichen aufzustellen, in denen ein Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften besteht.
(27)
Die Mitgliedstaaten sollten für Drittstaatsangehörige für die Dauer eines bestimmten Zeitraums nach deren Studien- oder Ausbildungsabschluss eine niedrigere Gehaltsschwelle vorsehen können. Dieser Zeitraum sollte jedes Mal zur Anwendung gelangen, wenn der Drittstaatsangehörige gemäß dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats einen für die Zwecke dieser Richtlinie maßgeblichen Bildungsabschluss, das heißt der Stufe 6, 7 oder 8 der ISCED 2011 oder gegebenenfalls der Stufe 6, 7 oder 8 des EQR erreicht. Dieser Zeitraum sollte zudem stets zur Anwendung gelangen, wenn der Drittstaatsangehörige binnen drei Jahren nach dem Datum der Erlangung des betreffenden Abschlusses einen erstmaligen oder erneuten Antrag auf eine Blaue Karte EU stellt oder wenn er innerhalb von 24 Monaten nach der Erteilung der ersten Blauen Karte EU die Verlängerung einer Blauen Karte EU beantragt. Nach Ablauf dieser Fristen — die gleichzeitig laufen können — kann von jungen Fachkräften nach vernünftigem Ermessen erwartet werden, dass sie genügend Berufserfahrung gesammelt haben, um die normale Gehaltsschwelle zu erreichen. In jedem Fall sollte solch eine niedrigere Gehaltsschwelle nicht unter dem 1,0-Fachen des durchschnittlichen Bruttojahresgehalts in dem betreffenden Mitgliedstaat liegen.
(28)
Es sollten die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung einschließlich der Kriterien für eine Gehaltsschwelle festgelegt werden. Die von dem Mitgliedstaat festgelegte Gehaltsschwelle sollte keinesfalls zur Festlegung der Gehälter herangezogen werden; sie sollte mithin auch weder von den Regeln oder Gepflogenheiten auf Ebene der Mitgliedstaaten noch von den Tarifverträgen abweichen und nicht für etwaige Angleichungen auf diesem Gebiet genutzt werden. Das Gehalt, das dem Inhaber der Blauen Karte EU gezahlt wird, sollte nicht unter der geltenden Gehaltsschwelle liegen, kann aber gemäß den Vereinbarungen, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Drittstaatsangehörigen entsprechend den Marktbedingungen, dem Arbeitsrecht, den Tarifverträgen und den Gepflogenheiten in dem betreffenden Mitgliedstaat getroffen wurden, höher ausfallen. Diese Richtlinie sollte in vollem Umfang die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, insbesondere in beschäftigungs-, arbeits- und sozialpolitischen Fragen, achten.
(29)
Die Mitgliedstaaten sollten von Drittstaatsangehörigen verlangen können, dass diese zum Zeitpunkt der Antragstellung ihre Anschrift angeben. Wenn der Drittstaatsangehörige seine künftige Anschrift noch nicht kennt, sollten die Mitgliedstaaten eine vorübergehende Anschrift, bei der es sich auch um die Anschrift des Arbeitgebers handeln kann, akzeptieren.
(30)
Die Gültigkeitsdauer der Blauen Karte EU sollte mindestens 24 Monate betragen. Wenn jedoch die Dauer des Arbeitsvertrags kürzer ist, sollte die Blaue Karte EU mindestens für die Dauer des Arbeitsvertrags plus drei Monate und höchstens für 24 Monate ausgestellt werden. Wenn der Drittstaatsangehörige Inhaber eines gültigen Reisedokuments ist, dessen Gültigkeitsdauer kürzer als 24 Monate oder als die Dauer des Arbeitsvertrags ist, sollte die Blaue Karte EU mindestens für die Gültigkeitsdauer des Reisedokuments ausgestellt werden. Drittstaatsangehörige, die Inhaber einer Blauen Karte EU sind, sollten ihr Reisedokument verlängern lassen können.
(31)
Wenn eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit vorliegt, sollten die Mitgliedstaaten Anträge auf Erteilung von Blauen Karten EU ablehnen und die Möglichkeit haben, bestehende Blaue Karten EU dem Inhaber zu entziehen beziehungsweise nicht zu verlängern. Eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit ist nach der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Nummer 21 der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates(13) zu verstehen. Jede aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit erfolgende Ablehnung eines Antrags sollte sich gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das individuelle Verhalten der betroffenen Person gründen. Krankheiten oder Behinderungen, die ein Drittstaatsangehöriger erleidet, nachdem ihm die Einreise in das Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats erlaubt wurde, sollten nicht den alleinigen Grund für den Entzug einer Blauen Karte EU beziehungsweise die Nichtverlängerung oder die Nichtausstellung einer Blauen Karte EU in einem zweiten Mitgliedstaat darstellen. Ferner sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, vom Entzug oder von der Nichtverlängerung einer Blauen Karte EU abzusehen, wenn die Verpflichtung zur Vorlage eines gültigen Arbeitsvertrags oder eines der geltenden Gehaltsschwelle entsprechenden Gehalts aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Elternzeit vorübergehend nicht erfüllt wird.
