Präambel RL 92/44/EWG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100a,

auf Vorschlag der Kommission(1),

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs(4)sieht die Festlegung spezifischer Bedingungen für den offenen Netzzugang (ONP-Bedingungen) für Mietleitungen durch den Rat vor.
(2)
Im Sinne dieser Richtlinie erstreckt sich der Begriff „Mietleitung” auf das Angebot transparenter Übertragungskapazität zwischen Netzabschlußpunkten als separater Dienst, jedoch nicht auf (vom Benutzer) steuerbare Vermittlungsfunktionen ( „on-demand switching” ) oder auf Angebote, die Teil eines öffentlichen vermittelten Dienstes sind.
(3)
Gemäß der Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste(5) ergreifen die Mitgliedstaaten, die für die Bereitstellung und den Betrieb öffentlicher Telekommunikationsnetze besondere oder ausschließliche Rechte aufrechterhalten, die erforderlichen Maßnahmen, um die Bedingungen für den Zugang zum Netz und für dessen Nutzung objektiv und nichtdiskriminierend zu gestalten und zu veröffentlichen. Es ist deshalb eine Harmonisierung dahin gehend erforderlich, welche Spezifikationen und in welcher Form diese veröffentlicht werden sollten, um die Bereitstellung von Wettbewerbsdiensten über Mietleitungen innerhalb von und zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern, insbesondere wenn diese durch Unternehmen oder natürliche Personen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind als diejenigen, für die diese Dienste bestimmt sind.
(4)
Nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung werden Mietleitungen auf Antrag allen Benutzern diskriminierungsfrei angeboten und zur Verfügung gestellt.
(5)
Der im EWG-Vertrag verankerte Grundsatz der Nichtdiskriminierung gilt u. a. für die Verfügbarkeit des technischen Zugangs, für Tarife, Dienstqualität, Bereitstellungszeit (Lieferfrist), gerechte Verteilung der Kapazität bei Kapazitätsmangel, Reparaturzeit sowie für die Verfügbarkeit netz- und kundenspezifischer Informationen, und zwar unbeschadet der relevanten regulatorischen Datenschutzbestimmungen.
(6)
Bislang galten gewisse technische Einschränkungen, insbesondere für die Zusammenschaltung von Mietleitungen untereinander und die Zusammenschaltung von Mietleitungen und öffentlichen Telekommunikationsnetzen. Derartige Einschränkungen, die die Nutzung von Mietleitungen zur Bereitstellung von Wettbewerbsdiensten behindern, sind nicht gerechtfertigt, da sie durch weniger restriktive ordnungspolitische Maßnahmen ersetzt werden können.
(7)
Nach dem Gemeinschaftsrecht darf der Zugang zu und die Nutzung von Mietleitungen nur aufgrund der in dieser Richtlinie definierten grundlegenden Anforderungen und zum Schutz ausschließlicher oder besonderer Rechte eingeschränkt werden. Solche Einschränkungen müssen objektiv begründet sein, dem Grundsatz der Proportionalität entsprechen und in bezug auf das verfolgte Ziel nicht übertrieben sein. Es ist deshalb erforderlich, die Anwendung der grundlegenden Anforderungen auf Mietleitungen zu spezifizieren.
(8)
Gemäß der Richtlinie 90/388/EWG, die nicht für Telex-, mobile Funktelefon-, Funkruf- und Satellitendienste gilt, heben die Mitgliedstaaten alle besonderen oder ausschließlichen Rechte für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten auf. Hiervon ausgenommen ist der Sprach-Telefondienst, d.h. die kommerzielle Bereitstellung des direkten Transports und der Vermittlung von Sprache in Echtzeit zwischen Netzabschlußpunkten des öffentlichen vermittelten Netzes für die Öffentlichkeit, wobei jeder Benutzer das an solch einem Netzabschlußpunkt angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit einem anderen Netzabschlußpunkt verwenden kann.
