Präambel RL 91/308/EWG
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 57 Absatz 2 Satz 1 und 3 und auf Artikel 100a,
auf Vorschlag der Kommission(1),
in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Werden die Kredit- und Finanzinstitute dazu benutzt, die Erlöse aus kriminellen Tätigkeiten zu waschen (im folgenden Geldwäsche genannt), so besteht die Gefahr, daß nicht nur die Solidität und Stabilität des betreffenden Instituts, sondern auch das Ansehen des Finanzsystems insgesamt ernsthaft Schaden leiden und dieses dadurch das Vertrauen der Öffentlichkeit verliert.
Wenn die Gemeinschaft nicht gegen die Geldwäsche vorgeht, könnte dies die Mitgliedstaaten veranlassen, zum Schutz ihres Finanzsystems Maßnahmen zu ergreifen, die mit der Vollendung des Binnenmarktes unvereinbar sind. Geldwäscher könnten versuchen, Vorteile aus der Freiheit des Kapitalverkehrs und der damit verbundenen finanziellen Dienstleistungen, die ein einheitlicher Finanzraum mit sich bringt, zu ziehen, um ihren kriminellen Tätigkeiten leichter nachgehen zu können, falls die Gemeinschaft nicht gewisse Koordinierungsmaßnahmen ergreift.
Das Waschen der Erlöse aus illegalen Tätigkeiten hat einen offenkundigen Einfluß auf die Zunahme des organisierten Verbrechens im allgemeinen und des Rauschgifthandels im besonderen. Die Öffentlichkeit wird sich zunehmend bewußt, daß die Bekämpfung der Geldwäsche eines der wirksamsten Mittel gegen diese Form der Kriminalität ist, die eine besondere Bedrohung für die Gesellschaften der Mitgliedstaaten darstellt.
Die Geldwäsche ist vor allem mit strafrechtlichen Mitteln und im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit zwischen den Justiz- und Vollzugsbehörden zu bekämpfen, wie dies für den Drogenbereich in dem am 19. Dezember 1988 in Wien angenommenen Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den illegalen Handel mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen (im folgenden Wiener Übereinkommen genannt) vorgesehen ist und in dem am 8. November 1990 in Straßburg zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommen des Europarates über das Waschen, das Aufspüren, die Beschlagnahme und die Einziehung der Erträge aus Straftaten auf alle kriminellen Tätigkeiten ausgedehnt wurde.
Sie ist jedoch nicht nur durch strafrechtliche Maßnahmen zu bekämpfen, da das Finanzsystem dabei eine höchst effektive Rolle spielen kann. In diesem Zusammenhang ist auf die Empfehlung des Europarats vom 27. Juni 1980 und auf die im Dezember 1988 in Basel von den Bankenaufsichtsbehörden der Zehnergruppe verabschiedete Grundsatzerklärung hinzuweisen, die beide wichtige Schritte auf dem Wege zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche darstellen.
Die Geldwäsche findet in der Regel im internationalen Rahmen statt, so daß der kriminelle Ursprung der Gelder leichter verschleiert werden kann. Maßnahmen, die ausschließlich auf nationaler Ebene getroffen würden, ohne der internationalen Koordinierung und Zusammenarbeit Rechnung zu tragen, hätten nur eine sehr begrenzte Wirkung.
Die Maßnahmen, die von der Gemeinschaft auf diesem Gebiet getroffen werden, sollten mit anderen Maßnahmen vereinbar sein, die in anderen internationalen Gremien eingeleitet worden sind. Alle Initiativen der Gemeinschaft sollten daher insbesondere die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Finanzielle Maßnahmen gegen die Geldwäsche” berücksichtigen, die im Juli 1989 auf dem Pariser Gipfel der sieben führenden Industrieländer eingesetzt wurde.
Das Europäische Parlament hat in mehreren Entschließungen die Aufstellung eines umfassenden Gemeinschaftsprogramms zur Bekämpfung des Drogenhandels unter Einschluß von Bestimmungen zur Verhinderung der Geldwäsche gefordert.
Die Definition der Geldwäsche ist für die Zwecke dieser Richtlinie der in dem Wiener Übereinkommen enthaltenen Definition entnommen. Da das Phänomen der Geldwäsche jedoch nicht nur die Erlöse aus Drogenstraftaten betrifft, sondern auch die Erlöse aus anderen kriminellen Tätigkeiten (wie dem organisierten Verbrechen und dem Terrorismus), ist es wichtig, daß die Mitgliedstaaten die Wirkungen der Richtlinie auf die Erlöse aus diesen Tätigkeiten im Sinne ihrer Rechtsvorschriften ausweiten, insofern als diese Erlöse Anlaß zu Geldwäschegeschäften geben könnten, die eine entsprechende Ahndung rechtfertigen.
Das in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten enthaltene Verbot der Geldwäsche, das sich auf geeignete Maßnahmen und auf Sanktionen stützt, bildet eine notwendige Voraussetzung für die Bekämpfung dieses Phänomens.
