Präambel RL 93/16/EWG
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 49, Artikel 57 Absatz 1 und Absatz 2 Sätze 1 und 3 und Artikel 66,
auf Vorschlag der Kommission,
in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(1),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Die Richtlinien 75/362/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr(3) und 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes(4) wurden mehrfach erheblich geändert. Im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit ist es daher angebracht, sie zu kodifizieren. Desweiteren sollte anläßlich der Zusammenfassung der genannten Richtlinien in einen einzigen Text auch die Richtlinie 86/457/EWG des Rates vom 15. September 1986 über eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin(5) aufgenommen werden.
Aufgrund des Vertrages ist seit Ablauf der Übergangszeit jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung bei der Niederlassung und im Dienstleistungsverkehr untersagt. Der Grundsatz der auf diese Weise erzielten Inländergleichbehandlung gilt insbesondere für die Erteilung einer für die Aufnahme oder Ausübung der ärztlichen Tätigkeiten gegebenenfalls erforderlichen Genehmigung sowie für die Eintragung oder Mitgliedschaft bei Berufsverbänden oder -körperschaften.
Es erscheint jedoch angebracht, gewisse Bestimmungen vorzusehen, um den Ärzten die tatsächliche Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern.
Aufgrund des Vertrages sind die Mitgliedstaaten gehalten, keine Beihilfe zu gewähren, die die Niederlassungsbedingungen verfälschen könnte.
Artikel 57 Absatz 1 des Vertrages sieht vor, daß Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erlassen werden. Ziel dieser Richtlinie ist die Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes, die den Zugang zur ärztlichen Tätigkeit eröffnen, sowie der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes.
Bezüglich der fachärztlichen Weiterbildung sollten die Weiterbildungsnachweise gegenseitig anerkannt werden, soweit diese eine Voraussetzung für das Führen des Titels eines Facharztes sind, ohne jedoch eine Voraussetzung für die Aufnahme der Facharzttätigkeit darzustellen.
Die Entwicklung des Rechts in den Mitgliedstaaten macht einige technische Änderungen erforderlich, damit insbesondere den Änderungen in der Bezeichnung der Diplome, Prüfungszeugnisse und anderen Befähigungsnachweise in diesen Berufen und in der Bezeichnung einiger medizinischer Fachrichtungen sowie der Schaffung bestimmter neuer medizinischer Fachrichtungen und der Streichung einiger alter medizinischer Fachrichtungen in mehreren Mitgliedstaaten Rechnung getragen wird.
Es ist angebracht, Bestimmungen über die Bestandsrechte für die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes vorzusehen und die Ausbildungsgänge zu genehmigen, die vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Richtlinie begonnen haben.
Da eine Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome nicht unbedingt die sachliche Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge, die zu einem solchen Diplom führen, zur Folge hat, darf die dem jeweiligen Ausbildungsnachweis entsprechende Ausbildungsbezeichnung nur in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaats geführt werden.
Zur Erleichterung der Anwendung dieser Richtlinie durch die nationalen Verwaltungen können die Mitgliedstaaten vorschreiben, daß die Begünstigten, die die in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausbildungsbedingungen erfüllen, zusammen mit ihrem Ausbildungnachweis eine Bescheinigung der zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftstaats darüber vorlegen, daß es sich bei diesem Nachweis um den in der Richtlinie genannten handelt.
Diese Richtlinie berührt nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die Gesellschaften die Ausübung der Arzttätigkeit verbieten oder ihnen dafür bestimmte Auflagen machen.
Im Falle einer Dienstleistung würde das Erfordernis der Eintragung oder Mitgliedschaft bei Berufsverbänden oder -körperschaften, die an sich mit der festen und dauerhaften Tätigkeit im Aufnahmestaat verbunden ist, zweifellos eine Behinderung für den Dienstleistungserbringer darstellen, der seine Tätigkeit nur vorübergehend ausübt. Auf dieses Erfordernis ist daher zu verzichten. Allerdings sollte in diesem Fall die Einhaltung der Berufsordnung, über die diese Berufsverbände oder -körperschaften zu wachen haben, sichergestellt werden. Zu diesem Zweck ist vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 62 des Vertrages vorzusehen, daß von dem Begünstigten eine Anzeige bei der zuständigen Behörde des Aufnahmestaates über die Dienstleistung verlangt werden kann.
