Präambel VO (EG) 96/240

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen(1), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, insbesondere auf Artikel 1,

nach Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs(2),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Kommission ist nach der Verordnung Nr. 19/65/EWG ermächtigt, durch Verordnung Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte unter Artikel 85 Absatz 1 fallende Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen anzuwenden, welche Beschränkungen enthalten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Nutzung von gewerblichen Schutzrechten — insbesondere von Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern oder Warenzeichen — oder im Zusammenhang mit den Rechten aus einem Vertrag zur Übertragung oder Gebrauchsüberlassung von Herstellungsverfahren oder von zum Gebrauch und zur Anwendung von Betriebstechniken dienenden Kenntnissen auferlegt sind.
(2)
Die Kommission hat von dieser Ermächtigung durch den Erlaß der Verordnungen (EWG) Nr. 2349/84 vom 23. Juli 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Patentlizenzvereinbarungen(3), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2131/95(4), und (EWG) Nr. 556/89 vom 30. November 1988 zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Know-how-Vereinbarungen(5), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, Gebrauch gemacht.
(3)
Es empfiehlt sich, den Anwendungsbereich der genannten Gruppenfreistellungen in einer einzigen Verordnung über Technologietransfervereinbarungen zu erfassen und die für Patentlizenz- und Know-how-Vereinbarungen geltenden Bestimmungen so weit wie möglich zu harmonisieren und zu vereinfachen, um die Verbreitung technischer Kenntnisse in der Gemeinschaft und die Herstellung technisch verbesserter Produkte zu fördern. Die Verordnung (EWG) Nr. 556/89 ist deshalb aufzuheben.
(4)
Diese Verordnung muß daher sowohl für Lizenzen über nationale Patente der Mitgliedstaaten als auch für Lizenzen über Gemeinschaftspatente(6) und europäische Patente(7) (reine Patentlizenzen) gelten. Sie ist außerdem auf Lizenzvereinbarungen über nicht patentgeschützte technische Kenntnisse (z. B. in Form von Beschreibungen von Herstellungsverfahren, Rezepten, Formeln, Mustern oder Zeichnungen), allgemein als Know-how bezeichnet (reine Know-how-Vereinbarungen), sowie auf gemischte Patentlizenz- und Know-how-Vereinbarungen (gemischte Vereinbarungen) anzuwenden. Letztere gewinnen für den Technologietransfer zunehmend an Bedeutung. Einige der in dieser Verordnung verwendeten Begriffe sind in Artikel 10 definiert.
(5)
Patentlizenz- und Know-how-Vereinbarungen sind Vereinbarungen, in denen ein Unternehmen, das Inhaber eines Patents oder nicht patentgeschützter technischer Kenntnisse ist (Lizenzgeber), einem anderen Unternehmen (Lizenznehmer) die Nutzung des lizenzierten Patents gestattet oder ihm sein Know-how zum Zwecke der Herstellung, des Gebrauchs und des Inverkehrbringens mitteilt. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen läßt sich eine Gruppe von Lizenzvereinbarungen für das Gesamtgebiet oder einen Teil des Gemeinsamen Marktes bestimmen, die zwar unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen können, für die jedoch die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 regelmäßig als erfüllt angesehen werden können, sofern die Patente für die Verwirklichung des Zwecks der durch eine gemischte Vereinbarung überlassenen Technologie notwendig sind oder sofern das lizenzierte Know-how unabhängig davon, ob es mit den Patenten verbunden oder selbständig ist, geheim, wesentlich und in einer geeigneten Form identifiziert ist. Diese Qualifizierungsmerkmale sollen lediglich sicherstellen, daß das lizenzierte Know-how oder das lizenzierte Patent die Gruppenfreistellung für wettbewerbsbeschränkende Verpflichtungen rechtfertigt. Das Recht der Vertragspartner, andere Verpflichtungen wie etwa die Pflicht zur Zahlung von Lizenzgebühren in den Vertrag aufzunehmen, selbst wenn die Gruppenfreistellung nicht mehr gilt, bleibt hiervon unberührt.