(32)
Die Mitgliedstaaten sollten eine bestehende Blaue Karte EU entziehen beziehungsweise ihre Verlängerung ablehnen können, wenn der Inhaber der Karte die in dieser Richtlinie festgelegten Mobilitätsbedingungen nicht eingehalten hat, auch in Fällen eines Missbrauchs der Mobilitätsrechte, indem er beispielsweise den für die Ausübung einer geschäftlichen Tätigkeit zulässigen Zeitraum nicht eingehalten oder einen Antrag auf langfristige Mobilität nicht innerhalb der in einem zweiten Mitgliedstaat geltenden Frist gestellt hat oder in einem zweiten Mitgliedstaat eine Blaue Karte EU beantragt und früher als zulässig eine Beschäftigung aufgenommen hat, wenn klar war, dass die Bedingungen nicht erfüllt sein würden und der Antrag abgelehnt werden würde.
(33)
Jede Entscheidung über die Ablehnung eines Antrags auf eine Blaue Karte EU oder über den Entzug oder die Nichtverlängerung einer Blauen Karte EU sollte den spezifischen Umständen des Falls Rechnung tragen und verhältnismäßig sein. Insbesondere sollte in Fällen, in denen der Grund für die Ablehnung, den Entzug oder die Nichtverlängerung im Zusammenhang mit dem Verhalten des Arbeitgebers steht, ein geringfügiger Verstoß durch den Arbeitgeber keinesfalls als alleiniger Grund für die Ablehnung eines Antrags auf eine Blaue Karte EU oder für den Entzug oder die Nichtverlängerung einer Blauen Karte EU dienen können.
(34)
Eine Ablehnung eines Antrags auf eine Blaue Karte EU sollte das Recht des betroffenen Drittstaatsangehörigen auf Einreichung eines weiteren Antrags nicht berühren. Sofern im innerstaatlichen Recht nichts anderes festgelegt ist, berechtigt die Einreichung eines neuen Antrags den betreffenden Drittstaatsangehörigen nicht dazu, im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu verbleiben.
(35)
Wenn alle Zulassungsbedingungen erfüllt sind, sollten die Mitgliedstaaten eine Blaue Karte EU innerhalb einer bestimmten Frist erteilen. Wenn ein Mitgliedstaat Aufenthaltstitel nur in seinem Hoheitsgebiet ausstellt, und sämtliche Zulassungsbedingungen dieser Richtlinie erfüllt sind, sollte dieser Mitgliedstaat dem betreffenden Drittstaatsangehörigen das erforderliche Visum ausstellen. Es sollte sichergestellt werden, dass die zuständigen Behörden zu diesem Zweck wirksam zusammenarbeiten. Wenn der Mitgliedstaat keine Visa ausstellt, sollte er dem betreffenden Drittstaatsangehörigen eine gleichwertige Erlaubnis erteilen, die ihm die Einreise ermöglicht.
(36)
Die Vorschriften über die Bearbeitungszeit für Anträge auf eine Blaue Karte EU sollten sicherstellen, dass in allen Fällen eine rasche Ausstellung erfolgt. Die Frist für die Prüfung eines Antrags auf eine Blaue Karte EU sollte nicht die gegebenenfalls für die Anerkennung von beruflichen Befähigungsnachweisen oder für die Ausstellung eines Visums erforderliche Zeit einschließen. Wenn die Gültigkeitsdauer der Blauen Karte EU während des Verlängerungsverfahrens abläuft, sollte der Drittstaatsangehörige bis zur Entscheidung über den Antrag durch die zuständigen Behörden das Recht auf Aufenthalt, Ausübung einer Beschäftigung und Wahrnehmung der Rechte nach Maßgabe dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats haben, der die Blaue Karte EU ausgestellt hat; dieser Drittstaatsangehörige sollte aber nicht das Recht haben, in einen zweiten Mitgliedstaat umzuziehen.
(37)
Wenn ein Mitgliedstaat festgelegt hat, dass ein Antrag auf eine Blaue Karte EU oder auf EU-Binnenmobilität vom Arbeitgeber zu stellen ist, sollte dieser Mitgliedstaat die Verfahrensgarantien, die der Drittstaatsangehörige während des Antragsverfahrens genießt, oder die Rechte, die der Inhaber einer Blauen Karte EU während der Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses oder während des Verlängerungsverfahrens für die Blaue Karte EU genießt, nicht einschränken.
(38)