Es ist zu unterscheiden zwischen den Bedingungen der persönlichen Zuverlässigkeit für eine erste Aufnahme des Berufes und denjenigen für die Ausübung des Berufes.
Im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Facharztes und im Hinblick darauf, daß für alle Berufsangehörigen der Mitgliedstaaten eine etwa gleiche Ausgangsbasis innerhalb der Gemeinschaft geschaffen werden soll, hat sich eine gewisse Koordinierung der Ausbildungsbedingungen für Fachärzte als notwendig erwiesen. Zu diesem Zweck müssen bestimmte Mindestbedingungen für den Zugang zur Weiterbildung, deren Mindestdauer, die Art ihrer Durchführung und den Ort, an dem sie erfolgt, sowie für die Kontrolle der Weiterbildung festgelegt werden. Die genannten Bedingungen betreffen nur solche Fachgebiete, die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind oder in zwei oder mehr Mitgliedstaaten bestehen.
Die mit dieser Richtlinie angestrebte Koordinierung der Bedingungen für die Berufsausübung schließt eine weitere Koordinierung nicht aus.
Außerdem wird nunmehr das Bedürfnis für eine spezifische Ausbildung zum praktischen Arzt nahezu allgemein anerkannt, durch die dieser besser auf seine ihm eigene Tätigkeit vorbereitet werden soll. In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, daß der Arzt das soziale Umfeld seiner Patienten persönlich kennt und sie als Gesamtpersönlichkeit in Fragen der Krankheitsverhütung und des Gesundheitsschutzes berät und in geeigneter Weise behandelt.
Eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin ist vor allem deshalb notwendig, weil sich durch die Entwicklung der Medizin zwischen der Forschung und medizinischen Ausbildung einerseits und der Praxis der Allgemeinmedizin andererseits eine immer größere Kluft gebildet hat, so daß wichtige Aspekte der Allgemeinmedizin im Rahmen der herkömmlichen medizinischen Grundausbildung in den Mitgliedstaaten nicht mehr auf befriedigende Weise gelehrt werden können.
Abgesehen von dem Gewinn für die Patienten ist auch anerkannt, daß eine bessere Anpassung des praktischen Arztes an seine besondere Funktion dazu beitragen wird, die ärztliche Versorgung vor allem insofern zu verbessern, als die Inanspruchnahme von Fachärzten sowie von Laboratorien und sonstigen hochspezialisierten Einrichtungen und Ausrüstungen auf einer selektiveren Grundlage erfolgen würde.
Die Verbesserung der allgemeinmedizinischen Ausbildung kann dazu beitragen, daß die Tätigkeit des praktischen Arztes aufgewertet wird.
Diese Entwicklung scheint zwar unumkehrbar, vollzieht sich jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Die dahingehenden Bestrebungen sollten nicht übermäßig beschleunigt, sondern in Etappen einander angenähert werden, wobei eine geeignete Ausbildung jedes praktischen Arztes, die den spezifischen Anforderungen an die Ausübung der Allgemeinmedizin entspricht, anzustreben ist.
Um eine schrittweise Verwirklichung dieser Reform zu gewährleisten, ist es zunächst erforderlich, in jedem Mitgliedstaat eine spezifische Ausbildung zum praktischen Arzt einzuführen, die sowohl qualitativ als auch quantitativ bestimmten Mindestanforderungen genügt und die die Mindestgrundausbildung, die der Arzt gemäß dieser Richtlinie besitzen muß, ergänzt. Dabei ist unerheblich, ob diese Ausbildung in der Allgemeinmedizin im Rahmen der Grundausbildung des Arztes im Sinne des einzelstaatlichen Rechts oder außerhalb derselben erfolgt. In einer zweiten Phase sollte sodann vorgesehen werden, daß die Ausübung des ärztlichen Berufs als praktischer Arzt im Rahmen eines Sozialversicherungssystems vom Nachweis der Ausbildung zum praktischen Arzt abhängig zu machen ist. Schließlich sollten zur Vervollständigung der Reform neue Vorschläge vorgelegt werden.
