ANHANG II VO (EG) 2009/761

A.22. LÄNGENGEWICHTETER MITTLERER GEOMETRISCHER DURCHMESSER VON FASERN

1.
METHODE

1.1.
EINLEITUNG

Mit dieser Testmethode wird ein Verfahren zur Messung des längengewichteten mittleren geometrischen Durchmessers (GWGMD — Length Weighted Geometric Mean Diameter) von künstlichen Mineralfasern (MMMF — Man Made Mineral Fibres) beschrieben. Da der LWGMD der Population mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen den 95 %-Vertrauensintervallen (LWGMD ±2 Standardfehler) der Probe liegt, entspricht der im Bericht angegebene Wert (der Testwert) der unteren 95 %-Vertrauensgrenze der Probe (d. h. LWGMD — 2 Standardfehler). Diese Methode basiert auf einer aktualisierten Fassung (Juni 1994) des Entwurfs einer HSE-Industrieverfahrensweisung, die am 26. September 1993 in Chester zwischen ECFIA und HSE vereinbart und für und aus einem zweiten laborinternen Versuch entwickelt wurde (1, 2). Diese Messmethode kann zur Kennzeichnung des Faserdurchmessers von Schüttgutstoffen oder Produkten verwendet werden, die MMMF enthalten, z. B. feuerfeste Keramikfasern (PCF — Refractory Ceramic Fibres), künstliche Glasfasern (MMVF — Man-Made Vitreous Fibres), kristalline und polykristalline Fasern. Die Längengewichtung dient zur Kompensation der Auswirkungen auf die Durchmesserverteilung, zu denen es durch den Bruch langer Fasern bei der Probenahme oder beim Umgang mit dem Material kommt. Die Größenverteilung der Durchmesser der MMMF wird durch geometrische statistische Verfahren (geometrisches Mittel) gemessen, da diese Durchmesser normalerweise Größenverteilungen aufweisen, die näherungsweise dem Lognormal entsprechen. Die Messung der Länge und des Durchmessers ist ein mühsamer, zeitaufwändiger Prozess, werden jedoch nur jene Fasern gemessen, die eine unendlich dünne Linie in einem REM-Sichtfeld berühren, so ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Faser auszuwählen, proportional zu deren Länge. Da damit die Länge in den Berechnungen der Längengewichtung berücksichtigt wird, muss lediglich der Durchmesser gewichtet werden; der LWGMD — 2SF kann dann auf die beschriebene Weise berechnet werden.

1.2.
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Partikel: Ein Objekt mit einem Länge-Breite-Verhältnis von weniger als 3:1. Faser: Ein Objekt mit einem Länge-Breite-Verhältnis (Seitenverhältnis) von mindestens 3:1.

1.3.
UMFANG UND EINSCHRÄNKUNGEN

Durch diese Methode sollen die Durchmesserverteilungen untersucht werden, deren mittlerer Durchmesser zwischen 0,5 μm und 6 μm liegt. Größere Durchmesser können mithilfe geringerer REM-Vergrößerungsfaktoren gemessen werden, allerdings stößt diese Methode bei feineren Faserverteilungen zunehmend an seine Grenzen; bei mittleren Durchmessern unter 0,5 μm wird die Messung mit Transmissions-Elektronenmikroskopen (TEM) empfohlen.

1.4.
PRINZIP DER TESTMETHODE

Aus der Fasermatte oder aus losen Fasern wird eine bestimmte Anzahl repräsentativer Kernproben entnommen. Die Länge der losen Fasern wird durch Brechen verringert und es wird eine repräsentative Teilprobe in Wasser dispergiert. Aliquote Teile werden extrahiert und durch ein Polycarbonatfilter mit einer Porengröße von 0,2 μm gefiltert und zur Untersuchung unter einem Rasterelektronenmikroskop (SEM) vorbereitet. Die Faserdurchmesser werden mit einem Rastervergrößerungsfaktor von × 10000 oder mehr(1) nach einem Line-Intercept-Verfahren gemessen, das eine unverfälschte Schätzung des mittleren Durchmessers ergibt. Das untere 95 %-Vertrauensintervall (auf der Basis eines einseitigen Tests) wird so berechnet, dass ein Schätzwert für den niedrigsten Wert des mittleren geometrischen Faserdurchmessers des Materials entsteht.