Das Format der Blauen Karte EU sollte der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates(14) entsprechen, damit die Mitgliedstaaten auf die Informationen über die Bedingungen, unter denen die betreffende Person eine Erwerbstätigkeit ausüben darf, Bezug nehmen können. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, zusätzliche Angaben in Papierform zu machen oder solche Angaben in elektronischer Form gemäß Artikel 4 der genannten Verordnung und gemäß Buchstabe a Nummer 16 des Anhangs jener Verordnung zu speichern, damit sie genauere Angaben über die betreffende Beschäftigungstätigkeit machen können. Die Bereitstellung dieser zusätzlichen Angaben sollte für die Mitgliedstaaten fakultativ sein und keine zusätzliche Anforderung darstellen, die das Verfahren für eine kombinierte Erlaubnis und das einheitliche Antragsverfahren aushöhlen.
(39)
Der betroffene Mitgliedstaat sollte sicherstellen, dass Antragsteller das Recht haben, vor Gericht gegen jede Entscheidung, einen Antrag auf eine Blaue Karte EU abzulehnen, oder gegen jede Entscheidung, eine Blaue Karte EU nicht zu verlängern oder zu entziehen, vorzugehen. Die Möglichkeit, eine Verwaltungsbehörde zu benennen, welche derartige Entscheidungen vorab verwaltungsrechtlich überprüft, sollte davon unberührt bleiben.
(40)
Da die vorliegende Richtlinie darauf ausgerichtet ist, den Arbeits- und Fachkräftemangel in Schlüsselsektoren zu beseitigen, sollte ein Mitgliedstaat prüfen können, ob die freie Stelle, die eine die Blaue Karte EU beantragende Person besetzen möchte, nicht mit einer Arbeitskraft des eigenen Staates oder der Union besetzt werden könnte, oder mit einem Drittstaatsangehörigen, der bereits seinen rechtmäßigen Aufenthalt in jenem Mitgliedstaat hat und dessen Arbeitsmarkt nach Unionsrecht oder innerstaatlichem Recht bereits angehört, oder mit einem Drittstaatsangehörigen mit langfristiger Aufenthaltsberechtigung in der EU, der sich nach Kapitel III der Richtlinie 2003/109/EG des Rates(15) zum Zweck der Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung in diesen Mitgliedstaat begeben will. Sollten Mitgliedstaaten beschließen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, so sollten sie das — auch über das Internet — in klarer und für Antragsteller und Arbeitgeber zugänglicher und transparenter Weise kommunizieren. Diese Prüfung sollte nicht Teil des Verfahrens zur Verlängerung einer Blauen Karte EU sein. Im Falle der langfristigen Mobilität sollte ein Mitgliedstaat die Arbeitsmarktsituation nur berücksichtigen können, wenn der betreffende Mitgliedstaat diese Prüfung auch in Bezug auf Antragsteller aus Drittländern eingeführt hat.
(41)
Bei der Durchführung dieser Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten in den Entwicklungsländern keine aktive Anwerbepolitik in den Beschäftigungsbereichen betreiben, in denen dort ein Arbeitskräftemangel besteht. Für Schlüsselsektoren, beispielsweise für den Gesundheitssektor, sollten Einstellungsstrategien und Grundsätze entwickelt werden, die auf ethischen Werten beruhen und für Arbeitgeber des öffentlichen und des privatwirtschaftlichen Sektors bestimmt sind. Ein derartiges Vorgehen steht im Einklang mit der von der Union eingegangenen Verpflichtung zur Einhaltung des globalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation von 2010 für die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften sowie mit den Schlussfolgerungen des Rates und der Mitgliedstaaten vom 14. Mai 2007 zum Europäischen Aktionsprogramm zur Bekämpfung des akuten Gesundheitspersonalmangels in den Entwicklungsländern (2007-2013) und im Bildungswesen. Es ist angebracht, diese Grundsätze und Strategien zu stärken, indem Methoden, Leitlinien und andere Instrumente entwickelt und angewandt werden, die die zirkuläre beziehungsweise zeitlich befristete Migration gegebenenfalls erleichtern, sowie durch andere Maßnahmen, die dazu beitragen, die negativen Folgen der Abwanderung hoch qualifizierter Fachkräfte für die Entwicklungsländer so gering wie möglich zu halten und die positiven Auswirkungen zu maximieren, um die Abwanderung hoch qualifizierter Fachkräfte in eine Zuwanderung solcher Fachkräfte umzukehren.
(42)
Die Mitgliedstaaten sollten ein vereinfachtes Verfahren für Arbeitgeber anwenden können. Dieses Verfahren sollte es anerkannten Arbeitgebern ermöglichen, von vereinfachten Verfahren und Zulassungsbedingungen gemäß der vorliegenden Richtlinie Gebrauch zu machen. Die Mitgliedstaaten sollten jedoch ausreichende Garantien gegen Missbrauch vorsehen. Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen diese Garantien der Schwere und der Art des Fehlverhaltens Rechnung tragen. Ist ein Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Verlängerung der Blauen Karte EU kein anerkannter Arbeitgeber mehr, so sollten bei der Verlängerung der Blauen Karte EU die normalen Zulassungsbedingungen gelten, sofern der betreffende Drittstaatsangehörige nicht von einem weiteren anerkannten Arbeitgeber beschäftigt wird.
