Präambel VO (EU) 2011/1173

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 136 in Verbindung mit Artikel 121 Absatz 6,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, haben ein besonderes Interesse daran bzw. tragen eine besondere Verantwortung dafür, eine Wirtschaftspolitik zu verfolgen, durch die das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion gefördert wird, und Maßnahmen zu vermeiden, durch die dieses Funktionieren gefährdet wird.
(2)
Gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können im Euro-Währungsgebiet besondere, über die für alle Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen hinausgehende Maßnahmen ergriffen werden, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gewährleisten.
(3)
Die Erfahrungen und Fehler, die während des ersten Jahrzehnts der Wirtschafts- und Währungsunion gemacht wurden, haben gezeigt, dass die wirtschaftspolitische Steuerung in der Union verbessert werden muss und auf einer größeren nationalen Eigenverantwortung für die gemeinsam beschlossenen Regeln und Strategien sowie auf einem solideren Rahmen auf Unionsebene zur Überwachung der nationalen Wirtschaftspolitiken beruhen sollte.
(4)
Der verbesserte Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung sollte sich auf mehrere miteinander verknüpfte und ineinandergreifende Politiken für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung stützen, insbesondere eine Unionsstrategie für Wachstum und Beschäftigung, wobei besonderer Wert auf den Ausbau und die Stärkung des Binnenmarkts, die Förderung des internationalen Handels und der Wettbewerbsfähigkeit, ein Europäisches Semester für die verstärkte Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, einen wirksamen Rahmen zur Vermeidung und Korrektur übermäßiger Staatsdefizite (Stabilitäts- und Wachstumspakt), einen soliden Rahmen zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Mindestanforderungen an die nationalen Haushaltsrahmen sowie eine verstärkte Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte einschließlich der Aufsicht auf Makroebene durch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken zu legen ist.
(5)
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung insgesamt sollten die Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung ergänzen und mit ihr in Einklang stehen. Die Verflechtungen zwischen unterschiedlichen Schwerpunkten sollten nicht zu Ausnahmen von den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes führen.
(6)
Die Verwirklichung und Aufrechterhaltung eines dynamischen Binnenmarkts sollten als Bestandteil eines ordnungsgemäßen und reibungslosen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion angesehen werden.
(7)
Die Kommission sollte in dem Verfahren der verstärkten Überwachung in Bezug auf für jeden Mitgliedstaat spezifische Bewertungen, Überwachungsmaßnahmen, Missionen vor Ort, Empfehlungen und Warnungen eine gewichtigere Rolle wahrnehmen. Bei Beschlüssen über Sanktionen sollte die Rolle des Rates eingeschränkt sein und die umgekehrte Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit angewendet werden.
(8)
Im Hinblick auf einen ständigen Dialog mit den Mitgliedstaaten, der darauf abzielt, die Ziele dieser Verordnung zu erreichen, sollte die Kommission Überwachungsmissionen durchführen.
(9)
Die Kommission sollte die Verfahren der wirtschaftspolitischen Steuerung und insbesondere die Wirksamkeit und Angemessenheit der Sanktionen regelmäßig in großen Zügen bewerten. Diese Bewertungen sollten gegebenenfalls durch einschlägige Vorschläge ergänzt werden.
(10)
Bei der Durchführung dieser Verordnung sollte die Kommission die aktuelle Wirtschaftslage der betreffenden Mitgliedstaaten berücksichtigen.
(11)
Die Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung sollte eine engere und rechtzeitigere Einbindung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente einschließen.
(12)
Ein wirtschaftspolitischer Dialog mit dem Europäischen Parlament kann vorgesehen werden, der der Kommission die Möglichkeit bietet, ihre Analysen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und dem Vorsitzenden des Rates, der Kommission und gegebenenfalls dem Präsidenten des Europäischen Rates oder dem Präsidenten der Euro-Gruppe die Möglichkeit zu Diskussionen gibt. Eine solche öffentliche Debatte könnte eine Erörterung der Nebenwirkungen der nationalen Entscheidungen und öffentlichen Druck seitens der Partner auf die jeweiligen Akteure ermöglichen. Zwar wird anerkannt, dass die Verhandlungspartner des Europäischen Parlaments im Rahmen dieses Dialogs die jeweiligen Organe der Union und ihre Vertreter sind, doch kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments einem Mitgliedstaat, an den der Rat einen Beschluss gemäß Artikel 4, 5 und 6 dieser Verordnung gerichtet hat, die Gelegenheit bieten, an einer Aussprache teilzunehmen. Die Teilnahme des Mitgliedstaats an einer solchen Aussprache ist freiwillig.
(13)
Es sind zusätzliche Sanktionen erforderlich, um die Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet wirksamer zu machen. Durch diese Sanktionen sollte die Glaubwürdigkeit des Rahmens für die fiskalpolitische Überwachung der Union erhöht werden.
(14)
Durch die Bestimmungen dieser Verordnung sollten faire, zeitnahe, abgestufte und wirksame Mechanismen geschaffen werden für die Einhaltung sowohl der präventiven als auch der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken(4) und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit(5), wobei die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand der Kriterien des öffentlichen Defizits und des öffentlichen Schuldenstands geprüft wird.
(15)
Die auf Grundlage der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts gemäß dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen für Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, sollten einen Anreiz für die Anpassung an das mittelfristige Haushaltsziel und dessen Aufrechterhaltung schaffen.
(16)
Um von einer absichtlich oder aufgrund schwerwiegender Nachlässigkeit falschen Darstellung der öffentlichen Defizit- und Schuldendaten, die einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Koordination in der Union darstellen, abzuschrecken, sollte gegen die verantwortlichen Mitgliedstaaten eine Geldbuße verhängt werden.
(17)
