Präambel RL 2023/1544/EU

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf die Artikel 53 und 62,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Netzgestützte Dienste können von jedem Ort aus erbracht werden und erfordern keine physische Infrastruktur, Räumlichkeiten oder eine Präsenz von Personal in dem Land, in dem der betreffende Dienst angeboten wird, oder im Binnenmarkt selbst. Infolgedessen kann es schwierig sein, den Pflichten, denen die betreffenden Diensteanbieter nach nationalem Recht oder Unionsrecht unterliegen, Geltung zu verschaffen; dies gilt insbesondere für die Pflicht, der Anordnung oder der Entscheidung einer Justizbehörde Folge zu leisten. Im Strafrecht macht sich dies besonders bemerkbar, wenn solche Dienste ihren Ursprung außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten haben und es deren Behörden nicht ohne Weiteres gelingt, die Zustellung, Befolgung und Durchsetzung ihrer Entscheidungen sicherzustellen. Um in diesen Fällen eine wirksamere Anwendung und Durchsetzung ihrer Rechtsvorschriften zu erreichen, haben einige Mitgliedstaaten unabhängig voneinander entsprechende Maßnahmen ergriffen. Hierzu zählen auch Maßnahmen, die sich an Diensteanbieter zur Erlangung elektronischer Beweismittel, die für ein Strafverfahren von Belang sind, richten. Einige Mitgliedstaaten haben deshalb Diensteanbieter, die in ihrem Hoheitsgebiet Dienste anbieten, gesetzlich verpflichtet, in ihrem Hoheitsgebiet einen Vertreter zu bestellen; andere Mitgliedstaaten erwägen, es ihnen gleichzutun. Anforderungen dieser Art behindern den freien Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt.
(2)
Es besteht ein Risiko, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung eines unionsweiten Vorgehens versuchen werden, bestehende Mängel bei der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren im Alleingang zu beheben, und dass sie hierzu nationale Verpflichtungen einführen werden. Durch solche unterschiedlichen nationalen Verpflichtungen würden weitere Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt entstehen.
(3)
Das Fehlen eines unionsweiten Vorgehens, führt zu Rechtsunsicherheit, die sowohl Diensteanbieter als auch Behörden belastet. Für Diensteanbieter, die Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten unterhalten oder ihre Dienste in mehreren Mitgliedstaaten anbieten, gelten unterschiedlichen und womöglich widersprüchlichen Pflichten, weshalb diese Diensteanbieter im Falle eines Verstoßes mit unterschiedlichen Sanktionen belegt werden. Diese Unterschiede im strafprozessrechtlichen Rahmen werden sich aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Kommunikationsdiensten und Diensten der Informationsgesellschaft in unserem Alltag und in unseren Gesellschaften aller Voraussicht nach weiter vertiefen. Durch diese Unterschiede wird nicht nur der Binnenmarkt in seiner Funktionsweise gestört, sondern es wird auch die Errichtung und das ordnungsgemäße Funktionieren des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Union in Mitleidenschaft gezogen.
(4)
Um Abweichungen beim Rechtsrahmen zu vermeiden und sicherzustellen, dass im Binnenmarkt tätige Unternehmen denselben oder vergleichbaren Pflichten unterliegen, hat die Union in verwandten Bereichen wie dem Datenschutz eine Reihe von Rechtsakten erlassen, insbesondere die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) und die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4). Um betroffene Personen besser zu schützen, sieht die Verordnung (EU) 2016/679 vor, dass Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter, die nicht in der Union niedergelassen sind, aber betroffenen Personen in der Union Waren oder Dienste anbieten oder das Verhalten von betroffenen Personen beobachten, sofern ihr Verhalten in der Union erfolgt, einen Vertreter in der Union benennen müssen, es sei denn, die Verarbeitung von Daten erfolgt gelegentlich, schließt nicht die umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten oder die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten ein und führt voraussichtlich unter Berücksichtigung der Art, der Umstände, des Umfangs und der Zwecke der Verarbeitung nicht zu einem Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen, oder es handelt sich bei dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter um eine Behörde oder öffentliche Stelle.