(43)
Um sicherzustellen, dass die Zulassungskriterien weiterhin erfüllt sind, können die Mitgliedstaaten während der ersten zwölf Monate der rechtmäßigen Beschäftigung eines Inhabers einer Blauen Karte EU vorschreiben, dass jeder Arbeitgeberwechsel oder andere wesentliche Veränderungen den zuständigen Behörden mitgeteilt werden müssen und dass die zuständigen Behörden die Arbeitsmarktsituation überprüfen. Nach dieser Zwölfmonatsfrist sollten die Mitgliedstaaten von dem Inhaber einer Blauen Karte EU nur noch verlangen können, dass den zuständigen Behörden ein Arbeitsgeberwechsel oder Veränderungen, falls erforderlich einschließlich des neuen Arbeitsvertrags, mitzuteilen sind, die sich auf die Erfüllung der Zulassungskriterien gemäß der vorliegenden Richtlinie auswirken. Eine Prüfung der Arbeitsmarktsituation sollte nicht erfolgen. Die Prüfung durch die Mitgliedstaaten sollte sich auf die Aspekte, die sich geändert haben, beschränken.
(44)
Um innovatives Unternehmertum zu fördern, sollten die Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser Richtlinie zugelassenen Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit einräumen können, neben ihrer Tätigkeit gemäß der vorliegenden Richtlinie eine selbstständige Tätigkeit auszuüben, ohne dass dadurch ihr Aufenthaltsrecht als Inhaber einer Blauen Karte EU berührt wird. Die fortwährende Pflicht zur Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Zulassungsbedingungen sollte davon unberührt und der Inhaber der Blauen Karte EU daher in einer hoch qualifizierten Beschäftigung bleiben. Die Mitgliedstaaten sollten in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Bedingungen für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit festlegen können. Die Mitgliedstaaten sollten ferner berechtigt sein, den Umfang der erlaubten selbstständigen Erwerbstätigkeit zu beschränken. Die Bedingungen, unter denen die Mitgliedstaaten Inhabern einer Blauen Karte EU den Zugang zu selbstständiger Erwerbstätigkeit gewähren, sollten nicht weniger günstig als die Bedingungen gemäß den bestehenden innerstaatlichen Regelungen sein. Das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sollte nicht in die Berechnung der Gehaltsschwelle einfließen, die erreicht werden muss, um Anspruch auf die Blaue Karte EU zu haben.
(45)
Um den Beitrag zu vergrößern, den ein Inhaber der Blauen Karte EU durch seine höheren beruflichen Qualifikationen leisten kann, sollten die Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit haben, in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorzusehen, nach denen Inhaber der Blauen Karte EU berufliche Nebentätigkeiten ausüben dürfen, die ihre Haupttätigkeit als Inhaber einer Blauen Karte EU ergänzen. Das Einkommen aus diesen beruflichen Tätigkeiten sollte nicht in die Berechnung der Gehaltsschwelle einfließen, die erreicht werden muss, um Anspruch auf die Blaue Karte EU zu haben.
(46)
Inhabern einer Blauen Karte EU sollte Gleichbehandlung bei den in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(16) aufgeführten Zweigen der sozialen Sicherheit gewährt werden. Diese Richtlinie bewirkt keine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die soziale Sicherheit. Sie ist auf die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit auf Drittstaatsangehörige, die in ihren Anwendungsbereich fallen, beschränkt.
(47)
Im Falle der Mobilität zwischen Mitgliedstaaten findet die Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(17) Anwendung. Die vorliegende Richtlinie sollte mobilen Inhabern einer Blauen Karte EU nicht mehr Ansprüche der sozialen Sicherheit gewähren, als im bestehenden Unionsrecht für Drittstaatsangehörige mit grenzüberschreitenden Belangen in mehreren Mitgliedstaaten bereits vorgesehen sind.
(48)
