Präambel VO (EG) 2006/1901

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Bevor ein Humanarzneimittel in einem oder mehreren Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht wird, muss es normalerweise umfassende Studien, einschließlich vorklinische und klinische Prüfungen, durchlaufen haben, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel sicher, von hoher Qualität und in der Zielgruppe wirksam ist.
(2)
Derartige Studien sind unter Umständen nicht für die Verwendung bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe durchgeführt worden, und viele der zurzeit in der Kinderheilkunde verwendeten Arzneimittel wurden für eine solche Verwendung weder untersucht noch zugelassen. Es hat sich erwiesen, dass die Marktkräfte alleine nicht hinreichend in der Lage sind, adäquate Forschungsarbeiten sowie die Entwicklung und die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Kinderarzneimitteln anzuregen.
(3)
Das Fehlen von eigens an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe angepassten Arzneimitteln führt zu Problemen; so erhöhen inadäquate Dosierungsinformationen das Risiko von Nebenwirkungen, einschließlich solcher mit tödlichem Ausgang, oder die Behandlung ist aufgrund zu niedriger Dosierung unwirksam, therapeutische Fortschritte werden für die pädiatrische Bevölkerungsgruppe nicht erschlossen, kindgerechte Zubereitungen und Verabreichungswege stehen nicht zur Verfügung, und auf ärztliche Verschreibung hin zubereitete Arzneimittel (formula magistralis und formula officinalis) zur Behandlung der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe können von mangelhafter Qualität sein.
(4)
Zweck dieser Verordnung ist es, die Entwicklung und die Zugänglichkeit von Arzneimitteln zur Verwendung bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe zu erleichtern, zu gewährleisten, dass die zur Behandlung der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe verwendeten Arzneimittel im Rahmen ethisch vertretbarer und qualitativ hochwertiger Forschungsarbeiten entwickelt und eigens für die pädiatrische Verwendung genehmigt werden, sowie die über die Verwendung von Arzneimitteln bei den verschiedenen pädiatrischen Bevölkerungsgruppen verfügbaren Informationen zu verbessern. Diese Ziele sollten verwirklicht werden, ohne die pädiatrische Bevölkerungsgruppe unnötigen klinischen Prüfungen zu unterziehen und ohne die Genehmigung eines Arzneimittels für andere Altersgruppen zu verzögern.
(5)
Zum einen ist zu berücksichtigen, dass Vorschriften über Arzneimittel im Wesentlichen auf die Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit ausgerichtet sein müssen, zum anderen muss dieses Ziel so erreicht werden, dass der freie Verkehr von sicheren Arzneimitteln in der Gemeinschaft nicht behindert wird. Die Unterschiede zwischen den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel können den innergemeinschaftlichen Handel behindern und haben daher direkte Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes. Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung und der Zulassung von Arzneimitteln für die pädiatrische Verwendung sind daher im Hinblick auf die Vermeidung oder Beseitigung dieser Hindernisse gerechtfertigt. Artikel 95 des Vertrags ist daher die geeignete Rechtsgrundlage.
(6)
Es hat sich erwiesen, dass ein System, das sowohl Verpflichtungen als auch Bonusse und Anreize umfasst, erforderlich ist, damit diese Ziele verwirklicht werden können. Die genaue Art der Verpflichtungen, Bonusse und Anreize sollte dem Stellenwert des betroffenen Arzneimittels entsprechen. Diese Verordnung sollte für alle Arzneimittel gelten, die für die pädiatrische Verwendung benötigt werden; daher sollte ihr Geltungsbereich in der Entwicklung befindliche und noch zuzulassende Arzneimittel, zugelassene Arzneimittel, für die noch Rechte des geistigen Eigentums bestehen, sowie zugelassene Arzneimittel, für die keine Rechte des geistigen Eigentums mehr bestehen, umfassen.
(7)
