Präambel RL 94/46/EG

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 90 Absatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.
Welche Veränderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich sind, um das Potential des Satellitenfunks voll nutzen zu können, hatte die Kommission im November 1990 in einem Grünbuch über ein gemeinsames Vorgehen im Bereich der Satellitenkommunikation in der Europäischen Gemeinschaft erläutert. Dort war u.a. eine volle Liberalisierung für Stellitendienste und -geräte gefordert worden. Es sollte hierfür keine besonderen oder ausschließlichen Rechte mehr geben, nur noch ein Genehmigungsverfahren, und der Zugang zum Raumsegment sollte völlig freigegeben werden.
2.
Der Rat hatte sich in einer Entschließung am 19. Dezember 1991 über die Entwicklung eines Gemeinsamen Marktes für Satellitenkommunikationsdienste und -geräte(1) für die von der Kommission in ihrem Grünbuch vertretenen Positionen ausgesprochen: das Ziel sei eine Harmonisierung und Liberalisierung für die Satellitenfunkgeräte einschließlich der Aufhebung aller ausschließlichen und besonderen Rechte auf diesem Gebiet vorbehaltlich der für die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen nötigen Auflagen.
3.
Das Europäische Parlament hatte in seiner Entschließung zur Entwicklung des Gemeinsamen Marktes für Satellitenkommunikationsdienste und -geräte(2) die Kommission aufgefordert, die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Abbau aller Hindernisse und die Entwicklung neuer Aktivitäten im Bereich der Satelliten-Kommunikation zu schaffen, und zugleich die Notwendigkeit einer Harmonisierung und Liberalisierung des Marktes für Satellitengeräte und Satellitendienste betont.
4.
Einige Mitgliedstaaten haben bereits einzelne Satelliten-Kommunikationsdienste für den Wettbewerb geöffnet und Genehmigungen erteilt. Die Genehmigungen werden jedoch in einer Reihe von Mitgliedstaaten nicht auf der Grundlage objektiver, angemessener und nicht-diskrimierender Kriterien erteilt, oder den Konkurrenten der Fernmeldeorganisationen werden technische Beschränkungen auferlegt; zum Beispiel erhalten sie keinen Anschluß an das Netz der Fernmeldeorganisation. In anderen Mitgliedstaaten behalten die öffentlichen Unternehmen ihre ausschließlichen Rechte.
5.
Nach der Richtlinie 88/301/EWG der Kommission vom 16. Mai 1988 über den Markt für Telekommunikations-Endgeräte sind alle besonderen und ausschließlichen Rechte für Einfuhr, Vertrieb, Einrichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikations-Endgeräten(3), geändert durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, aufzuheben. Diese Richtlinie gilt nicht für alle Arten von Satellitenfunkanlagen.
6.
Die Richtlinie der Kommission über den Wettbewerb auf den Märkten für Telekommunikations-Endgeräte wurde am 19. März 1991 vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil in der Rechtssache C-202/88 — Französische Republik gegen Kommission(4) — bestätigt. Nur soweit sie sich mit besonderen Rechten befaßt, erklärte sie der Gerichtshof für nichtig mit der Begründung, daß weder aus der Richtlinie selbst noch aus der Begründung hervorgeht, welche Rechte gemeint sind und inwiefern solche Rechte gegen den Vertrag verstoßen. Die Einfuhr, Vermarktung, Einrichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikations-Endgeräten betreffend sind „besondere Rechte” konkret Rechte, die ein Mitgliedstaat durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften für eine begrenzte Anzahl von Unternehmen in einem bestimmten Gebiet gewährt, wenn der Staat
7.