1.5.
BESCHREIBUNG DER TESTMETHODE

1.5.1.
Sicherheits-/Vorsichtsmaßnahmen

Die Belastung des menschlichen Organismus durch Schwebfasern ist zu minimieren; daher ist bei der Arbeit mit den trockenen Fasern ein Abzugsschrank oder eine Glove-Box zu verwenden. In periodischen Abständen ist die Belastung des menschlichen Organismus zu überwachen, um die Wirkung der Schutzverfahren zu überprüfen. Bei der Handhabung von MMMF sind Einweghandschuhe zu tragen, um Hautreizungen zu verringern und eine Querkontaminierung zu vermeiden.

1.5.2.
Geräte/Apparatur

Press- und Formwerkzeug (für 10 MPa).

Polycarbonat-Kapillarporenfilter mit 0,2 μm Porengröße (Durchmesser 25 mm).

Zelluloseestermembranfilter mit 5 μm Porengröße zur Verwendung als Zusatzfilter.

Glasfiltervorrichtung (oder Einwegfiltersysteme) für die Aufnahme von Filtern mit 25 mm Durchmesser (z. B. Millipore-Glasmikroanalyse-Filtersatz, Typ XX10 025 00).

Frisch destilliertes Wasser, das zur Ausfilterung von Mikroorganismen durch einen Filter mit 0,2 μm Porengröße gefiltert wurde.

Sputter-Beschichtungsvorrichtung mit Gold- oder Gold/Palladium-Target.

Rasterelektronenmikroskop mit einem Auflösevermögen bis 10 nm und Vergrößerungsfaktor bis x 10000.

Diverses: Spatel, Skalpellmesser Typ 24, Pinzette, REM-Röhrchen, Kohlenstoffkleber oder Kohlenstoffklebeband, Kolloidalsilber ( „Silver dag” ).

Ultraschallsonde oder Tisch-Ultraschallbad.

Kernbohrer oder Korkbohrer für die Entnahme von Kernproben aus MMMF-Fasermatten.

1.5.3.
Testverfahren

1.5.3.1.
Probenahme

Bei Fasermatten und Platten wird ein 25 mm-Kernbohrer oder Korkbohrer zur Entnahme von Proben aus dem Querschnitt verwendet. Diese Proben sind gleichmäßig über die Breite a der Schmalseite der Matte anzuordnen oder, wenn lange Abschnitte der Matte zur Verfügung stehen, aus beliebigen Stellen zu entnehmen. Die gleichen Hilfsmittel können auch für die Entnahme von Zufallsproben aus losen Fasern verwendet werden. Es sind sechs Stichproben möglichst so zu entnehmen, das räumliche Schwankungen im losen Material damit wiedergegeben werden. Die sechs Kernproben sind in einem Stempel mit 50 mm Durchmesser unter 10 MPa zu zerkleinern. Das Material wird mit einem Spachtel durchmischt und bei 10 MPa erneut gepresst. Anschließend wird das Material aus dem Stempel entnommen und in einer verschlossenen Glasflasche gelagert.

1.5.3.2.
Vorbereitung der Probe

Falls erforderlich, können organische Bindemittel entzogen werden, indem die Faser ca. eine Stunde lang bei 450 °C in einen Ofen eingelegt wird. Die Probe nach dem Cone-and-Quarter-Verfahren in vier gleiche Teile unterteilen (dieser Schritt sollte in einem Staubschrank erfolgen). Mit einem Spatel eine geringe Menge (< 0,5 g) der Probe in 100 ml frisch destilliertes Wasser geben, das durch einen 0,2 μm-Membranfilter gefiltert wurde (andere Beschaffungsquellen von hochreinem Wasser sind ebenfalls zulässig, wenn sie nachgewiesenermaßen von ausreichender Qualität sind). Die Probe mithilfe einer mit 100 W betriebenen Ultraschallsonde, die so eingestellt ist, dass eine Kavitation eintritt, gründlich dispergieren (Steht keine Sonde zur Verfügung, ist wie folgt vorzugehen: 30 Sekunden lang mehrmals schütteln und umkehren; fünfminütige Ultraschallbehandlung in einem Tisch-Ultraschallbad; dann wieder 30 Sekunden lang mehrmals schütteln und umkehren). Sofort nach der Dispersion der Faser mehrere aliquote Teile (z. B. drei aliquote Teile mit 3, 6 und 10 ml) mit einer breiten Pipette (Aufnahmevermögen 2-5 ml) entnehmen. Jeder aliquote Teil wird durch einen 0,2 μm-Polycarbonatfilter mit MEC-Zusatzfilter mit 5 µm-Poren unter Verwendung eines 25-mm-Glasfiltertrichters mit zylindrischem Vorratsbehälter vakuumgefiltert. Rund 5 ml des gefilterten destillierten Wassers wird in den Trichter gegeben und den aliquoten Teil langsam in das Wasser gegeben, wobei die Pipettenspitze unterhalb des Meniskus gehalten wird. Pipette und Vorratsbehälter müssen nach dem Pipettieren gründlich gespült werden, da dünne Fasern dazu neigen, sich eher an der Oberfläche anzusammeln. Filter vorsichtig entnehmen und vom Zusatzfilter trennen, bevor er zum Trocknen in einen Behälter eingelegt wird. Einen Viertel- oder halben Filterquerschnitt der Filterrückstände mit ruckartigen Bewegungen mit einem Skalpell Typ 24 ausschneiden. Den ausgeschnittenen Querschnitt mit Kohlenstoffklebeband oder Kohlenstoffkleber vorsichtig auf dem Träger ( „Stub” ) des REM befestigen. An mindestens drei Stellen ist Kolloidalsilber zur Verbesserung des elektrischen Kontakts der Filterränder und des „Stub” aufzubringen. Wenn der Klebstoff bzw. das Kolloidalsilber getrocknet ist, durch Sputter-Beschichtung ca. 50 nm Gold oder Gold/Palladium auf die Oberfläche des Filterrückstands aufbringen.

