Präambel VO (EG) 2002/1407

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe e) und auf Artikel 89,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(2),

nach Stellungnahme des gemäß dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl eingesetzten Beratenden Ausschusses(3),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Geltungsdauer des EGKS-Vertrags sowie der Rechtsvorschriften zu seiner Anwendung, insbesondere der Entscheidung Nr. 3632/93/EGKS der Kommission vom 28. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsregelung für staatliche Beihilfen zugunsten des Steinkohlenbergbaus(5) endet am 23. Juli 2002.
(2)
Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen der Steinkohle aus der Gemeinschaft und der Importkohle haben dem Steinkohlenbergbau in den letzten Jahrzehnten bedeutende Umstrukturierungsmaßnahmen und Abbaureduzierungen abverlangt.
(3)
Die Gemeinschaft ist bei der Versorgung mit Primärenergieträgern immer stärker von Einfuhren abhängig geworden. Nach dem Grünbuch über eine europäische Strategie für die Energieversorgungssicherheit, das die Kommission am 29. November 2000 angenommen hat, kann die Sicherheit der Energieversorgung durch eine Diversifizierung der Energieträger nach Herkunft sowie nach Produkten verbessert werden. Eine solche Strategie schließt auch die Entwicklung heimischer Primärenergiequellen ein, insbesondere für die Stromerzeugung.
(4)
Ferner verleiht die weltpolitische Lage der Bewertung der geopolitischen Risiken und der Sicherheitsrisiken im Energiebereich eine völlig neue Dimension und erweitert die Bedeutung des Konzepts der Versorgungssicherheit. In diesem Zusammenhang muss eine regelmäßige Evaluierung der mit der Energieversorgungsstruktur der Union verbundenen Risiken durchgeführt werden.
(5)
Gemäß dem Grünbuch über eine europäische Strategie für die Energieversorgungssicherheit müssen aufgrund der aktuellen energiepolitischen Parameter Maßnahmen getroffen werden, die den Zugang zu den Steinkohlevorkommen und somit die potenzielle Verfügbarkeit von Steinkohle aus der Gemeinschaft gewährleisten.
(6)
In diesem Zusammenhang hat das Europäische Parlament am 16. Oktober 2001 eine Entschließung zu dem Grünbuch der Kommission über eine europäische Strategie für die Energieversorgungssicherheit verabschiedet, in der die bedeutende Rolle der Kohle als heimischer Energieträger gewürdigt wird. Das Europäische Parlament bemerkt, dass eine finanzielle Unterstützung für die Steinkohleproduktion vorgesehen werden muss, räumt aber ein, dass der Sektor seine Effizienz steigern muss und dass die Subventionen abgebaut werden müssen.
(7)
Die Stärkung der Energiesicherheit der Union nach dem allgemeinen Prinzip der Vorsorge rechtfertigt demnach die Erhaltung von Produktionskapazitäten, die durch staatliche Beihilfen unterstützt werden. Die Umsetzung dieses Ziels stellt jedoch nicht die Notwendigkeit einer Fortführung der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus in Frage, da in Zukunft ein großer Teil der Steinkohleproduktion der Gemeinschaft gegenüber der Importkohle nicht wettbewerbsfähig sein dürfte.
(8)
Eine Mindestproduktion an Steinkohle sowie andere Maßnahmen — insbesondere zur Förderung der erneuerbaren Energiequellen — werden wichtige Komponenten bei der Erhaltung eines Anteils heimischer Primärenergiequellen bilden, der wesentlich zur Stärkung der Energiesicherheit der Union beitragen kann. Ein Anteil heimischer Primärenergieträger trägt auch zur Verwirklichung von Umweltzielen im Kontext der nachhaltigen Entwicklung bei.
(9)
Der strategische Kontext der Energiesicherheit unterliegt einem ständigen Wandel, was mittelfristig eine Evaluierung dieser Verordnung unter Berücksichtigung der Beiträge aller heimischen Primärenergieträger rechtfertigt.