(5)
Mit einheitlichen Regeln für die Benennung von benannten Niederlassungen und die Bestellung von Vertretern bestimmter Diensteanbieter in der Union zwecks Entgegennahme, Befolgung und Durchsetzung von Entscheidungen und Anordnungen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die auf die Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren gerichtet sind, lassen sich nicht nur die bestehenden Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr überwinden, sondern kann auch ein unterschiedliches Vorgehen auf nationaler Ebene in diesem Bereich künftig verhindert werden. Für Diensteanbieter sollten daher gleiche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Je nachdem, ob Diensteanbieter in der Union oder außerhalb der Union niedergelassen sind, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Diensteanbieter eine benannte Niederlassung benennen oder einen Vertreter bestellen. Diese einheitlichen Regeln für die Benennung von benannten Niederlassungen und die Bestellung von Vertretern sollten die Pflichten, die für Diensteanbieter gemäß anderen Rechtsvorschriften der Union gelten, unberührt lassen. Zudem sollte im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Union für eine wirksamere Durchsetzung des Strafrechts gesorgt werden.
(6)
Die in dieser Richtlinie vorgesehenen benannten Niederlassungen und Vertreter sollten als Adressaten von Entscheidungen und Anordnungen zur Erhebung elektronischer Beweismittel auf der Grundlage der Verordnung (EU) 2023/1543 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates(6) und des vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellten Übereinkommens — gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt — über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union(7) fungieren, auch wenn diese Entscheidungen und Anordnungen in Form einer Bescheinigung übermittelt werden.
(7)
Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Diensteanbieter, die am 18. Februar 2026 in der Union Dienste anbieten, verpflichtet sind, bis zum 18. August 2026 mindestens eine benannte Niederlassung oder mindestens einen Vertreter zu benennen und dass Diensteanbieter, die nach diesem Zeitpunkt mit dem Anbieten von Diensten in der Union beginnen, binnen sechs Monaten nach dem Tag, an dem sie mit dem Anbieten von Diensten in der Union beginnen, mindestens eine benannte Niederlassung oder mindestens einen Vertreter benennen. Unbeschadet der Datenschutzgarantien könnte eine solche benannte Niederlassung oder ein solcher Vertreter für mehrere Diensteanbieter tätig sein, insbesondere für Diensteanbieter, bei denen es sich um kleine oder mittlere Unternehmen handelt.
(8)
Die Pflicht zur Benennung einer benannten Niederlassung oder zur Bestellung eines Vertreters sollte für Diensteanbieter gelten, die Dienste in der Union, das heißt in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten, anbieten. Fälle, in denen ein Diensteanbieter im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen ist und nur im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats Dienstleistungen anbietet, sollten nicht unter diese Richtlinie fallen.
(9)
Für die Zwecke der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren sollte es den Mitgliedstaaten nach wie vor möglich sein, sich in rein innerstaatlichen Fällen im Einklang mit dem Unionsrecht oder ihren jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften an die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter zu wenden. Ungeachtet der derzeit im nationalen Recht vorgesehenen Möglichkeiten, sich an Diensteanbieter in ihrem eigenen Hoheitsgebiet zu wenden, sollten die Mitgliedstaaten die diese Richtlinie bzw. der Verordnung (EU) 2023/1543 zugrundeliegenden Prinzipien nicht umgehen.
(10)
Damit festgestellt werden kann, ob ein Diensteanbieter Dienste in der Union anbietet, muss geprüft werden, ob der Diensteanbieter es natürlichen oder juristischen Personen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ermöglicht, seine Dienste in Anspruch zu nehmen. Allerdings sollte die bloße Zugänglichkeit einer Online-Schnittstelle in der Union, beispielsweise die Zugänglichkeit einer Website oder einer E-Mail-Adresse oder anderer Kontaktdaten eines Diensteanbieters oder eines Vermittlers, für sich genommen nicht als ausreichend angesehen werden, um festzustellen, dass ein Diensteanbieter Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie in der Union anbietet.
