Präambel VO (EG) 2009/664

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c, Artikel 65 und Artikel 67 Absätze 2 und 5,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Titel IV des Dritten Teils des Vertrags bildet die Rechtsgrundlage für die Annahme von Rechtsakten der Gemeinschaft im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.
(2)
Traditionell wurden Fragen der justiziellen Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten in Zivilsachen bisher in Abkommen zwischen diesen Parteien geregelt. Solche Abkommen, die es in großer Zahl gibt, spiegeln häufig besondere Bindungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat wider und sind dazu bestimmt, einen angemessenen Rechtsrahmen zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse der betroffenen Parteien zu bieten.
(3)
Artikel 307 des Vertrags sieht vor, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel anwenden, um etwaige Unvereinbarkeiten zwischen dem gemeinschaftlichen Besitzstand und internationalen Übereinkünften, die Mitgliedstaaten mit Drittstaaten geschlossen haben, zu beheben. Hieraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, dass diese Übereinkünfte neu ausgehandelt werden müssen.
(4)
Damit ein angemessener Rechtsrahmen zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse eines bestimmten Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zu einem Drittstaat geschaffen werden kann, kann darüber hinaus auch offensichtlicher Bedarf am Abschluss neuer Abkommen mit Drittstaaten in Bereichen der Ziviljustiz, die unter Titel IV des Dritten Teils des Vertrags fallen, bestehen.
(5)
In seinem Gutachten 1/03 vom 7. Februar 2006 zum Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano bestätigte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dass die Gemeinschaft die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss einer völkerrechtlichen Übereinkunft wie des Übereinkommens von Lugano mit Drittstaaten in Fragen, die die Vorschriften gemäß der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(2) ( „Brüssel I” ) betreffen, erlangt hat.
(6)
Es obliegt der Gemeinschaft, nach Maßgabe von Artikel 300 des Vertrags derartige Übereinkommen zwischen der Gemeinschaft und einem Drittstaat zu Fragen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, zu schließen.
(7)
Nach Artikel 10 des Vertrags sind die Mitgliedstaaten gehalten, der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern und alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten. Diese Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit ist ein generelles Gebot, das unabhängig davon gilt, ob die Gemeinschaft ausschließliche Zuständigkeit besitzt oder nicht.
(8)
Bezüglich Abkommen mit Drittstaaten über spezifische zivilrechtliche Fragen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, sollte ein kohärentes, transparentes Verfahren festgelegt werden, mit dem einem Mitgliedstaat gestattet werden kann, ein bestehendes Abkommen zu ändern oder ein neues Abkommen auszuhandeln und zu schließen, insbesondere solange die Gemeinschaft nicht selbst ihr Interesse an der Wahrnehmung ihrer Außenkompetenzen und dem Abschluss eines Abkommens im Wege eines bereits bestehenden oder eines geplanten Verhandlungsmandats bekundet hat. Das Verfahren sollte die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft sowie die Bestimmungen der Artikel 300 und 307 des EG-Vertrags unberührt lassen. Es sollte als Sonderfall betrachtet und sachlich und zeitlich begrenzt werden.
(9)
Diese Verordnung sollte nicht anwendbar sein, wenn die Gemeinschaft mit dem betreffenden Drittstaat bereits ein Abkommen über denselben Gegenstand geschlossen hat. Bei zwei Abkommen sollte nur dann davon ausgegangen werden, dass sie denselben Gegenstand betreffen, wenn und insofern sie dieselben spezifischen rechtlichen Fragen in der Sache regeln. Bestimmungen, die lediglich eine allgemeine Absicht zur Zusammenarbeit in solchen Fragen ausdrücken, sollten nicht als denselben Gegenstand betreffend gelten.
(10)
Bestimmte regionale Abkommen, auf die in bestehenden Gemeinschaftsrechtsakten Bezug genommen wird, sollten von dieser Verordnung ebenfalls erfasst werden.
(11)
Um sicherzustellen, dass durch ein geplantes Abkommen eines Mitgliedstaats dem Gemeinschaftsrecht seine Wirksamkeit nicht genommen und das durch dieses Recht geschaffene System in seiner Funktionsweise oder die von der Gemeinschaft beschlossene Politik im Bereich der Außenbeziehungen der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt wird, sollte der betreffende Mitgliedstaat der Kommission seine Absicht im Hinblick darauf mitteilen müssen, dass ihm die Genehmigung erteilt wird, förmliche Verhandlungen über ein Abkommen aufzunehmen oder fortzuführen und ein Abkommen zu schließen. Eine solche Mitteilung sollte durch ein Schreiben oder durch eine elektronische Mitteilung erfolgen. Die Mitteilung sollte alle sachdienlichen Angaben und Unterlagen enthalten, mit denen die Kommission in die Lage versetzt wird, die voraussichtlichen Folgen des Ergebnisses der Verhandlungen für das Gemeinschaftsrecht abzuschätzen.
(12)