1.5.3.3.
Kalibrierung und Betrieb des REM

1.5.3.3.1.
Kalibrierung
Die Kalibrierung des REM ist mindestens einmal wöchentlich (idealerweise täglich) anhand eines freigegebenen Kalibriergitters zu kontrollieren. Die Kalibrierung ist anhand eines freigegebenen Normals zu kontrollieren; stimmt der Messwert (REM) nicht auf ±2 % mit dem zertifizierten Wert überein, muss die Kalibrierung des REM nachjustiert und erneut kontrolliert werden. Das REM muss bei Verwendung einer Probenmatrix mindestens die Auflösung eines sichtbaren Mindestdurchmessers von 0,2 µm bei einem Vergrößerungsfaktor × 2000 ermöglichen.
1.5.3.3.2.
Betrieb
Das REM ist mit einem Vergrößerungsfaktor von 10000(2) unter Bedingungen zu betrieben, die eine gute Auflösung und eine akzeptable Bildqualität bei geringer Abtastgeschwindigkeit von beispielsweise 5 Sekunden je Aufnahme ergeben. Da die Betriebsvoraussetzungen unterschiedlicher REM sich voneinander unterscheiden können, sind bei Materialien mit relativ geringer Atommasse Beschleunigungsspannungen von 5-10 keV zu verwenden, um eine möglichst gute Sichtbarkeit und Auflösung zu erreichen; dabei ist eine geringe Punktgröße und ein kurzer Arbeitsabstand einzustellen. Wird ein Linear-Trverse-Verfahren angewandt, ist eine Neigung von 0o zu verwenden, um Refokussierung auf ein Minimum zu beschränken; weist das REM eine euzentrische Stufe auf, ist der euzentrische Arbeitsabstand zu verwenden. Ein geringerer Vergrößerungsfaktor kann verwendet werden, wenn das Material keine kleinen Fasern (mit geringem Durchmesser) enthält und große Faserdurchmesser (> 5 μm) vorliegen.