Ausschließliche Rechte beschränken den freien Warenverkehr für solches Gerät entweder im Hinblick auf Einfuhr und Vermarktung von Telekommunikations-Gerät einschließlich Satellitenfunkanlagen, weil bestimmte Geräte dann nicht in den Handel gelangen, oder für den Anschluß, die Inbetriebnahme und Wartung, weil in Anbetracht der Marktsituation, insbesondere der Unterschiedlichkeit und der technischen Natur der Produkte, ein Monopol weder einen Anreiz hat, diese Dienstleistungen für Produkte, die es nicht vermarktet oder eingeführt hat, zu erbringen noch seine Preise an den Kosten zu orientieren, solange kein Wettbewerb von neuen, auf den Markt drängenden Unternehmen droht. In Anbetracht der in den meisten Gerätemärkten typischen breiten Angebotspalette von Telekommunikations-Gerät und der voraussichtlichen Entwicklung der Märkte, in denen bisher nur eine begrenzte Anzahl von Herstellern tätig sind, hat jedes besondere Recht, das direkt oder indirekt — beispielsweise wenn es kein offenes und nicht-diskriminierendes Genehmigungsverfahren vorsieht — die Anzahl der für Einfuhr, Vermarktung, Anschluß, Inbetriebnahme und Wartung dieser Geräte zugelassenen Unternehmen begrenzt, zwangsläufig Wirkungen gleicher Art wie bei der Verleihung von ausschließlichen Rechten.
8.
Für Satellitenfunkanlagen gelten die grundlegenden, harmonisierten Anforderungen der Richtlinie 93/97/EWG des Rates(5), insbesondere das Erfordernis einer effizienten Nutzung der Frequenzen. Die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen läßt sich zum Teil kontrollieren mit der Vergabe von Betriebslizenzen. Die Anpassung an die grundlegenden Anforderungen erfolgt hauptsächlich über gemeinsame technische Vorschriften oder eine Harmonisierung der Auflagen in den Betriebslizenzen. Auch soweit diese Bedingungen nicht harmonisiert sind, müssen die Mitgliedstaaten ihre Vorschriften anpassen. In beiden Fällen dürfen die Mitgliedstaaten ihre Vorschriften nicht so handhaben, daß dadurch der Handel behindert wird.
9.
Die Aufhebung der ausschließlichen oder besonderen Rechte bei der Zusammenschaltung von Satellitenfunkanlagen bedeutet, daß den Betreibern das Recht auf Zusammenschaltung mit dem öffentlichen Netz der Fernmeldeorganisationen eingeräumt werden muß, damit lizenzierte Betreiber ihre Dienste der Öffentlichkeit anbieten können.
10.
Die Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf den Märkten für Telekommunikationsdienste(6), geändert durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, sieht die Aufhebung aller besonderen oder ausschließlichen Rechte vor, die von den Mitgliedstaaten für die Erbringung von Telekommunikationsdiensten gewährt wurden. Satelliten-Dienste waren jedoch ausgeklammert worden.
11.
Am 17. November 1992 bestätigte der Gerichtshof durch Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-271/90, C-281/90 und C-289/90 — Königreich Spanien gegen Kommission(7) — diese Richtlinie. Soweit die Richtlinie besondere Rechte betrifft, wurde sie jedoch vom Gerichtshof für nichtig erklärt mit der Begründung, daß weder aus der Richtlinie selbst noch aus der Begründung hervorgeht, welche Rechte genau gemeint sind und inwieweit solche Rechte gegen den Vertrag verstoßen. Die Rechte müssen daher in der Richtlinie definiert werden. Für Telekommunikationsdienstleistungen bedeutet der Begriff „besondere Rechte” konkret Rechte, die ein Mitgliedstaat für eine begrenzte Anzahl von Unternehmen durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften in einem räumlichen Gebiet gewährt und die darin bestehen,
12.
Wenn nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen Telekommunikationsdienste über Satellit erbringen dürfen, weil ein Mitgliedstaat ihnen besondere oder sogar ausschließliche Rechte einräumt, so könnte hier eine mit Artikel 59 des Vertrags unvereinbare Beschränkung vorliegen, solange sie nicht mit grundlegenden Anforderungen begründet werden kann, da diese Rechte andere Unternehmen daran hindern, solche Leistungen im Verkehr von und nach anderen Mitgliedstaaten zu erbringen. Im Fall von Satelliten-Netzdiensten wäre eine grundlegende Anforderung beispielsweise eine effiziente Nutzung des Frequenzspektrums oder das