Zur Ergänzung der Bestimmungen über die Berechnung der Geldbußen wegen der Manipulation von Statistiken und der Bestimmungen über das von der Kommission anzuwendende Verfahren zur Ermittlung derartiger Vorgänge sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte hinsichtlich der ausführlichen Kriterien zur Bestimmung der Höhe der Geldbuße und der Durchführung der Untersuchungen durch die Kommission zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.
(18)
Im Rahmen der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollte die Anpassung an das mittelfristige Haushaltsziel und dessen Einhaltung dadurch sichergestellt werden, dass einem Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist und der unzureichende Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung erzielt, eine Verpflichtung zur vorübergehenden Hinterlegung einer verzinslichen Einlage auferlegt wird. Dies sollte der Fall sein, wenn ein Mitgliedstaat, auch dann, wenn es sich um einen Mitgliedstaat mit einem Defizit unterhalb des Referenzwerts von 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) handelt, erheblich von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder dem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel abweicht und die Abweichung nicht korrigiert.
(19)
Die vorgeschriebene verzinsliche Einlage zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen sollte an den betreffenden Mitgliedstaat freigegeben werden, sobald der Rat sich davon überzeugt hat, dass der zugrunde liegenden Situation abgeholfen wurde.
(20)
Im Hinblick auf die korrektive Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollten Sanktionen gegen Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, in einer Verpflichtung zur Hinterlegung einer unverzinslichen Einlage in Verbindung mit einem Beschluss des Rates über das Vorliegen eines übermäßigen Defizits bestehen, wenn der betreffende Mitgliedstaat bereits im Rahmen der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Hinterlegung einer verzinslichen Einlage verpflichtet wurde oder wenn Fälle von besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten haushaltspolitischen Verpflichtungen vorliegen, oder sie sollten in der Verpflichtung zur Entrichtung einer Geldbuße bestehen, wenn einer Empfehlung des Rates zur Korrektur eines übermäßigen öffentlichen Defizits nicht nachgekommen wird.
(21)
Um eine rückwirkende Verhängung der in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu vermeiden, sollten sie nur in Bezug auf die einschlägigen Beschlüsse gelten, die der Rat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 nach dem Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung angenommen hat. Um ferner die rückwirkende Verhängung der in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu vermeiden, sollten diese nur in Bezug auf die einschlägigen Empfehlungen und Beschlüsse zur Korrektur eines übermäßigen öffentlichen Defizits gelten, die der Rat nach dem Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung angenommen hat.
(22)
Der Betrag der in dieser Verordnung vorgesehenen verzinslichen Einlagen, der unverzinslichen Einlagen und der Geldbußen sollte so bemessen sein, dass eine gerechte Abstufung der Sanktionen in der präventiven und der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts erfolgt und den Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, ausreichende Anreize zur Einhaltung des haushaltspolitischen Rahmens der Union geboten werden. Geldbußen gemäß Artikel 126 Absatz 11 AEUV setzen sich gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 aus einer festen Komponente in Höhe von 0,2 % des BIP und einer variablen Komponente zusammen. Somit sind die Abstufung und die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten sichergestellt, wenn die Höhe der in dieser Verordnung festgelegten verzinslichen Einlage, der unverzinslichen Einlage und der Geldbuße 0,2 % des BIP entspricht, da dies der Betrag der festen Komponente der Geldbuße nach Artikel 126 Absatz 11 AEUV ist.
(23)
Der Rat sollte die Möglichkeit haben, die gegen Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, verhängten Sanktionen auf Empfehlung der Kommission nach einem mit Gründen versehenen Antrag des betreffenden Mitgliedstaats zu verringern oder aufzuheben. Im Rahmen der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollte die Kommission ferner aufgrund außergewöhnlicher wirtschaftlicher Umstände eine Verringerung des Betrags einer Sanktion oder deren Aufhebung empfehlen können.
(24)
Die unverzinsliche Einlage sollte nach der Korrektur des übermäßigen Defizits freigegeben werden, während die Zinsen auf solche Einlagen und die vereinnahmten Geldbußen Stabilitätsmechanismen für die Bereitstellung von Finanzhilfe zugewiesen werden sollten, die von Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, zur Wahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt eingerichtet wurden.
(25)
Die Befugnis zur Annahme von einzelnen Beschlüssen zur Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Sanktionen sollte dem Rat übertragen werden. Als Bestandteil der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten im Rat gemäß Artikel 121 Absatz 1 AEUV sind diese einzelnen Beschlüsse untrennbare Folgemaßnahmen der vom Rat gemäß den Artikeln 121 und 126 AEUV und den Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 und (EG) Nr. 1467/97 beschlossenen Maßnahmen.
(26)
Da diese Verordnung allgemeine Vorschriften für die effektive Durchsetzung der Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 und (EG) Nr. 1467/97 enthält, sollte sie gemäß dem in Artikel 121 Absatz 6 AEUV vorgesehenen ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.
(27)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines einheitlichen Sanktionssystems zur besseren Durchsetzung der präventiven und der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Euro-Währungsgebiet, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht werden kann, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 150 vom 20.5.2011, S. 1.

(2)

ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 46.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 28. September 2011 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 8. November 2011.

(4)

ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(5)

ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

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