Präambel RL 88/301/EWG

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 90 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.
In allen Mitgliedstaaten besitzt der Staat ganz oder teilweise ein Fernmeldemonopol, das durch Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte an eine oder mehrere Einrichtungen übertragen wird, die für die Errichtung und den Betrieb des Netzes und für das Anbieten der dazugehörigen Dienste zuständig sind. Diese Rechte umfassen häufig nicht nur das Anbieten der Dienste zur Nutzung des Netzes, sondern auch die Bereitstellung von Endgeräten zum Anschluß an das Netz für die Benutzer. In den letzten Jahrzehnten sind hinsichtlich der technischen Merkmale des Netzes und insbesondere bei den Endgeräten einschneidende Veränderungen eingetreten.
2.
Technische und wirtschaftliche Entwicklungen haben mehrere Mitgliedstaaten veranlaßt, das System der besonderen oder ausschließlichen Rechte im Fernmeldewesen zu überdenken. Die rasche Entstehung immer neuer Endgerätetypen und die Möglichkeit ihres multifunktionalen Einsatzes machen es notwendig, daß die Benutzer hinsichtlich der Endgeräte eine freie Wahl treffen können, um vollen Nutzen aus dem technischen Fortschritt auf diesem Gebiet zu ziehen.
3.
Artikel 30 des Vertrages bestimmt, daß mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind. Die Gewährung von besonderen oder ausschließlichen Rechten für die Einfuhr und den Vertrieb führt in der Praxis häufig zur Behinderung der Einfuhren aus den anderen Mitgliedstaaten.
4.
Artikel 37 Absatz 1 des Vertrages bestimmt: „Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handesmonopole schrittweise derart um, daß am Ende der Übergangszeit jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.
5.
Die besonderen oder ausschließlichen Rechte der nationalen Fernmeldemonopole werden im Bereich der Endgeräte in einer Weise ausgeübt, daß Geräte aus den anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden, weil es den Benutzern verwehrt ist, die benötigten Geräte ungeachtet ihrer Herkunft frei nach Preis und Qualitätskriterien zu wählen. Die Ausübung dieser Rechte ist daher in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Spaniens und Portugals, wo die nationalen Monopole vor dem Ende der in der Beitrittsakte vorgesehenen Übergangszeit schrittweise umzuformen sind, mit Artikel 37 des Vertrages unvereinbar.
6.
Die Dienstleistungen betreffend Einrichtung und Wartung sind ein wesentlicher Erwägungspunkt beim Kauf oder bei der Miete von Endgeräten. Die Beibehaltung ausschließlicher Rechte auf diesem Gebiet käme der Beibehaltung von ausschließlichen Rechten für den Vertrieb gleich. Diese Rechte sind daher auch aufzuheben, damit die Aufhebung der ausschließlichen Rechte für Einfuhr und Vertrieb in der Praxis zur Wirkung kommt.
7.
Artikel 59 des Vertrages bestimmt: „Die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, werden während der Übergangszeit … schrittweise aufgehoben” . Die Wartung von Endgeräten ist eine Dienstleistung im Sinne des Artikels 60 des Vertrages. Die Übergangszeit ist abgelaufen. Die Dienstleistung der Endgerätewartung, die in kommerzieller Hinsicht untrennbar mit dem Vertrieb der Endgeräte verbunden ist, muß deshalb frei erbracht werden können, vor allem, wenn sie von Fachkräften vorgenommen wird.
8.
Artikel 90 Absatz 1 des Vertrages bestimmt: „Die Mitgliedstaaten werden in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 7 und 85 bis 94 widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten.”
9.
Die gegenwärtige Lage auf dem Markt für Endgeräte ist durch ein System gekennzeichnet, das den Wettbewerb nicht vor Verfälschungen schützt und Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Vertrages erkennen läßt. Darüber hinaus wird die Entwicklung des Handels in einem Maße beeinträchtigt, das dem Interesse der Gemeinschaft entgegensteht. Zur Steigerung dem der Wettbewerbsintensität auf dem Endgerätemarkt ist die Transparenz der technischen Spezifikationen und der Zulassungsverfahren erforderlich, damit der freie Verkehr mit Endgeräten unter Beachtung der in der Richtlinie 86/361/EWG des Rates(1) genannten Grundforderungen möglich wird. Zur Herstellung der Transparenz ist die Veröffentlichung der technischen Spezifikationen und der Zulassungsverfahren erforderlich. Um die transparente, objektive und nichtdiskriminierende Anwendung der Spezifikationen und Verfahren zu gewährleisten, muß ihre Konzipierung und Überwachung Einrichtungen übertragen werden, die von den Wettbewerbern auf diesem Markt unabhängig sind. Es ist erforderlich, die Spezifikationen und Verfahren in abgestimmter Weise gleichzeitig zu veröffentlichen. Dadurch können auch Vertragsverletzungen verhindert werden. Eine die Mitgliedstaaten bindende Richtlinie ist das geeignete Rechtsinstrument, um die gleichzeitige und abgestimmte Veröffentlichung zu gewährleisten.
10.
Der Vertrag überträgt der Kommission eindeutige Pflichten und klar umrissene Zuständigkeiten bei der Überwachung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ihren öffentlichen Unternehmen sowie den Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewährt haben, insbesondere im Bereich der Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen und der Maßnahmen gleicher Wirkung, der Diskriminierung zwischen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten sowie im Bereich des Wettbewerbs. Die Kommission kann deshalb diese Pflichten und Zuständigkeiten nur durch eine auf Artikel 90 Absatz 3 EWG-Vertrag gegründete Richtlinie wirksam ausüben.
