ANHANG III RL 92/66/EWG

VERFAHREN FÜR DIE BESTÄTIGUNG UND DIE DIFFERENTIALDIAGNOSE DER NEWCASTLE-KRANKHEIT (ND)

Die nachstehenden Verfahren zur Isolierung und Charakterisierung von ND-Viren sind Mindestrichtlinien für die Seuchendiagnose.

Der Viruserreger der Newcastle-Krankheit ist der Prototyp der Paramyxoviridae. Zur Zeit existieren neun serologisch nachweisbare Gruppen geflügelspezifischer Paramyxoviren, bezeichnet PMV-1 bis PMV-9. Alle ND-Viren liegen in der Gruppe PMV-1. Für die Verfahren zur Bestätigung und Differentialdiagnose der Newcastle-Krankheit gilt folgende Definition:

Die Newcastle-Krankheit ist eine Geflügelinfektionskrankheit, bedingt durch den Paramyxovirusstamm 1 mit einem intrazerebralen Pathogenitätsindex (ICPI) bei Eintagsküken von über 0,7.

KAPITEL 1

1.
Probenmaterial

Kloakenabstriche (oder Fäzes) sowie Luftröhrenabstriche von erkrankten Vögeln; Fäzes oder Darminhalt, Hirngewebe, Luftröhre, Lungen, Leber, Milz sowie andere eindeutig infizierte Organe kürzlich verendeter Tiere.

2.
Behandlung des Probenmaterials

Die unter Nummer 1 genannten Organe und Gewebe können gepoolt werden; nur Fäkalmaterial ist unbedingt gesondert zu behandeln. Abstriche sollten ganz in ein antibiotisches Medium getaucht, Fäkalproben und Organe in antibiotischem Medium (im geschlossenen Blender oder unter Verwendung von Stößel und Mörser und sterilem Sand) homogenisiert und zu 10 bis 20 % w/v suspendiert werden. Die Suspensionen sind für rund 2 Stunden bei Umgebungstemperatur (bei 4 °C entsprechend länger) stehen zu lassen und danach durch Zentrifugieren zu klären (z.B. 800 — 1000 g für 10 Minuten).

3.
Antibiotisches Medium

Verschiedene Laboratorien haben antibiotische Medien in unterschiedlicher Zusammensetzung erfolgreich angewandt; die Laboratorien gemäß Anhang IV können zu Rate gezogen werden. Für Fäkalproben sind Antibiotika in hoher Konzentration erforderlich; als typische Mischung gilt: 10000 Einheiten/ml Penicillin, 10 mg/ml Streptomycin, 0,25 mg/ml Gentamycin und 5000 Einheiten/ml Mycostatin in phosphatgepufferter Kochsalzlösung. Für Gewebe und Luftröhrenabstriche können diese Mengen bis auf ein Fünftel verringert werden. Gegen Chlamydienorganismen können 50 mg/ml Oxytetracyclin zugegeben werden. Bei der Herstellung des Mediums ist unbedingt der pH-Wert nach Zugabe der Antibiotika zu überprüfen und auf 7.0 bis 7.4 zu korrigieren.

KAPITEL 2

Virusisolierung in embryonierten Hühnereiern

Die Allantoishöhlen von mindestens vier embryonierten Eiern, die 8 bis 10 Tage vorbebrütet wurden, werden mit 0,1 bis 0,2 ml des geklärten flüssigen Überstands beimpft. Im Idealfall sollten diese Eier aus einer spezifiziert pathogenfreien Herde stammen; ansonsten können auch Eier aus einem Bestand verwendet werden, der nachweislich frei von NDV-Antikörpern ist. Die beimpften Eier werden bei 37 °C aufbewahrt und täglich durchleuchtet. Eier mit toten bzw. absterbenden Embryonen sowie alle anderen Eier sind sechs Tage nach der Beimpfung auf 4 °C abzukühlen und die Allantois-/Amnionflüssigkeiten auf Hämagglutination zu untersuchen. Läßt sich keine Hämagglutination feststellen, so wird das vorgenannte Verfahren mit unverdünnter Allantois-/Amnionflüssigkeit als Inokulum wiederholt. Wird Hämagglutination festgestellt, so ist im Kulturverfahren zu prüfen, ob eine Bakterienkontamination vorliegt. Sind Bakterien vorhanden, so können die Flüssigkeiten durch einen 450-nm-Membranfilter passiert und nach Zugabe weiterer Antibiotika in embryonierte Eier — wie oben beschrieben — inokuliert werden.