(10)
Diese Verordnung berührt nicht die Freiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl der Energieträger, mit denen sie ihre Versorgung sicherstellen. Die Gewährung von Beihilfen und die Festlegung ihres Umfangs erfolgt entsprechend den für die jeweiligen Energieträger geltenden Vorschriften und unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Vorzüge.
(11)
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die subventionierte Kohleförderung auf den Umfang begrenzt werden, der unbedingt erforderlich ist, um wirksam zum Ziel der Energiesicherheit beizutragen. Die Beihilfen der Mitgliedstaaten werden somit auf die Deckung der Investitionskosten oder der Verluste aus der laufenden Produktion beschränkt, wenn das Unternehmen in einen Plan für den Zugang zu den Steinkohlevorkommen einbezogen ist.
(12)
Die im Interesse der Energiesicherheit für die Erhaltung eines Zugangs zu den Steinkohlevorkommen gewährten staatlichen Beihilfen sollten auf Produktionseinheiten beschränkt sein, die unter wirtschaftlich zufrieden stellenden Bedingungen zur Erreichung dieses Ziels beitragen können. Die Anwendung dieser Grundsätze stellt auch einen Beitrag zum Abbau der Beihilfen im Steinkohlenbergbau dar.
(13)
Angesichts der Risiken in Verbindung mit den geologischen Unsicherheitsfaktoren werden lebensfähige Produktionseinheiten oder solche, die die wirtschaftliche Lebensfähigkeit nahezu erreichen, durch eine Beihilfe zur Deckung der Anfangsinvestitionskosten in die Lage versetzt, die technischen Investitionen zu tätigen, die zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit erforderlich sind.
(14)
Die Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus hat schwerwiegende soziale und regionale Auswirkungen, die sich aus der Rücknahme der Fördertätigkeit ergeben. Für Produktionseinheiten, denen keine Beihilfen im Rahmen des Ziels der Aufrechterhaltung des Zugangs zu den Steinkohlevorkommen gewährt werden können, müssen folglich vorübergehend Beihilfen zur Abfederung der sozialen und regionalen Folgen der Stilllegung verfügbar gemacht werden. Diese Beihilfen ermöglichen den Mitgliedstaaten insbesondere angemessene Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Sanierung der von diesen Umstrukturierungen betroffenen Regionen.
(15)
Die Unternehmen können außerdem Beihilfen zur Deckung der Kosten erhalten, die nach den üblichen Kostenrechnungsgrundsätzen nicht den Produktionskosten zuzurechnen sind. Diese Beihilfen sind zur Deckung außergewöhnlicher Belastungen bestimmt, insbesondere der Altlasten.
(16)
Der Abbau der Beihilfen im Steinkohlenbergbau wird den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer budgetären Möglichkeiten eine Neuverteilung der Beihilfen für den Energiesektor ermöglichen, und zwar nach dem Grundsatz einer allmählichen Umschichtung der traditionell den herkömmlichen Energieträgern, insbesondere der Steinkohle, gewährten Beihilfen, auf die erneuerbaren Energieträger. Die Gewährung von Beihilfen für erneuerbare Energieträger erfolgt entsprechend den Vorschriften und Kriterien des gemeinschaftlichen Rahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen(6).
(17)
Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben muss die Gemeinschaft für die Schaffung, die Erhaltung und die Einhaltung normaler Wettbewerbsbedingungen sorgen. Vor allem im Hinblick auf den Elektrizitätsmarkt dürfen die Beihilfen für den Steinkohlenbergbau die Stromproduzenten nicht bei der Wahl ihrer Primärenergiequellen beeinflussen. Folglich müssen die Kohlepreise und -mengen von den Vertragsparteien unter Berücksichtigung der Weltmarktbedingungen frei vereinbart werden.
(18)