Es sollte geprüft werden, ob die Gemeinschaft hinreichendes Interesse daran hat, ein bilaterales Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittstaat zu schließen oder gegebenenfalls ein bestehendes bilaterales Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat durch ein Abkommen der Gemeinschaft zu ersetzen. Zu diesem Zweck sollten alle Mitgliedstaaten über eine etwaige Mitteilung, die die Kommission bezüglich eines von einem Mitgliedstaat geplanten Abkommens erhalten hat, informiert werden, damit sie ihr Interesse daran bekunden können, sich der Initiative des Mitgliedstaats, der die Unterrichtung vornimmt, anzuschließen. Geht aus diesem Informationsaustausch ein hinreichendes Interesse der Gemeinschaft hervor, so sollte die Kommission in Erwägung ziehen, ein Verhandlungsmandat im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Drittstaat vorzuschlagen.
(13)
Verlangt die Kommission von einem Mitgliedstaat zusätzliche Informationen, um prüfen zu können, ob dem Mitgliedstaat die Genehmigung erteilt werden sollte, Verhandlungen mit einem Drittstaat aufzunehmen, sollte sich ein solches Ersuchen nicht auf die Fristen, in denen die Kommission eine begründete Entscheidung über den Antrag des Mitgliedstaats erlassen muss, auswirken.
(14)
Falls erforderlich, sollte die Kommission im Rahmen der Genehmigung der Aufnahme förmlicher Verhandlungen die Möglichkeit haben, Verhandlungsleitlinien vorzuschlagen und die Aufnahme spezieller Bestimmungen in das geplante Abkommen zu verlangen. Die Kommission sollte in den verschiedenen Stadien der Verhandlungen umfassend informiert werden, soweit Fragen betroffen sind, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, und sie sollte ermächtigt werden, als Beobachter an den Verhandlungen über diese Fragen teilzunehmen.
(15)
Wenn die Mitgliedstaaten die Kommission ihre Absicht mitteilen, Verhandlungen mit einem Drittstaat aufzunehmen, sollten sie der Kommission nur Angaben übermitteln müssen, die für die von der Kommission durchzuführende Prüfung relevant sind. Die Genehmigung durch die Kommission und etwaige Verhandlungsleitlinien oder gegebenenfalls die Ablehnung durch die Kommission sollten nur Fragen betreffen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.
(16)
Alle Mitgliedstaaten sollten über Mitteilungen, die die Kommission zu geplanten oder ausgehandelten Abkommen erhalten hat, und über alle begründeten Entscheidungen, die die Kommission im Rahmen dieser Verordnung trifft, informiert werden. Dabei sollten jedoch etwaige Vertraulichkeitsanforderungen in vollem Umfang eingehalten werden.
(17)
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission sollten sicherstellen, dass alle Angaben, die als vertraulich eingestuft werden, im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission(3) behandelt werden.
(18)
Wenn die Kommission auf der Grundlage ihrer Prüfung beabsichtigt, die Aufnahme förmlicher Verhandlungen oder den Abschluss eines ausgehandelten Abkommens nicht zu genehmigen, sollte sie gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat eine Stellungnahme abgeben, bevor sie ihre begründete Entscheidung erlässt. Im Falle der Nichtgenehmigung des Abschlusses eines ausgehandelten Abkommens sollte die Stellungnahme auch dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt werden.
(19)
Um sicherzustellen, dass ein ausgehandeltes Abkommen die Durchführung der Politik der Gemeinschaft im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen gegenüber Drittstaaten nicht behindert, sollte das Abkommen entweder dessen teilweise oder vollständige Kündigung für den Fall des Abschlusses eines späteren Abkommens zwischen der Gemeinschaft oder der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und demselben Drittstaat andererseits über denselben Gegenstand vorsehen oder ein unmittelbares Ersetzen der entsprechenden Vorschriften des Abkommens durch Vorschriften eines späteren Abkommens.
(20)
Übergangsbestimmungen sollten für die Fälle vorgesehen werden, in denen ein Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung mit einem Drittstaat bereits Verhandlungen über ein Abkommen aufgenommen oder die Verhandlungen beendet, aber noch nicht seine Zustimmung bekundet hat, durch das Abkommen gebunden zu sein.
(21)
Um sicherzustellen, dass bezüglich der Anwendung dieser Verordnung genügend Erfahrungen gesammelt wurden, sollte die Kommission einen Bericht über deren Anwendung frühestens acht Jahre nach dem Erlass dieser Verordnung vorlegen. In diesem Bericht sollte die Kommission in Ausübung ihrer Befugnisse den vorläufigen Charakter dieser Verordnung bestätigen oder prüfen, ob diese Verordnung durch eine neue Verordnung ersetzt werden sollte, die denselben Gegenstand abdeckt oder sich auch auf andere Fragen erstreckt, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen und durch andere Gemeinschaftsrechtsakte geregelt sind.
(22)
Wenn der von der Kommission unterbreitete Bericht den vorläufige Charakter der vorliegenden Verordnung bestätigt, sollten die Mitgliedstaaten auch nach der Vorlage des Berichts die Möglichkeit haben, die Kommission über laufende oder bereits angekündigte Verhandlungen zu unterrichten, damit ihnen die Genehmigung zur Aufnahme förmlicher Verhandlungen erteilt wird.
(23)
Gemäß dem in Artikel 5 des Vertrags genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderliche Maß hinaus.
(24)
Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.
(25)
Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position Dänemarks im Anhang des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 7. Mai 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

(3)

ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.

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