ANHANG IV RL 74/61/EWG

GELTUNGSBEREICH, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND VORSCHRIFTEN FÜR SICHERUNGSEINRICHTUNGEN GEGEN UNBEFUGTE BENUTZUNG

1
Geltungsbereich

1.1 Alle Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 — wie in Anhang II A der Richtlinie 70/156/EWG definiert — müssen mit einer den Vorschriften nach den Nummern 3 und 4 entsprechenden Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung ausgerüstet sein.

1.2 Der Einbau einer solchen Einrichtung in Fahrzeugen anderer Klassen ist zulässig; sind solche Einrichtungen eingebaut, müssen sie jedoch den Vorschriften dieses Anhangs entsprechen.

2
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

2.1
„Fahrzeugtyp”
eine Kategorie von Kraftfahrzeugen, die sich in folgenden wichtigen Merkmalen nicht voneinander unterscheiden:

2.1.1 Angaben zum Fahrzeugtyp durch den Hersteller,

2.1.2 die Anordnung und die Bauart des Teils oder der Teile des Fahrzeugs, auf das oder die die Sicherungseinrichtung wirkt,

2.1.3 Typ der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung;

2.2
„Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung”

ein System zur Sicherung gegen unbefugtes Anlassen des Motors oder die Nutzung einer anderen Hauptantriebsenergiequelle des Fahrzeugs in Verbindung mit mindestens einer Einrichtung zur

Blockierung der Lenkanlage,

Blockierung der Kraftübertragung oder

Blockierung des Gangschalthebels;

2.3
„Lenkanlage”
die Betätigungseinrichtung der Lenkanlage, die Lenksäule einschließlich zusätzlicher Verkleidung, die Lenkwelle, das Lenkgetriebe sowie alle anderen Teile, welche unmittelbar die Wirksamkeit der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung bestimen;

2.4
„Schließmöglichkeit”
eine der eigens entworfenen und hergestellten Varianten eines Verriegelungssystems, die bei entsprechender Aktivierung das genannte Verriegelungssystem betätigen kann;

2.5
„Schlüssel”
jede Einrichtung, die so konstruiert und gebaut ist, daß damit ein Verriegelungssystem betätigt werden kann, und das selbst wiederum so konstruiert und gebaut ist daß es allein mit dieser Einrichtung betätigt werden kann;

2.6
„Rollcode”
ein elektronischer Code, der sich aus mehreren Elementen zusammensetzt, deren Kombination sich nach jeder Betätigung der Übertragungseinrichtung automatisch ändert.

3
Allgemeine Vorschriften

3.1 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß so beschaffen sein, daß sie außer Betrieb gesetzt werden muß

3.1.1 zum Anlassen des Motors durch die normale Betätigungseinrichtung,

3.1.2 zum Steuern, Führen oder Vorwärtsfahren des Fahrzeugs mit eigener Kraft.

3.2 Die Vorschriften nach 3.1 müssen durch die einmalige Betätigung eines Schlüssels erfüllt werden.

3.3 Außer in dem in 4.1.5 vorgesehenen Fall darf bei einem System, das durch einen in ein Schloß eingeführten Schlüssel betätigt wird, der Schlüssel nicht abgezogen werden können, ohne daß die Sicherungseinrichtung nach 3.1 aktiviert oder scharfgeschaltet wird.

3.4 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung nach 3.1 und die von ihre betätigen Fahrzeugteile müssen so beschaffen sein, daß es unmöglich ist, sie schnell und unauffällig zu öffnen, betriebsunfähig zu machen oder zu zerstören, z. B mit herkömmlichen billigen und gut zu verbergenden Werkzeugen, Geräten oder Gegenständen.

3.5 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung ist in das Fahrzeug als Teil der Grundausstattung des Fahrzeugs einzubauen (d. h der Hersteller hat sie vor dem ersten Verkauf anzubringen). Sie muß so angebracht sein, daß sie in verriegeltem Zustand — auch bei abgenommener Verkleidung — nur mit Spezialwerkzeugen ausgebaut werden kann. Kann die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung durch Entfernen von Schrauben unwirksam gemacht werden, so müssen diese Schrauben, sofern sie abnehmbar sind, durch Teile der verriegelten Sicherungseinrichtung verdeckt sein.

3.6 Das mechanische Verriegelungssystem muß mindestens 1000 verschiedene Schließmöglichkeiten umfassen oder eine Anzahl, die der pro Jahr insgesamt hergestellten Fahrzeuge entspricht, wenn dies weniger als 1000 sind. Für denselben Fahrzeugtyp muß die Verwendungshäufigkeit einer Schließmöglichkeit ungefähr im Verhältnis von 1:1000 stehen.