1.5.3.4.
Größenbestimmung

1.5.3.4.1.
Bewertung der Probe bei geringer Vergrößerung
Zunächst ist die Probe mit einem geringen Vergrößerungsfaktor auf Anzeichen von Klumpenbildung größerer Fasern zu untersuchen und die Faserndichte zu ermitteln. Bei übermäßiger Klumpenbildung wird empfohlen, eine neue Probe herzustellen. Aus Gründen der statistischen Genauigkeit muss eine bestimmte Mindestzahl Fasern gemessen werden, eine hohe Faserndichte ist dabei erstrebenswert, da die Untersuchung leerer Felder zeitaufwändig ist und keinen Beitrag zum Analyseergebnis liefert. Ist der Filter jedoch überladen, ist die Messung aller messbaren Fasern erschwert und es besteht die Gefahr, dass kleinere Fasern durch größere Fasern überdeckt und dadurch übersehen werden. Eine Verfälschung in Richtung einer zu hoch geschätzten LWGMD kann dann eintreten, wenn Faserdichten von mehr als 150 Fasern je Millimeter Linear-Traverse vorliegen. Durch geringe Faserkonzentrationen nimmt andererseits die Dauer der Analyse zu, weshalb es oft kostengünstiger ist, eine Probe herzustellen, deren Faserdichte näher am Optimum liegt, statt ständig die Faserzahlen in Filtern geringer Konzentrationen zu zählen. Die optimale Faserdichte soll durchschnittlich ca. 1 oder 2 zählbare Fasern je Sichtfeld bei einer 5000-fachen Vergrößerung ergeben. Allerdings ist die optimale Dichte von der Größe (Durchmesser) der Fasern abhängig, also muss der Bediener mit entsprechendem Sachverstand entscheiden, ob die Faserdichte dem Optimum nahekommt oder nicht.
1.5.3.4.2.
Längengewichtung der Faserdurchmesser
Es werden nur diejenigen Fasern gezählt, die eine (unendlich) dünne Linie auf dem Raster des REM berühren (oder kreuzen). Hierzu wird eine waagerechte (oder vertikale) Linie durch die Rastermitte gezogen. Alternativ dazu wird ein einzelner Punkt in der Mitte des Rasters angeordnet und ein kontinuierlicher Abtastvorgang in einer Richtung über den Filter hinweg gestartet. Der Durchmesser jeder Faser mit einem Seitenverhältnis von mehr als 3:1, die diesen Punkt berührt oder kreuzt, wird gemessen und aufgezeichnet.
1.5.3.4.3.
Bestimmung der Fasergröße
Es wird empfohlen, mindestens 300 Fasern zu messen. Jede Faser wird nur ein einziges Mal am Schnittpunkt mit der auf dem Bild gezeichneten Linie oder Punkt (oder nahe dem Schnittpunkt, wenn die Faserkanten verdeckt sind) gemessen. Werden Fasern mit uneinheitlichen Querschnitten festgestellt, ist eine Messung am durchschnittlichen Faserdurchmesser zugrundezulegen. Bei der Festlegung des Randes und der Messung des geringsten Abstands zwischen den Faserrändern ist vorsichtig vorzugehen. Die Größenbestimmung kann online oder offline an gespeicherten Bildern oder Fotoaufnahmen erfolgen. Die Verwendung von halbautomatischen Bildmesssystemen, bei denen die Daten direkt in eine Tabellenkalkulation geladen werden, ist zu empfehlen, da diese Verfahren Zeit sparen, Abschriftfehler vermeiden und eine automatische Berechnung ermöglichen. Die Enden langer Fasern sind bei geringer Vergrößerung zu prüfen, damit sichergestellt ist, dass sie sich nicht in den Sichtbereich des Messfeldes rollen und nur einmal gemessen werden.

2.
DATEN

2.1.
BEHANDLUNG DER ERGEBNISSE

Die Faserdurchmesser weisen normalerweise keine Normalverteilung auf. Mit Hilfe einer Log-Transformation kann jedoch eine Verteilung ermittelt werden, die näherungsweise der Normalverteilung entspricht. Das arithmetische Mittel (mittlerer lnD) und die Standardabweichung (SDlnD) der lnD-Werte (log to base e) der n Faserdurchmesser (D) wird berechnet.
mittl. lnD = ΣlnDn(1)
SDlnD = Σ(lnD – mittl. lnD)2n – 1(2)
Die Standardabweichung wird durch die Quadratwurzel der Anzahl Messungen (n) dividiert und daraus der Standardfehler (SElnD) ermittelt.
SElnD = SDn(3)
Das Zweifache des Standardfehlers wird vom Mittelwert abgezogen und der Exponentialwert dieses Wertes (Mittelwert minus dem Zweifachen des Standardfehlers) berechnet; dies ergibt den geometrischen Mittelwert minus zwei geometrischen Standardfehlern.
LWGMD – 2SE = e(mittl. lnD – 2SElnd)(4)

3.
BERICHTSERSTELLUNG

TESTBERICHT

Der Testbericht muss mindestens folgende Angaben enthalten:

den Wert für LWGMD-2SE,

etwaige Abweichungen, vor allem jene, die sich auf Präzision oder Genauigkeit der Ergebnisse auswirken (mit entsprechenden Begründungen).

4.
LITERATUR

1.
B. Tylee SOP MF 240. Health and Safety Executive. February 1999.
2.
G. Burdett und G. Revell. Development of a standard method to measure the length-weigthed geometric mean fibre diameter: Results of the Second inter-laboratory exchange. IR/L/MF/94/07. Project R42.75 HPD. Health and Safety Executive. Research and Laboratory Services Division, 1994.

Fußnote(n):

(1)

Dieser Vergrößerungsfaktor bezieht sich auf 3 µm-Fasern; bei 6 µm-Fasern ist ein Vergrößerungsfaktor von × 5000 möglicherweise geeigneter.

(2)

Siehe vorherige Fußnote zu 3 μm-Fasern.

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