Präambel MDD (RL 93/42/EWG)
DER RAT DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 100 a,
auf Vorschlag der Kommission(1),
in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament(2),
nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(3),
in Erwägung nachstehender Gründe:
Im Sinne des Binnenmarktes müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr gewährleistet ist.
Die in den Mitgliedstaaten geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften bezüglich der Sicherheit, des Gesundheitsschutzes und der Leistungen der Medizinprodukte unterscheiden sich jeweils nach Inhalt und Geltungsbereich. Auch die Zertifizierungs- und Kontrollverfahren für diese Produkte sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden; solche Unterschiede stellen Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel dar.
Die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, bedürfen der Harmonisierung, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten.
Die harmonisierten Bestimmungen müssen von den Maßnahmen unterschieden werden, die die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Finanzierung des öffentlichen Gesundheitssystems und des Krankenversicherungssystems getroffen haben und die derartige Produkte direkt oder indirekt betreffen. Sie lassen daher das Recht der Mitgliedstaaten auf Durchführung der genannten Maßnahmen unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts unberührt.
Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten und die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie.
Bestimmte Medizinprodukte sind dafür ausgelegt, Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel(4) abzugeben. In diesen Fällen wird das Inverkehrbringen des Medizinprodukts in der Regel durch die vorliegende Richtlinie geregelt und das Inverkehrbringen des Arzneimittels durch die Richtlinie 65/65/EWG. Wird ein solches Produkt jedoch derart in Verkehr gebracht, daß Produkt und Arzneimittel eine feste Einheit bilden, die ausschließlich zur Verwendung in der vorgegebenen Kombination bestimmt und nicht wiederverwendbar ist, unterliegt dieses eine feste Einheit bildende Produkt der Richtlinie 65/65/EWG. Davon zu unterscheiden sind Medizinprodukte, die unter anderem als Bestandteile Stoffe enthalten, welche bei gesonderter Anwendung als Arzneimittel im Sinne der Richtlinie 65/65/EWG betrachtet werden können. In solchen Fällen, d. h., wenn die in das Medizinprodukt integrierten Stoffe in Ergänzung zu dem Produkt eine Wirkung auf den menschlichen Körper entfalten können, wird das Inverkehrbringen der Produkte durch die vorliegende Richtlinie geregelt. In diesem Zusammenhang müssen die Prüfungen auf Sicherheit, Qualität und Eignung der Stoffe analog durch Anwendung der geeigneten Verfahren gemäß der Richtlinie 75/318/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch-pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneimitteln erfolgen(5).
Die in den Anhängen festgelegten grundlegenden Anforderungen und sonstigen Anforderungen, einschließlich der Hinweise auf Minimierung oder Verringerung der Gefahren, sind so zu interpretieren und anzuwenden, daß dem Stand der Technik und der Praxis zum Zeitpunkt der Konzeption sowie den technischen und wirtschaftlichen Erwägungen Rechnung getragen wird, die mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit zu vereinbaren sind.
Entsprechend den in der Entschließung des Rates vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung(6) festgelegten Grundsätzen müssen sich die Regelungen bezüglich der Auslegung und Herstellung von Medizinprodukten auf die Bestimmungen beschränken, die erforderlich sind, um den grundlegenden Anforderungen zu genügen. Da es sich hier um Anforderungen grundlegender Art handelt, müssen diese an die Stelle der entsprechenden einzelstaatlichen Bestimmungen treten. Die grundlegenden Anforderungen müssen mit der nötigen Sorgfalt angewandt werden, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konzeption sowie den technischen und wirtschaftlichen Erwägungen Rechnung zu tragen, die mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit zu vereinbaren sind.
Mit der Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte(7) wird die neue Konzeption erstmalig auf dem Gebiet der Medizinprodukte angewandt. Im Interesse gleichartiger gemeinschaftlicher Regelungen für sämtliche Medizinprodukte lehnt sich die vorliegende Richtlinie weitgehend an die Bestimmungen der Richtlinie 90/385/EWG an. Aus denselben Gründen muß die letztgenannte Richtlinie um die allgemeinen Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie ergänzt werden.
Die Gesichtspunkte der elektromagnetischen Verträglichkeit sind wesentlicher Bestandteil der Unbedenklichkeit der Medizinprodukte. Die vorliegende Richtlinie enthält gegenüber der Richtlinie 89/336/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit(8) entsprechende spezifische Bestimmungen.