Um zu verhindern, daß Geldwäscher die Anonymität für ihre kriminellen Tätigkeiten ausnutzen, muß sichergestellt werden, daß die Kredit- und Finanzinstitute von ihren Kunden die Bekanntgabe ihrer Identität verlangen, wenn sie zu ihnen in Geschäftsbeziehungen treten oder für sie Transaktionen durchführen, die über bestimmte Beträge hinausgehen. Die entsprechenden Vorschriften müssen soweit möglich auch für die wirtschaftlichen Eigentümer gelten.
Die Kredit- und Finanzinstitute müssen für die etwaige Verwendung als Beweis bei Verfahren wegen Geldwäsche von den zur Feststellung der Identität verlangten Dokumenten Kopien oder Referenzangaben und von den Transaktionen Belege und Aufzeichnungen in Form von Originaldokumenten oder Kopien, die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die gleiche Beweiskraft haben, mindestens fünf Jahre lang aufbewahren.
Um die Solidität und Integrität des Finanzsystems zu wahren und zur Bekämpfung der Geldwäsche beizutragen, muß sichergestellt werden, daß die Kredit- und Finanzinstitute jede Transaktion besonders sorgfältig prüfen, deren Art ihres Erachtens besonders nahelegt, daß sie mit einer Geldwäsche zusammenhängen könnte. Besondere Aufmerksamkeit haben sie dabei Geschäften mit Drittländern zu widmen, deren Standard bei der Bekämpfung der Geldwäsche nicht dem der Gemeinschaft oder anderen vergleichbaren Standards, die von internationalen Gremien festgelegt und von der Gemeinschaft anerkannt wurden, gleichwertig ist.
Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten von den Kredit- und Finanzinstituten verlangen, daß sie die Ergebnisse der Prüfung, zu der sie verpflichtet sind, schriftlich niederlegen und gewährleisten, daß diese den für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständigen Behörden zur Verfügung stehen.
Der Schutz des Finanzsystems gegen die Geldwäsche ist eine Aufgabe, welche die für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständigen Behörden nicht ohne die Mithilfe der Kredit- und Finanzinstitute und der Aufsichtsorgane meistern können. Das Bankgeheimnis muß in diesen Fällen aufgehoben werden. Eine Regelung, die die Pflicht zur Meldung verdächtiger Finanzoperationen vorsieht und die gewährleistet, daß die Information den genannten Behörden zugeleitet wird, ohne die betroffenen Kunden zu alarmieren, ist die wirksamste Form einer solchen Zusammenarbeit. Dabei ist eine besondere Schutzklausel erforderlich, um Kredit- und Finanzinstitute, ihr leitendes Personal und ihre Angestellten von ihrer Verantwortung zu entbinden, wenn sie unbefugt Informationen weitergeben.
Die Informationen, die die Behörden gemäß dieser Richtlinie erhalten, dürfen nur zur Bekämpfung der Geldwäsche benutzt werden. Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, daß diese Informationen auch für andere Zwecke verwendet werden dürfen.
Als flankierende Maßnahmen, ohne die die übrigen in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen wirkungslos bleiben könnten, sollten die Kredit- und Finanzinstitute einschlägige interne Kontrollverfahren und Fortbildungsprogramme einführen.
Da die Geldwäsche nicht nur über Kredit- und Finanzinstitute, sondern auch über andere Berufsarten und Unternehmenskategorien erfolgen kann, müssen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie ganz oder teilweise auf Berufe und Unternehmen ausdehnen, deren Tätigkeiten besonders geeignet sind, für Zwecke der Geldwäsche genutzt zu werden.
Die Mitgliedstaaten müssen in ganz besonderem Maße dafür Sorge tragen, daß koordinierte Maßnahmen in der Gemeinschaft ergriffen werden, wenn ernsthafte Anzeichen darauf hindeuten, daß Berufe oder Tätigkeiten, bei denen die Bedingungen der Ausübung auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind, zum Zwecke der Geldwäsche genutzt werden.
Die Wirksamkeit der Anstrengungen zur Bekämpfung der Geldwäsche hängt im wesentlichen von der ständigen Koordinierung und der Harmonisierung der einzelstaatlichen Durchführungsmaßnahmen ab. Die Koordinierung und Harmonisierung, die in verschiedenen internationalen Gremien erfolgt, erfordert auf Gemeinschaftsebene eine Abstimmung zwischen Mitgliedstaaten und Kommission im Rahmen eines Kontaktausschusses.
Es ist Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen und Verstöße gegen diese Maßnahmen angemessen zu ahnden, um die vollständige Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie sicherzustellen —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. C 106 vom 28. 4. 1990, S. 6, und
ABl. Nr. C 319 vom 19. 12. 1990, S. 9.
- (2)
ABl. Nr. C 324 vom 24. 12. 1990, S. 264, und
ABl. Nr. C 129 vom 20. 5. 1991.
- (3)
ABl. Nr. C 332 vom 31. 12. 1990, S. 86.
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