(11)
Damit festgestellt werden kann, ob ein Diensteanbieter Dienste in der Union anbietet, muss zusätzlich zu der Prüfung, ob der Diensteanbieter es natürlichen oder juristische Personen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ermöglicht, seine Dienste zu nutzen, auch festgestellt werden, ob eine wesentliche Verbindung zur Union besteht. Eine solche wesentliche Verbindung zur Union sollte dann als gegeben gelten, wenn der Diensteanbieter eine Niederlassung in der Union hat. Gibt es eine solche Niederlassung nicht, so sollte die Feststellung einer wesentlichen Verbindung auf konkreten faktischen Kriterien beruhen, wie beispielsweise einer erheblichen Zahl von Nutzern in einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder der Ausrichtung der Tätigkeit eines Diensteanbieters auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten. Die Ausrichtung von Tätigkeiten auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten sollte auf der Grundlage aller relevanten Umstände bestimmt werden, einschließlich Faktoren wie der Verwendung einer in dem betreffenden Mitgliedstaat gebräuchlichen Sprache oder Währung oder der Möglichkeit, Waren oder Dienstleistungen zu bestellen.
(12)
Bei der Beweiserhebung in Strafverfahren gelten für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander verschiedene Rechtsakte, die in den Geltungsbereich von Titel V Kapitel 4 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union fallen. Infolge der variablen Geometrie im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Union muss sichergestellt werden, dass die vorliegende Richtlinie die Entstehung weiterer Unterschiede oder Hindernisse für die Erbringung von Dienstleistungen im Binnenmarkt nicht begünstigt, indem erlaubt wird, dass Diensteanbieter, die auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten Dienste anbieten, in Mitgliedstaaten, die sich nicht an den einschlägigen Rechtsinstrumenten beteiligen, benannte Niederlassungen benennen oder Vertreter bestellen. Es sollte daher in einem Mitgliedstaat, der an den einschlägigen Rechtsinstrumenten der Union beteiligt ist, mindestens eine benannte Niederlassung benannt oder mindestens ein Vertreter bestellt werden, um zu vermeiden, dass die in dieser Richtlinie vorgesehene Benennungs- oder Bestellung in ihrer Wirkung geschwächt wird, und um die Synergien zu nutzen, die sich aus einer benannten Niederlassung oder einem Vertreter ergeben, die bzw. der für die Entgegennahme, Befolgung und Durchsetzung von Entscheidungen und Anordnungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen n einschließlich Entscheidungen und Anordnungen gemäß der Verordnung (EU) 2023/1543, der Richtlinie 2014/41/EU und gemäß dem Übereinkommen gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union - vom Rat erstellt - über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlassen wurden, benannt wurde. Darüber hinaus würde es die Benennung einer benannten Niederlassung oder die Bestellung eines Vertreters, die auch die Einhaltung nationaler rechtlicher Verpflichtungen sicherstellen könnte, ermöglichen, die Synergien zu nutzen, die sich daraus ergeben, dass es eine klar bestimmte Kontaktperson gibt, über die die Diensteanbieter zum Zwecke der Beweiserhebung in Strafverfahren erreichbar sind.
(13)
Diensteanbieter sollten frei wählen können, in welchem Mitgliedstaat sie ihre benannte Niederlassung benennen bzw. ihren Vertreter bestellen; die Mitgliedstaaten sollten diese Entscheidungsfreiheit nicht beschränken dürfen, indem sie Diensteanbieter beispielsweise verpflichten, die benannte Niederlassung bzw. den Vertreter in ihrem Hoheitsgebiet zu benennen bzw. zu bestellen. Allerdings sollte die vorliegende Richtlinie im Hinblick auf diese Entscheidungsfreiheit auch gewisse Beschränkungen vorsehen, insbesondere dahingehend, dass die benannte Niederlassung bzw. der Vertreter in einem Mitgliedstaat niedergelassen bzw. ansässig sein sollte, in dem der Diensteanbieter Dienstleistungen erbringt oder niedergelassen ist, und sie sollte die Pflicht zur Benennung einer benannten Niederlassung oder zur Bestellung eines Vertreters in einem Mitgliedstaat vorsehen, der sich an einem in der vorliegenden Richtlinie genannten Rechtsinstrument beteiligt. Allein die Bestellung eines Vertreters sollte nicht als Gründung einer Niederlassung des Diensteanbieters angesehen werden.