(6)
Der Anwendungsbereich dieser Verordnung ist auf reine oder gemischte Vereinbarungen auszudehnen, die eine Lizenz über andere Rechte des geistigen Eigentums als Patente enthalten (insbesondere Warenzeichen- und Geschmacksmusterrechte, Urheberrechte — z. B. Software), und wenn eine solche zusätzliche Lizenz zur Verwirklichung des Zwecks der überlassenen Technologie beiträgt und lediglich Nebenbestimmungen enthält.
(7)
Enthalten solche reinen oder gemischten Lizenzvereinbarungen nicht nur Verpflichtungen für Gebiete innerhalb des Gemeinsamen Marktes, sondern auch für Drittländer, so schließt dies die Anwendbarkeit dieser Verordnung auf die Verpflichtungen, die sich auf Gebiete innerhalb des Gemeinsamen Marktes beziehen, nicht aus. Sind mit den Lizenzvereinbarungen für Drittländer oder für Gebiete, die die Grenzen der Gemeinschaft überschreiten, Wirkungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes verbunden, die unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen können, so gilt diese Verordnung für sie in der gleichen Weise, wie sie auch für Vereinbarungen gilt, die Gebiete innerhalb des Gemeinsamen Marktes betreffen.
(8)
Im Interesse des Technologietransfers und der Verbesserung der Produktion ist die Anwendbarkeit dieser Verordnung davon abhängig zu machen, daß der Lizenznehmer das Lizenzerzeugnis selbst herstellt oder für eigene Rechnung herstellen läßt oder im Fall einer Dienstleistung die Leistung selbst erbringt oder für eigene Rechnung erbringen läßt, unabhängig davon, ob er auch dazu berechtigt ist, vertrauliche Informationen des Lizenzgebers für die Werbung und den Vertrieb des Lizenzerzeugnisses zu nutzen. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung auszuschließen sind daher Vereinbarungen, die nur den Vertrieb betreffen. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung auszuschließen sind auch Vereinbarungen über die Mitteilung von Vermarktungs-Know-how, die im Rahmen von Franchise-Verträgen geschlossen werden, und bestimmte Lizenzvereinbarungen, die in Verbindung mit Vereinbarungen über Gemeinschaftsunternehmen oder Patentgemeinschaften oder Abreden getroffen werden, bei denen eine Lizenz im Austausch gegen andere Lizenzen erteilt wird, die sich nicht auf Verbesserungen oder neue Anwendungen der überlassenen Technologie beziehen. Solche Vereinbarungen werfen andere Probleme auf, die sich derzeit nicht in einer einzigen Verordnung regeln lassen (Artikel 5).
(9)
Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Veräußerung und ausschließlicher Lizenz und um zu verhindern, daß die Verordnung dadurch umgangen wird, daß die Erteilung wettbewerbsbeschränkender ausschließlicher Lizenzen als Veräußerung ausgegeben wird, muß diese Verordnung auch für Vereinbarungen über die Veräußerung und den Erwerb von Patenten oder Know-how gelten, soweit das Risiko der wirtschaftlichen Verwertung beim Veräußerer verbleibt. Sie muß auch dann gelten, wenn der Lizenzgeber nicht Inhaber des Patents oder des Know-hows ist, aber vom Rechtsinhaber zur Erteilung der Lizenz ermächtigt ist, insbesondere bei Unterlizenzen. Sie muß ferner auf Lizenzvereinbarungen anwendbar sein, in denen Rechte oder Pflichten der Vertragspartner von mit ihnen verbundenen Unternehmen übernommen werden (Artikel 6).
(10)
