Artikel 7 VO (EG) 2006/562

Grenzübertrittskontrollen von Personen

(1) Der grenzüberschreitende Verkehr an den Außengrenzen unterliegt den Kontrollen durch die Grenzschutzbeamten. Die Kontrollen erfolgen nach Maßgabe dieses Kapitels.

Die Kontrollen können sich auch auf die Fortbewegungsmittel der die Grenze überschreitenden Personen und die von ihnen mitgeführten Sachen erstrecken. Werden Durchsuchungen durchgeführt, so gelten die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats.

(2) Alle Personen werden einer Mindestkontrolle unterzogen, die die Feststellung ihrer Identität anhand der vorgelegten oder vorgezeigten Reisedokumente ermöglicht. Eine solche Mindestkontrolle besteht aus einer raschen und einfachen Überprüfung der Gültigkeit des Dokuments, das dem rechtmäßigen Inhaber den Grenzübertritt erlaubt, und der gegebenenfalls vorhandenen Fälschungs- und Verfälschungsmerkmale, bei der gegebenenfalls technische Geräte eingesetzt und ausschließlich die Daten über gestohlene, missbräuchlich verwendete, abhanden gekommene und für ungültig erklärte Dokumente in den einschlägigen Datenbanken abgefragt werden.

Die in Unterabsatz 1 genannte Mindestkontrolle ist das übliche Verfahren bei Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben.

Auf nicht systematische Weise können die Grenzschutzbeamten jedoch bei der Durchführung von Mindestkontrollen bei Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, die nationalen und europäischen Datenbanken abfragen, um sicherzustellen, dass eine solche Person keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung, die internationalen Beziehungen der Mitgliedstaaten oder die öffentliche Gesundheit darstellt.

Das Recht von Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, zur Einreise in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gemäß der Richtlinie 2004/38/EG wird von den Ergebnissen solcher Konsultationen nicht beeinträchtigt.

(3) Drittstaatsangehörige werden bei der Ein- und Ausreise eingehend kontrolliert.

a)
Die eingehende Kontrolle bei der Einreise umfasst die Überprüfung der in Artikel 5 Absatz 1 festgelegten Einreisevoraussetzungen sowie gegebenenfalls der für den Aufenthalt und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse. Hierzu gehört eine umfassende Prüfung von Folgendem:

i)
Überprüfung, ob der Drittstaatsangehörige über ein für den Grenzübertritt gültiges und nicht abgelaufenes Dokument verfügt und ob dem Dokument das gegebenenfalls erforderliche Visum oder der gegebenenfalls erforderliche Aufenthaltstitel beigefügt ist;
ii)
eingehende Prüfung, ob das Reisedokument Fälschungs- oder Verfälschungsmerkmale aufweist;
iii)
Prüfung der Ein- und Ausreisestempel im Reisedokument des betreffenden Drittstaatsangehörigen, um durch einen Vergleich der Ein- und Ausreisedaten festzustellen, ob die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bereits überschritten wurde;
iv)
Überprüfung der Abfahrts- und Zielorte des betreffenden Drittstaatsangehörigen sowie des Zwecks des beabsichtigten Aufenthalts und, soweit erforderlich, Überprüfung der entsprechenden Belege;
v)
Überprüfung, ob der betreffende Drittstaatsangehörige über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die beabsichtigte Dauer und den beabsichtigten Zweck des Aufenthalts, für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;
vi)
Überprüfung, ob der betreffende Drittstaatsangehörige, sein Fortbewegungsmittel und die mitgeführten Sachen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten darstellen. Diese Überprüfung umfasst den unmittelbaren Abruf der Personendaten und -ausschreibungen und soweit erforderlich der Sachdaten und -ausschreibungen im SIS und in den nationalen Datenbeständen sowie gegebenenfalls die Durchführung der aufgrund der Ausschreibung erforderlichen Maßnahmen.

aa)
Befindet sich der Drittstaatsangehörige im Besitz eines Visums gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b, umfasst die eingehende Kontrolle bei der Einreise auch die Verifizierung der Identität des Visuminhabers und der Echtheit des Visums; dazu wird eine Abfrage des Visa-Informationssystems (VIS) gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (VIS-Verordnung)(1) durchgeführt.
ab)
In Ausnahmefällen,

i)
wenn die Intensität des Verkehrsaufkommens zu übermäßigen Wartezeiten an der Grenzübergangsstelle führt,
ii)
wenn alle Ressourcen in Bezug auf Personal, Einrichtungen und Organisation ausgeschöpft worden sind und
iii)
wenn eine Beurteilung ergeben hat, dass kein Risiko in Bezug auf die innere Sicherheit und die illegale Einwanderung besteht,

kann eine Abfrage des VIS in allen Fällen anhand der Nummer der Visummarke und stichprobenartig anhand der Nummer der Visummarke in Kombination mit der Verifizierung der Fingerabdrücke durchgeführt werden.

