Artikel 16 VO (EG) 2008/1008

Allgemeine Grundsätze für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

(1) Nach Konsultationen mit den anderen betroffenen Mitgliedstaaten und nach Unterrichtung der Kommission, der betreffenden Flughäfen und der auf dieser Strecke tätigen Luftfahrtunternehmen kann ein Mitgliedstaat im Linienflugverkehr zwischen einem Flughafen in der Gemeinschaft und einem Flughafen, der ein Rand- oder ein Entwicklungsgebiet seines Hoheitsgebiets bedient, oder auf einer wenig frequentierten Strecke zu einem Flughafen seines Hoheitsgebiets gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, insoweit die jeweilige Strecke für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Gebiets, das der Flughafen bedient, als unabdingbar gilt. Diese Verpflichtungen werden nur auferlegt, soweit dies für die Mindestbedienung dieser Strecke im Linienflugverkehr erforderlich ist, die in Bezug auf Kontinuität, Regelmäßigkeit, Preisgestaltung oder Mindestkapazität festen Standards genügt, die Luftfahrtunternehmen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht einhalten würden.

Die festen Standards für die Strecke, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt, sind auf transparente und nichtdiskriminierende Weise festzulegen.

(2) Falls durch andere Verkehrsträger eine ununterbrochene Bedienung einer Strecke mit mindestens zwei Tagesfrequenzen nicht sichergestellt ist, können die betroffenen Mitgliedstaaten im Rahmen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen vorsehen, dass Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, die die Strecke bedienen wollen, eine Garantie dafür bieten müssen, dass sie die Strecke während eines festzulegenden Zeitraums entsprechend den sonstigen Bedingungen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung bedienen werden.

(3) Zur Beurteilung der Notwendigkeit und Angemessenheit beabsichtigter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen werden von dem Mitgliedstaat beziehungsweise von den Mitgliedstaaten folgende Kriterien herangezogen:

a)
die Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Verpflichtungen bezüglich der Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung des betroffenen Gebiets;
b)
die Frage, ob auf andere Verkehrsträger zurückgegriffen werden kann und inwieweit diese Verkehrsträger den betreffenden Beförderungsbedarf decken können, insbesondere wenn bestehende Schienenverkehrsdienste die betreffende Strecke mit einer Reisezeit unter drei Stunden und mit ausreichenden Frequenzen und Verbindungen sowie mit angemessenen zeitlichen Abstimmungen bedienen;
c)
die den Benutzern angebotenen Flugpreise und Bedingungen;
d)
das Angebot aller Luftfahrtunternehmen zusammen, die diese Strecke bedienen oder zu bedienen beabsichtigen.

(4) Beabsichtigt ein Mitgliedstaat die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so übermittelt er den Text der aufzuerlegenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der Kommission, den anderen betroffenen Mitgliedstaaten, den betroffenen Flughäfen und den Luftfahrtunternehmen, die die betreffende Strecke bedienen.

Die Kommission veröffentlicht eine Bekanntmachung folgenden Inhalts im Amtsblatt der Europäischen Union:

a)
Angabe der beiden Flughäfen auf der betreffenden Strecke sowie möglicher Zwischenlandepunkte,
b)
Datum des Inkrafttretens der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und
c)
Angabe der vollständigen Adresse, bei der der Text und andere einschlägige Informationen und/oder Unterlagen im Zusammenhang mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unverzüglich und kostenlos von dem betroffenen Mitgliedstaat bereitgestellt werden.

(5) Ungeachtet der Bestimmungen von Absatz 4 wird für Strecken, auf denen die erwartete Zahl der Fluggäste des Flugdienstes unter 10000 pro Jahr liegt, die Bekanntmachung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen entweder im Amtsblatt der Europäischen Union oder im Amtsblatt des betreffenden Mitgliedstaats veröffentlicht.

(6) Das Datum des Inkrafttretens gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen liegt nicht vor dem Datum der Veröffentlichung der in Absatz 4 Unterabsatz 2 genannten Bekanntmachung.

(7) Besteht eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung gemäß den Absätzen 1 und 2, so darf das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft Nur-Sitzplatz-Verkäufe unter der Voraussetzung anbieten, dass der betreffende Flugdienst der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung in allen Punkten gerecht wird. Ein solcher Flugverkehr gilt als Linienflugverkehr.

(8) Besteht eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung gemäß den Absätzen 1 und 2, so dürfen andere Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft jederzeit einen Linienflugverkehr aufnehmen, der der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung in allen Punkten — einschließlich des Betriebszeitraums, der nach Absatz 2 verlangt werden kann — gerecht wird.

(9) Ungeachtet des Absatzes 8 gilt, dass — sofern auf einer Strecke noch kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft den dauerhaften Linienflugverkehr entsprechend den für diese Strecke bestehenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufgenommen hat oder nachweisen kann, dass es im Begriff ist, einen solchen Verkehr aufzunehmen — der betreffende Mitgliedstaat den Zugang zum Linienflugverkehr auf dieser Strecke für die Dauer von bis zu vier Jahren einem einzigen Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft vorbehalten kann; danach muss die Lage erneut geprüft werden.

Dieser Zeitraum kann auf bis zu fünf Jahre ausgedehnt werden, wenn die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf einer Strecke zu einem Flughafen auferlegt werden, der ein Gebiet in äußerster Randlage im Sinne von Artikel 299 Absatz 2 des Vertrags bedient.

(10) Das Recht zur Durchführung der in Absatz 9 genannten Dienste wird im Wege der öffentlichen Ausschreibung gemäß Artikel 17 allen Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, die zur Durchführung solcher Verkehre berechtigt sind, für eine Strecke oder, in Fällen, in denen dies aus Gründen der betrieblichen Effizienz gerechtfertigt ist, für mehrere solche Strecken angeboten. Aus Gründen der administrativen Effizienz kann ein Mitgliedstaat eine einzige Ausschreibung für verschiedene Strecken durchführen.

(11) Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gelten als abgelaufen, wenn während eines Zeitraums von 12 Monaten kein Linienflugdienst auf der Strecke durchgeführt wurde, für die die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt wurden.

(12) Im Fall einer plötzlichen Unterbrechung der Flugdienste durch das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, das gemäß Artikel 17 ausgewählt wurde, kann der betroffene Mitgliedstaat im Notfall durch beidseitige Vereinbarung ein anderes Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft auswählen, das den Betrieb gemäß den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen für einen Zeitraum von bis zu sieben Monaten, der nicht verlängert werden kann, unter folgenden Bedingungen durchführt:

a)
von dem Mitgliedstaat gezahlte Ausgleichsleistungen erfolgen gemäß Artikel 17 Absatz 8;
b)
die Auswahl erfolgt unter Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft gemäß den Grundsätzen der Transparenz und Nichtdiskriminierung;
c)
es wird eine neue Ausschreibung eingeleitet.

Die Kommission und der bzw. die betroffene(n) Mitgliedstaat(en) sind unverzüglich über das Notfallverfahren und die Gründe dafür zu unterrichten. Die Kommission kann das Verfahren auf Antrag eines Mitgliedstaats oder von sich aus nach dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Verfahren aussetzen, falls sie nach entsprechender Beurteilung der Auffassung ist, dass es die Anforderungen dieses Absatzes nicht erfüllt oder sonst mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist.

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