3.7 Elektrische/elektronische Verriegelungssysteme, z. B mit Fernbedienung, mit mindestens 50000 Varianten, die Rollcodes und/oder eine Abtastzeit von mindestens 10 Tagen, z. B. höchstens 5000 Varianten pro 24 Stunden für mindestens 50000 Varianten umfassen.

3.8 Die Kodierung von Schlüssel und Schloß darf nicht sichtbar sein.

3.9 Das Schloß muß so konstruiert, gebaut und angebracht sein, daß ein Drehen des Schloßzylinders in blockierter Stellung bei einem Drehmoment von weniger als 2,45 Nm nur mit dem passenden Schlüssel möglich ist und daß

3.9.1 bei Zylindern mit Stiftzuhaltungen nicht mehr als zwei gleiche Zuhaltungen nebeneinander liegen und nicht mehr als 60 % der Zuhaltungen identisch sind oder

3.9.2 bei Zylindern mit Plattenzuhaltungen nicht mehr als zwei gleiche Zuhaltungen nebeneinander liegen und nicht mehr als 50 % der Zuhaltungen identisch sind.

3.10 Die Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung müssen so beschaffen sein, daß bei laufendem Motor keine unbeabsichtigte Betriebsstörung auftreten kann, insbesondere, wenn diese die Sicherheit beeinträchtigen würde.

3.10.1 Es darf nicht möglich sein, die Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung scharf zu schalten, ohne daß die Betätigungseinrichtungen des Motors zuvor in die „Aus” -Stellung gebracht wurden und dann ein Vorgang folgt, der keine ununterbrochene Fortsetzung des Motoranhaltevorgangs darstellt.

3.10.2 Im Fall von Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung, die durch Abziehen des Schlüssels scharf geschaltet werden, muß der Schlüssel mindestens um 2 mm gezogen werden, bevor die Einrichtung scharf geschaltet wird, oder sie muß mit einer Übersteuerungseinrichtung ausgestattet sein, durch die ein unbeabsichtigtes oder teilweises Abziehen des Schlüssels verhindert wird.

3.11 Die Verwendung einer zusätzlichen Energiequelle ist nur zur Aktivierung der Verriegelung und/oder Entriegelung der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung zulässig. Die Einrichtung muß mit allen geeigneten Mitteln, für die keine Stromzufuhr erforderlich ist, in ihrer Betriebsstellung gehalten werden.

3.12 Das Anlassen des Motors auf normalem Wege soll erst nach dem Entschärfen der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung möglich sein.

3.13 Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung, die ein Lösen der Bremsen des Fahrzeugs verhindern, sind unzulässig.

3.14 Wenn die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung mit einer Alarmeinrichtung für den Fahrer ausgestattet ist, muß diese Einrichtung beim Öffnen der Fahrertür ausgelöst werden, es sei denn, die Sicherungseinrichtung ist aktiviert oder der Schlüssel abgezogen worden.

4
Besondere Vorschriften

Neben den allgemeinen Vorschriften nach Abschnitt 3 muß die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung den folgenden besonderen Vorschriften entsprechen.

4.1 Auf die Lenkanlage wirkende Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung

4.1.1 Die auf die Lenkanlage wirkende Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß die Lenkanlage funktionsunfähig machen. Bevor der Motor angelassen werden kann, muß die normale Funktionsfähigkeit der Lenkanlage wiederhergestellt werden.

4.1.2 Wenn die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung scharf gestellt ist, darf es nicht möglich sein, ihre Wirkung zu verhindern.

4.1.3 Nach 2500 Ver- und Entriegelungsvorgängen in jede Richtung gemäß der in Anlage 1 beschriebenen Verschleißprüfung muß die Sicherungseinrichtung unbefugte Benutzung weiterhin den Vorschriften nach 3.10, 4.1.1, 4.1.2 und 4.1.4 entsprechen.

4.1.4 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß in scharf geschalteter Stellung eines der folgenden Kriterien erfüllen:

4.1.4.1 Sie muß ohne eine die Sicherheit gefährdende Beschädigung der Lenkanlage einem Drehmoment von 300 Nm um die Lenkwellenachse in beiden Richtungen unter statischen Bedingungen standhalten können.