Diese Richtlinie berührt nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihres eigenen Sozialversicherungssystems sowie für die Festlegung der Tätigkeiten, die im Rahmen dieses Systems ausgeübt werden können.
Die Koordinierung der Mindestvoraussetzungen für die Erteilung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise über die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin, die aufgrund der vorliegenden Richtlinie zu erfolgen hat, ermöglicht den Mitgliedstaaten die gegenseitige Anerkennung dieser Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise.
Ein Aufnahmemitgliedstaat ist aufgrund dieser Richtlinie nicht berechtigt, von Ärzten, die ein in einem anderen Mitgliedstaat erteiltes und gemäß der genannten Richtlinie anerkanntes Diplom besitzen, für die Ausübung des ärztlichen Berufs im Rahmen eines Sozialversicherungssystems eine zusätzliche Ausbildung zu verlangen, selbst wenn eine solche Ausbildung für die Inhaber des in seinem Gebiet erworbenen Arztdiploms erforderlich ist. Diese Wirkung dieser Richtlinie kann für die Tätigkeit des praktischen Arztes im Rahmen eines Sozialversicherungssystems nicht vor dem 1. Januar 1995 enden. Von diesem Zeitpunkt an ist in allen Mitgliedstaaten die Tätigkeit als praktischer Arzt im Rahmen ihres Sozialversicherungssystems von einem Nachweis über die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin abhängig zu machen. Die Ärzte, die sich vor diesem Zeitpunkt entsprechend dieser Richtlinie als Ärzte niedergelassen haben, müssen das erworbene Recht haben, den ärztlichen Beruf als praktischer Arzt im Rahmen des Sozialversicherungssystems des Aufnahmemitgliedstaats auszuüben, selbst wenn sie keine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin absolviert haben.
Die mit dieser Richtlinie angestrebte Koordinierung bezieht sich auf die Berufsausbildung der Ärzte. Die meisten Mitgliedstaaten unterscheiden bisher nicht zwischen der Ausbildung von Ärzten im Angestelltenverhältnis und der Ausbildung von freiberuflich tätigen Ärzten. In bezug auf persönliche Zuverlässigkeit, die Berufsordnung und das Führen des Titels gelten je nach Mitgliedstaat die einschlägigen Regelungen für angestellte wie für freiberuflich tätige Berufsangehörige oder können auf sie angewandt werden. Für die Tätigkeiten des Arztes ist in allen Mitgliedstaaten der Besitz eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises erforderlich. Diese Tätigkeiten werden sowohl von freiberuflich tätigen Ärzten als auch von Ärzten im Angestelltenverhältnis oder auch von denselben Personen im Verlauf ihrer beruflichen Laufbahn abwechselnd in der einen oder der anderen dieser beruflichen Stellungen ausgeübt. Um die Freizügigkeit dieser Berufstätigen in der Gemeinschaft zu fördern, erscheint es daher notwendig, die Anwendung dieser Richtlinie auf Ärzte im Angestelltenverhältnis auszudehnen.
Diese Richtlinie darf nicht die Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang III Teil B genannten Umsetzungsfristen berühren —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. C 125 vom 18. 5. 1992, S. 170 und ABl. Nr. C 72 vom 15. 3. 1993.
- (2)
ABl. Nr. C 98 vom 24. 4. 1992, S. 6.
- (3)
ABl. Nr. L 167 vom 30. 6. 1975, S. 1. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/658/EWG (ABl. Nr. L 353 vom 17. 12. 1990, S. 73).
- (4)
ABl. Nr. L 167 vom 30. 6. 1975, S. 14. Richtlinie zuletzt geändert durch die Richtlinie 90/658/EWG (ABl. Nr. L 353 vom 17. 12. 1990, S. 73).
- (5)
ABl. Nr. L 267 vom 19. 9. 1986, S. 26.
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