Die vorliegende Richtlinie regelt die Anforderungen an die Auslegung und Herstellung von Produkten, die ionisierende Strahlungen abgeben. Diese Richtlinie berührt nicht die erforderliche Genehmigung gemäß der Richtlinie 80/836/Euratom des Rates vom 15. Juli 1980 zur Änderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurden(9) noch die Anwendung der Richtlinie 84/466/Euratom des Rates vom 3. September 1984 zur Festlegung der grundlegenden Maßnahmen im Strahlenschutz der medizinischen Untersuchungen und Behandlungen ausgesetzten Personen(10). Die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Förderung einer besseren Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz(11) sowie die einschlägigen Einzelrichtlinien bleiben anwendbar.
Zum Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen und zur Ermöglichung der Kontrolle dieser Übereinstimmung sind auf europäischer Ebene harmonisierte Normen zur Verhütung von Risiken im Zusammenhang mit der Auslegung, Herstellung und Verpackung medizintechnischer Produkte wünschenswert. Diese auf europäischer Ebene harmonisierten Normen werden von privatrechtlichen Einrichtungen entwickelt und müssen ihren unverbindlichen Charakter behalten. Das Europäische Komitee für Normung (CEN) und das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) sind als zuständige Gremien für die Ausarbeitung harmonisierter Normen im Einklang mit den am 13. November 1984 unterzeichneten allgemeinen Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und diesen beiden Einrichtungen anerkannt.
Eine harmonisierte Norm im Sinne dieser Richtlinie ist eine technische Spezifikation (europäische Norm oder Harmonisierungsdokument), die im Auftrag der Kommission von einer dieser beiden Einrichtungen bzw. von beiden im Einklang mit der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 zur Festlegung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften(12) sowie gemäß den obengenannten allgemeinen Leitlinien ausgearbeitet worden ist. In bezug auf eine eventuelle Änderung der harmonisierten Normen ist es zweckmäßig, daß die Kommission von dem durch die Richtlinie 83/189/EWG eingesetzten Ausschuß unterstützt wird und daß die erforderlichen Maßnahmen im Einklang mit dem Verfahren I gemäß dem Beschluß 87/373/EWG des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(13) festgelegt werden. Für spezifische Bereiche empfiehlt es sich, den bereits erreichten Harmonisierungsstand in Form von Monographien des Europäischen Arzneibuchs im Rahmen dieser Richtlinie zu übernehmen. Daher können mehrere Monographien des Europäischen Arzneibuchs den obengenannten harmonisierten Normen gleichgestellt werden.
Der Rat hat durch seinen Beschluß 90/683/EWG vom 13. Dezember 1990 über die in den technischen Harmonisierungsrichtlinien zu verwendenden Module für die verschiedenen Phasen der Konformitätsbewertungsverfahren(14) harmonisierte Konformitätsbewertungsverfahren festgelegt. Durch die Anwendung dieser Module auf die Medizinprodukte kann die Verantwortung der Hersteller und der benannten Stellen bei den Konformitätsbewertungsverfahren unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Produkte festgelegt werden. Die Präzisierungen dieser Module sind durch die Art der für die Medizinprodukte geforderten Prüfungen gerechtfertigt.
Vor allem für die Konformitätsbewertungsverfahren erscheint es zweckmäßig, die Produkte in vier Klassen zu unterteilen. Die Klassifizierungsregeln basieren auf der Verletzbarkeit des menschlichen Körpers und berücksichtigen die potentiellen Risiken im Zusammenhang mit der technischen Auslegung der Produkte und mit ihrer Herstellung. Die Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte der Klasse I können generell unter der alleinigen Verantwortung des Herstellers erfolgen, da der Grad der Verletzbarkeit durch diese Produkte gering ist. Für die Produkte der Klasse IIa ist die Beteiligung einer benannten Stelle für das Herstellungsstadium verbindlich. Für die Produkte der Klassen IIb und III, die ein hohes Gefahrenpotential darstellen, ist eine Kontrolle durch eine benannte Stelle in bezug auf die Auslegung der Produkte sowie ihre Herstellung erforderlich. Die Klasse III ist den kritischsten Produkten vorbehalten, deren Inverkehrbringen eine ausdrückliche vorherige Zulassung im Hinblick auf die Konformität erfordert.
Sofern die Konformität der Produkte unter der Verantwortung des Herstellers bewertet werden kann, müssen sich die zuständigen Behörden, insbesondere in dringenden Situationen, an eine in der Gemeinschaft niedergelassene für das Inverkehrbringen zuständige Person wenden können; dies kann der Hersteller oder eine vom Hersteller dazu benannte in der Gemeinschaft niedergelassene Person sein.