Vereinbarungen über ausschließliche Lizenzen, d. h. Vereinbarungen, in denen sich der Lizenzgeber verpflichtet, die überlassene Technologie im Vertragsgebiet nicht selbst zu nutzen und dort keine weitere Lizenz zu vergeben, sind als solche unter Berücksichtigung des Forschungsaufwands, der Intensivierung des Wettbewerbs, vor allem des Markenwettbewerbs, und der größeren Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen, die mit der Verbreitung von Innovationen in der Gemeinschaft einhergehen, nicht unvereinbar mit Artikel 85 Absatz 1, wenn eine neue Technologie im Vertragsgebiet eingeführt und geschützt werden soll. Soweit derartige Vereinbarungen unter Artikel 85 Absatz 1 fallen können, sollten auch diese Vereinbarungen in Artikel 1 aufgenommen werden, damit sie in den Genuß der Freistellung gelangen.
(11)
Die Freistellung von Ausfuhrverboten für den Patenzlizenzgeber und seine Lizenznehmer greift möglichen Weiterentwicklungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Hinblick auf die Artikel 30 bis 36 und 85 Absatz 1 nicht vor. Dies gilt insbesondere für das dem Lizenznehmer auferlegte Verbot, das lizenzierte Erzeugnis in den Gebieten anderer Lizenznehmer zu vertreiben (passiver Wettbewerb).
(12)
Die in Artikel 1 genannten Verpflichtungen tragen im allgemeinen zur Verbesserung der Produktion und zur Förderung des technischen Fortschritts bei. Sie erhöhen die Bereitschaft der Patent- oder Know-how-Inhaber zur Erteilung von Lizenzen und geben den Lizenznehmern einen Anreiz, in die Herstellung, die Benutzung, den Vertrieb eines neuen Produkts oder die Benutzung eines neuen Verfahrens zu investieren. Für Gebiete, in denen das Lizenzerzeugnis durch Patente geschützt ist, können solche Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung für die gesamte Laufzeit dieser Patente zugelassen werden.
(13)
Da es schwierig ist, den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem ein Know-how seinen geheimen Charakter verliert, sollte im Hinblick auf die Vertragsgebiete, in denen die überlassene Technologie nur aus Know-how besteht, die Geltung der erwähnten Verpflichtungen auf eine bestimmte Anzahl von Jahren befristet werden. Um eine ausreichende Schutzdauer sicherzustellen, sollte die Frist mit dem Tage beginnen, an welchem das Lizenzerzeugnis zum ersten Mal von einem Lizenznehmer in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht wird.
(14)
Eine längere Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 für den Gebietsschutz im Rahmen von Know-how-Vereinbarungen, insbesondere mit dem Ziel, aufwendige und risikoreiche Investitionen zu schützen, oder für den Fall, daß die Vertragspartner zum Zeitpunkt der Lizenzerteilung nicht miteinander im Wettbewerb standen, kann nur eine Einzelfallentscheidung vorsehen. Den Vertragspartnern steht es darüber hinaus frei, ihre Vereinbarung zwecks Verwertung etwaiger Verbesserungserfindungen zu verlängern oder zusätzliche Gebühren vorzusehen. In solchen Fällen kann jedoch ein neuer Gebietsschutz erst ab dem Zeitpunkt, in welchem für die geheimen Verbesserungen in der Gemeinschaft eine Lizenz erteilt worden ist, und auch nur im Wege einer Einzelfreistellung gewährt werden. Sollte die Suche nach Verbesserungen zu Innovationen führen, die sich von der überlassenen Technologie unterscheiden, so können die Vertragspartner eine neue Vereinbarung treffen, welche in den Genuß der Freistellung nach dieser Verordnung gelangt.
(15)
Freizustellen ist auch die Verpflichtung des Lizenznehmers, das Lizenzerzeugnis nach dessen erstem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft während eines auf einige Jahre begrenzten Zeitraums in den Gebieten der anderen Lizenznehmer nicht in Verkehr zu bringen (Verbot des aktiven und passiven Wettbewerbs). Dies gilt unabhängig davon, ob in den betroffenen Gebieten die überlassene Technologie ausschließlich aus Know-how, aus Patenten oder aus Know-how und Patenten besteht.