11.
Die Fernmeldebetreiber sind Unternehmen im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Vertrages, da sie eine wirtschaftliche Tätigkeit, insbesondere die Erzeugung von Gütern beziehungsweise die Erbringung von Dienstleistungen, im Rahmen eines organisierten Geschäftsbetriebs ausüben. Sie sind entweder öffentliche Unternehmen oder Unternehmen, denen der Staat besondere oder ausschließliche Rechte betreffend die Einfuhr, die Vermarktung, die Einrichtung, die Inbetriebsetzung und die Wartung von Telekommunikations-Endgeräten gewährt. Die Gewährung und die Beibehaltung besonderer oder ausschließlicher Rechte auf dem Gebiet der Endgeräte stellt eine Maßnahme im Sinne des genannten Artikels dar. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß Artikel 90 Absatz 2 sind nicht erfüllt. Die Aufhebung der besonderen oder ausschließlichen Rechte zur Einfuhr und zum Vertrieb von Endgeräten würde die Bereitstellung eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes für die Gesamtheit der Verbraucher als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, mit deren Erbringung diese Unternehmen durch hoheitlichen Akt betraut sind, rechtlich oder tatsächlich nicht verhindern, zumal die Mitgliedstaaten die Übereinstimmung der Endgeräte mit den grundlegenden Anforderungen durch entsprechende Zulassungsverfahren gewährleisten können.
12.
Nach Artikel 86 des Vertrages ist jedes Verhalten eines oder mehrerer Unternehmen, das eine „mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben” darstellt, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
13.
In den Mitgliedstaaten ist das Monopol für das nationale Telekommunikationsnetz entweder einer einzigen oder mehreren Fernmeldeverwaltungen übertragen. Jedes nationale Telekommunikationsnetz bildet jeweils einen Markt. Die Fernmeldeverwaltungen haben daher einzeln oder gemeinsam eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des jeweiligen Marktes im Sinne von Artikel 86 des Vertrages.
14.
Damit die Benutzer das Endgerät ihrer Wahl einsetzen können, müssen die Merkmale des jeweiligen Netzanschlusses bekannt und transparent sein. Die Mitgliedstaaten müssen daher sicherstellen, daß diese Merkmale bekanntgegeben und der Netzanschluß für den Benutzer zugänglich gemacht wird.
15.
Im Hinblick auf den Vertrieb von Endgeräten ist es für die Hersteller wichtig zu wissen, welchen technischen Spezifikationen ihre Erzeugnisse genügen müssen. Die Mitgliedstaaten müssen deshalb die Spezifikationen und Allgemeinzulassungsvorschriften formalisieren und veröffentlichen. Diese Spezifikationen und Vorschriften sind der Kommission gemäß Richtlinie 83/189/EWG des Rates(2) im Entwurf mitzuteilen. Diese Spezifikationen dürfen auf die aus den anderen Mitgliedstaaten eingeführten Erzeugnisse nur insoweit ausgedehnt werden, als dies für die Einhaltung der grundlegenden gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen erforderlich ist, die in Artikel 2 Nummer 17 der Richtlinie 86/361/EWG festgelegt sind. In jedem Fall müssen die Mitgliedstaaten die Artikel 30 und 36 des Vertrages einhalten, wonach der Einfuhrmitgliedstaat ein in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes und vermarktetes Endgerät zum Verkehr auf seinem Gebiet zuzulassen hat und nur aus Gründen der Einhaltung der vorgenannten grundlegenden Anforderungen dieses Gerät einem Allgemeinzulassungsverfahren unterziehen und die Allgemeinzulassung gegebenenfalls verweigern kann.
16.
Die sofortige Veröffentlichung dieser Spezifikationen und Verfahren kann wegen ihrer Komplexität nicht vorgesehen werden; auf der anderen Seite ist ein wirksamer Wettbewerb ohne eine solche Veröffentlichung nicht möglich, weil mögliche Wettbewerber der Unternehmen, die besondere oder ausschließliche Rechte besitzen, weder genau wissen, welchen Spezifikationen ihre Endgeräte entsprechen müssen, noch die Modalitäten der Zulassungsverfahren und folglich auch nicht deren Kosten und Dauer kennen. Es muß deshalb für die Veröffentlichung und Einführung der Zulassungsverfahren eine Frist gesetzt werden. Ein Zeitraum von zweieinhalb Jahren wird den Fernmeldeverwaltungen, die besondere oder ausschließliche Rechte haben, Gelegenheit geben, sich mit den neuen Marktverhältnissen vertraut zu machen, und den Wirtschaftsbeteiligten und insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, sich der neuen Wettbewerbssituation anzupassen.
17.
Die Kontrolle der Spezifikationen und der Allgemeinzulassungsvorschriften darf wegen des offenkundigen Interessenkonflikts nicht einem Wirtschaftsbeteiligten übertragen werden, der auf dem Endgerätemarkt als Wettbewerber auftritt. Es muß deshalb vorgesehen werden, daß die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß die Festlegung der Spezifikationen und der Allgemeinzulassungsvorschriften einer Stelle übertragen wird, die von dem Netzbetreiber oder einem anderen Wettbewerber auf dem Endgerätemarkt unabhängig ist.
18.
Die Inhaber besonderer oder ausschließlicher Rechte für diese Endgeräte konnten ihren Kunden Langzeitverträge auferlegen. Solche Verträge würden die Herstellung eines freien Wettbewerbs innerhalb einer angemessenen Zeitspanne unmöglich machen. Es muß deshalb vorgesehen werden, daß der Benutzer eine Änderung der Laufzeit seines Vertrages erwirken kann —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. L 217 vom 5. 8. 1986, S. 21.

(2)

ABl. Nr. L 109 vom 28. 3. 1983, S. 8.

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