Die Medizinprodukte müssen im Regelfall mit der CE-Kennzeichnung versehen sein, aus dem ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Richtlinie hervorgeht und das Voraussetzung für den freien Verkehr der Medizinprodukte in der Gemeinschaft und ihre bestimmungsgemäße Inbetriebnahme ist.
Im Rahmen der Bekämpfung von Aids und unter Berücksichtigung der vom Rat am 16. Mai 1989 verabschiedeten Schlußfolgerungen über die künftigen Tätigkeiten zur Verhütung und Kontrolle von Aids in der Gemeinschaft(15) müssen die zum Schutz vor einer Infizierung mit dem HIV-Virus angewandten Medizinprodukte einen hochgradigen Schutz bieten. Auslegung und Herstellung dieser Produkte müssen durch eine benannte Stelle geprüft werden.
Die Klassifizierungsregeln gestatten im allgemeinen eine angemessene Einstufung der Medizinprodukte. Angesichts der Vielfalt der Produkte und der technologischen Entwicklung auf diesem Gebiet sind zu den Durchführungsbefugnissen der Kommission die erforderlichen Entscheidungen über die angemessene Einstufung der Produkte, eine Neueinstufung oder gegebenenfalls eine Anpassung der Entscheidungsregeln zu rechnen. Da diese Fragen eng mit dem Gesundheitsschutz zusammenhängen, ist es angemessen, daß diese Entscheidungen unter das Verfahren IIIa gemäß dem Beschluß 87/373/EWG fallen.
Die Bestätigung der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen kann beinhalten, daß die klinischen Prüfungen unter der Verantwortung des Herstellers durchzuführen sind. Im Hinblick auf die Durchführung dieser Prüfungen müssen geeignete Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Ordnung festgelegt werden.
Der Gesundheitsschutz und die diesbezüglichen Kontrollen können durch ein System der technischen Sicherheitsüberwachung wirksamer gestaltet werden, das auf Gemeinschaftsebene eingerichtet wird.
Diese Richtlinie erfaßt alle Medizinprodukte gemäß der Richtlinie 76/764/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über medizinische Quecksilberglasthermometer mit Maximumvorrichtung(16). Die vorgenannte Richtlinie muß daher aufgehoben werden. Aus denselben Gründen muß die Richtlinie 84/539/EWG des Rates vom 17. September 1984 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Humanmedizin und der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte(17) geändert werden —
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. Nr. C 237 vom 12.9.1991, S. 3, und ABl. Nr. C 251 vom 28.9.1992, S. 40.
- (2)
ABl. Nr. C 150 vom 31.5.1993 und ABl. Nr. C 176 vom 28.6.1993.
- (3)
ABl. Nr. C 79 vom 30.3.1992, S. 1.
- (4)
ABl. Nr. 22 vom 9.6.1965, S. 369/65. Zuletzt geändert durch Richtlinie 92/27/EWG (ABl. Nr. L 113 vom 30.4.1992, S. 8).
- (5)
ABl. Nr. L 147 vom 9.6.1975, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 91/507/EWG (ABl. Nr. L 270 vom 26.9.1991, S. 32).
- (6)
ABl. Nr. C 136 vom 4.6.1985, S. 1.
- (7)
ABl. Nr. L 189 vom 20.7.1990, S. 17.
- (8)
ABl. Nr. L 139 vom 23.5.1989, S. 19. Zuletzt geändert durch Richtlinie 92/31/EWG (ABl. Nr. L 126 vom 12.5.1992, S. 11).
- (9)
ABl. Nr. L 246 vom 17.9.1980, S. 1. Geändert durch Richtlinie 84/467/Euratom (ABl. Nr. L 265 vom 5.10.1984, S. 4).
- (10)
ABl. Nr. L 265 vom 5.10.1984, S. 1.
- (11)
ABl. Nr. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.
- (12)
ABl. Nr. L 109 vom 26.4.1983, S. 8. Zuletzt geändert durch die Entscheidung 92/400/EWG der Kommission (ABl. Nr. L 221 vom 6.8.1992, S. 55).
- (13)
ABl. Nr. L 197 vom 18.7.1987, S. 33.
- (14)
ABl. Nr. L 380 vom 31.12.1990, S. 13.
- (15)
ABl. Nr. C 185 vom 22.7.1989, S. 8.
- (16)
ABl. Nr. L 262 vom 27.9.1976, S. 139. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 84/414/EWG (ABl. Nr. L 228 vom 25.8.1984, S. 25).
- (17)
ABl. Nr. L 300 vom 19.11.1984, S. 179. Geändert durch die Akte über den Beitritt Spaniens und Portugals.
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