Erfordernis, daß Satelliten-Telekommunikationssysteme sich nicht gegenseitig oder andere raumgestützte oder terrestrische Anlagen stören dürfen. Solange die hierfür verwendeten Anlagen den grundlegenden Anforderungen der Satelliten-Kommunikation genügen, ist eine abweichende rechtliche Behandlung der Satelliten-Kommunikation nicht zu rechtfertigen. Andererseits verhindern besondere Rechte, die nur in der Verleihung besonderer Vorteile durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften bestehen, grundsätzlich nicht den Marktzugang anderer Unternehmen. Die Vereinbarkeit dieser Rechte mit dem Vertrag muß daher von Fall zu Fall beurteilt und ihre Auswirkung auf die effektive Freiheit anderer Unternehmen, die gleichen Telekommunikationsdienstleistungen zu erbringen, und ihre möglichen Begründungen für die betreffende Tätigkeit beurteilt werden.
13.
Träger der bestehenden ausschließlichen Rechte für Satelliten-Kommunikation sind im allgemeinen Organisationen, die bereits mit ihrem terrestrischen Netz den Markt beherrschen, oder eine ihrer Töchter. Diese Rechte weiten ihre marktbeherrschende Stellung aus und stärken sie daher. Folglich sind ausschließliche Rechte für Satelliten-Kommunikation unvereinbar mit Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 des Vertrags.
14.
Diese ausschließlichen Rechte, die den Zugang zum Markt beschränken, erschweren oder verhindern zum Schaden des Verbrauchers die Nutzung von Nachrichten-Satelliten, die sonst angeboten werden könnte, und blockieren damit den technischen Fortschritt auf diesem Gebiet. Die betreffenden Unternehmen sehen sich oft in der Lage, den terrestrischen Technologien den Vorrang zu geben, weil ihre Investitionsentscheidungen wahrscheinlich auf ausschließlichen Rechten beruhen, während Neulinge Satelliten einsetzen würden. Meist haben diese Organisationen jedoch vorrangig ihr terrestrisches Glasfaser-Kabelnetz ausgebaut und Satelliten-Verbindungen nur genutzt, wenn es sich technisch nicht anders machen ließ, weil terrestrische Alternativen zu viel gekostet hätten, oder aber um Daten zu übertragen oder Fernsehprogramme auszustrahlen, anstatt eine vollständig komplementäre Übertragungstechnik für sich daraus zu machen. Ausschließliche Rechte bedingen also eine Nutzungsbeschränkung für den Satellitenfunk, und dies ist unvereinbar mit Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86.
15.
Ein Genehmigungs- oder Anmeldeverfahren für die Erbringung von Satellitenfunkdiensten ist allerdings vertretbar, um die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu sichern. Ein Genehmigungsverfahren ist nicht gerechtfertigt, wenn ein einfaches Anmeldeverfahren für die Erreichung des maßgeblichen Ziels genügen würde. Beispielsweise im Falle der Erbringung eines Satellitendienstes, der nur die Nutzung einer abhängigen VSAT-Funkanlage in einem Mitgliedstaat voraussetzt, sollte dieser lediglich ein Anmeldeverfahren vorschreiben.
16.
Nach Artikel 90 Absatz 2 des Vertrags sind Ausnahmen von Artikel 86 zulässig, soweit dessen Anwendung die Fernmeldeorganisationen nicht an der Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich hindert. Die Richtlinie 90/388/EWG ermöglicht auf dieser Rechtsgrundlage vorläufig den Fortbestand ausschließlicher Rechte für den Sprachtelefondienst.
17.
Die Erbringung von Satellitenfunkdienstleistungen für die Übertragung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen ist ein Telekommunikationsdienst im Sinne dieser Richtlinie und unterliegt somit ihren Bestimmungen. Unabhängig von der Aufhebung besonderer und ausschließlicher Rechte für reine Satelliten-Empfangsstationen ohne Anschluß an das öffentliche Netz eines Mitgliedstaates und von der Aufhebung der besonderen und ausschließlichen Rechte für Satellitendienste für öffentliche oder private Rundfunkstationen gelten für den Inhalt der Satelliten-Rundfunkdienste auf Frequenzbändern, die die Vollzugsordnung für Funkdienste Rundfunk-Satellitendiensten und festen Satellitendiensten zuweist, weiterhin die einschlägigen Vorschriften der Mitgliedstaaten, sofern sie gemeinschaftskonform sind. Sie fallen somit nicht unter diese Richtlinie.