Berufsqualifikationen, die ein Drittstaatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, sollten wie die Qualifikationen eines Unionsbürgers anerkannt werden. In einem Drittland erworbene Qualifikationen sollten gemäß der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(18) Berücksichtigung finden. Die im innerstaatlichen Recht festgelegten Bedingungen für die Ausübung reglementierter Berufe sollten von der vorliegenden Richtlinie nicht berührt werden. Sie sollte einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, nationale Zugangsbeschränkungen zu Erwerbstätigkeiten, die mit der zumindest gelegentlichen Ausübung hoheitlicher Befugnisse und der Verantwortung für die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates einhergehen oder innerstaatliche Vorschriften für Tätigkeiten, die eigenen Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats, Unionsbürgern oder Bürgern eines anderen Landes des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden „EWR-Bürgern” ) vorbehalten sind, auch im Falle der Mobilität in andere Mitgliedstaaten, beizubehalten, wenn diese Beschränkungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestanden.
(49)
Die Rechte, die eine internationalen Schutz genießende Person als Inhaber einer Blauen Karte EU erwirbt, sollten die Rechte unberührt lassen, die diese Person gemäß der Richtlinie 2011/95/EU und gemäß der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung (im Folgenden „Genfer Konvention” ) in dem Mitgliedstaat, der den internationalen Schutz gewährt hat, genießt. Um Widersprüche zwischen Vorschriften zu vermeiden, sollten die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über die Gleichbehandlung und die Familienzusammenführung in diesem Mitgliedstaat nicht anwendbar sein. Personen, die in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz genießen und in einem anderen Mitgliedstaat Inhaber einer Blauen Karte EU sind, sollten die gleichen Rechte haben wie jeder andere Inhaber einer Blauen Karte EU im letztgenannten Mitgliedstaat, einschließlich des Rechts auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Wohnsitzmitgliedstaats und des Rechts auf Familienzusammenführung. Die Rechtsstellung einer Person, die internationalen Schutz genießt, ist unabhängig davon, ob diese Person auch Inhaber einer Blauen Karte EU ist und unabhängig von der Gültigkeit dieser Blauen Karte EU.
(50)
Günstige Bedingungen für die Familienzusammenführung und der Zugang des Ehepartners zum Arbeitsmarkt sollten grundlegende Bestandteile dieser Richtlinie sein, damit die Anwerbung hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern erleichtert wird. Zur Erreichung dieses Ziels sollten besondere Ausnahmen von der Richtlinie 2003/86/EG, die im ersten und im zweiten Wohnsitzmitgliedstaat gilt, vorgesehen werden. Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, den Umfang der Ehepartnern erlaubten selbstständigen Erwerbstätigkeit unter denselben Bedingungen zu beschränken, die für Inhaber der Blauen Karte EU gelten. Bevor die Genehmigung zur Familienzusammenführung erteilt wird, sollten weder Bedingungen für die Integration noch Wartezeiten angewendet werden, da davon ausgegangen werden kann, dass nach einer Familienzusammenführung günstigere Aussichten auf eine erfolgreiche Integration hoch qualifizierter Fachkräfte und ihrer Familien in die Aufnahmegesellschaft bestehen. Um die rasche Einreise hoch qualifizierter Fachkräfte zu erleichtern, sollten ihren Familienangehörigen zeitgleich mit der Ausstellung der Blauen Karte EU Aufenthaltstitel ausgestellt werden, sofern die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind und die Anträge gleichzeitig eingereicht wurden.
(51)
Es sollten Abweichungen von der Richtlinie 2003/109/EG vorgesehen werden, um hoch qualifizierte Fachkräfte aus Drittländern anziehen und zu einem fortgesetzten Aufenthalt in der Union bewegen zu können sowie um Mobilität in der Union und zirkuläre Migration zu ermöglichen. Inhabern einer Blauen Karte EU, die von der Möglichkeit, von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu ziehen, Gebrauch gemacht haben, sollte in einem Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines in der EU langfristig Aufenthaltsberechtigten leichter gewährt werden, insbesondere indem ihnen gestattet wird, Aufenthaltszeiten in verschiedenen Mitgliedstaaten zu kumulieren, sofern sie den Nachweis über die gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2003/109/EG vorgeschriebene Anzahl an Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts als Inhaber der Blauen Karte EU, einer nationalen Aufenthaltserlaubnis für hoch qualifizierte Beschäftigung oder eines Aufenthaltstitels als Student oder Forscher gemäß der Richtlinie (EU) 2016/801 oder als Person, die internationalen Schutz genießt, erbringen können. Außerdem sollten sie zwei Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt als Inhaber einer Blauen Karte EU unmittelbar vor der Einreichung des entsprechenden Antrags im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines in der EU langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem Mitgliedstaat gestellt wird, nachweisen. Nach Maßgabe der Richtlinie 2003/109/EG dürfen die Zeiten des Aufenthalts in dem Mitgliedstaat zu Studienzwecken nur zur Hälfte in die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts einfließen.
