Präambel VO (EG) 2004/881

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 71 Absatz 1,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(4), aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 23. März 2004 gebilligten gemeinsamen Entwurfs,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die schrittweise Errichtung eines europäischen Eisenbahnraums ohne Grenzen erfordert eine Regelung der technischen und sicherheitstechnischen Aspekte der Eisenbahn durch die Gemeinschaft; beide Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden.
(2)
In der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft(5) ist vorgesehen, dass allen zugelassenen Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, die Güterverkehrsleistungen erbringen möchten, schrittweise die Rechte des Zugangs zur Infrastruktur eingeräumt werden.
(3)
In der Richtlinie 95/18/EG des Rates vom 19. Juni 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen(6) ist vorgesehen, dass jedes Eisenbahnunternehmen eine Genehmigung besitzen muss und dass eine in einem Mitgliedstaat ausgestellte Genehmigung in der gesamten Gemeinschaft gilt.
(4)
Mit der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung(7) wird ein neuer Rahmen geschaffen, mit dem ein europäischer Eisenbahnraum ohne Grenzen begründet werden soll.
(5)
Die technischen und betrieblichen Unterschiede zwischen den Eisenbahnsystemen der Mitgliedstaaten haben zu einer Abschottung der einzelstaatlichen Eisenbahnmärkte geführt und eine dynamische Entwicklung dieses Sektors auf europäischer Ebene verhindert. In der Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems(8) und der Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems(9) werden grundlegende Anforderungen aufgestellt sowie ein Mechanismus zur Festlegung verbindlicher technischer Spezifikationen für die Interoperabilität geschaffen.
(6)
Das gleichzeitige Verfolgen von Sicherheits- und Interoperabilitätszielen erfordert umfangreiche technische Arbeiten, die von einer Facheinrichtung geleitet werden müssen. Daher ist es erforderlich, im Rahmen der Gemeinschaftsinstitutionen und unter Beachtung des innerhalb der Gemeinschaft bestehenden Gleichgewichts der Kräfte eine Europäische Agentur für Sicherheit und Interoperabilität im Eisenbahnverkehr (im Folgenden „Agentur” genannt) zu errichten. Durch die Errichtung einer solchen Agentur lassen sich die Sicherheits- und Interoperabilitätsziele für das europäische Eisenbahnnetz zusammen auf hoher fachlicher Ebene angehen, wodurch ein Beitrag zur Neubelebung des Eisenbahnsektors und zur Erreichung der allgemeinen Ziele der gemeinsamen Verkehrspolitik geleistet wird.
(7)
Um die Entstehung eines europäischen Eisenbahnraums ohne Grenzen zu fördern und einen Beitrag zur Wiederbelebung des Eisenbahnsektors zu leisten und gleichzeitig die wesentlichen Vorteile, die der Sektor in Bezug auf die Sicherheit bietet, in ihrer Wirkung zu verstärken, sollte die Agentur zur Entwicklung einer echten europäischen Eisenbahnkultur beitragen und als ein zentrales Instrument des Dialogs, der Abstimmung und des Austauschs zwischen allen Akteuren des Eisenbahnsektors unter Beachtung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten dienen.
(8)
In der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft ( „Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit” )(10) ist die Entwicklung gemeinsamer Sicherheitsindikatoren, gemeinsamer Sicherheitsziele und gemeinsamer Sicherheitsmethoden vorgesehen. Für die Erarbeitung dieser Instrumente bedarf es unabhängigen technischen Sachverstands.
(9)
Zur Erleichterung der Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen an Eisenbahnunternehmen ist es wesentlich, ein harmonisiertes Muster für die Sicherheitsbescheinigungen und ein harmonisiertes Muster für den Antrag auf Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung auszuarbeiten.
(10)
In der Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit ist die Überprüfung einzelstaatlicher Sicherheitsmaßnahmen unter den Aspekten der Sicherheit und der Interoperabilität vorgesehen. Dazu bedarf es einer auf unabhängigem und neutralem Sachverstand beruhenden Stellungnahme.
(11)