Vorbehalte gegen die Durchführung von Prüfungen in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sollten abgewogen werden gegenüber ethischen Bedenken gegen die Verabreichung von Arzneimitteln an eine Bevölkerungsgruppe, in der diese Arzneimittel nicht angemessen geprüft wurden. Gegen die Bedrohung für die öffentliche Gesundheit, die sich aus der Verabreichung nicht eigens geprüfter Arzneimittel an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe ergibt, kann verlässlich durch Studien für Kinderarzneimittel vorgegangen werden; diese Studien sollten auf den spezifischen Anforderungen zum Schutz der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe in klinischen Prüfungen basieren, die die Gemeinschaft in der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln(3) festgelegt hat, und sorgfältig kontrolliert und überwacht werden.
(8)
Es ist angezeigt, innerhalb der Europäischen Arzneimittel-Agentur, im Folgenden „Agentur” genannt, einen wissenschaftlichen Ausschuss, den „Pädiatrieausschuss” einzurichten, in dem Expertise und Kompetenz für die Entwicklung von Arzneimitteln zur Behandlung pädiatrischer Bevölkerungsgruppen und die Beurteilung all ihrer Aspekte vertreten sind. Für den Pädiatrieausschuss sollten die Vorschriften für wissenschaftliche Ausschüsse der Agentur, wie sie in der Verordnung (EG) Nr. 726/2004(4) festgelegt sind, gelten. Die Mitglieder des Pädiatrieausschusses sollten daher keinerlei finanzielle oder sonstige Interessen in der pharmazeutischen Industrie haben, die ihre Unparteilichkeit beeinflussen könnten, sie sollten sich dazu verpflichten, im Interesse des Gemeinwohls und unabhängig zu handeln, und sie sollten jährlich eine Erklärung über ihre finanziellen Interessen abgeben. Der Pädiatrieausschuss sollte in erster Linie für die wissenschaftliche Beurteilung und die Billigung pädiatrischer Prüfkonzepte sowie für das System von Freistellungen und Zurückstellungen verantwortlich sein; außerdem sollte er eine zentrale Rolle bei verschiedenen Fördermaßnahmen spielen, die in dieser Verordnung vorgesehen sind. Bei seiner Arbeit sollte der Pädiatrieausschuss prüfen, ob die Studien einen potenziell signifikanten therapeutischen Nutzen für die daran teilnehmenden pädiatrischen Patienten bzw. für die pädiatrischen Bevölkerungsgruppen im Allgemeinen haben, und darauf achten, dass unnötige Prüfungen vermieden werden. Der Pädiatrieausschuss sollte sich nach den bestehenden Gemeinschaftsvorschriften richten, einschließlich der Richtlinie 2001/20/EG und der Leitlinie E11 der Internationalen Harmonisierungskonferenz (ICH) über die Entwicklung von Kinderarzneimitteln, und sollte jegliche Verzögerung bei der Genehmigung von Arzneimitteln für andere Bevölkerungsgruppen infolge der Anforderungen an Kinderarzneimittelstudien vermeiden.
(9)
Es sollten Verfahren eingeführt werden, nach denen die Agentur ein pädiatrisches Prüfkonzept — das Dokument, auf das die Entwicklung und Genehmigung von Kinderarzneimitteln gestützt werden sollte, — billigen und ändern kann. Das pädiatrische Prüfkonzept sollte Einzelheiten zum Zeitplan und zu den Maßnahmen enthalten, durch die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe nachgewiesen werden sollen. Da sich die pädiatrische Bevölkerungsgruppe aus einer Reihe von Untergruppen zusammensetzt, sollte im pädiatrischen Prüfkonzept angegeben sein, in welchen Untergruppen auf welche Weise und bis zu welchem Zeitpunkt Prüfungen durchgeführt werden müssen.
(10)
Mit der Einführung des pädiatrischen Prüfkonzepts in den rechtlichen Rahmen für Humanarzneimittel wird bezweckt, dass die Entwicklung von Arzneimitteln, die möglicherweise für die pädiatrische Bevölkerungsgruppe verwendet werden, zu einem festen Bestandteil der Arzneimittelentwicklung wird, der in das Entwicklungsprogramm für Erwachsene integriert wird. Daher sollten pädiatrische Prüfkonzepte zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklungsphase vorgelegt werden, und zwar gegebenenfalls so frühzeitig, dass pädiatrische Prüfungen durchgeführt werden können, bevor der Antrag auf Genehmigung gestellt wird. Es ist angezeigt, eine Frist für die Vorlage pädiatrischer Prüfkonzepte festzusetzen, um sicherzustellen, dass frühzeitig ein Dialog zwischen dem Sponsor und dem Pädiatrieausschuss aufgenommen wird. Außerdem wird durch die frühzeitige Vorlage eines pädiatrischen Prüfkonzepts, zusammen mit der Einreichung eines Antrags auf Zurückstellung, wie nachstehend beschrieben, verhindert, dass sich die Genehmigung für andere Bevölkerungsgruppen verzögert. Da die Entwicklung von Arzneimitteln ein dynamischer Prozess ist, der vom Ergebnis der laufenden Studien abhängt, sollte vorgesehen werden, dass ein einmal genehmigtes Konzept erforderlichenfalls geändert werden kann.
