Artikel 1 RL 98/80/EG

In die Richtlinie 77/388/EWG wird folgender Artikel 26b eingefügt:

Artikel 26b Sonderregelung für Anlagegold
A.
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften bedeutet „Anlagegold” :

i)
Gold in Barren- oder Plättchenform mit einem von den Goldmärkten akzeptierten Gewicht und einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendsteln, unabhängig davon, ob es durch Wertpapiere verbrieft ist oder nicht. Die Mitgliedstaaten können kleine Goldbarren oder -plättchen mit einem Gewicht von höchstens 1 g von der Regelung ausnehmen;
ii)
Goldmünzen,

die einen Feingehalt von mindestens 900 Tausendsteln aufweisen,

die nach dem Jahr 1800 geprägt wurden,

die in ihrem Ursprungsland gesetzliches Zahlungsmittel sind oder waren und

die üblicherweise zu einem Preis verkauft werden, der den Offenmarktwert ihres Goldgehalts um nicht mehr als 80 v. H. übersteigt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten solche Münzen als nicht aus numismatischem Interesse verkauft.

Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission vor dem 1. Juli jeden Jahres und erstmals 1999 mit, welche diese Kriterien erfüllenden Münzen in dem betreffenden Mitgliedstaat gehandelt werden. Die Kommission veröffentlicht vor dem 1. Dezember jeden Jahres ein erschöpfendes Verzeichnis dieser Münzen in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften. Die in diesem Verzeichnis aufgeführten Münzen gelten als Münzen, die während des gesamten Jahres, für das das Verzeichnis gilt, die genannten Kriterien erfüllen.

B.
Sonderregelungen für Umsätze mit Anlagegold

Die Mitgliedstaaten befreien von der Mehrwertsteuer die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerbund die Einfuhr von Anlagegold, einschließlich Anlagegold in Form von Zertifikaten über Sammel- oder einzelverwahrtes Gold und über Goldkonten gehandeltes Gold, insbesondere auch Golddarlehen und Goldswaps, durch die ein Eigentumsrecht an Anlagegold oder ein schuldrechtlicher Anspruch auf Anlagegold begründet wird, sowie Terminkontrakte und im Freiverkehr getätigte Terminabschlüsse mit Anlagegold, die zur Übertragung eines Eigentumsrechts an Anlagegold oder eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Anlagegold führen.

Die Mitgliedstaaten befreien ferner Dienstleistungen von im Namen und für Rechnung Dritter handelnden Vermittlern, wenn diese die Lieferung von Anlagegold an ihre Auftraggeber vermitteln.

C.
Option zur Besteuerung

Die Mitgliedstaaten räumen Steuerpflichtigen, die Anlagegold herstellen oder Gold in Anlagegold im Sinne von Teil A umwandeln, das Recht ein, für eine Besteuerung der Lieferungen von Anlagegold an einen anderen Steuerpflichtigen zu optieren, die ansonsten gemäß Teil B steuerfrei wären.

Die Mitgliedstaaten können Steuerpflichtigen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit üblicherweise Gold zu gewerblichen Zwecken liefern, das Recht einräumen, für eine Besteuerung der Anlagegoldlieferungen im Sinne von Teil A Ziffer i) an einen anderen Steuerpflichtigen zu optieren, die ansonsten gemäß Teil B steuerfrei wären. Die Mitgliedstaaten können den Umfang dieses Rechts einschränken.

Hat der Lieferer das Recht, für eine Besteuerung zu optieren, gemäß Absatz 1 oder 2 in Anspruch genommen, so räumen die Mitgliedstaaten dem Vermittler in bezug auf die in Teil B Absatz 2 genannten Dienstleistungen das Recht ein, für eine Besteuerung zu optieren.

Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Ausübung des Optionsrechts und teilen der Kommission ihre nationalen Durchführungsvorschriften für die Ausübung dieses Rechts mit.

D.
Recht auf Vorsteuerabzug

1.
Der Steuerpflichtige ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Steuer

a)
für Anlagegold geschuldet wird oder entrichtet wurde, das dem Steuerpflichtigen von einer Person geliefert wurde, die von dem Optionsrecht nach Teil C Gebrauch gemacht hat, oder das gemäß dem Verfahren nach Teil G geliefert wurde,
b)
geschuldet wird oder entrichtet wurde, weil Gold, das kein Anlagegold ist und anschließend von ihm oder für ihn in Anlagegold umgewandelt wird, an ihn geliefert oder durch ihn innergemeinschaftlich erworben oder eingeführt wurde,
c)
auf für ihn erbrachte Dienstleistungen, die in der Veränderung der Form, des Gewichts oder des Feingehalts von Gold, einschließlich Anlagegold, bestehen, geschuldet wird oder entrichtet wurde,

und die anschließende Lieferung dieses Goldes gemäß diesem Artikel steuerfrei ist.