Im Bereich der Sicherheit müssen größtmögliche Transparenz und ein zuverlässiger Informationsfluss gewährleistet sein. Bisher gibt es keine Analyse des erreichten Standes auf der Grundlage gemeinsamer Indikatoren, die alle Marktbeteiligten verbindet, so dass ein solches Instrument geschaffen werden sollte. In Bezug auf Statistiken ist eine enge Zusammenarbeit mit Eurostat angezeigt.
(12)
Die für die Sicherheit im Eisenbahnverkehr zuständigen Stellen, Regulierungsbehörden und andere einzelstaatliche Behörden sollten unabhängige technische Stellungnahmen einholen können, wenn sie mehrere Mitgliedstaaten betreffende Informationen benötigen.
(13)
Gemäß der Richtlinie 2001/16/EG ist eine erste Gruppe technischer Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) bis zum 20. April 2004 auszuarbeiten. Mit der Ausarbeitung der entsprechenden Entwürfe hat die Kommission die Europäische Vereinigung für die Interoperabilität im Bereich der Bahn (AEIF) beauftragt, der Fahrzeughersteller, Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen angehören. Es sollten Schritte unternommen werden, um den im Rahmen der AEIF von Fachleuten der Branche zusammengetragenen Erfahrungsschatz zu erhalten. Die Kontinuität der Arbeiten und die Weiterentwicklung der TSI im Laufe der Zeit erfordern einen ständigen technischen Rahmen.
(14)
Die Interoperabilität des transeuropäischen Netzes sollte verbessert werden, und bei der Auswahl neuer Investitionsvorhaben für eine Unterstützung durch die Gemeinschaft sollte dem Interoperabilitätsziel gemäß der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes(11) Rechnung getragen werden.
(15)
Um die Kontinuität sicherzustellen, sollten die von der Agentur einzusetzenden Arbeitsgruppen, wenn möglich, aus den Reihen der AEIF gebildet und durch zusätzliche Mitglieder ergänzt werden.
(16)
Die Fahrzeuginstandhaltung ist ein wichtiger Teil des Sicherheitssystems. Es gibt keinen echten europäischen Markt für die Instandhaltung von Eisenbahnfahrzeugen, da eine Regelung für die Zertifizierung von Ausbesserungswerken fehlt. Dies verursacht Mehrkosten für den Sektor und führt zu Leerfahrten. Daher sollte nach und nach eine europäische Regelung für die Zertifizierung von Ausbesserungswerken ausgearbeitet werden.
(17)
Die Anforderungen an die berufliche Befähigung von Triebfahrzeugführern sind sowohl für die Sicherheit als auch für die Interoperabilität in Europa von grundlegender Bedeutung. Sie sind auch Voraussetzung für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Eisenbahnsektor. Diese Frage sollte unter Berücksichtigung des bestehenden sozialen Dialogs angegangen werden. Die Agentur sollte die für die Berücksichtigung dieses Aspekts auf europäischer Ebene erforderliche technische Unterstützung leisten.
(18)
Die Einstellung bedeutet in erster Linie die Anerkennung der Fähigkeit von Fahrzeugen, unter bestimmten Bedingungen betrieben zu werden. Die Einstellung sollte transparent und nichtdiskriminierend sein und in den Aufgabenbereich staatlicher Behörden fallen. Die Agentur sollte bei der Einführung eines Systems für die Einstellung technische Unterstützung leisten.
(19)
Zur Sicherstellung größtmöglicher Transparenz und eines gleichberechtigten Zugangs aller Beteiligten zu den einschlägigen Informationen sollten die mit Blick auf die Interoperabilität erstellten Schriftstücke der Öffentlichkeit zugänglich sein. Gleiches gilt für Genehmigungen und Sicherheitsbescheinigungen. Die Agentur sollte effiziente Mittel für den Austausch dieser Informationen zur Verfügung stellen.
(20)
Die Förderung der Innovation im Bereich der Sicherheit und Interoperabilität im Eisenbahnverkehr ist eine wichtige Aufgabe, die die Agentur fördern sollte. Eine finanzielle Unterstützung, die im Rahmen der Tätigkeiten der Agentur in dieser Hinsicht gewährt wird, sollte auf dem betreffenden Markt nicht zu Verzerrungen führen.
(21)
Um ihren Aufgaben gerecht werden zu können, sollte die Agentur Rechtspersönlichkeit besitzen und über einen eigenen Haushaltsplan verfügen, der im Wesentlichen auf einem Beitrag der Gemeinschaft beruht. Zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Agentur in ihrem Tagesgeschäft und in ihren Stellungnahmen und Empfehlungen sollte der leitende Direktor der Agentur allein verantwortlich handeln können und sollte ihr Personal unabhängig sein.