(9)
Bis zu den in der Richtlinie 90/388/EWG vorgesehenen Zeitpunkten können die Mitgliedstaaten es kommerziellen Betreibern in bezug auf paket- und leitungsvermittelte Datendienste untersagen, der Öffentlichkeit Mietleitungskapazität zum einfachen Wiederverkauf anzubieten. Andere Beschränkungen sollten für die Nutzung von Mietleitungen nicht auferlegt werden, insbesondere nicht für die Übertragung von Signalen, die nicht von dem Benutzer erzeugt werden, der auf das Mietleitungsangebot abonniert ist, oder für die Übertragung von Signalen, die letztlich nicht für den Benutzer bestimmt sind, der auf das Mietleitungsangebot abonniert ist, oder für die Übertragung von Signalen, die weder von dem Benutzer, der auf das Mietleitungsangebot abonniert ist, erzeugt werden noch für ihn letztlich bestimmt sind.
(10)
Gemäß der Richtlinie 90/387/EWG muß sich die gemeinschaftsweite Festlegung harmonisierter technischer Schnittstellen und Zugangsbedingungen auf die Definition gemeinsamer technischer Spezifikationen nach internationalen Normen und Spezifikationen stützen.
(11)
Gemäß der Richtlinie 90/388/EWG stellen die Mitgliedstaaten, die besondere oder ausschließliche Rechte für die Bereitstellung und den Betrieb öffentlicher Telekommunikationsnetze aufrechterhalten, sicher, daß Benutzer auf Antrag innerhalb einer zumutbaren Frist Mietleitungen erhalten können.
(12)
Um den Benutzern genügend Mietleitungen zur eigenen Nutzung, zur gemeinsamen Nutzung oder zum Erbringen von Diensten für Dritte zur Verfügung zu stellen, ist es erforderlich, daß die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß in allen Mitgliedstaaten ein harmonisiertes Angebot an Mietleitungen mit definierten Netzabschlußpunkten verfügbar gemacht wird, und zwar sowohl für die Kommunikation innerhalb eines Mitgliedstaats als auch zwischen Mitgliedstaaten. Es ist deshalb erforderlich festzulegen, welche Typen von Mietleitungen in das harmonisierte Angebot einbezogen werden und wann diese zur Verfügung stehen sollten, falls dies noch nicht der Fall ist. Wegen der dynamischen Entwicklung in diesem Bereich ist es erforderlich, ein Verfahren zur Anpassung oder Erweiterung dieses Angebots festzulegen.
(13)
Über das harmonisierte Mindestangebot hinaus werden weitere Mietleitungen entsprechend der Marktnachfrage und dem Entwicklungsstand des öffentlichen Telekommunikationsnetzes bereitgestellt werden; für diese Mietleitungen gelten die übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie. Es sollte jedoch sichergestellt werden, daß die Bereitstellung dieser weiteren Mietleitungen nicht die des Mindestangebots beeinträchtigt.
(14)
Nach dem Grundsatz der Trennung von Regulierungs- und betrieblichen Funktionen und in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips übernehmen die nationalen Regulierungsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle bei der Durchführung dieser Richtlinie.
(15)
Zur Unterstützung der gemeinschaftsweiten Nutzung von Mietleitungen sind gemeinsame Auftragsverfahren sowie die Möglichkeit der Bestellung und der Rechnungserstellung bei einer Stelle ( „one-stop ordering” , „one-stop billing” ) nötig; jegliche Zusammenarbeit der gemäß Artikel 11 Absatz 1a mitgeteilten Organisationen in dieser Hinsicht unterliegt dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft. Insbesondere sollten solche Verfahren dem Grundsatz der Kostenorientierung folgen und nicht zu einer Preisbindung oder Marktaufteilung führen.
(16)
