Präambel VO (EU) 2011/181
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 91 Absatz 1,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),
nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, aufgrund des vom Vermittlungsausschuss am 24. Januar 2011 gebilligten gemeinsamen Entwurfs(2),
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Die Maßnahmen der Union im Bereich des Kraftomnibusverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, überall ein hohes, dem Standard anderer Verkehrsträger vergleichbares Schutzniveau für die Fahrgäste sicherzustellen. Ferner sollte den allgemeinen Erfordernissen des Verbraucherschutzes in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
- (2)
- Da die Busfahrgäste im Beförderungsvertrag die schwächere Partei sind, sollte allen Fahrgästen ein Mindestmaß an Schutz gewährt werden.
- (3)
- Die Maßnahmen der Union zur Verbesserung der Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr sollten den Besonderheiten dieses überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Sektors Rechnung tragen.
- (4)
- Die Fahrgäste und zumindest diejenigen Personen, für die diese kraft Gesetzes unterhaltspflichtig waren oder zukünftig unterhaltspflichtig geworden wären, sollten nach Maßgabe der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht(3) im Falle eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls angemessen geschützt sein.
- (5)
- Bei der Bestimmung des nationalen Rechts, das für die Entschädigung bei Tod — einschließlich angemessener Kosten für die Bestattung — oder Körperverletzung oder bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck infolge eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls anwendbar ist, sollten die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( „Rom II” )(4) und die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)(5) berücksichtigt werden.
- (6)
- Die Fahrgäste sollten — abgesehen von der in den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Entschädigung bei Tod oder Körperverletzung oder bei Verlust oder Beschädigung von Gepäck infolge eines aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfalls — Anspruch auf Unterstützung in Bezug auf ihre unmittelbaren praktischen Bedürfnisse nach einem Unfall haben. Diese Unterstützung sollte erforderlichenfalls erste Hilfe, Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und Beförderung umfassen.
- (7)
- Busverkehrsdienste sollten den Bürgern allgemein zugute kommen. Daher sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität unabhängig von der Ursache der Beeinträchtigung Busreisemöglichkeiten haben, die denen anderer Bürger vergleichbar sind. Behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität haben das gleiche Recht auf Freizügigkeit, Entscheidungsfreiheit und Nichtdiskriminierung wie alle anderen Bürger.
- (8)
- Um behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität Busreisemöglichkeiten zu eröffnen, die denen anderer Bürger vergleichbar sind, sollten vor dem Hintergrund von Artikel 9 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen Regeln für die Gleichstellung dieser Personen und für ihre Unterstützung während der Reise festgelegt werden. Die Beförderung dieser Personen sollte daher akzeptiert und nicht wegen ihrer Behinderung oder eingeschränkten Mobilität verweigert werden, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, die aus Gründen der Sicherheit oder wegen der Fahrzeugkonstruktion oder der Infrastruktur gerechtfertigt sind. Im Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften über den Schutz der Arbeitnehmer sollten behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität Anspruch auf Hilfe an Busbahnhöfen und in den Fahrzeugen haben. Im Interesse der sozialen Integration sollten die Betroffenen diese Hilfe kostenlos erhalten. Die Beförderer sollten Zugangsbedingungen festlegen, vorzugsweise unter Verwendung des europäischen Normungssystems.
- (9)
- Bei der Entscheidung über die Gestaltung neuer Busbahnhöfe und bei umfassenden Renovierungsarbeiten sollten die Busbahnhofbetreiber bemüht sein, den Bedürfnissen von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität entsprechend den Anforderungen einer Konzeption für alle Verwendungsarten ( „Design for all” ) Rechnung zu tragen. In jedem Fall sollten die Busbahnhofbetreiber Kontaktstellen angeben, bei denen die Betroffenen ihre Ankunft und ihren Bedarf an Hilfeleistung anmelden können.
- (10)
- Entsprechend sollten Beförderer unbeschadet bestehender oder künftiger Rechtsvorschriften über technische Anforderungen für Kraftomnibusse bei der Entscheidung über die Ausrüstung neuer und neu einzurichtender Fahrzeuge solche Bedürfnisse, soweit möglich, berücksichtigen.
- (11)
- Die Mitgliedstaaten sollten bemüht sein, die bestehende Infrastruktur zu verbessern, wo dies notwendig ist, um Beförderer in die Lage zu versetzen, den Zugang für behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten und geeignete Hilfestellungen anzubieten.
- (12)
- Damit das Personal auf die Bedürfnisse von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität eingehen kann, sollte es angemessen geschult werden. Um die gegenseitige Anerkennung der nationalen Ausbildungsnachweise der Fahrer zu erleichtern, könnten Fahrer im Rahmen der Grundqualifikation und Weiterbildung im Sinne der Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr(6) auch im Hinblick auf die Sensibilisierung für Behinderungen geschult werden. Damit sich die Einführung der Schulungsanforderungen mit den in jener Richtlinie vorgegebenen Fristen vereinbaren lässt, sollte für einen begrenzten Zeitraum eine Ausnahme gewährt werden können.
- (13)
- Organisationen, die behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität vertreten, sollten bei der inhaltlichen Vorbereitung der Schulungen in Behindertenfragen konsultiert oder in diese Arbeit einbezogen werden.