(11)
Es ist eine Anforderung vorzusehen, nach der für neue Arzneimittel und für bereits zugelassene Arzneimittel, die durch ein Patent oder ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt sind, bei der Stellung eines Genehmigungsantrags oder eines Antrags für eine neue Indikation, eine neue Darreichungsform oder einen neuen Verabreichungsweg entweder die Ergebnisse pädiatrischer Studien entsprechend einem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept vorgelegt werden müssen oder aber Belege dafür, dass eine Freistellung oder Zurückstellung gewährt wurde. Das pädiatrische Prüfkonzept sollte die Grundlage darstellen, auf der die Einhaltung dieser Vorschrift bewertet wird. Diese Vorschrift sollte jedoch nicht für Generika gelten oder für vergleichbare biologische Arzneimittel und Arzneimittel, die im Rahmen des Verfahrens der allgemeinen medizinischen Verwendung zugelassen sind, sowie für homöopathische und traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die im Rahmen der vereinfachten Registrierungsverfahren der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel(5) zugelassen sind.
(12)
Für Forschung über die pädiatrische Verwendung von Arzneimitteln, die nicht durch ein Patent oder ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt sind, sollten Finanzmittel im Rahmen der Forschungsprogramme der Gemeinschaft bereitgestellt werden.
(13)
Damit Forschung an der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe ausschließlich entsprechend dem therapeutischen Bedarf betrieben wird, werden Verfahren benötigt, nach denen die Agentur von der in Erwägungsgrund 11 genannten Anforderung besondere Arzneimittel, Arzneimittelgruppen oder -untergruppen freistellen kann, die dann von der Agentur bekannt gegeben werden. Da sich das Wissen in den Bereichen Wissenschaft und Medizin im Laufe der Zeit fortentwickelt, sollte vorgesehen werden, dass diese Freistellungsliste geändert werden kann. Wird jedoch eine Freistellung widerrufen, so sollte die Vorschrift erst nach Ablauf einer bestimmten Frist gelten, damit ausreichend Zeit zumindest zur Billigung eines pädiatrischen Prüfkonzepts und zur Einleitung pädiatrischer Studien vor dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zur Verfügung steht.
(14)
In bestimmten Fällen sollte die Agentur die Einleitung oder den Abschluss einiger oder aller Maßnahmen des pädiatrischen Prüfkonzepts zurückstellen, damit gewährleistet werden kann, dass die Forschungsarbeiten nur dann durchgeführt werden, wenn sie sicher und ethisch vertretbar sind, und dass die Vorschriften über Studiendaten der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe die Genehmigung von Arzneimitteln für andere Bevölkerungsgruppen nicht blockieren oder verzögern.
(15)
Als Anreiz für Sponsoren zur Entwicklung von Kinderarzneimitteln sollte die Agentur eine gebührenfreie Beratung anbieten. Um die wissenschaftliche Kohärenz zu gewährleisten, sollte die Agentur als Schnittstelle zwischen dem Pädiatrieausschuss und der Arbeitsgruppe für wissenschaftliche Beratung des Ausschusses für Humanarzneimittel fungieren sowie die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Pädiatrieausschuss und den anderen Gemeinschaftsausschüssen und -arbeitsgruppen im Bereich Arzneimittel betreuen.
(16)