(22)
Um die Erfüllung der Aufgaben der Agentur effektiv sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten und die Kommission in einem Verwaltungsrat vertreten sein, der über die erforderlichen Befugnisse verfügt, den Haushaltsplan zu erstellen und dessen Ausführung zu überprüfen, entsprechende Finanzvorschriften und transparente Verfahren für die Entscheidungsfindung der Agentur festzulegen, ihr Arbeitsprogramm zu genehmigen, ihren Haushaltsplan anzunehmen, die Politik für Besuche in den Mitgliedstaaten festzulegen und den leitenden Direktor zu ernennen.
(23)
Zur Gewährleistung der Transparenz bei den Entscheidungen des Verwaltungsrates sollten Vertreter der betreffenden Sektoren an seinen Beratungen teilnehmen, ohne jedoch über ein Stimmrecht zu verfügen, das den Vertretern staatlicher Behörden vorbehalten ist, die den demokratischen Kontrollinstanzen Rechenschaft abzulegen haben. Die Vertreter des Sektors sollten von der Kommission aufgrund ihrer Repräsentativität auf europäischer Ebene für Eisenbahnunternehmen, Fahrwegbetreiber, Arbeitnehmergewerkschaften, Fahrgäste und Güterverkehrskunden ernannt werden.
(24)
Die Arbeit der Agentur sollte transparent sein. Eine effektive Kontrolle durch das Europäische Parlament sollte gewährleistet sein, und zu diesem Zweck sollte das Europäische Parlament die Möglichkeit einer Anhörung des leitenden Direktors der Agentur haben. Die Agentur sollte auch die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten anwenden.
(25)
Da in den letzten Jahren vermehrt dezentrale Agenturen geschaffen wurden, hat die Haushaltsbehörde versucht, Transparenz und Kontrolle der Verwaltung der dafür bereitgestellten Gemeinschaftsmittel zu verbessern, und zwar insbesondere bezüglich der Verbuchung der Gebühren, der Finanzkontrolle, der Entlastungsbefugnis, den Beiträgen zum Altersversorgungssystem und dem internen Haushaltsverfahren (Verhaltenskodex). Entsprechend sollte die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)(12) ohne Einschränkung für die Agentur gelten, die auch der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 25. Mai 1999 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die internen Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF)(13) beitreten sollte.
(26)
Da die Ziele der beabsichtigten Maßnahme, nämlich die Schaffung einer Facheinrichtung zur Entwicklung gemeinsamer Lösungen auf dem Gebiet der Sicherheit und Interoperabilität im Eisenbahnverkehr, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen des Gemeinschaftscharakters der anstehenden Aufgaben besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 126 E vom 28.5.2002, S. 323.

(2)

ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(3)

ABl. C 66 vom 19.3.2003, S. 5.

(4)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 14. Januar 2003 (ABl. C 38 E vom 12.2.2004, S. 135), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 26. Juni 2003 (ABl. C 270 E vom 11.11.2003, S. 48) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23. Oktober 2003 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2004 und Beschluss des Rates vom 26. April 2004.

(5)

ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 25. Geändert durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 1).

(6)

ABl. L 143 vom 27.6.1995, S. 70. Geändert durch die Richtlinie 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 26).

(7)

ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29. Geändert durch die Entscheidung 2002/844/EG der Kommission (ABl. L 289 vom 26.10.2002, S. 30).

(8)

ABl. L 235 vom 17.9.1996, S. 6. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 284 vom 31.10.2003, S. 1).

(9)

ABl. L 110 vom 20.4.2001, S. 1.

(10)

Siehe Seite 16 dieses Amtsblatts.

(11)

ABl. L 228 vom 9.9.1996, S. 1. Geändert durch die Entscheidung Nr. 1346/2001/EG (ABl. L 185 vom 6.7.2001, S. 1).

(12)

ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 1.

(13)

ABl. L 136 vom 31.5.1999, S. 15.

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