Die Einrichtung von Verfahren zur Bestellung und Rechnungserstellung bei einer Stelle durch gemäß Artikel 11 Absatz 1a mitgeteilte Organisationen darf Angebote anderer Diensteanbieter nicht verhindern.
(17)
Gemäß der Richtlinie 90/387/EWG müssen die Tarife für Mietleitungen auf folgenden Grundsätzen basieren: Sie müssen auf objektiven Kriterien beruhen und dem Grundsatz der Kostenorientierung folgen, wobei ein angemessener Zeitraum zur Angleichung berücksichtigt wird; sie müssen transparent und ordnungsgemäß veröffentlicht sein; sie müssen gemäß den Wettbewerbsregeln des Vertrags genügend entflochten sein; sie müssen nichtdiskriminierend sein und die Gleichbehandlung garantieren. Tarife für Mietleitungen, die von einer oder mehreren gemäß Artikel 11 Absatz 1a mitgeteilten Organisationen bereitgestellt werden, beruhen auf den gleichen Grundsätzen. Bevorzugt wird ein Tarif auf der Basis einer regelmäßigen Pauschalmiete ( „flat-rate rental” ), sofern nicht aus Kostengründen andere Tarifarten gerechtfertigt sind.
(18)
Die Tarife für den Zugang zu und die Nutzung von Mietleitungen müssen den obigen Grundsätzen und den Wettbewerbsregeln des Vertrages entsprechen und außerdem das Prinzip der gerechten Umlegung der Gesamtkosten für die genutzten Ressourcen sowie die Notwendigkeit einer angemessenen Rendite berücksichtigen, die zur Weiterentwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur erforderlich ist.
(19)
Um die Anwendung der Tarifgrundsätze, die in den beiden vorstehenden Absätzen niedergelegt sind, sicherzustellen, legen die gemäß Artikel 11 Absatz 1a mitgeteilten Organisationen ein geeignetes transparentes Kostenrechnungssystem mit nachvollziehbaren Zahlen zugrunde, das durch Rechnungsprüfer überprüft werden kann. Diese Anforderung kann durch Einführung des Prinzips der Vollkostenrechnung erfüllt werden.
(20)
Um der Kommission die wirksame Überwachung der Durchführung dieser Richtlinie zu ermöglichen, ist es erforderlich, daß die Mitgliedstaaten der Kommission mitteilen, welche nationale Regulierungsbehörde für die Durchführung zuständig sein wird, und daß sie die relevanten Informationen bereitstellen, die von der Kommission erbeten werden.
(21)
Der in den Artikeln 9 und 10 der Richtlinie 90/387/EWG genannte Ausschuß sollte bei der Durchführung der vorliegenden Richtlinie eine tragende Rolle spielen.
(22)
Streitfälle zwischen Benutzern und gemäß Artikel 11 Absatz 1a mitgeteilten Organisationen über die Bereitstellung von Mietleitungen werden in der Regel zwischen diesen Parteien geregelt werden; es muß aber möglich sein, daß die Beteiligten ihren Fall einer nationalen Regulierungsbehörde und, falls dies für erforderlich gehalten wird, der Kommission vortragen können. Dies präjudiziert nicht die normale Anwendung der Verfahren nach den Artikeln 169 und 170 sowie der Wettbewerbsregeln des Vertrages.
(23)
Es muß ein eigenes Verfahren festgelegt werden, um zu prüfen, ob in gerechtfertigten Fällen die in dieser Richtlinie vorgesehene Frist für die Bereitstellung eines Mindestangebots an Mietleitungen und für die Einführung eines geeigneten Kostenrechnungssystems verlängert werden kann.
(24)
Diese Richtlinie gilt nicht für Mietleitungen, bei denen ein Netzabschlußpunkt außerhalb der Gemeinschaft liegt —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 58 vom 7. 3. 1991, S. 10.

(2)

ABl. Nr. C 305 vom 25. 11. 1991, S. 61, und Beschluß vom 13. Mai 1992 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. Nr. C 269 vom 14. 10. 1991, S. 30.

(4)

ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S. 1.

(5)

ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S. 10.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.