(52)
Um die Mobilität hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern zwischen der EU und ihren Herkunftsländern zu fördern, sollten Ausnahmen von der Richtlinie 2003/109/EG vorgesehen werden, um längere Abwesenheitszeiten als in der genannten Richtlinie vorgesehen zuzulassen, wenn hoch qualifizierte Fachkräfte aus Drittländern in einem Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines in der EU langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben haben.
(53)
Die berufliche und räumliche Mobilität hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern sollte als wichtige Komponente zur Verbesserung der Arbeitsmarkteffizienz in der Union anerkannt werden, durch die gegen den Fachkräftemangel vorgegangen werden kann und regionale Unterschiede ausgeglichen werden können. Die Mobilität innerhalb der Union sollte erleichtert werden.
(54)
Die Bestimmungen der Richtlinien 96/71/EG(19) und 2014/67/EU(20) des Europäischen Parlaments und des Rates werden von der vorliegenden Richtlinie nicht berührt.
(55)
Der bestehenden Rechtsunsicherheit bei Geschäftsreisen hoch qualifizierter Fachkräfte aus Drittländern sollte durch eine geeignete Bestimmung des Begriffs „Geschäftsreise” und durch Festlegung einer Liste von Tätigkeiten, die in jedem Fall und in allen Mitgliedstaaten als geschäftliche Tätigkeiten zu betrachten sind, entgegengewirkt werden. Diese Tätigkeiten müssen in direktem Zusammenhang mit den Interessen des Arbeitgebers im ersten Mitgliedstaat und sollten im Zusammenhang mit den Pflichten des Inhabers der Blauen Karte EU im Rahmen der Beschäftigung, für die die Blaue Karte EU ausgestellt wurde, stehen. Der zweite Mitgliedstaat sollte von Inhabern einer Blauen Karte EU, die geschäftlichen Tätigkeiten nachgehen, neben der Blauen Karte EU kein Visum, keine Arbeitserlaubnis oder eine sonstige Genehmigung verlangen dürfen. Inhaber einer Blauen Karte EU, die von einem Mitgliedstaat ausgestellt wurde, der den Schengen-Besitzstand nicht uneingeschränkt anwendet, sollten ein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem oder mehreren zweiten Mitgliedstaaten zum Zwecke geschäftlicher Tätigkeit für eine Dauer von bis zu 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen haben.
(56)
Inhabern einer Blauen Karte EU, die in einem zweiten Mitgliedstaat eine neue Blaue Karte EU auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrags oder eines verbindlichen Arbeitsplatzangebots beantragen möchten, sollte der Umzug dorthin unter vereinfachten Bedingungen erlaubt werden. Der zweite Mitgliedstaat sollte von Inhabern einer Blauen Karte EU keine weitere Genehmigung als die vom ersten Mitgliedstaat ausgestellte Blaue Karte EU verlangen dürfen. Sobald ein Inhaber einer Blauen Karte EU einen vollständigen Antrag auf Erteilung einer neuen Blauen Karte EU binnen der in dieser Richtlinie vorgesehenen Frist in einem zweiten Mitgliedstaat einreicht, sollte jener Mitgliedstaat dem Inhaber einer Blauen Karte EU gestatten können, eine Beschäftigung aufzunehmen. Inhaber der Blauen Karte EU sollten berechtigt sein, spätestens 30 Tage nach der Antragstellung einer neuen Blauen Karte EU eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Mobilität sollte vom Bedarf abhängig sein; daher sollte im zweiten Mitgliedstaat stets die Vorlage eines Arbeitsvertrags verlangt werden; alle Bedingungen nach geltendem Recht, in Tarifverträgen oder nach Gepflogenheiten in den einschlägigen Beschäftigungszweigen sollten erfüllt sein und das Gehalt sollte die Gehaltsschwelle erreichen, die der zweite Mitgliedstaat nach Maßgabe dieser Richtlinie festgelegt hat.
(57)