18.
Die Richtlinie schließt Maßnahmen nicht aus, die den Zweck verfolgen, Unternehmen aus den Mitgliedstaaten eine gleichwertige Behandlung in dritten Staaten zu sichern, soweit sie sich im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und bestehender internationaler Verpflichtungen halten.
19.
Die Vergabe von Raumsegmentkapazität nationaler, privater oder internationaler Satelliten-Systeme an lizenzierte Betreiber von Satellitenfunknetzen unterliegt gegenwärtig in einigen Mitgliedstaaten immer noch rechtlichen Beschränkungen, die nichts mit Frequenz- und Positionskoordinierung aufgrund internationaler Festlegungen der Mitgliedstaaten zu tun haben. Diese zusätzlichen Beschränkungen verstoßen gegen Artikel 59, demzufolge Satellitenbetreiber, sobald sie die Lizenz eines Mitgliedstaates besitzen, völlig freie Hand habe, um ihre Dienste überall in der Gemeinschaft anzubieten.
20.
Ob die Satellitenfunkanlagen eines lizenzierten Betreibers, der nicht der staatliche Betreiber ist, die technischen Spezifikationen für den Zugang zur Kapazität eines zwischenstaatlichen Satelliten-Systems erfüllen, prüft in den meisten Mitgliedstaaten der Unterzeichner des Übereinkommens für das Land, in dem die Funkanlage steht, also ein Konkurrent, der die gleichen Leistungen erbringt.
21.
Der größte Teil der freien Raumkapazität wird von internationalen Satelliten-Organisationen angeboten. In vielen Mitgliedstaaten sind die Tarife für die Nutzung dieser Kapazität hoch, weil die Kapazität nur von dem Signatar erworben werden kann. Wenn einige Mitgliedstaaten auf diese Weise Exklusivität garantieren, so führt dies zu einer Aufspaltung des Gemeinsamen Marktes zum Schaden der Nachfrager, die noch Kapazität brauchen. So hat der Rat denn auch am 19. Dezember 1991 in einer Entschließung an die Mitgliedstaaten appelliert, den Zugang zu dem Raumsegment der zwischenstaatlichen Organisationen zu verbessern. Beschränkende Maßnahmen aufgrund internationaler, von den Mitgliedstaaten unterzeichneter Übereinkommen — Errichtung und Betrieb separater Systeme — könnten auch Auswirkungen haben, die mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind, nämlich durch Beschränkung des Angebots zum Schaden des Verbrauchers im Sinne von Artikel 86 Buchstabe b). In den internationalen Satelliten-Organisationen laufen zur Zeit Beratungen über eine Revision der Gründungsinstrumente, u.a. auch mit dem Ziel, den Zugang zu verbessern und separate Systeme zu schaffen und zu betreiben. Damit die Kommission ihrer im Vertrag verankerten Aufsichtspflicht nachkommen kann, sollten Instrumente geschaffen werden, die den Mitgliedstaaten helfen, ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 234 Absatz 2 des Vertrags nachzukommen.
22.
Im Hinblick auf die Verwirklichung der grundlegenden Ziele von Artikel 2 des Vertrags und auf die in Artikel 130a geforderte Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft wird die Kommission der Lage derjenigen Mitgliedstaaten Rechnung tragen, deren terrestrische Netze noch ungenügend entwickelt sind, so daß eine Verlängerung des Termins für die volle Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie bis 1. Januar 1996 bezüglich Satellitendienste in dem notwendigen Ausmaß, zu rechtfertigen wäre —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. C 8 vom 14. 1. 1992, S. 1.

(2)

ABl. Nr. C 42 vom 15. 2. 1993, S. 30.

(3)

ABl. Nr. L 131 vom 27. 5. 1988, S. 73.

(4)

Slg. 1991, I-1223.

(5)

ABl. Nr. L 290 vom 24. 11. 1993, S. 1.

(6)

ABl. Nr. L 192 vom 24. 7. 1990, S. 10.

(7)

Slg. 1992, I-5833.

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