Die bestehenden Verfahren für die Genehmigung von Humanarzneimitteln sollten nicht geändert werden. Aus der in Erwägungsgrund 11 genannten Anforderung folgt jedoch, dass die zuständigen Behörden im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung eines Genehmigungsantrags die Übereinstimmung mit dem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept sowie mit Freistellungen und Zurückstellungen kontrollieren sollten. Die Beurteilung von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Kinderarzneimitteln und die Erteilung von Genehmigungen sollten weiterhin den zuständigen Behörden obliegen. Es sollte vorgesehen werden, dass der Pädiatrieausschuss um Stellungnahme zur Übereinstimmung und um Stellungnahme zu Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit eines Arzneimittels in Bezug auf die pädiatrische Bevölkerungsgruppe ersucht wird.
(17)
Zur Information der im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte und der Patienten über die sichere und wirksame Verwendung von Arzneimitteln bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sowie als Transparenzmaßnahme sollten die Produktinformationen auch Aufschluss über die Ergebnisse pädiatrischer Studien sowie über den Status der pädiatrischen Prüfkonzepte, der Freistellungen und Zurückstellungen geben. Wenn allen Maßnahmen des pädiatrischen Prüfkonzepts entsprochen wurde, so sollte dies in der Genehmigung vermerkt werden und als Grundlage dafür dienen, dass den Unternehmen die Bonusse für die Einhaltung des Prüfkonzepts gewährt werden.
(18)
Um die Arzneimittel, die für die Verabreichung an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe zugelassen werden, erkennen und ihre Verschreibung ermöglichen zu können, sollte vorgesehen werden, dass das Etikett von derart zugelassenen Arzneimitteln ein Symbol tragen muss, das von der Kommission nach Empfehlung des Pädiatrieausschusses noch ausgewählt wird.
(19)
Als Anreiz im Hinblick auf zugelassene Arzneimittel, für die keine gewerblichen Schutzrechte mehr gelten, ist die Einführung eines neuen Genehmigungstyps erforderlich, nämlich der Genehmigung für die pädiatrische Verwendung. Eine Genehmigung für die Pädiatrische Verwendung sollte im Rahmen der bestehenden Genehmigungsverfahren erteilt werden, jedoch eigens für Arzneimittel gelten, die zur ausschließlichen Verabreichung an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe entwickelt wurden. Es sollte möglich sein, dass als Name des Arzneimittels, für das eine Genehmigung für die pädiatrische Verwendung erteilt wurde, der Markenname des entsprechenden für Erwachsene zugelassenen Mittels beibehalten werden kann, damit der Bekanntheitsgrad und der Unterlagenschutz im Zusammenhang mit einer neuen Genehmigung genutzt werden können.
(20)
Bei Stellung eines Antrags auf Genehmigung für die pädiatrische Verwendung sollten Daten zur Verwendung des Mittels in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe vorgelegt werden, die in Übereinstimmung mit einem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept gesammelt wurden. Diese Daten können aus der veröffentlichten Fachliteratur oder aus neuen Studien stammen. Daneben sollte man in einem Antrag auf Genehmigung für die pädiatrische Verwendung auf Daten in Dossiers für Arzneimittel verweisen können, die in der Gemeinschaft zugelassen werden oder zugelassen sind. Dies soll für kleine und mittlere Unternehmen einschließlich Unternehmen, die Generika herstellen, ein zusätzlicher Anreiz sein, patentfreie Arzneimittel für die pädiatrische Bevölkerungsgruppe zu entwickeln.
(21)
Die Verordnung sollte Maßnahmen umfassen, durch die der Zugang der Bevölkerung der Gemeinschaft zu neuen an der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe geprüften und an die pädiatrische Verwendung angepassten Arzneimitteln bestmöglich verbreitert wird und durch die nach Kräften vermieden wird, dass gemeinschaftsweite Bonusse und Anreize gewährt werden, ohne dass Teile der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe in der Gemeinschaft von einem neu zugelassenen Arzneimittel profitieren können. Ein Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens (einschließlich eines Antrags auf Genehmigung für die pädiatrische Verwendung), der die Ergebnisse von Studien, die in Übereinstimmung mit einem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführt wurden, enthält, sollte für das zentrale Genehmigungsverfahren der Gemeinschaft nach den Artikeln 5 bis 15 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 in Betracht kommen.