KAPITEL 3

1.
Vorläufige Differenzierung

Alle hämagglutinierenden Viren müssen im nationalen Laboratorium vollständig identifiziert, charakterisiert und auf Pathogenität getestet werden. Es ist jedoch wichtig, daß zur Eindämmung der Virusverbreitung zwischenzeitlich und sobald wie möglich Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Newcastle-Krankheit durchgeführt werden und daß auch die regionalen Laboratorien das ND-Virus identifizieren können. Die hämagglutinierenden Flüssigkeiten sollten deshalb einem Hämagglutinations-Hemmungstest nach Kapitel 5 und 6 unterzogen werden. Eine positive Hemmung, d.h. 24 oder mehr, mit dem spezifischen polyklonalen ND-Virus-Antiserum, dessen Titerwert bekanntermaßen mindestens 29 beträgt, würde als vorläufiger Nachweis ausreichen und die Anordnung zwischenzeitlicher Bekämpfungsmaßnahmen rechtfertigen.

2.
Bestätigungsnachweis

Jeder hämagglutinierende Erreger sollte vom nationalen Laboratorium einer vollständigen Differentialdiagnose unterzogen werden. Dabei würde das Vorliegen des ND-Virus erneut mit Hilfe eines Hämagglutinations-Hemmungstests mit monospezifischen Hühnerantiseren bestätigt. Bei allen positiven Isolaten sollten intrazerebrale Pathogenitätsindextests nach Kapitel 7 durchgeführt werden. Ein Pathogenitätsindex von über 0,7 läßt auf Vorliegen des Seuchenvirus schließen und rechtfertigt die Anordnung umfassender Bekämpfungsmaßnahmen. Infolge der jüngsten Entwicklungen bei der Typendifferenzierung von ND-Viren, insbesondere der monoklonalen Antikörpertechniken, ist nunmehr eine Klassifizierung der Stämme und Isolate möglich. So sind insbesondere einige monoklonale Antikörper zugänglich, die für die in der Gemeinschaft verwendeten Impfstämme typisch sind und für einfache Hämagglutinations-Hemmungstests herangezogen werden können. Da Lebendimpfstämme oft aus Tiermaterial (Geflügel) isoliert werden können, liegt ihr Vorteil für die nationalen Laboratorien (Schnellnachweis) auf der Hand. Derartige monoklonale Antikörper könnten vom gemeinschaftlichen Referenzlaboratorium gewonnen und zur Bestätigung der Virusvakzin-Isolierung an die nationalen Laboratorien abgegeben werden. Die nationalen Laboratorien sollten ihrerseits dem gemeinschaftlichen Referenzlaboratorium alle hämagglutinierenden Erreger zuleiten.

3.
Weitere Typendifferenzierung und Charakterisierung von Isolaten

Alle von den nationalen Laboratorien erhaltenen hämagglutinierenden Viren werden im gemeinschaftlichen Referenzlaboratorium weiteren Antigen- und Gentests unterzogen, um den Aufgaben und Pflichten des Referenzlabors entsprechend weitere Erkenntnisse über den Seuchenverlauf in der Gemeinschaft zu gewinnen.

KAPITEL 4

Schnelltests zur Ermittlung des ND-Virus in geimpften Vögeln und zur Ermittlung von Antikörpern in nicht geimpften Vögeln.

1.
Ermittlung von ND-Viren

Zur Diagnose von Infektionskrankheiten in geimpften Vögeln werden mehrere Schnelltests herangezogen, mit denen ND-Antigene direkt ermittelt werden können. Am gängigsten sind Fluoreszenzantikörpertests an Luftröhren-Längsschnitten und Peroxidaseantikörpertests im Hirn. Zweifelsohne können im Fall des ND-Virus auch andere Tests zur direkten Antigenermittlung eingesetzt werden. Ein Nachteil solcher Tests ist jedoch, daß es unmöglich ist, alle potentiellen Replikationsstellen des ND-Virus in geimpften Vögeln zu prüfen, so daß beispielsweise bei Nichtnachweisbarkeit von Virusmaterial in der Luftröhre eine Virusreplikation in den Eingeweiden nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Zur routinemäßigen Diagnose der Newcastle-Krankheit werden Direktermittlungsmethoden nicht empfohlen, doch können solche Tests in Sonderfällen durchaus nützlich sein.