Wenn Inhaber einer Blauen Karte EU beabsichtigen, in einem zweiten Mitgliedstaat eine Blaue Karte EU zu beantragen, um einen reglementierten Beruf auszuüben, sollten ihre beruflichen Qualifikationen gemäß der Richtlinie 2005/36/EG und anderen geltenden Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts wie die Qualifikationen eines Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit wahrnimmt, anerkannt werden.
(58)
Obschon diese Richtlinie eine Reihe besonderer Bestimmungen über die Einreise und den Aufenthalt in einem zweiten Mitgliedstaat zum Zwecke geschäftlicher Tätigkeiten und über den Umzug in einen zweiten Mitgliedstaat zu Aufenthalts- und Arbeitszwecken aufgrund einer Blauen Karte EU in dessen Hoheitsgebiet enthält, sollten alle sonstigen Vorschriften über das Überschreiten der Grenzen durch Personen, die in den einschlägigen Bestimmungen des Schengen-Besitzstands niedergelegt sind, anwendbar bleiben.
(59)
Wenn ein Inhaber einer Blauen Karte EU, die von einem Mitgliedstaat ausgestellt wurde, der den Schengen-Besitzstand nicht uneingeschränkt anwendet, im Zuge der in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Mobilität eine Außengrenze im Sinne der Verordnung (EU) 2016/399 überschreitet und in das Hoheitsgebiet eines zweiten Mitgliedstaats einreist, sollte jener Mitgliedstaat das Recht haben, von dem Inhaber der Blauen Karte EU einen Nachweis dafür zu verlangen, dass er zum Zwecke geschäftlicher Tätigkeiten oder zu Aufenthalts- und Arbeitszwecken aufgrund einer Blauen Karte EU auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrags oder eines verbindlichen Arbeitsplatzangebots einreist. Wenn die Einreise zum Zwecke geschäftlicher Tätigkeiten erfolgt, sollte der zweite Mitgliedstaat einen Nachweis für den geschäftlichen Zweck des Aufenthalts (beispielsweise eine Einladung, eine Eintrittskarte oder Unterlagen mit einer Beschreibung der Geschäftstätigkeit des betreffenden Unternehmens und der Position des Inhabers der Blauen Karte EU innerhalb dieses Unternehmens) verlangen können.
(60)
Wenn ein Inhaber einer Blauen Karte EU in einen zweiten Mitgliedstaat umzieht, um dort eine Blaue Karte EU zu beantragen, und dabei von Familienangehörigen begleitet wird, sollte der betreffende Mitgliedstaat von diesen Familienangehörigen die Vorlage ihrer im ersten Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel verlangen können. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand uneingeschränkt anwenden, beim Überschreiten einer Außengrenze im Sinne der Verordnung (EU) 2016/399 das Schengener Informationssystem konsultieren und die Einreise verweigern oder die Mobilität ablehnen, wenn es sich um eine Person handelt, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates(21) in diesem System zur Einreise- oder Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben ist.
(61)
Zieht ein Inhaber einer Blauen Karte EU auf der Grundlage einer vom ersten Mitgliedstaat ausgestellten Blauen Karte EU in einen zweiten Mitgliedstaat um und lehnt der zweite Mitgliedstaat den Antrag des Inhabers einer Blauen Karte EU auf eine neue Blaue Karte EU ab, so sollte der zweite Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Richtlinie verlangen können, dass der Inhaber einer Blauen Karte EU sein Hoheitsgebiet verlässt. Verfügt dieser Inhaber der Blauen Karte EU noch über eine vom ersten Mitgliedstaat ausgestellte gültige Blaue Karte EU, so sollte der zweite Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(22) von diesem Inhaber der Blauen Karte EU verlangen können, in diesen ersten Mitgliedstaat zurückzukehren. Wenn die vom ersten Mitgliedstaat ausgestellte Blaue Karte EU während der Prüfung des Antrags abgelaufen ist oder entzogen wurde, sollte der zweite Mitgliedstaat die Möglichkeit haben, zu beschließen, entweder den Inhaber der Blauen Karte EU gemäß der Richtlinie 2008/115/EG in ein Drittland zurückzuführen, oder den ersten Mitgliedstaat zu ersuchen, die Wiedereinreise des Inhabers der Blauen Karte EU in sein Hoheitsgebiet ohne unnötige Formalitäten und unverzüglich zu gestatten. Im letztgenannten Fall sollte der erste Mitgliedstaat dem Inhaber der Blauen Karte EU ein Dokument ausstellen, das ihm die Wiedereinreise in sein Hoheitsgebiet gestattet.
(62)
Für die Zwecke des Aufenthalts von Personen, die internationalen Schutz genießen, gilt es sicherzustellen, dass bei dem Umzug solcher Personen in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat, der ihnen den internationalen Schutz gewährt hat, der andere Mitgliedstaat über den internationalen Schutzstatus dieser Personen informiert wird, damit er seinen Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung nachkommen kann.
