Präambel RL 92/51/EWG

DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 49, Artikel 57 Absatz 1 und Artikel 66,

auf Vorschlag der Kommission(1),

in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),

(1)
Nach Artikel 8a des Vertrages umfaßt der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen; ferner stellt gemäß Artikel 3 Buchstabe c) des Vertrages die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eines der Ziele der Gemeinschaft dar. Dies bedeutet für die Angehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem auszuüben, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erworben haben.

(2)
Bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Gemeinschaft kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Sie können jedoch nicht, ohne sich über ihre Verpflichtungen nach den Artikeln 5, 48, 52 und 59 des Vertrages hinwegzusetzen, einem Angehörigen eines Mitgliedstaats vorschreiben, daß er Qualifikationen erwirbt, die sie in der Regel im Wege der schlichten Bezugnahme auf die im Rahmen ihres innerstaatlichen Ausbildungssystems ausgestellten Diplome bestimmen, wenn der Betreffende diese Qualifikationen bereits ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Deshalb hat jeder Aufnahmestaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen.
(3)
Die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen(4), trägt dazu bei, die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu erleichtern, ist jedoch auf die Hochschulausbildung beschränkt.
(4)
Um die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten zu erleichtern, für die in einem Aufnahmestaat ein bestimmtes Ausbildungsniveau verlangt wird, ist ergänzend zur ersten allgemeinen Regelung eine zweite einzuführen.
(5)
Die ergänzende allgemeine Regelung soll auf denselben Grundsätzen beruhen wie die erste allgemeine Regelung und soll Vorschriften enthalten, die denen der ersten allgemeinen Regelung entsprechen.
(6)
Diese Richtlinie gilt nicht für die reglementierten Berufe, die Gegenstand von Einzelrichtlinien sind, durch die in erster Linie eine gegenseitige Anerkennung von Ausbildungsgängen eingeführt wird, die vor dem Eintritt in das Berufsleben abgeschlossen worden sind.
(7)
Sie gilt im übrigen auch nicht für die Tätigkeiten, die Gegenstand von Einzelrichtlinien sind, die in erster Linie darauf abzielen, die Anerkennung technischer Fähigkeiten einzuführen, die auf Kenntnissen beruhen, welche in einem anderen Mitgliedstaat erworben worden sind. Einige dieser Richtlinien gelten lediglich für selbständige Tätigkeiten. Damit die Ausübung dieser Tätigkeiten in abhängiger Beschäftigung nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt - wodurch die Ausübung der gleichen Tätigkeit, je nachdem, ob sie in abhängiger Beschäftigung oder selbständig ausgeübt wird, verschiedenen rechtlichen Anerkennungsregelungen unterliegen würde -, sollten diese Richtlinien für diejenigen Personen gelten, die die betreffenden Tätigkeiten als abhängig Beschäftigte ausüben.
(8)
Die ergänzende allgemeine Regelung präjudiziert nicht die Anwendung des Artikels 48 Absatz 4 und des Artikels 55 des Vertrages.
(9)
Diese ergänzende Regelung soll sich auf die Ausbildungsniveaus erstrecken, die von der ersten allgemeinen Regelung nicht erfaßt werden, nämlich auf sonstige Ausbildungsgänge im postsekundären Bereich und die dieser Ausbildung gleichgestellte Ausbildung sowie auf die Ausbildung, die einer kurzen oder langen Sekundarschulausbildung entspricht und gegebenenfalls durch eine Berufsausbildung oder durch Berufspraxis ergänzt wird.
(10)
Ist in einem Aufnahmestaat die Ausübung eines reglementierten Berufs an eine sehr kurze Ausbildung, an bestimmte persönliche Eigenschaften oder nur eine allgemeine Schulbildung geknüpft, so dürften die in dieser Richtlinie vorgesehenen üblichen Anerkennungsverfahren zu schwerfällig sein; in diesen Fällen sind vereinfachte Verfahren vorzusehen.
(11)
Ferner soll die besondere Berufsausbildungsregelung des Vereinigten Königreichs berücksichtigt werden, wonach der „National Framework of Vocational Qualifications” für alle Berufe Normen für das Leistungsniveau festlegt.
(12)