(22)
Hat ein gebilligtes pädiatrisches Prüfkonzept zur Genehmigung einer pädiatrischen Indikation für ein bereits für andere Indikationen zugelassenes Arzneimittel geführt, so sollte der Genehmigungsinhaber dazu verpflichtet werden, innerhalb von zwei Jahren nach Genehmigung der Indikation das Mittel unter Berücksichtigung der pädiatrischen Informationen in den Verkehr zu bringen. Diese Vorschrift sollte ausschließlich für Arzneimittel gelten, die bereits zugelassen sind, und nicht für Arzneimittel, die eine Genehmigung für die pädiatrische Verwendung erhalten haben.
(23)
Es sollte ein fakultatives Verfahren festgelegt werden, nach dem es möglich ist, eine einzige gemeinschaftsweit geltende Stellungnahme für ein auf nationaler Ebene zugelassenes Arzneimittel zu erhalten, wenn Daten über die Anwendung bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe, die unter Befolgung eines gebilligten pädiatrischen Prüfkonzepts erhalten wurden, Bestandteil des Genehmigungsantrags sind. Hierzu könnte das Verfahren der Artikel 32, 33 und 34 der Richtlinie 2001/83/EG verwendet werden. Dies ermöglicht die Annahme einer gemeinschaftsweit harmonisierten Entscheidung über die Anwendung des Arzneimittels an der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe und die Aufnahme der Entscheidung in sämtliche nationale Produktinformationen.
(24)
Es ist von wesentlicher Bedeutung sicherzustellen, dass die Verfahren der Pharmakovigilanz angepasst werden, um den besonderen Anforderungen an die Erhebung von Sicherheitsdaten bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe, einschließlich von Daten über mögliche Langzeitwirkungen, zu entsprechen. Auch Fragen der Wirksamkeit bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe können ergänzende Untersuchungen im Anschluss an die Genehmigung erforderlich machen. Daher sollte für Anträge auf Genehmigung, die die Ergebnisse von Studien, die in Übereinstimmung mit einem gebilligten pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführt wurden, enthalten, die zusätzliche Verpflichtung eingeführt werden, dass der Antragsteller angeben muss, wie er die langfristige Beobachtung etwaiger Nebenwirkungen im Anschluss an die Verabreichung des Arzneimittels und seiner Wirksamkeit in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sicherstellen will. Besteht besonderer Anlass zur Besorgnis, so sollte der Antragsteller als Voraussetzung für die Genehmigung ein Risikomanagementsystem vorlegen und anwenden und/oder spezifische Studien im Anschluss an das Inverkehrbringen durchführen.
(25)
Im Interesse der öffentlichen Gesundheit muss sichergestellt werden, dass stets sichere und wirksame, für eine pädiatrische Indikation zugelassene Arzneimittel, die gemäß dieser Verordnung entwickelt wurden, zur Verfügung stehen. Für den Fall, dass der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines derartigen Arzneimittels beabsichtigt, das Arzneimittel vom Markt zu nehmen, sollten Vorkehrungen getroffen werden, damit die pädiatrischen Bevölkerungsgruppen weiterhin Zugang zu dem Arzneimittel haben. Deshalb sollte die Agentur rechtzeitig von einer solchen Absicht unterrichtet werden und sie sollte ihrerseits die Öffentlichkeit darüber informieren.
(26)
Für Arzneimittel, für die pädiatrische Daten vorzulegen sind, soll Folgendes gelten: Wenn alle Maßnahmen des gebilligten pädiatrischen Prüfkonzepts durchgeführt wurden, wenn das Arzneimittel in allen Mitgliedstaaten zugelassen ist und wenn einschlägige Informationen über die Ergebnisse von Studien in den Produktinformationen enthalten sind, sollte ein Bonus in Form einer sechsmonatigen Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates(6) gewährt werden. Beschlüsse von Behörden der Mitgliedstaaten betreffend die Festsetzung der Preise für Arzneimittel oder ihre Einbeziehung in den Anwendungsbereich der nationalen Krankenversicherungssysteme haben keinen Einfluss auf die Gewährung dieses Bonusses.