2.
Ermittlung von Antikörpern in nicht geimpften Vögeln

Die meisten der mit der ND-Diagnose befaßten Laboratorien sind mit dem Hämagglutinations-Hemmungstest vertraut. Die nachstehenden Empfehlungen beziehen sich auf dieses Verfahren zur Messung der Virusantikörper, obwohl diese auch im Rahmen von Enzymimmuntests (ELISA) erfolgreich ermittelt werden können. Für den Fall, daß ein Regionallabor das ELISA-Testverfahren anzuwenden wünscht, wird empfohlen, daß der Test von dem in Anhang IV bezeichneten nationalen Laboratorium überprüft wird.

a)
Probenmaterial

Bei Beständen von weniger als 20 Vögeln sollten Blutproben von allen Tieren, bei größeren Beständen von 20 Tieren entnommen werden. (Sind mindestens 25 % des Bestands positiv, so wird auf diese Weise, ungeachtet der Bestandsgröße, mit über 99 %iger Wahrscheinlichkeit mindestens ein Positivserum ermittelt.) Nach Gerinnung des Blutes wird das Serum zur Untersuchung entfernt.

b)
Antikörperprüfung

Die einzelnen Serumproben werden im Rahmen der Standard-Hämagglutinations-Hemmungstests nach Kapitel 6 auf ihre Fähigkeit geprüft, die Hämagglutination durch ND-Virusantigen zu hemmen. Es ist umstritten, ob 4 oder 8 Hämagglutinin-Einheiten (HAU) für den Hämagglutinations-Hemmungstest (HI-Test) verwendet werden sollen. Beides dürfte vertretbar sein, so daß die Entscheidung den nationalen Laboratorien überlassen werden sollte. Von dem verwendeten Antigen hängt jedoch ab, ab wann ein bestimmtes Serum als positiv gilt: bei 4 HAU gilt jedes Serum mit einem Titer von 24 oder mehr, bei 8 HAU jedes Serum mit einem Titer von 23 oder mehr als positiv.

KAPITEL 5

Reagenzien

1. Isotonische Salzlösung, phosphatgepuffert (PBS) (0,05M) auf einen pH-Wert von 7,0 bis 7,4.

2. Rote Blutkörperchen, von mindestens drei spezifiziert pathogenfreien Hühnern entnommen (ist dies nicht möglich, kann Blut von Vögeln entnommen werden, die regelmäßig überwacht wurden und nachweislich frei von NDV-Antikörpern sind) und in gleicher Menge Alseverlösung gepoolt. Die Blutkörperchen sind vor ihrer Verwendung dreimal in phosphatgepufferter Kochsalzlösung zu reinigen. Für den Test wird eine 1 %-Suspension (Hämatokritwert v/v) in phosphatgepufferter Kochsalzlösung empfohlen.

3. Als Standardantigen wird der ND-Virusstamm Ulster 2C empfohlen.

Verfahren

a)
0,025 ml phosphatgepufferte Kochsalzlösung in alle (V-förmigen) Mulden eines Kunststoff-Mikrotitrators träufeln.
b)
0,025 ml Virussuspension (d.h. Allantoisflüssigkeit) in die erste Mulde geben.
c)
Mit einem Mikrotitrationsverdünner über das Testtablett verteilt zweifache Virusverdünnungen (1:2 bis 1:4096) herstellen.
d)
Weitere 0,025 ml gepufferte Kochsalzlösung in jede Mulde einträufeln.
e)
0,025 ml 1 %ig suspendierte rote Blutkörperchen in alle Mulden geben.
f)
Durch Antippen mischen und bei 4 °C aufbewahren.
g)
Tablett nach 30 bis 40 Minuten, wenn sich die Kontrollen gesetzt haben, ablesen. Dazu Tablett leicht anheben und auf Vorliegen bzw. Fehlen einer tropfenförmigen Strömung der roten Blutkörperchen prüfen. Mulden ohne Hämagglutination sollten die gleiche Strömungsrate aufweisen wie die virusfreien Kontrollzellen.
h)
Als Hämagglutinationstiter gilt die höchste Verdünnung, bei der die roten Blutkörperchen agglutinieren, wobei davon ausgegangen werden kann, daß diese Verdünnung 1 hämagglutinierende Einheit (HAU) enthält. Für eine genauere Bestimmung des Hämagglutinationstiters müssen Hämagglutinationstests mit Virusmaterial aus eng aufeinander folgenden Anfangsverdünnungsstufen (d.h. 1:3, 1:4, 1:5, 1:6 usw.) durchgeführt werden. Dieses Verfahren empfiehlt sich zur akkuraten Bereitung von Antigenmaterial für Hämagglutinations-Hemmungstests (vgl. Kapitel 6).

KAPITEL 6

Reagenzien (vgl. Kapitel 5)

a)
Phosphatgepufferte Kochsalzlösung.
b)
Virushaltige Allantoisflüssigkeit, mit gepufferter Kochsalzlösung auf 4 bzw. 8 hämagglutinierende Einheiten (HAU) je 0,025 ml verdünnt.
c)
1 %ig suspendierte rote Blutkörperchen (Hühner).
d)
Negatives Hühnerkontrollserum.
e)
Positives Kontrollserum.

