Präambel VO (EU) 2011/1177

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 126 Absatz 14,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(1),

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank(2),

gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten in der Union gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollte die Einhaltung der folgenden richtungsweisenden Grundsätze umfassen: stabile Preise, gesunde öffentliche Finanzen und monetäre Rahmenbedingungen sowie eine tragfähige Zahlungsbilanz.
(2)
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bestand ursprünglich aus der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken(3), der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit(4) und der Entschließung des Europäischen Rates vom 17. Juni 1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt(5). Die Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 und (EG) Nr. 1467/97 wurden durch die Verordnungen (EG) Nr. 1055/2005(6) bzw. (EG) Nr. 1056/2005(7) geändert. Darüber hinaus nahm der Rat am 20. März 2005 den Bericht mit dem Titel „Verbesserung der Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts” (8) an.
(3)
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht auf dem Ziel einer gesunden und nachhaltigen öffentlichen Finanzlage als Mittel zur Verbesserung der Voraussetzungen für Preisstabilität und ein solides dauerhaftes Wachstum, das auf einem stabilen Finanzsystem fußt, was zur Verwirklichung der Ziele der Union für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung beiträgt.
(4)
Die Erfahrungen, die im ersten Jahrzehnt der Wirtschafts- und Währungsunion gesammelt wurden, zeigen ebenso wie die in dieser Zeit begangenen Fehler die Notwendigkeit einer verbesserten wirtschaftspolitischen Steuerung in der Union, die auf einer stärkeren nationalen Eigenverantwortung für die einvernehmlich beschlossenen Regeln und politischen Maßnahmen und einem stabilen Rahmen zur Überwachung der nationalen Wirtschaftspolitik auf Unionsebene beruhen sollte.
(5)
Der gemeinsame Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung muss angesichts der weit fortgeschrittenen Integration zwischen den Wirtschaftssystemen der Mitgliedstaaten der Union und insbesondere des Euro-Währungsgebiets weiter verbessert werden.
(6)
Der verbesserte Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung sollte sich auf mehrere miteinander verknüpfte und ineinandergreifende Politiken für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung stützen, insbesondere eine Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung, wobei besonderer Wert zu legen ist auf den Ausbau und die Stärkung des Binnenmarkts, die Förderung der internationalen Handelsbeziehungen und der Wettbewerbsfähigkeit, ein Europäisches Semester für die verstärkte Koordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik, einen wirksamen Rahmen zur Vermeidung und Korrektur übermäßiger öffentlicher Defizite (den Stabilitäts- und Wachstumspakt), einen stabilen Rahmen zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Mindestanforderungen an die nationalen Haushaltsrahmen und eine verstärkte Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte, einschließlich der Aufsicht auf Makroebene durch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken.
(7)
Die Verwirklichung und die Aufrechterhaltung eines dynamischen Binnenmarktes sollten als Bestandteil eines ordnungsgemäßen und reibungslosen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion angesehen werden.
(8)
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung insgesamt sollten die Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung ergänzen und unterstützen. Die Verflechtungen der unterschiedlichen Schwerpunkte untereinander sollten nicht zu Ausnahmen von den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes führen.
(9)
Die Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung sollte eine engere und frühzeitigere Einbindung des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente umfassen. Zwar sind die Verhandlungspartner des Europäischen Parlaments im Rahmen dieses Dialogs die einschlägigen Organe der Union und deren Vertreter, doch kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments dem Mitgliedstaat, an den der Rat einen Beschluss gemäß Artikel 126 Absatz 6 AEUV, eine Empfehlung des Rates gemäß Artikel 126 Absatz 7 AEUV, einer Inverzugsetzung gemäß Artikel 126 Absatz 9 AEUV oder einen Beschluss gemäß Artikel 126 Absatz 11 AEUV gerichtet hat, die Möglichkeit anbieten, an einer Aussprache teilzunehmen. Die Teilnahme des Mitgliedstaats an einer solchen Aussprache ist freiwillig.
(10)
Der Kommission sollte eine stärkere Rolle in dem Verfahren der verstärkten Überwachung in Bezug auf die für jeden Mitgliedstaat spezifischen Bewertungen sowie auf Überwachungsmaßnahmen, Missionen vor Ort, Empfehlungen und Warnungen zukommen.
(11)
Der Rat und die Kommission sollten bei der Anwendung dieser Verordnung alle einschlägigen Faktoren sowie die Wirtschafts- und Haushaltslage der betroffenen Mitgliedstaaten angemessen berücksichtigen.
(12)
Die Vorschriften für die Haushaltsdisziplin sollten insbesondere durch stärkere Berücksichtigung der Höhe und der Entwicklung des Schuldenstands sowie der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen insgesamt verstärkt werden. Die Mechanismen zur Gewährleistung der Beachtung dieser Regeln und deren Durchsetzung sollten ebenfalls gestärkt werden.
(13)