(27)
Ein Antrag auf Verlängerung der Laufzeit eines Zertifikats nach dieser Verordnung sollte nur zulässig sein, wenn ein Zertifikat im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 erteilt wird.
(28)
Da der Bonus für die Durchführung von pädiatrischen Studien gewährt wird und nicht für den Nachweis, dass ein Arzneimittel bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sicher und wirksam ist, sollte der Bonus auch dann erteilt werden, wenn die pädiatrische Indikation nicht zugelassen wird. Damit jedoch die verfügbaren Informationen über die Verwendung von Arzneimitteln in pädiatrischen Bevölkerungsgruppen verbessert werden, sollten relevante Informationen über eine derartige Verwendung in die Produktinformationen aufgenommen werden.
(29)
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden(7) erhalten Arzneimittel, die als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen sind, eine zehnjährige Marktexklusivität in Bezug auf die Erteilung einer Genehmigung für die Indikation für das ausgewiesene seltene Leiden. Da derartige Mittel häufig nicht patentgeschützt sind, kann in solchen Fällen der Bonus eines verlängerten ergänzenden Schutzzertifikats nicht angewendet werden; sind sie patentgeschützt, würde eine solche Verlängerung zu einem doppelten Anreiz führen. Bei Arzneimitteln für seltene Leiden sollte daher statt einer Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats die zehnjährige Marktexklusivität auf zwölf Jahre verlängert werden, wenn die Anforderung in Bezug auf Daten über die Verabreichung an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe uneingeschränkt erfüllt ist.
(30)
Die Maßnahmen dieser Verordnung sollten nicht die Anwendung sonstiger Anreize oder Bonusse ausschließen. Um Transparenz über die verschiedenen auf Ebene der Gemeinschaft und auf Ebene der Mitgliedstaaten verfügbaren Maßnahmen zu gewährleisten, sollte die Kommission auf der Grundlage der Informationen der Mitgliedstaaten ein ausführliches Verzeichnis aller vorhandenen Anreize erstellen. Die in dieser Verordnung dargelegten Maßnahmen, darunter die Billigung pädiatrischer Prüfkonzepte, sollten keine Grundlage sein für die Gewährung anderer Gemeinschaftsanreize zur Unterstützung der Forschung, etwa für die Förderung von Forschungsprojekten im Rahmen der Aktivitäten des mehrjährigen gemeinschaftlichen Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration.
(31)
Um mehr Informationen über die Verabreichung von Arzneimitteln an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe verfügbar zu machen und um weltweit eine unnötige Wiederholung pädiatrischer Studien, die nichts zum allgemeinen pädiatrischen Wissen beitragen, zu vermeiden, sollte die in Artikel 11 der Richtlinie 2001/20/EG vorgesehene Datenbank ein europäisches Register klinischer Prüfungen von Kinderarzneimitteln beinhalten, das alle in der Gemeinschaft und in Drittstaaten laufenden, frühzeitig abgebrochenen und abgeschlossenen pädiatrischen Studien erfasst. Teile der in der Datenbank gespeicherten Informationen über klinische Prüfungen von Kinderarzneimitteln und Einzelheiten der den zuständigen Behörden unterbreiteten Ergebnisse sämtlicher klinischer Prüfungen von Kinderarzneimitteln sollten von der Agentur veröffentlicht werden.
(32)
Der Pädiatrieausschuss sollte nach Konsultation der Kommission, der Mitgliedstaaten und der interessierten Kreise ein Inventar des Therapiebedarfs bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe erstellen und regelmäßig aktualisieren. In dem Inventar sollten die bestehenden an die pädiatrische Bevölkerungsgruppe verabreichten Arzneimittel genannt und der therapeutische Bedarf der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sowie die Prioritäten für Forschung und Entwicklung herausgestellt werden. Auf diese Weise sollten Unternehmen imstande sein, Möglichkeiten zum Ausbau ihrer Geschäftstätigkeit leicht zu ermitteln. Der Pädiatrieausschuss sollte in der Lage sein, bei der Beurteilung von pädiatrischen Prüfkonzepten, Freistellungen und Zurückstellungen den Bedarf an Arzneimitteln und Studien besser einzuschätzen; den im Gesundheitswesen tätigen Fachkräften und den Patienten sollte eine Informationsquelle zur Verfügung stehen, auf die sie ihre Arzneimittelwahl stützen können.