(63)
Beabsichtigt ein Mitgliedstaat, eine Person, die in diesem Mitgliedstaat eine Blaue Karte EU erworben hat und in einem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz genießt, auszuweisen, so sollte diese Person den Schutz gegen Zurückweisung gemäß der Richtlinie 2011/95/EU und Artikel 33 der Genfer Konvention genießen.
(64)
Ist die Ausweisung einer Person, die internationalen Schutz genießt, aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zulässig, so sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass alle Informationen von den einschlägigen Quellen eingeholt werden, gegebenenfalls auch von dem Mitgliedstaat, der den internationalen Schutz gewährt hat, und dass diese Informationen eingehend geprüft werden, um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Ausweisung dieser geschützten Person mit Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta” ) vereinbar ist.
(65)
Es sollten besondere Meldevorschriften vorgesehen werden, um die Durchführung dieser Richtlinie überwachen und negative Auswirkungen der Abwanderung hoch qualifizierter Fachkräfte aus den Entwicklungsländern erkennen und ihnen gegebenenfalls begegnen zu können, um Bildungsverschwendung zu verhindern.
(66)
Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Einführung eines besonderen Zulassungsverfahrens und die Festlegung von Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in den Mitgliedstaaten zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung sowie für die Einreise und den Aufenthalt und die Rechte ihrer Familienangehörigen, auf Ebene der Mitgliedstaaten — insbesondere bei der Gewährleistung der Mobilität dieser Personen zwischen den Mitgliedstaaten und die Festlegung klarer und einheitlicher Zulassungskriterien für sämtliche Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Attraktivität der EU — nicht ausreichend verwirklicht werden können und wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen daher besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(67)
Diese Richtlinie wahrt gemäß Artikel 6 EUV die Grundrechte und Grundsätze, die mit der Charta anerkannt wurden.
(68)
Mit der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission vom 28. September 2011 zu erläuternden Dokumenten haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokument(e) zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird. Im Falle der vorliegenden Richtlinie hält der Gesetzgeber die Übermittlung derartiger Dokumente für gerechtfertigt.
(69)
Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
(70)
Nach den Artikeln 1 und 2 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
(71)
Die Richtlinie 2009/50/EG sollte daher aufgehoben werden —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 75.

(2)

ABl. C 185 vom 9.6.2017, S. 105.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15. September 2021 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 7. Oktober 2021.

(4)

Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung (ABl. L 155 vom 18.6.2009, S. 17).

(5)

ABl. C 58 vom 15.2.2018, S. 9.

(6)

Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).

(7)

Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16).

(8)

Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(9)

Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 vom 3.10.2003, S. 12).

(10)

Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(11)

Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21).

(12)

Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1).

(13)

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

(14)

Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige (ABl. L 157 vom 15.6.2002, S. 1).

(15)

Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. L 16 vom 23.1.2004, S. 44).

(16)

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1).

(17)

Verordnung (EU) Nr. 1231/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Verordnungen fallen (ABl. L 344 vom 29.12.2010, S. 1).

(18)

Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22).

(19)

Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1).

(20)

Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ( „IMI-Verordnung” ) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(21)

Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) (ABl. L 381 vom 28.12.2006, S. 4).

(22)

Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.