Die Anwendung des bestehenden Defizitverfahrens auf der Grundlage des Defizitkriteriums und des Schuldenstandskriteriums erfordert einen numerischen Richtwert, der den Konjunkturverlauf berücksichtigt, an dem gemessen werden kann, ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinreichend rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert.
(14)
Die Nichteinhaltung des numerischen Richtwerts für den Schuldenabbau sollte nicht ausreichen, um das Vorliegen eines übermäßigen Defizits festzustellen; hierfür sollte vielmehr die gesamte Bandbreite der im Bericht der Kommission nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV behandelten einschlägigen Faktoren berücksichtigt werden. Insbesondere kann die Beurteilung der Auswirkungen des Konjunkturzyklus und der Zusammensetzung der Bestandsanpassungen auf die Schuldenentwicklung ausreichen, um zu vermeiden, dass das Vorliegen eines übermäßigen Defizits auf der Grundlage des Schuldenstandskriteriums festgestellt wird.
(15)
Bei der Feststellung eines übermäßigen Defizits auf der Grundlage des Defizitkriteriums und den Schritten, die zu dieser Feststellung führen, muss in dem Fall, dass der öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum BIP den festgelegten Referenzwert nicht überschreitet, die gesamte Bandbreite der im Bericht der Kommission nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV behandelten einschlägigen Faktoren berücksichtigt werden.
(16)
Bei der Berücksichtigung von Reformen der Rentensysteme als einschlägige Faktoren sollte sich das Hauptaugenmerk auf die Frage richten, ob diese Reformen zur Verbesserung der langfristigen Tragfähigkeit des Altersvorsorgesystems insgesamt beitragen, ohne dabei die Risiken für die mittelfristige Haushaltslage zu erhöhen.
(17)
Im Bericht der Kommission nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV sollte die Qualität des nationalen Haushaltrahmens angemessen berücksichtigt werden, da dieser im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen eine entscheidende Rolle spielt. In diesem Zusammenhang sollte auch den in der Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an den Haushaltsrahmen der Mitgliedstaaten(9) festgelegten Mindestanforderungen sowie sonstigen als wünschenswert vereinbarten Anforderungen an die Haushaltsdisziplin Rechnung getragen werden.
(18)
Um feststellen zu können, ob den vom Rat beschlossenen Empfehlungen und Inverzugsetzungen zur Korrektur des übermäßigen Defizits nachgekommen wird, müssen darin jährliche Haushaltsziele näher bezeichnet werden, die mit der erforderlichen Haushaltskonsolidierung — konjunkturbereinigt und ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen — vereinbar sind. Dabei sollte der jährliche Richtwert von 0,5 % des BIP als jahresdurchschnittlicher Wert betrachtet werden.
(19)
Die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen kann besser bewertet werden, wenn als Richtwert die Einhaltung der Ziele für die gesamtstaatlichen Ausgaben in Verbindung mit der Umsetzung geplanter einnahmenseitiger Maßnahmen herangezogen wird.
(20)
Bei der Prüfung, ob die Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits verlängert werden soll, sollte insbesondere berücksichtigt werden, ob ein schwerer Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt vorliegt, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.
(21)
Es ist angebracht, die in Artikel 126 Absatz 11 AEUV vorgesehenen Sanktionen in größerem Umfang zu verhängen, damit sie einen echten Anreiz für die Befolgung der Inverzugsetzungen gemäß Artikel 126 Absatz 9 AEUV darstellen.
(22)
Um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, den Rahmen der Union für die haushaltspolitische Überwachung einhalten, sollten auf Regeln beruhende Sanktionen auf der Grundlage von Artikel 136 AEUV eingeführt werden, die faire, zeitnahe und wirksame Mechanismen für die Einhaltung der Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sicherstellen.
(23)
Die in dieser Verordnung genannten Geldbußen sollten sonstigen Einnahmen im Sinne des Artikels 311 AEUV darstellen und sollten den Stabilitätsmechanismen zur Bereitstellung finanzieller Unterstützung zugewiesen werden, die von Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, eingerichtet wurden, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu schützen.
(24)
Bei den in der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 enthaltenen Bezugnahmen sollte der neuen Artikelnummerierung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Ersetzung der Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates(10) durch die Verordnung (EG) Nr. 479/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft(11) beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit Rechnung getragen werden.
(25)
Die Verordnung (EG) Nr. 1467/97 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 28. September 2011 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

ABl. C 150 vom 20.5.2011, S. 1.

(3)

ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(4)

ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6.

(5)

ABl. C 236 vom 2.8.1997, S. 1.

(6)

Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 174 vom 7.7.2005, S. 1).

(7)

Verordnung (EG) Nr. 1056/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 174 vom 7.7.2005, S. 5).

(8)

Siehe Dokument st7423/3/05 unter http://www.consilium.europa.eu/documents.aspx?lang=de

(9)

Siehe Seite 41 dieses Amtsblatts.

(10)

Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates vom 22. November 1993 über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 7).

(11)

ABl. L 145 vom 10.6.2009, S. 1.

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