(16)
Die Freistellung des Gebietsschutzes sollte die gesamte Dauer der genehmigten Zeiträume umfassen, solange die notwendigen Patente bestehen oder solange das Know-how geheim und wesentlich bleibt. Die Partner einer gemischten Patentlizenz- und Know-how-Vereinbarung sollten die längere der Schutzfristen in Anspruch nehmen können, die in einem bestimmten Gebiet für das Patent oder das Know-how gelten.
(17)
Die Verpflichtungen in Artikel 1 erfüllen im allgemeinen auch die übrigen Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3. Die Verbraucher erhalten in der Regel einen angemessenen Anteil am Gewinn, der sich aus einer Verbesserung der Marktversorgung ergibt. Um diese Wirkung sicherzustellen, ist die Anwendung von Artikel 1 auszuschließen, wenn die Vertragspartner vereinbaren, der Nachfrage von Verbrauchern oder Wiederverkäufern aus ihrem jeweiligen Gebiet, die an ausländische Abnehmer liefern wollen, nicht zu entsprechen, oder sind andere Maßnahmen zu treffen, um Paralleleinfuhren zu verhindern. So umschrieben, enthalten die genannten Verpflichtungen nur die für die Erreichung ihrer Ziele unerläßlichen Beschränkungen.
(18)
Es ist zweckmäßig, in der vorliegenden Verordnung eine Anzahl von Verpflichtungen aufzuführen, die in Lizenzvereinbarungen häufig enthalten, jedoch in der Regel nicht wettbewerbsbeschränkend sind, um auch diesen den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung für den Fall zu gewähren, daß sie aufgrund besonderer wirtschaftlicher oder rechtlicher Umstände unter Artikel 85 Absatz 1 fallen. Die Aufzählung in Artikel 2 ist nicht erschöpfend.
(19)
In dieser Verordnung ist außerdem anzugeben, welche Beschränkungen oder Bestimmungen in Lizenzvereinbarungen nicht enthalten sein dürfen, damit die Gruppenfreistellung für sie in Anspruch genommen werden kann. Die in Artikel 3 genannten Beschränkungen können unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen. Bei ihnen läßt sich, obwohl sie mit dem Technologietransfer zusammenhängen, nicht allgemein vermuten, daß sie zu den von Artikel 85 Absatz 3 geforderten positiven Wirkungen führen, wie dies für eine Gruppenfreistellung erforderlich wäre. Vereinbarungen, die derartige Beschränkungen enthalten, können daher nur im Einzelfall unter Berücksichtigung insbesondere der Marktstellung der beteiligten Unternehmen und des Konzentrationsgrades des Marktes freigestellt werden.
(20)
Die Verpflichtungen des Lizenznehmers, die überlassene Technologie nach Ablauf der Vereinbarung nicht mehr zu nutzen, (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 3) und die von ihm vorgenommenen Verbesserungen dem Lizenzgeber zugänglich zu machen (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 4) beschränken im allgemeinen nicht den Wettbewerb. Ein nachvertragliches Nutzungsverbot kann als ein normaler Bestandteil der Lizenz angesehen werden, da der Lizenzgeber sonst gezwungen wäre, sein Know-how oder seine Patente auf unbegrenzte Zeit zu überlassen, was den Technologietransfer behindern könnte. Die Verpflichtung des Lizenznehmers, dem Lizenzgeber eine Lizenz für Verbesserungen am lizenzierten Know-how und/oder Patent zu erteilen, stellt keine Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn der Lizenznehmer vertraglich befugt ist, an zukünftigen Erkenntnissen und Erfindungen des Lizenzgebers teilzuhaben. Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt hingegen dann vor, wenn die Vereinbarung den Lizenznehmer verpflichtet, seine Rechte an den Verbesserungen, die er an den überlassenen Technologie vorgenommen hat, an den Lizenzgeber abzutreten (Artikel 3 Nummer 6).
(21)