(14)
Die für die Beweiserhebung in Strafverfahren wichtigsten Dienstanbieter sind Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste und bestimmte Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft, welche die Interaktion zwischen Nutzern erleichtern. Daher sollten beide Gruppen unter die Richtlinie fallen. Elektronische Kommunikationsdienste sind in der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) definiert und umfassen interpersonelle Kommunikationsdienste wie die Internet-Telefonie ( „Voice-over-IP” ), die Übermittlung von Sofortnachrichten und E-Mail-Dienste. Diese Richtlinie sollte auch für Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) gelten, die zwar nicht als Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste gelten, ihren Nutzern aber ermöglichen, miteinander zu kommunizieren, oder ihnen Dienste anbieten, die für die Speicherung oder anderweitige Verarbeitung von Daten in ihrem Namen genutzt werden können. Dies stünde im Einklang mit den Begriffen, die im Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität (ETS Nr. 185) verwendet werden, das am 23. November 2001 in Budapest unterzeichnet wurde und auch als Budapester Übereinkommen bezeichnet wird. Der Begriff der Datenverarbeitung sollte im technischen Sinne ausgelegt werden und die Erstellung oder Bearbeitung von Daten bezeichnen, also technische Vorgänge, bei denen Daten mithilfe der Rechenleistung von Computern erzeugt oder verändert werden.
(15)
Anbieter von Internetinfrastrukturdiensten im Zusammenhang mit der Zuweisung von Namen und Nummern wie Domänennamen-Register und -Registrierstellen sowie Datenschutz- und Proxy-Diensteanbieter oder regionale Internet-Register für IP-Adressen sind besonders wichtig, wenn es um die Ermittlung von Akteuren geht, die für arglistige oder kompromittierte Websites verantwortlich sind. Diese Anbieter besitzen Daten, die die Identifizierung einer Person oder eines Rechtsträgers hinter einer für eine kriminelle Aktivität verwendeten Website oder des Opfers einer kriminellen Aktivität ermöglichen könnten.
(16)
Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Diensteanbieter, die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen sind oder in ihrem Hoheitsgebiet Dienste anbieten, ihre benannte Niederlassung und ihre Vertreter mit den notwendigen Befugnissen und Ressourcen ausstatten, um den Entscheidungen und Anordnungen im Anwendungsbereich dieser Richtlinie, die ihnen von einem Mitgliedstaat zugehen, nachzukommen. Die Mitgliedstaaten sollten auch überprüfen, ob die benannten Niederlassungen oder die Vertreter, die in ihrem Hoheitsgebiet ansässig sind, von den Diensteanbietern mit den notwendigen Befugnissen und Ressourcen ausgestattet wurden, um den seitens der Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen und Anordnungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, nachzukommen, und ob sie bei der Entgegennahme dieser Entscheidungen und Anordnungen nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten. Werden Entscheidungen oder Anordnungen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, nicht befolgt, so sollte dies nicht damit begründet werden, dass solche Maßnahmen fehlen oder diese unzureichend sind.
(17)
Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass jeder Diensteanbieter, der in seinem Hoheitsgebiet niedergelassen ist oder Dienste anbietet, der gemäß dieser Richtlinie benannten zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem seine benannte Niederlassung niedergelassen oder sein Vertreter ansässig ist, die Kontaktdaten dieser benannten Niederlassung oder dieses bestellten Vertreters und alle diesbezüglichen Änderungen schriftlich mitteilt. In der Mitteilung sollten auch die Sprachen für die Kommunikation mit der benannten Niederlassung oder dem Vertreter angegeben werden, zu denen eine oder mehrere der im nationalen Recht des Mitgliedstaats festgelegten Amtssprachen gehören sollte, in dem die benannte Niederlassung niedergelassen oder der Vertreter ansässig ist; darüber hinaus können weitere Amtssprachen der Union angegeben werden, wie etwa die Sprache des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Sitz haben. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ein Diensteanbieter, der mehrere benannte Niederlassungen oder mehrere Vertreter gemäß dieser Richtlinie benennt bzw. bestellt, für jede benannte Niederlassung bzw. jeden bestellten Vertreter den genauen räumlichen Geltungsbereich der Benennung bzw. Bestellung angibt. Dieser sollte das Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten, die sich an den in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Instrumenten beteiligen, abdecken. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ihre jeweiligen zuständigen Behörden alle ihre gemäß dieser Richtlinie erlassenen Entscheidungen und Anordnungen an die angegebene benannte Niederlassung oder den angegebenen Vertreter des Diensteanbieters richten. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die ihnen gemäß dieser Richtlinie mitgeteilten Informationen auf einer speziellen Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Strafsachen öffentlich zugänglich sind, um die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und die Inanspruchnahme der benannten Niederlassungen oder des Vertreters durch Behörden eines anderen Mitgliedstaats zu erleichtern. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass diese Informationen regelmäßig aktualisiert werden. Es sollte auch möglich sein, die Informationen weiterzuverbreiten, um sie den zuständigen Behörden leichter zugänglich zu machen, z. B. über spezielle Intranet-Seiten oder Foren und Plattformen.
(18)
Die Mitgliedstaaten sollten die Vorschriften über Sanktionen erlassen, die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften zu verhängen sind, und alle für die Anwendung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen treffen. Die vorgesehenen Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission diese Vorschriften und Maßnahmen bis zu dem in dieser Richtlinie genannten Zeitpunkt mitteilen und ihr unverzüglich etwaige spätere Änderungen melden. Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission zudem jährlich mitteilen, welche Diensteanbieter ihren Pflichten nicht nachgekommen sind und welche Durchsetzungsmaßnahmen und Sanktionen gegen sie verhängt wurden. Die Sanktionen dürfen unter keinen Umständen ein dauerhaftes oder vorübergehendes Dienstleistungsverbot zur Folge haben. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Durchsetzungsmaßnahmen abstimmen, wenn ein Diensteanbieter Dienste in mehreren Mitgliedstaaten anbietet. Die zentralen Behörden sollten sich abstimmen, um ein kohärentes Vorgehen im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu gewährleisten. Die Kommission sollte diese Koordinierung bei Bedarf erleichtern, und sie sollte in jedem Fall über Verstöße informiert werden. Diese Richtlinie gilt nicht für vertragliche Vereinbarungen zwischen Diensteanbietern, benannten Niederlassungen und Vertretern über die Übertragung oder Verlagerung der finanziellen Folgen von gegen sie verhängten Sanktionen.
(19)
Bei der Festlegung angemessener Sanktionen, die bei Verstößen der Diensteanbieter zu verhängen sind, sollten die zuständigen Behörden alle relevanten Umstände berücksichtigen, beispielsweise die finanzielle Leistungsfähigkeit des Diensteanbieters, die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes, ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde und ob der Diensteanbieter bereits für vergleichbare Verstöße zur Verantwortung gezogen wurde. Besonderes Augenmerk sollte in dieser Hinsicht auf Kleinstunternehmen gelegt werden.
(20)
Diese Richtlinie lässt die Befugnisse der nationalen Behörden in Zivil- oder Verwaltungsverfahren unberührt, auch wenn solche Verfahren zu Sanktionen führen können.
(21)