In allen Fällen, in denen jedoch Zweifel an der Identität des Visuminhabers und/oder an der Echtheit des Visums bestehen, wird eine Abfrage des VIS systematisch anhand der Nummer der Visummarke in Kombination mit der Verifizierung der Fingerabdrücke durchgeführt.

Diese Ausnahme ist nur so lange an der betreffenden Grenzübergangsstelle zulässig, wie die oben genannten Bedingungen erfüllt sind.

ac)
Die Entscheidung, eine Abfrage des VIS gemäß Buchstabe ab durchzuführen, wird auf der Ebene des leitenden Grenzschutzbeamten an der Grenzübergangsstelle oder auf höherer Ebene getroffen.

Die betreffenden Mitgliedstaaten unterrichten die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission umgehend über eine etwaige diesbezügliche Entscheidung.

ad)
Alle Mitgliedstaaten übermitteln dem Europäischen Parlament und der Kommission jährlich einen Bericht über die Anwendung von Buchstabe ab, der auch die Zahl der Drittstaatsangehörigen enthält, die im Rahmen des VIS allein anhand der Nummer der Visummarke überprüft wurden, sowie die Dauer der Wartezeit gemäß Buchstabe ab Ziffer i.
ae)
Die Buchstaben ab und ac gelten für einen Zeitraum von höchstens drei Jahren, der drei Jahre nach dem Datum beginnt, an dem das VIS in Betrieb genommen wurde. Vor Ablauf des zweiten Jahres der Anwendung der Buchstaben ab und ac übermittelt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Bewertung der Umsetzung dieser Buchstaben. Auf der Grundlage dieser Bewertung können das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission auffordern, angemessene Änderungen zu dieser Verordnung vorzuschlagen.
b)
Die eingehende Kontrolle bei der Ausreise umfasst:

i)
Überprüfung, ob der Drittstaatsangehörige über ein für den Grenzübertritt gültiges Dokument verfügt;
ii)
Überprüfung, ob das Reisedokument Fälschungs- oder Verfälschungsmerkmale aufweist;
iii)
soweit möglich Überprüfung, ob der Drittstaatsangehörige nicht als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die internationalen Beziehungen eines der Mitgliedstaaten angesehen wird.

c)
Zusätzlich zu der in Buchstabe b genannten Kontrolle kann die eingehende Kontrolle bei der Ausreise auch folgende Gesichtspunkte umfassen:

i)
Überprüfung, ob die Person im Besitz eines gültigen Visums ist, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 vorgeschrieben ist, außer wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels ist; eine solche Überprüfung kann auch eine Abfrage des VIS gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 umfassen;
ii)
Überprüfung, ob die Person nicht die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten überschritten hat;
iii)
Abruf der Personen- und Sachausschreibungen im SIS und in den nationalen Datenbeständen.

d)
Zum Zwecke der Identifizierung einer Person, die die Bedingungen für die Einreise oder den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht oder nicht mehr erfüllt, sind Abfragen des VIS gemäß Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 zulässig.

(4) Soweit entsprechende Einrichtungen vorhanden sind, werden solche eingehenden Kontrollen auf Antrag des Drittstaatsangehörigen in einem privaten Bereich durchgeführt.

(5) Unbeschadet des Unterabsatzes 2 werden Drittstaatsangehörige, die einer eingehenden Kontrolle in der zweiten Kontrolllinie unterzogen werden, schriftlich in einer Sprache, die sie verstehen oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie sie verstehen, oder in einer anderen wirksamen Form über den Zweck und das Verfahren einer solchen Kontrolle unterrichtet.

Diese Informationen müssen in allen Amtssprachen der Union sowie in der/den Sprache(n) des/der an den betreffenden Mitgliedstaat angrenzenden Staates/Staaten verfügbar sein und darauf hinweisen, dass der Drittstaatsangehörige um den Namen oder die Dienstausweisnummer der Grenzschutzbeamten, die die eingehende Kontrolle in der zweiten Kontrolllinie durchführen, sowie um die Bezeichnung der Grenzübergangsstelle und um das Datum, an dem die Grenze überschritten wurde, ersuchen kann.

(6) Kontrollen von Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, werden in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2004/38/EG durchgeführt.

(7) Detaillierte Vorschriften für die zu erfassenden Informationen sind in Anhang II enthalten.

(8) Wird Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a oder b angewandt, so dürfen die Mitgliedstaaten auch von den Bestimmungen dieses Artikels abweichen.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 60.

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