(33)
Klinische Prüfungen in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe können spezifische Expertise, eine spezifische Methodik und in einigen Fällen spezifische Einrichtungen erfordern und sollten von entsprechend ausgebildeten Prüfern durchgeführt werden. Ein Netzwerk, das bestehende nationale und gemeinschaftliche Initiativen und Studienzentren miteinander verbindet, um die notwendige Kompetenz auf Gemeinschaftsebene aufzubauen, und das auch Daten der Gemeinschaft und von Drittstaaten berücksichtigt, würde dazu beitragen, die Zusammenarbeit zu erleichtern und unnötige Doppelstudien zu vermeiden. Dieses Netzwerk sollte im Kontext der gemeinschaftlichen Rahmenprogramme für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration einen Beitrag dazu leisten, das Fundament des Europäischen Forschungsraums zu stärken, es sollte der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe zugute kommen und der Industrie als Quelle der Information und des Fachwissens dienen.
(34)
Die Pharmaunternehmen verfügen für bestimmte zugelassene Arzneimittel gegebenenfalls bereits über Daten zu Sicherheit oder Wirksamkeit bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe. Um die verfügbaren Informationen über die Verwendung von Arzneimitteln in pädiatrischen Bevölkerungsgruppen auszubauen, sollten Unternehmen, die im Besitz derartiger Daten sind, diese allen zuständigen Behörden, bei denen das Arzneimittel zugelassen ist, vorlegen müssen. So könnten die Daten beurteilt werden, und gegebenenfalls sollten Informationen für die im Gesundheitswesen tätigen Fachkräfte und die Patienten in die Produktinformation des zugelassenen Mittels aufgenommen werden.
(35)
Die Gemeinschaft sollte alle Aspekte der Arbeit des Pädiatrieausschusses und der Agentur finanzieren, die sich aus der Anwendung der Verordnung ergeben, wie die Beurteilung von pädiatrischen Prüfkonzepten, Gebührenfreiheit für wissenschaftliche Beratung sowie Informations- und Transparenzmaßnahmen, einschließlich der Datenbank für pädiatrische Studien und des Netzwerkes.
(36)
Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(8) erlassen werden.
(37)
Die Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, die Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 sollten dementsprechend geändert werden.
(38)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Verbesserung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln, die hinsichtlich der pädiatrischen Verwendung untersucht wurden, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, weil dadurch ein möglichst großer Markt erschlossen und eine Aufsplitterung der begrenzten Mittel vermieden werden können, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 267 vom 27.10.2005, S. 1.

(2)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 7. September 2005 (ABl. C 193 E vom 17.8.2006, S. 225), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 10. März 2006 (ABl. C 132 E vom 7.6.2006, S. 1) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 1. Juni 2006 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Beschluss des Rates vom 23. Oktober 2006.

(3)

ABl. L 121 vom 1.5.2001, S. 34.

(4)

Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

(5)

ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2004/27/EG (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 34).

(6)

ABl. L 182 vom 2.7.1992, S. 1. Zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 2003.

(7)

ABl. L 18 vom 22.1.2000, S. 1.

(8)

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss 2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).

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