Eine Mindestproduktion subventionierter Steinkohle dient außerdem der Sicherung der Führungsposition der europäischen Technologie im Bereich der Förderung und der sauberen Verbrennung der Kohle und ermöglicht einen Transfer dieser Technologie zu den großen kohleproduzierenden Regionen außerhalb der Union. Auf diese Weise kann ein wesentlicher Beitrag zur weltweiten Verringerung der Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen geleistet werden.
(19)
Die Kommission kann ihre Genehmigungsbefugnis nur auf der Grundlage einer genauen und umfassenden Kenntnis der von den Regierungen geplanten Maßnahmen ausüben. Daher sollten die Mitgliedstaaten der Kommission in strukturierter Form alle Angaben über die von ihnen geplanten direkten oder indirekten Maßnahmen zugunsten des Steinkohlenbergbaus mitteilen und die Gründe sowie den Umfang der geplanten Maßnahmen darlegen; sie müssen ferner den Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen und den Plänen für den Zugang zu den Steinkohlevorkommen und gegebenenfalls den Stilllegungsplänen darlegen, die der Kommission übermittelt wurden.
(20)
Zur Berücksichtigung der in der Richtlinie 2001/80/EG(7) über Großfeuerungsanlagen festgelegten Frist sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, der Kommission die einzelnen Produktionseinheiten, die unter die Stilllegungspläne oder die Pläne für den Zugang zu den Steinkohlevorkommen fallen, bis spätestens Juni 2004 zu notifizieren.
(21)
Die Mitgliedstaaten können für den Steinkohlenbergbau auch Beihilfen zur Forschung und Entwicklung, Beihilfen für den Umweltschutz und für die Ausbildung genehmigen, sofern sie mit dieser Regelung vereinbar sind. Die Gewährung dieser Beihilfen erfolgt unter Beachtung der von der Kommission für diese Beihilfearten festgelegten Bedingungen und Kriterien.
(22)
Die Umsetzung der Bestimmungen dieser Verordnung nach Ablauf der Geltungsdauer des EGKS-Vertrags und der Entscheidung Nr. 3632/93/EGKS könnte sich für die Unternehmen insofern schwierig gestalten, als innerhalb eines Kalenderjahres zwei Beihilferegelungen zur Anwendung kommen. Daher ist eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2002 vorzusehen.
(23)
Die vorgeschlagene Regelung für staatliche Beihilfen berücksichtigt die äußerst unterschiedlichen Faktoren, die den Steinkohlesektor in seiner derzeitigen Form sowie den gemeinschaftlichen Energiemarkt insgesamt charakterisieren. Während der Laufzeit der Regelung muss in einem Bericht eine Neubewertung dieser Faktoren erfolgen, die mehr oder weniger starken und zum Teil nicht vorhersehbaren Veränderungen unterliegen; insbesondere ist der effektive Beitrag der Kohle zur Energiesicherheit der Union im Kontext der nachhaltigen Entwicklung zu überprüfen. Auf der Grundlage dieses Berichts wird die Kommission unter Berücksichtigung der verschiedenen auf dem Gebiet der Gemeinschaft verfügbaren Arten fossiler Brennstoffe dem Rat Vorschläge vorlegen, bei denen die am Ende der vorliegenden Regelung absehbaren Entwicklungen und Perspektiven sowie insbesondere die sozialen und regionalen Aspekte der Umstrukturierung des Steinkohlenbergbaus berücksichtigt werden.
(24)
Diese Verordnung sollte so rasch wie möglich nach Ablauf des EGKS-Vertrags in Kraft treten und rückwirkend angewandt werden, damit ihre Bestimmungen uneingeschränkt zum Tragen kommen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 304 E vom 30.10.2001, S. 202.

(2)

Stellungnahme vom 30. Mai 2002 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. C 321 vom 16.11.2001, S. 2.

(4)

ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 49.

(5)

ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 12.

(6)

ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

(7)

ABl. L 309 vom 27.11.2001, S. 1.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.