Präambel RL 89/48/EWG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 49, Artikel 57 Absatz 1 und Artikel 66,

auf Vorschlag der Kommission(1),

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Nach Artikel 3 Buchstabe c) des Vertrages stellt die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eines der Ziele der Gemeinschaft dar. Dies bedeutet für die Angehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erworben haben.

Die bisher vom Rat erlassenen Vorschriften, nach denen die Mitgliedstaaten untereinander die in ihren Hoheitsgebieten ausgestellten Hochschuldiplome zu beruflichen Zwecken anerkennen, betreffen wenige Berufe. Niveau und Dauer der Ausbildung, die Voraussetzung für den Zugang zu diesen Berufen war, waren auf ähnliche Weise in allen Mitgliedstaaten reglementiert oder Gegenstand einer Mindestharmonisierung, die zur Einführung dieser sektoralen Regelungen der gegenseitigen Anerkennung der Diplome notwendig war.

Um rasch den Erwartungen derjenigen europäischen Bürger zu entsprechen, die Hochschuldiplome besitzen, welche eine Berufsausbildung abschließen und in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihren Beruf ausüben wollen, ausgestellt wurden, ist auch eine andere Methode zur Anerkennung dieser Diplome einzuführen, die den Bürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten, die in einem Aufnahmestaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluß an den Sekundarabschnitt abhängig sind, erleichtert, sofern sie solche Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, die einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden.

Dieses Ergebnis kann durch die Einführung einer allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome erreicht werden, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen.

Bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Gemeinschaft kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Sie können jedoch nicht, ohne sich über ihre Verpflichtungen nach Artikel 5 des Vertrages hinwegzusetzen, einem Angehörigen eines Mitgliedstaats vorschreiben, daß er Qualifikationen erwirbt, die sie in der Regel im Wege der schlichten Bezugnahme auf die im Rahmen ihres innerstaatlichen Bildungssystems ausgestellten Diplome bestimmen, wenn der Betreffende diese Qualifikationen bereits ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Deshalb hat jeder Aufnahmestaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen.

Eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist geeignet, ihnen die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu erleichtern. Deshalb sind die Einzelheiten dieser Zusammenarbeit zu regeln.

Es ist angezeigt, insbesondere den Begriff „reglementierte berufliche Tätigkeit” zu definieren, um unterschiedliche soziologische Verhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Als reglementierte berufliche Tätigkeit ist nicht nur eine berufliche Tätigkeit zu betrachten, deren Aufnahme in einem Mitgliedstaat an den Besitz eines Diploms gebunden ist, sondern auch eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme frei ist, wenn sie in Verbindung mit der Führung eines Titels ausgeübt wird, der denjenigen vorbehalten ist, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. Berufsverbände oder -organisationen, die ihren Mitgliedstaaten derartige Titel ausstellen und von den Behörden anerkannt werden, können sich nicht auf ihre private Natur berufen, um sich der Anwendung der mit dieser Richtlinie vorgesehenen Regelung zu entziehen.

Auch muß festgelegt werden, welche Merkmale für die Berufserfahrung oder den Anpassungslehrgang gelten sollen, die der Aufnahmestaat neben dem Hochschuldiplom von dem Betreffenden fordern kann, wenn dessen Qualifikationen nicht den von seinen innerstaatlichen Bestimmungen vorgeschriebenen entsprechen.

Anstelle eines Anpassungslehrgangs kann auch eine Eignungsprüfung vorgesehen werden. Beide bewirken, daß die derzeitige Lage bei der gegenseitigen Anerkennung der Diplome durch die Mitgliedstaaten verbessert und somit der freie Personenverkehr innerhalb der Gemeinschaft erleichtert wird. Mit ihnen soll festgestellt werden, ob der Zuwanderer, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat eine Berufsausbildung erhalten hat, fähig ist, sich seinem neuen beruflichen Umfeld anzupassen. Eine Eignungsprüfung hat aus der Sicht des Zuwanderers den Vorteil, daß sie die Dauer der Anpassungszeit verkürzt. Die Wahl zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung muß grundsätzlich dem Zuwanderer überlassen bleiben. Einige Berufe sind jedoch so beschaffen, daß den Mitgliedstaaten gestattet werden muß, unter bestimmten Bedingungen entweder den Lehrgang oder die Prüfung vorzuschreiben. Vor allem die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten, selbst wenn sie von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat von unterschiedlicher Bedeutung sind, rechtfertigen Sonderregelungen, weil die durch Diplom, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bescheinigte Ausbildung auf einem Rechtsgebiet des Herkunftslandes im allgemeinen nicht die juristischen Kenntnisse abdeckt, die im Aufnahmeland auf dem entsprechenden Rechtsgebiet verlangt werden.

Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome zielt weder auf eine Änderung der die Berufsausübung einschließlich der Berufsethik betreffenden Bestimmungen ab, die für alle Personen gelten, die einen Beruf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, noch auf einen Ausschluß der Zuwanderer von der Anwendung dieser Bestimmungen. Die Regelung sieht lediglich geeignete Maßnahmen vor, mit denen sichergestellt werden kann, daß der Zuwanderer den die Berufsausübung betreffenden Bestimmungen des Aufnahmestaats nachkommt.

Nach Artikel 49, Artikel 57 Absatz 1 und Artikel 66 des Vertrages ist die Gemeinschaft für den Erlaß der Rechtsvorschriften zuständig, die für die Einführung und das Funktionieren einer solchen Regelung notwendig sind.

Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome präjudiziert in keiner Weise die Anwendung von Artikel 48 Absatz 4 und Artikel 55 des Vertrages.

Eine derartige Regelung stärkt das Recht des europäischen Bürgers, seine beruflichen Kenntnisse in jedem Mitgliedstaat zu nutzen, und sie vervollständigt und stärkt gleichzeitig seinen Anspruch darauf, diese Kenntnisse zu erwerben, wo immer er es wünscht.

Diese Regelung muß nach einer gewissen Zeit der Anwendung auf ihre Effizienz hin bewertet werden, um insbesondere festzustellen, inwieweit sie verbessert oder ihr Anwendungsbereich erweitert werden kann —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 217 vom 28. 8. 1985, S. 3, und

ABl. Nr. C 143 vom 10. 6. 1986, S. 7.

(2)

ABl. Nr. C 345 vom 31. 12. 1985, S. 80, und

ABl. Nr. C 309 vom 5. 12. 1988.

(3)

ABl. Nr. C 75 vom 3. 4. 1986, S. 5.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.