Um die kohärente Anwendung der Richtlinie zu gewährleisten, sollten zusätzliche Mechanismen für die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten eingeführt werden. Hierzu sollten die Mitgliedstaaten eine oder mehrere zentrale Behörden benennen, die den zentralen Behörden anderer Mitgliedstaaten Informationen und Unterstützung bei der Anwendung dieser Richtlinie zur Verfügung stellen kann, insbesondere wenn Durchsetzungsmaßnahmen auf Grundlage dieser Richtlinie in Betracht gezogen werden. Dieser Koordinierungsmechanismus sollte gewährleisten, dass die betreffenden Mitgliedstaaten über die Absicht eines Mitgliedstaats unterrichtet werden, Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zentralen Behörden einander in diesen Fällen alle relevanten Informationen übermitteln und Amtshilfe leisten können und gegebenenfalls zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit der zentralen Behörden bei Durchsetzungsmaßnahmen könnte in einer Koordinierung der Durchsetzungsmaßnahmen zwischen den zuständigen Behörden verschiedener Mitgliedstaaten bestehen. Ziel dieser Zusammenarbeit sollte sein, positive oder negative Kompetenzkonflikte zu vermeiden. Die zentralen Behörden sollten gegebenenfalls auch die Kommission in die Koordinierung von Durchsetzungsmaßnahmen einbeziehen. Die Pflicht der zentralen Behörden zur Zusammenarbeit sollte das Recht eines Mitgliedstaats unberührt lassen, gegen Diensteanbieter, die ihren Pflichten aus dieser Richtlinie nicht nachkommen, Sanktionen zu verhängen. Die Benennung zentraler Behörden und die Veröffentlichung von Informationen über diese Behörden würde es Diensteanbietern erleichtern, dem Mitgliedstaat, in dem ihre benannte Niederlassung oder ihr Vertreter niedergelassen bzw. ansässig ist, die Benennung bzw. Bestellung ihrer benannten Niederlassung bzw. ihres Vertreters und deren bzw. dessen Kontaktdaten mitzuteilen. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten die Kommission über die von ihnen benannte(n) zentrale(n) Behörde(n) unterrichten, und die Kommission sollte den Mitgliedstaaten eine Liste der benannten zentralen Behörden übermitteln und sie öffentlich zugänglich machen.
(22)
Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Beseitigung der im Zusammenhang mit der Erhebung elektronischer Beweismittel in Strafverfahren bestehenden Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des grenzübergreifenden Charakters der betreffenden Dienste auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(23)
Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates(10) angehört und hat am 6. November 2019 eine Stellungnahme abgegeben(11).
(24)
Die Kommission sollte eine Bewertung dieser Richtlinie vornehmen, die sich auf die fünf Kriterien Effizienz, Wirksamkeit, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert stützen und die Grundlage für Folgenabschätzungen für mögliche weitere Maßnahmen bilden sollte. Die Bewertung sollte bis zum 18. August 2029 durchgeführt werden, damit genügend Daten über die praktische Anwendung der Richtlinie vorliegen. Es sollten regelmäßig Informationen eingeholt werden, um eine Bewertung dieser Richtlinie zu ermöglichen –

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 88.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Juni 2023 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 27. Juni 2023.

(3)

Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(4)

Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

(5)

Verordnung (EU) 2023/1543 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Europäische Herausgabeanordnungen und Europäische Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen und für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Strafverfahren (siehe Seite 118 dieses Amtsblatts).

(6)

Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. L 130 vom 1.5.2014, S. 1).

(7)

Übereinkommen gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union – vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 3) und das dazugehörige Protokoll (ABl. C 326 vom 21.11.2001, S. 2).

(8)

Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36).

(9)

Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1).

(10)

Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

(11)

ABl. C 32 vom 31.1.2020, S. 11.

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