Anlage 1 RL 74/408/EWG

Prüfverfahren für Sitze nach Nummer 3 und/oder für Verankerungen nach Nummer 4.1.2

1.
Vorschriften

1.1. Durch die Prüfungen soll ermittelt werden:

1.1.1. ob der (die) Sitzbenutzer korrekt von dem (den) Sitz(en) vor ihm (ihnen) und/oder durch das Anlegen eines Sicherheitsgurts zurückgehalten wird (werden).

1.1.1.1. Diese Vorschrift gilt als erfüllt, wenn die Vorwärtsbewegung irgendeines Teils des Rumpfes oder des Kopfes der Prüfpuppe nicht über die 1,6 m vom R-Punkt des Zusatzsitzes verlaufende vertikale Querebene hinausgeht;

1.1.2. ob der (die) Sitzbenutzer ernsthaft verletzt ist (sind).

1.1.2.1. Diese Vorschrift gilt als erfüllt, wenn die biomechanischen Akzeptanzkriterien für die mit Instrumenten ausgestattete Prüfpuppe gemäß Anlage 4 erfüllt sind; das heißt:

1.1.2.1.1. das Akzeptanzkriterium für die Kopfbewegung HAC ist weniger als 500;
1.1.2.1.2. das Akzeptanzkriterium für die Brustkorbbelastung (ThAC) ist weniger als 30 g außer für Zeiträume von insgesamt weniger als 3 ms (g = 9,81 m/s2);
1.1.2.1.3. das Akzeptanzkriterium für die Oberschenkelbelastung (FAC) ist weniger als 10 kN und der Wert von 8 kN wird für Zeiträume von insgesamt mehr als 20 ms nicht überschritten;

1.1.3. ob die Sitze und die Sitzhalterungen widerstandsfähig genug sind. Diese Vorschrift gilt als erfüllt, wenn

1.1.3.1. kein Teil des Sitzes, der Sitzhalterungen oder der Zubehörteile sich während der Prüfung vollständig löst;

1.1.3.2. der Sitz unverändert in seiner Stellung verbleibt, selbst wenn sich eine oder mehrere Verankerungen teilweise lösen, und alle Verriegelungssysteme während der gesamten Dauer der Prüfung verriegelt bleiben;

1.1.3.3. kein tragendes Teil des Sitzes oder der Zubehörteile nach der Prüfung Brüche oder scharfe bzw. spitze Kanten und Ecken aufweisen, die Körperverletzungen verursachen können.

1.2. Alle zur Rückenlehne gehörenden Befestigungsbeschläge oder Zubehörteile sollten so beschaffen sein, daß sie voraussichtlich nicht während des Aufschlags einen Insassen verletzen können. Diese Vorschrift gilt als erfüllt, wenn jeder von einer Kugel mit einem Durchmesser von 165 mm berührbare Teil einen Krümmungsradius von mindestens 5 mm aufweist.

1.2.1. Besteht irgendein Teil der oben erwähnten Befestigungsbeschläge und Zubehörteile aus einem Werkstoff mit einer Härte von weniger als 50 Shore A auf einem starren Träger, so gelten die Vorschriften nach 3.3 nur für den starren Träger.

1.2.1. Teile der Rückenlehne wie Einstelleinrichtungen für den Sitz und Zubehörteile unterliegen nicht den Vorschriften von 3.3, wenn sie in der Ruhestellung unterhalb einer horizontalen Ebene 400 mm über der Bezugsebene liegen, selbst wenn der Insasse hiermit in Berührung kommen kann.

2.
Vorbereitung des zu prüfenden Sitzes

2.1. Der zu prüfende Sitz ist wie folgt zu montieren:

2.1.1. entweder auf einer Prüfplattform, die für einen Fahrzeugaufbau repräsentativ ist,

2.1.2. oder auf einer starren Prüfplattform.

2.2. Die für den (die) Prüfsitz(e) vorgesehene Verankerung muß identisch sein mit derjenigen, die in dem (den) Fahrzeug(en) benutzt wird, in dem (dener) der Sitz verwendet werden soll, bzw. die gleichen Merkmale aufweisen.

2.3. Der zu prüfende Sitz muß vollständig mit Polsterung und Zubehörteilen ausgestattet sein. Ist der Sitz mit einem Tisch ausgerüstet, muß dieser weggeklappt sein.

2.4. Ein seitlich verstellbarer Sitz ist auf die maximale Ausdehnung einzustellen.

2.5. Eine verstellbare Rückenlehne ist so einzustellen, daß die Rumpfneigung der für die Bestimmung des H-Punkts benutzten Prüfpuppe und der tatsächliche Rumpfwinkel für die Sitzposition in Kraftfahrzeugen so nah wie möglich an der vom Hersteller für die normale Benutzung empfohlenen Einstellung liegt oder, in Ermangelung besonderer Empfehlungen des Herstellers, möglichst etwa 25o nach hinten im Verhältnis zur Vertikalen.

2.6. Ist die Rückenlehne mit einer in der Höhe verstellbaren Kopfstütze ausgerüstet, ist diese in die niedrigste Stellung zu bringen.