Verfahren

a)
0,025 ml phosphatgepufferte Kochsalzlösung in alle (V-förmigen) Mulden eines Kunststoff-Mikrotitrators träufeln.
b)
0,025 ml Serum in die erste Mulde geben.
c)
Mit einem Mikrotitrationsverdünner über das Testtablett verteilt zweifache Serumverdünnungen herstellen.
d)
0,025 ml verdünnte Allantoisflüssigkeit mit 4 bzw. 8 HAU zugeben.
e)
Durch Antippen mischen und Tablett für mindestens 60 Minuten bei 4 °C bzw. für mindestens 30 Minuten bei Raumtemperatur aufbewahren.
f)
0,025 ml 1 %ig suspendierte rote Blutkörperchen in alle Mulden geben.
g)
Durch Antippen mischen und bei 4 °C aufbewahren.
h)
Testtabletts nach 30 bis 40 Minuten, wenn sich die Kontrollzellen gesetzt haben, ablesen. Dazu Tablett leicht anheben und auf Vorliegen bzw. Fehlen einer tropfenförmigen Strömung achten. Die Strömungsrate sollte der in den Kontrollmulden entsprechen, die lediglich rote Blutkörperchen (0,025 ml) und gepufferte Kochsalzlösung (0,05 ml) enthalten.
i)
Als Hemmtiter gilt die höchste Antiserumverdünnung, die 4 bzw. 8 Viruseinheiten vollständig hemmt. (Jeder Test sollte zur Bestätigung der erforderlichen HAU eine Hämagglutinationstitrierung beinhalten.)
j)
Die Zuverlässigkeit der Ergebnisse hängt ab von einem Titerergebnis von weniger als 23 bei 4 HAU bzw. 22 bei 8 HAU bei negativem Kontrollserum und von einem Titerergebnis, das innerhalb einer Verdünnung des bekannten Titerwertes des positiven Kontrollserums liegt.

KAPITEL 7

1. Infizierte, frisch gewonnene Allantoisflüssigkeit (mit einem Hämagglutinationstiter von über 24) im Verhältnis 1:10 in steriler isotonischer Kochsalzlösung verdünnen (es dürfen keine Antibiotika zugesetzt werden).

2. 10 Eintagsküken (d.h. > 24 Stunden < 40 Stunden nach dem Schlupf) intrazerebral mit 0,05 ml Virusverdünnung beimpfen. Die Küken sollten von Eiern aus einer spezifiziert pathogenfreien Herde stammen.

3. Die Tiere über einen Zeitraum von acht Tagen in 24-Stunden-Abständen untersuchen.

4. Dabei jeweils wie folgt bewerten: 0 = gesund, 1 = erkrankt, 2 = tot.

5. Die Indexberechnung wird an folgendem Beispiel verdeutlicht:

Demnach ist der Index — der Durchschnittswert je Vogel und Prüfung — in diesem Fall = 112/80 = 1,4

Klinische Symptome

Tag nach der Beimpfung

(Anzahl der Tiere)

12345678InsgesamtBewertung
Gesund10400000014 × 0= 0
Erkrankt06104000020 × 1= 20
Tot00061010101046 × 2= 92
Insgesamt = 112

KAPITEL 8

1. Um eine optimale Plaquezahl auf dem Testtablett zu gewährleisten, empfiehlt es sich, eine Virusverdünnungsreihe zu verwenden. Zehnfache Verdünnungen bis 10-7 in phosphatgepufferter Kochsalzlösung dürften ausreichen.

2. In Petrischalen von 5 cm Durchmesser konfluierende Zellrasen (Kükenembryozellen) bzw. eine angemessene Zellinie (zum Beispiel Madin-Darby-Rinderniere) bereiten.

3. In jeweils zwei Petrischalen 0,2 ml einer jeden Virusverdünnung zugeben und das Virus 30 Minuten absorbieren lassen.

4. Nach dreimaliger Reinigung mit phosphatgepufferter Kochsalzlösung die infizierten Zellen mit einem geeigneten Medium überschichten, daß 1 % w/v Agar und gegebenenfalls 0,01 mg/ml Trypsin enthält. Es ist darauf zu achten, daß dem Kulturmedium kein Serum zugegeben wird.

5. Nach 72stündiger Inkubation bei 37 °C dürften die Plaques groß genug sein. Sie werden am besten erkennbar durch Entfernen des überschichteten Agar und durch kristallviolette Anfärbung (0,5 % w/v) des Zellrasens in 25 % v/v Äthanol.

6. Bei Inkubation mit Trypsin im Kulturmedium sollten sämtliche Viren deutlich sichtbare Plaques bilden. Enthält die Überschichtung kein Trypsin, bilden nur hühnerinfizierende Viren Plaques.

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