- (14)
- Zu den Rechten der Busfahrgäste sollte ein Anspruch auf Informationen über den Verkehrsdienst sowohl vor als auch während der Fahrt gehören. Alle wesentlichen Informationen für Busfahrgäste sollten auf Verlangen auch in alternativen, behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Formen bereitgestellt werden, wie zum Beispiel in großen Buchstaben, einfacher Sprache, Blindenschrift, mit Hilfe von Adaptionstechnik zugänglichen Mitteilungen in elektronischer Form oder als Tonbänder.
- (15)
- Diese Verordnung sollte die Möglichkeiten der Beförderer, nach dem anwendbaren nationalen Recht Ausgleichsansprüche gegen andere Personen — auch Dritte — geltend zu machen, nicht einschränken.
- (16)
- Die Unannehmlichkeiten, die den Fahrgästen durch Annullierung oder erhebliche Verspätung von Fahrten entstehen, sollten verringert werden. Deshalb sollten die Fahrgäste, die von einem Busbahnhof abreisen, in angemessener Weise betreut und in für alle Fahrgäste zugänglicher Form informiert werden. Sie sollten zudem die Möglichkeit haben, ihre Fahrt zu stornieren und sich den Fahrpreis erstatten zu lassen oder ihre Reise fortzusetzen oder eine Weiterreise mit geänderter Streckenführung zu annehmbaren Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Versäumen die Beförderer die Leistung der notwendigen Hilfe, sollten die Fahrgäste Anspruch auf finanzielle Entschädigung haben.
- (17)
- Die Beförderer sollten unter Beteiligung der interessierten Kreise, der Berufsverbände und der Verbände von Verbrauchern, Fahrgästen, behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zusammenarbeiten, um auf nationaler oder europäischer Ebene Vereinbarungen zu treffen. Diese Vereinbarungen sollten auf die Verbesserung der Information, Betreuung und Unterstützung der Fahrgäste bei Fahrtunterbrechung ausgerichtet sein, insbesondere bei großer Verspätung oder Fahrtannullierung, wobei besonders Fahrgäste mit besonderen Bedürfnissen wegen Behinderungen, eingeschränkter Mobilität, Krankheit, fortgeschrittenem Alter und Schwangerschaft sowie begleitende Fahrgäste und Fahrgäste, die mit Kleinkindern reisen, im Mittelpunkt stehen sollten. Nationale Durchsetzungsstellen sollten von diesen Vereinbarungen in Kenntnis gesetzt werden.
- (18)
- Diese Verordnung sollte die Rechte der Fahrgäste, die in der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen(7) begründet sind, nicht berühren. Diese Verordnung sollte nicht in Fällen gelten, in denen eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Busverkehrsdienstes annulliert wird.
- (19)
- Die Fahrgäste sollten umfassend über ihre Rechte nach dieser Verordnung informiert werden, damit sie diese Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können.
- (20)
- Die Fahrgäste sollten ihre Rechte durch geeignete Beschwerdeverfahren der Beförderer wahrnehmen können und indem sie gegebenenfalls Beschwerde bei den vom betreffenden Mitgliedstaat hierzu benannten Stellen erheben.
- (21)
- Die Mitgliedstaaten sollten die Einhaltung dieser Verordnung sicherstellen und eine oder mehrere zuständige Stellen zur Wahrnehmung der Überwachungs- und Durchsetzungsaufgaben benennen. Das Recht der Fahrgäste, Forderungen nach nationalem Recht gerichtlich geltend zu machen, wird dadurch nicht berührt.
- (22)
- Unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Beschwerdeverfahren sollte eine Beschwerde über die Hilfeleistung vorzugsweise an die Stelle bzw. Stellen gerichtet werden, die zur Durchsetzung dieser Verordnung in dem Mitgliedstaat benannt wurde(n), in dem der Abfahrtsort bzw. der Ankunftsort liegt.
- (23)
- Die Mitgliedstaaten sollten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und die Benutzung integrierter Informationen und integrierter Fahrscheine werben, um bestmögliche Ergebnisse hinsichtlich der Benutzung und der Interoperabilität der verschiedenen Verkehrsträger und Betreiber zu erzielen.
- (24)
- Die Mitgliedstaaten sollten für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen festlegen und deren Anwendung sicherstellen. Diese Sanktionen sollten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
- (25)
- Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich zu gewährleisten, dass Busfahrgäste in allen Mitgliedstaaten Schutz und Unterstützung auf gleichwertigem Niveau genießen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
- (26)
- Diese Verordnung sollte die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr(8) unberührt lassen.
- (27)
- Die Durchsetzung dieser Verordnung sollte sich auf die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden ( „Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz” )(9) stützen. Daher sollte die genannte Verordnung entsprechend geändert werden.
- (28)
- Die Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union genannten Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, wobei auch die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft(10) sowie die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen(11) zu berücksichtigen sind —
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 99.
- (2)
Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23. April 2009 (ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 312), Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 11. März 2010 (ABl. C 122 E vom 11.5.2010, S. 1), Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2010 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Beschluss des Rates vom 31. Januar 2011 und legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Februar 2011 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
- (3)
ABl. L 263 vom 7.10.2009, S. 11.
- (4)
ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40.
- (5)
ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6.
- (6)
ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 4.
- (7)
ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59.
- (8)
ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.
- (9)
ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1.
- (10)
ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.
- (11)
ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37.
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