In einigen Mitgliedstaaten sind nur relativ wenige Berufe reglementiert. Dennoch kann es für die nichtreglementierten Berufe eine speziell auf die Ausübung des Berufes ausgerichtete Ausbildung geben, deren Struktur und Niveau von den zuständigen Stellen des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt oder kontrolliert werden. Hierdurch werden Garantien geboten, die denen entsprechen, die im Rahmen eines reglementierten Berufes bestehen.
(13)
Die zuständigen Behörden des Aufnahmestaats sollten beauftragt werden, in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts die erforderlichen Ausführungsbestimmungen für die Durchführung des Lehrgangs und der Eignungsprüfung festzulegen.
(14)
Da die ergänzende allgemeine Regelung zwei Ausbildungsniveaus und die erste allgemeine Regelung ein drittes Ausbildungsniveau erfaßt, ist in der ergänzenden allgemeinen Regelung festzulegen, ob und unter welchen Bedingungen eine Person, die ein bestimmtes Ausbildungsniveau besitzt, in einem anderen Mitgliedstaat einen Beruf ausüben kann, für den ein anderes Qualifikationsniveau vorgeschrieben ist.
(15)
Einige Mitgliedstaaten verlangen für die Ausübung bestimmter Berufe ein Diplom im Sinne der Richtlinie 89/48/EWG, wohingegen andere Mitgliedstaaten für die Ausübung der gleichen Berufe den Abschluß anders aufgebauter Ausbildungsgänge vorschreiben. Einige Ausbildungsgänge haben keinen postsekundären Charakter mit einer Mindestdauer im Sinne dieser Richtlinie, bieten aber dennoch eine vergleichbare berufliche Qualifikation und bereiten auf ähnliche Verantwortungen und Aufgaben vor. Diese Ausbildungsgänge sind daher den Diplomausbildungsgängen gleichzustellen. Wegen der großen Vielfalt der Ausbildungsgänge kann dies nur mittels einer Aufzählung in einem Verzeichnis geschehen. Diese Gleichstellung würde bewirken, daß diese Ausbildungsgänge gegebenenfalls in gleicher Weise wie die von der Richtlinie 89/48/EWG erfaßten Ausbildungsgänge anerkannt würden. Ferner sind mittels eines zweiten Verzeichnisses bestimmte reglementierte Ausbildungsgäng
(16)
Angesichts der ständigen strukturellen Weiterentwicklung von Berufsausbildungsgängen soll ein Verfahren zur Änderung der genannten Verzeichnisse vorgesehen werden.
(17)
Da die ergänzende allgemeine Regelung Berufe betrifft, für deren Ausübung eine Berufsausbildung auf Sekundarschulniveau verlangt wird und die eher manuelle Qualifikationen erfordern, ist auch die Anerkennung dieser Qualifikationen vorzusehen, selbst wenn diese nur auf einer Berufserfahrung beruhen, die in einem Mitgliedstaat, der diese Berufe nicht reglementiert, erworben worden ist.
(18)
Die vorliegende allgemeine Regelung hat wie die erste allgemeine Regelung zum Ziel, die Hindernisse für den Zugang zu reglementierten Berufen und für deren Ausübung zu beseitigen. Die in Anwendung der Entscheidung 85/368/EWG des Rates vom 16. Juli 1985 über die Entsprechung der beruflichen Befähigungsnachweise zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften(5) ausgeführten Arbeiten müssen gegebenenfalls zur Anwedung dieser Richtlinie herangezogen werden können, insbesondere wenn sie geeignet sind, nützliche Informationen über das Sachgebiet, den Inhalt und die Dauer einer Berufsausbildung zu geben, auch wenn diese Arbeiten nicht auf die Beseitigung der rechtlichen Hindernisse für die Freizügigkeit abzielen, sondern ein anderes Ziel verfolgen, nämlich die Verbesserung der Transparenz des Arbeitsmarkts.
(19)
Die Berufsstände und die Ausbildungs- oder Berufsbildungseinrichtungen sind gegebenenfalls anzuhören bzw. in angemessener Weise am Entscheidungsprozeß zu beteiligen.
(20)
Eine derartige Regelung, wie auch die erste Regelung, stärkt das Recht des europäischen Bürgers, seine beruflichen Kenntnisse in jedem Mitgliedstaat zu nutzen, und vervollständigt und stärkt gleichzeitig seinen Anspruch darauf, diese Kenntnisse dort zu erwerben, wo er es wünscht.
(21)
Die beiden Regelungen müssen nach einer gewissen Zeit der Anwendung auf ihre Wirksamkeit hin bewertet werden, um insbesondere festzustellen, inwieweit sie verbesssert werden können —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 263 vom 16. 10. 1989, S. 1, und ABl. Nr. C 217 vom 1. 9. 1990, S. 4.

(2)

ABl. Nr. C 149 vom 18. 6. 1990, S. 149, und ABl. Nr. C 150 vom 15. 6. 1992.

(3)

ABl. Nr. C 75 vom 26. 3. 1990, S. 11.

(4)

ABl. Nr. L 19 vom 24. 1. 1989, S. 16.

(5)

ABl. Nr. L 199 vom 31. 7. 1985, S. 56.

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