2.7. Sicherheitsgurte eines gemäß der Richtlinie 77/541/EWG genehmigten Typs, die an Verankerungen gemäß der Richtlinie 76/115/EWG befestigt sind, sind sowohl am Zusatzsitz als auch am zu prüfenden Sitz anzubringen.

3.
Dynamische Prüfungen

3.0. Prüfung 1

3.1. Die Prüfplattform ist auf einem Prüfschlitten zu montieren.

3.2. Zusatzsitz Der Zusatzsitz kann vom gleichen Typ sein wie der zu prüfende Sitz und ist parallel und direkt hinter dem zu prüfenden Sitz anzubringen, wobei die beiden Sitze auf die gleiche Höhe und in einem Abstand von 750 mm identisch einzustellen sind.

3.2.1. Wird ein Zusatzsitz eines anderen Typs verwendet, ist dies im Nachtrag zum Typgenehmigungsbogen anzugeben (Anlage 4 zu Anhang I).

3.3. Prüfpuppe Hinter jedem Sitzplatz des zu prüfenden Sitzes ist eine Prüfpuppe wie folgt zu installieren:

3.3.1. Die Prüfpuppe wird unangeschnallt so auf den Zusatzsitz gesetzt, daß ihre Symmetrie-Ebene der Symmetrie-Ebene des betreffenden Sitzplatzes entspricht.

3.3.2. Die Hände der Prüfpuppe liegen auf ihren Oberschenkeln und ihre Ellenbogen berühren die Rückenlehne; die Beine sind so weit wie möglich ausgestreckt und sind, falls möglich, parallel zueinander. Die Fersen berühren den Fußboden.

3.3.3. Jede Prüfpuppe ist nach folgendem Verfahren auf einem Sitz zu installieren:

3.3.3.1. Eine Prüfpuppe ist in einer Haltung auf den Sitz aufzusetzen, die der gewünschten Haltung möglichst nahekommt.
3.3.3.2. Eine 76 mm × 76 mm große starre Platte ist so niedrig wie möglich an die Vorderseite des Prüfpuppenrumpfes anzulegen.
3.3.3.3. Die Platte ist mit einer Belastung zwischen 250 N und 350 N horizontal gegen den Rumpf der Prüfpuppe zu drücken:
3.3.3.4. Die Platte wird behutsam entfernt.
3.3.3.5. Die Prüfpuppe wird auf dem Sitz nach vorwärts bewegt und das oben beschriebene Installationsverfahren wird wiederholt.
3.3.3.6. Erforderlichenfalls ist die Lage der unteren Gliedmaßen zu korrigieren.
3.3.3.7. Die installierten Meßgeräte dürfen in keiner Weise die Bewegung der Prüfpuppe während des Aufpralls beeinträchtigen.
3.3.3.8. Die Temperatur des Systems der Meßgeräte ist vor der Prüfung zu stabilisieren und soweit wie möglich in einem Bereich von 19 o C bis 26 o C zu halten.

3.4. Aufprallsimulierung

3.4.1. Die Aufprallgeschwindigkeit des Prüfschlittens liegt zwischen 30 km/h und 32 km/h.

3.4.2. Die Verzögerung des Prüfschlittens während der Aufprallprüfung erfolgt gemäß den in Abbildung 1 gezeigten Bedingungen. Der zeitliche Verlauf der Verzögerung des Prüfschlittens muß zwischen den in Abbildung 1 gezeigten Grenzkurven liegen; ausgenommen hiervon sind Zeiträume von insgesamt weniger als 3 ms.

3.4.3. Außerdem muß die durchschnittliche Verzögerung zwischen 6,5 g und 8,5 g betragen.

3.5. Prüfung 2

3.5.1. Die Prüfung 1 ist mit einer Prüfpuppe auf dem Zusatzsitz zu wiederholen; die Prüfpuppe ist von einem nach den Anweisungen des Herstellers angebrachten und eingestellten Sicherheitsgurt zurückzuhalten. Die Anzahl der Verankerungspunkte des Sicherheitsgurts für die Prüfung 2 ist im Nachtrag zum Typgenehmigungsbogen für den Sitz einzutragen (Anlage 4 des Anhangs I).

3.5.2. Der Zusatzsitz ist entweder vom gleichen Typ wie der zu prüfende Sitz oder von einem anderen Typ, über den nähere Angaben im Nachtrag zum Typgenehmigungsbogen zu machen sind (Anlage 4 des Anhangs I).

3.5.3. Prüfung 2 kann auch für andere Fahrzeugteile als einen Sitz nach 3.1.10 der Richtlinie 77/541/EWG und 4.3.7 der Richtlinie 76/115/EWG durchgeführt werden.

3.5.4. Wenn die Prüfung 2 mit einer Prüfpuppe durchgeführt wird, die von einem Dreipunktgurt zurückgehalten wird, und die Verletzungskriterien nicht überschritten werden, wird davon ausgegangen, daß der Notsitz die Vorschriften für die statischen Prüfbelastungen und die Bewegung der oberen Verankerung während der Prüfung gemäß der Richtlinie 76/115/EWG erfüllt.

Abbildung 1

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