2.
Steuerpflichtige, die Anlagegold herstellen oder Gold in Anlagegold umwandeln, sind zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Steuer für die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb oder die Einfuhr von Gegenständen oder auf direkt im Zusammenhang mit der Herstellung oder Umwandlung dieses Goldes stehende Dienstleistungen von ihnen geschuldet wird oder entrichtet wurde, so als wäre die anschließende, gemäß diesem Artikel steuerfreie Lieferung des Goldes steuerpflichtig.

E.
Besondere Auflagen für Anlagegoldhändler

Die Mitgliedstaaten stellen zumindest sicher, daß Anlagegoldhändler Geschäfte größeren Umfangs mit Anlagegold aufzeichnen und die Unterlagen aufbewahren, um die Feststellung der Identität der an diesen Geschäften beteiligten Kunden zu ermöglichen.

Die Händler haben diese Unterlagen mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

Die Mitgliedstaaten können gleichwertige Auflagen nach Maßgabe anderer Vorschriften zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, wie beispielsweise der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche(*), akzeptieren, um den Anforderungen des Absatzes 1 nachzukommen.

Die Mitgliedstaaten können strengere Vorschriften, insbesondere über das Führen besonderer Nachweise oder über besondere Aufzeichnungspflichten, festlegen.

F.
Verlagerung der Steuerschuld

Die Mitgliedstaaten können in Abweichung von Artikel 21 Nummer 1 Buchstabe a) in der durch Artikel 28g geänderten Fassung im Fall von Lieferungen von Goldmaterial oder Halbfertigerzeugnissen mit einem Feingehalt von mindestens 325 Tausendsteln oder von Anlagegold, bei denen von dem Optionsrecht nach Teil C dieses Artikels Gebrauch gemacht wurde, den Erwerber als Steuerschuldner bestimmen und hierfür entsprechende Verfahren und Bedingungen festlegen. Wenn die Mitgliedstaaten diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, treffen sie die erforderlichen Vorkehrungen, um sicherzustellen, daß die als Steuerschuldner bestimmte Person in Übereinstimmung mit Artikel 22 ihrer Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nachkommt und die Steuer entrichtet.

G.
Verfahren für Geschäfte auf einem geregelten Goldmarkt

1.
Ein Mitgliedstaat kann vorbehaltlich der Konsultation gemäß Artikel 29 davon absehen, die nach dieser Sonderregelung für Anlagegold vorgesehene Steuerbefreiung für besondere Anlagegoldumsätze, die weder innergemeinschaftliche Lieferungen noch Ausfuhren sind, in dem betreffenden Mitgliedstaat anzuwenden,

a)
wenn diese Umsätze zwischen steuerpflichtigen Mitgliedern eines von dem betreffenden Mitgliedstaat geregelten Goldmarktes getätigt werden oder
b)
wenn es sich um Umsätze zwischen einem Mitglied eines von dem betreffenden Mitgliedstaat geregelten Goldmarktes und einem Steuerpflichtigen, der Nichtmitglied dieses Goldmarktes ist, handelt.

In diesem Fall sind diese Umsätze steuerpflichtig, und folgende Bestimmungen finden Anwendung.

2.
a)
Bei den unter Nummer 1 Buchstabe a) genannten Umsätzen setzt der Mitgliedstaat zur Vereinfachung die Erhebung der Steuer aus und verzichtet auf die Aufzeichnungspflichten zu Mehrwertsteuerzwecken.
b)
Auf die unter Nummer 1 Buchstabe b) genannten Umsätze findet die Verlagerung der Steuerschuld gemäß Teil F Anwendung. Müßte sich ein Nichtmitglied des Goldmarktes allerdings außer in bezug auf diese Umsätze in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht für Zwecke der Mehrwertsteuer erfassen lassen, so erfüllt das Mitglied für das Nichtmitglied dessen steuerliche Verpflichtungen gemäß den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats.

Fußnote(n):

(*)

ABl. L 166 vom 28. 6. 1991, S. 77.

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