Die Liste derjenigen Klauseln, welche der Freistellung nicht entgegenstehen, enthält außerdem die Verpflichtung des Lizenznehmers, die Lizengebühren bis zum Ende der Vereinbarung weiterzuzahlen, unabhängig davon, ob das überlassene Know-how durch Handlungen Dritter oder des Lizenznehmers selbst offenkundig geworden ist (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 7). Aus Gründen der Zahlungserleichterung, muß es den Vertragspartnern freistehen, die Gebühren für die Nutzung der überlassenen Technologie, insbesondere durch die Festsetzung niedrigerer Sätze, auf einen die Geltungsdauer der lizenzierten Patente überschreitenden Zeitraum zu verteilen. In der Regel brauchen die Vertragspartner nicht vor den absehbaren finanziellen Folgen einer freiwillig geschlossenen Vereinbarung geschützt zu werden. Sie sollten deshalb die Freiheit haben, die angemessene Methode zur Finanzierung des Technologietransfers sowie die Art und Weise der Risikoverteilung selbst zu bestimmen. Wird jedoch mit Hilfe der Gebührenberechnung eine der in Artikel 3 dieser Verordnung aufgezählten Beschränkungen herbeigeführt, so kommt die Vereinbarung für eine Gruppenfreistellung nicht in Betracht.
(22)
Die Verpflichtung des Lizenznehmers, die Nutzung der überlassenen Technologie auf einen oder mehrere technische Anwendungsbereiche ( „field of use” ) oder Produktmärkte zu beschränken, fällt ebenfalls nicht unter Artikel 85 Absatz 1, weil der Lizenzgeber das Recht hat, seine Technologie nur für einen begrenzten Zweck weiterzugeben (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 8).
(23)
Klauseln über die Aufteilung des Kundenkreises in ein und demselben technischen Anwendungsbereich oder Produktmarkt — wie etwa das Verbot, bestimmte Kundenkategorien zu beliefern oder Bestimmungen gleicher Wirkung — haben zur Folge, daß die Vereinbarung von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen bleibt, sofern die Vertragspartner bei den Lizenzerzeugnissen miteinander in Wettbewerb stehen (Artikel 3 Nummer 4). Werden derartige Beschränkungen zwischen Unternehmen vereinbart, die nicht miteinander im Wettbewerb stehen, so unterliegt die Vereinbarung einer Einzelprüfung im Rahmen des Widerspruchverfahrens. Artikel 3 ist nicht anwendbar, wenn eine Patent- oder Know-how-Lizenz erteilt wird, um einem Kunden eine zweite Lieferquelle zu verschaffen. In diesem Fall bildet das dem zweiten Lizenznehmer auferlegte Verbot, andere als den betreffenden Kunden zu beliefern, eine unerläßliche Voraussetzung für die Erteilung der zweiten Lizenz, weil hierdurch keine unabhängige Versorgungsquelle auf dem Markt geschaffen werden soll. Entsprechendes gilt für eine Beschränkung der Mengen, die der Lizenznehmer dem betreffenden Kunden liefern darf (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 13).
(24)
Neben den bereits erwähnten Klauseln enthält die Liste der mit der Gruppenfreistellung unvereinbaren Beschränkungen auch solche hinsichtlich des Verkaufspreises des Lizenzerzeugnisses und der zu produzierenden oder abzusetzenden Mengen, weil der Lizenznehmer dadurch in der Nutzung der überlassenen Technologie stark beschränkt wird und weil insbesondere mengenmäßige Beschränkungen dieselbe Wirkung haben können wie Ausfuhrverbote (Artikel 3 Nummern 1 und 5). Dies gilt nicht in den Fällen, in denen eine Lizenz zur Nutzung der Technologie in bestimmten Produktionsanlagen erteilt wird und dem Lizenznehmer sowohl eine spezielle Technologie für die Errichtung, den Betrieb und die Wartung dieser Anlagen überlassen als auch die Erlaubnis gegeben wird, die Kapazität dieser Anlagen zu erhöhen oder weitere Anlagen für den eigenen Gebrauch zu normalen Geschäftsbedingungen zu errichten. Der Lizenzgeber ist allerdings berechtigt, den Lizenznehmer daran zu hindern, die ihm überlassene Technologie zur Errichtung von Anlagen für Dritte zu verwenden, da der Zweck der Vereinbarung nicht darin besteht, anderen Herstellern Zugang zur Technologie des Lizenzgebers zu gewähren, solange letztere geheim oder patentrechtlich geschützt ist (Artikel 2 Absatz 1 Nummer 12).