4.1.4.2 Sie muß mit einem Mechanismus ausgestattet sein, der ein Nachgeben oder Abrutschen ermöglicht, so daß das System entweder kontinuierlich oder mit Unterbrechungen einem Drehmoment von mindestens 100 Nm standhält. Das Verriegelungssystem muß nach der in der Anlage 2 beschriebenen Prüfung dem Aufbringen dieses Drehmoments noch immer standhalten.

4.1.4.3 Sie muß mit einem Mechanismus ausgestattet sein, der zuläßt, daß sich das Lenkrad auf der blockierten Lenkwellenachse frei dreht. Der Blockiermechanismus muß dem Aufbringen eines Drehmoments von 200 Nm um die Lenkwellenachse in beiden Richtungen unter statischen Bedingungen standhalten.

4.1.5 Handelt es sich um eine Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung, bei der der Schlüssel noch in einer anderen Stellung abgezogen werden kann als in der, bei der die Lenkanlage funktionsunfähig wird, muß die Sicherungseinrichtung so beschaffen sein, daß diese Einstellung und das Abziehen des Schlüssels nicht unbeabsichtigt erfolgen können.

4.1.6 Hat der Ausfall eines Bauteils zur Folge, daß das in 4.1.4.1, 4.1.4.2 und 4.1.4.3 vorgeschriebene Drehmoment nicht ohne weiteres aufgebracht werden kann, und die Lenkanlage blockiert bleibt, muß das System die Vorschriften erfüllen.

4.2 Auf die Kraftübertragung wirkende Einrichtungen

4.2.1 Eine auf die Kraftübertragung wirkende Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß das Drehen der Antriebsräder des Fahrzeugs verhindern.

4.2.2 Ist die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung scharf gestellt, darf es nicht möglich sein, ihre Wirkung zu verhindern.

4.2.3 Es darf kein versehentliches Blockieren der Kraftübertragung eintreten, wenn sich der Schlüssel im Schloß der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung befindet, und zwar auch dann nicht, wenn die Einrichtung, die das Anlassen des Motors verhindert, wirksam ist oder wirkungsbereit geworden ist.

4.2.4 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß so ausgelegt und gebaut sein, daß ihre volle Wirksamkeit selbst nach einer gewissen Abnutzung, d. h nach 2500 Ver- und Entriegelungsvorgängen in jede Richtung, erhalten bleibt.

4.2.5 Kann bei der Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung der Schlüssel noch in einer anderen Stellung abgezogen werden als in derjenigen, in der die Kraftübertragung blockiert wird, daß muß sie so ausgelegt sein, daß diese Einstellung und das Abziehen des Schlüssels nicht versehentlich erfolgen können.

4.2.6 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß ohne jede die Sicherheit gefährdende Beschädigung in beiden Richtungen und unter statischen Bedingungen einem Drehmoment standhalten können, das um 50 % höher ist als das für gewöhnlich auf die Kraftübertragung wirkende maximale Drehmoment. Bei der Bestimmung der Höhe dieses Prüfmoments ist nicht das Höchstdrehmoment des Motors, sondern das Moment zu berücksichtigen, das maximal von der Kupplung oder dem automatischen Getriebe übertragen werken kann.

4.3 Auf die Gangschaltung wirkende Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung

4.3.1 Eine auf die Gangschaltung wirkende Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß jeden Gangwechsel verhindern.

4.3.2 Bei Handschaltgetrieben darf der Gangschalthebel nur im Rückwärtsgang gesperrt werden können; die Sperrung in der Leerlaufstellung ist zulässig.

4.3.3 Bei automatischen Getrieben, die über eine Parkstellung verfügen, darf die Sperrung nur in dieser Stellung erfolgen; eine Sperrung in der Leerlaufstellung und/oder im Rückwärtsgang ist zulässig.

4.3.4 Bei automatischen Getrieben, die über eine Parkstellung verfügen, darf die Sperrung nur in der Leerlaufstellung und/oder im Rückwärtsgang erfolgen.

4.3.5 Die Sicherungseinrichtung gegen unbefugte Benutzung muß so beschaffen sein, daß ihre volle Wirksamkeit selbst nach einer gewissen Abnutzung, d. h nach 2500 Ver- und Entriegelungsvorgängen in jede Richtung, erhalten bleibt.

5
Elektromechanische und elektronische Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung

Sind elektromechanische und elektronische Sicherungseinrichtungen gegen unbefugte Benutzung eingebaut, so müssen sie sinngemäß den Vorschriften nach den Nummern 3 und 4 sowie Nummer 5 des Anhangs V entsprechen.

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