(25)
Vereinbarungen, die nicht ohne weiteres unter die Gruppenfreistellung fallen, weil sie Bestimmungen enthalten, die durch die Verordnung nicht ausdrücklich freigestellt, aber von der Freistellung auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, was unter anderem für die in Artikel 4 Absatz 2 genannten Bestimmungen gilt, werden unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 in Betracht kommen. Die Kommission kann auf Grund der Angaben, welche die Unternehmen ihr nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 3385/94 der Kommission(8) zu erteilen haben, rasch feststellen, ob dies im Einzelfall zutrifft. Die Kommission kann die Unternehmen von allen, im Formblatt A/B geforderten Angaben befreien, deren Beibringung ihr nicht erforderlich erscheint. Im allgemeinen wird sich die Kommission mit der Übermittlung des vollständigen Wortlauts des Lizenzvertrages sowie mit einer Schätzung der Marktstruktur und des Marktanteils des Lizenznehmers begnügen, die auf sofort erhältlichen Informationen beruht. Es ist deshalb vorzusehen, daß derartige Vereinbarungen daher in den Genuß der Freistellung gelangen, wenn sie bei der Kommission angemeldet werden und die Kommission innerhalb einer bestimmten Frist keine Einwände gegen die Freistellung erhebt.
(26)
Falls durch diese Verordnung freigestellte Vereinbarungen gleichwohl Wirkungen haben, die mit Artikel 85 Absatz 3 unvereinbar sind, so kann die Kommission den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellung entziehen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Lizenzprodukte im Lizenzgebiet keinem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt sind (Artikel 7). Eine solche Lage kann eintreten, wenn der Lizenznehmer eine starke Marktstellung besitzt. Bei der Beurteilung der Wettbewerbsbedingungen wird die Kommission ihr besonderes Augenmerk auf Märkte richten, in denen der Lizenznehmer einen Anteil von mehr als 40 % der Gesamtheit der Lizenzprodukte und aller weiteren Erzeugnisse oder Dienstleistungen, welche der Verbraucher auf Grund ihrer Eigenschaften, ihres Preises und ihres Verwendungszwecks als untereinander austauschbar oder substituierbar betrachtet, auf sich vereinigt.
(27)
Vereinbarungen, welche die Voraussetzungen der Artikel 1 und 2 erfüllen und keine weiteren Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken oder bewirken, brauchen nicht mehr angemeldet zu werden. Die Unternehmen sind jedoch weiterhin berechtigt, im Einzelfall auf Grund der Verordnung Nr. 17 des Rates(9), zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, ein Negativattest oder eine Freistellungserklärung gemäß Artikel 85 Absatz 3 zu beantragen. Sie können ihre Vereinbarungen, in denen der Lizenzgeber sich verpflichtet, im Lizenzgebiet keine weiteren Lizenzen zu erteilen, insbesondere dann anmelden, wenn der Marktanteil des Lizenznehmers tatsächlich oder möglicherweise oberhalb von 40 % liegt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. Nr. 36 vom 6. 3. 1965, S. 533/65.

(2)

ABl. Nr. C 178 vom 30. 6. 1994, S. 3.

(3)

ABl. Nr. L 219 vom 16. 8. 1984, S. 15.

(4)

ABl. Nr. L 214 vom 8. 9. 1995, S. 6.

(5)

ABl. Nr. L 61 vom 4. 3. 1989, S. 1.

(6)

Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentübereinkommen) vom 15. Dezember 1975 (ABl. Nr. L 17 vom 26. 1. 1976, S. 1).

(7)

Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973.

(8)

ABl. Nr. L 377 vom 31. 12. 1994, S. 28.

(9)

ABl. Nr. 13 vom 21. 2. 1962, S. 204/62.

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