Präambel VO (EU) 2011/550
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates(1), insbesondere auf Artikel 11a Absatz 9,
in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1)
- Das Hauptziel der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), die mit Beschluss 94/69/EG des Rates vom 15. Dezember 1993 über den Abschluss des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen(2) genehmigt wurde, besteht darin, Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche anthropogene Interferenz mit dem Klimasystem verhindern würde. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sollte die globale jährliche Oberflächenmitteltemperatur gegenüber den vorindustriellen Werten um nicht mehr als 2 °C zunehmen, wie dies auf der Klimakonferenz von Cancun im Dezember 2010 und in der „Vereinbarung von Kopenhagen” bestätigt wurde. Nach dem letzten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimafragen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) müssen die globalen Treibhausgasemissionen 2020 ihren Höchststand erreicht haben, wenn dieses Ziel verwirklicht werden soll. Dazu sind weltweit vermehrte Anstrengungen der wichtigsten emittierenden Länder erforderlich.
- (2)
- Damit diese Herausforderung gemeistert werden kann, müssen CO2-Märkte eine wichtige Rolle übernehmen. Letztere machen nicht nur möglich, Ziele kostengünstiger zu erreichen, sie gestatten auch eine ambitiösere Zielsetzung. CO2-Märkte können sich auch für den Finanztransfer zugunsten von Entwicklungsländern als zweckdienlich erweisen und dazu beitragen, dass die EU ihren Verpflichtungen im Rahmen des in Kopenhagen vereinbarten internationalen Finanzpakets von 100 Mrd. USD nachkommen kann. Dies erfordert eine beträchtliche Erweiterung der existierenden Mechanismen, einschließlich einer Reform des CDM zur verstärkten Verwendung standardisierter Referenzszenarien und der Schaffung neuer Marktmechanismen.
- (3)
- Das mit der Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen(3) genehmigte Kyoto-Protokoll setzte für 39 Vertragsparteien Emissionsreduktionsziele für den Zeitraum 2008-2012 fest und führte zwei Mechanismen ein, die es den Parteien ermöglichen, Emissionen mittels internationaler Gutschriften auszugleichen. Beim Mechanismus für gemeinsame Projektumsetzung (Joint Implementation, JI) sind dies die so genannten Emissionsreduktionseinheiten (emission reduction units, ERU), beim Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) zertifizierte Emissionsreduktionen (certified emission reductions, CER).
- (4)
- JI und CDM sind reine Ausgleichsmechanismen, d. h. bei Einsparung einer Tonne Treibhausgasemissionen besteht Anspruch, eine Tonne Treibhausgas andernorts zu emittieren. Derartige Systeme tragen zwar generell dazu bei, die Kosten globaler Minderungsmaßnahmen zu verringern, weil letztere in Ländern durchgeführt werden können, in denen dies kosteneffizienter ist, sie tragen jedoch nicht zu den Reduktionsanstrengungen bei, die erforderlich sind, um das 2-°C-Ziel zu erreichen.
- (5)
- Um die Erderwärmung auf unter 2 °C zu halten, sollten die Verpflichtungen der Industriestaaten nach Auffassung der EU durch geeignete Klimaschutzmaßnahmen der Entwicklungsländer und insbesondere der wirtschaftlich fortgeschritteneren Entwicklungsländer ergänzt werden. Gleichzeitig sollte schrittweise ein weitreichender internationaler CO2-Markt entwickelt werden, der dazu beitragen kann, Emissionen weltweit effizient zu verringern und der internationale Gutschriften für Emissionsreduktionen generiert, die über eine Benchmark hinaus erzielt werden, die unterhalb der Emissionen liegt, die für den Fall der Nichtdurchführung von Minderungsmaßnahmen prognostiziert werden. Dazu sind angemessene Klimaschutzmaßnahmen seitens der Entwicklungsländer erforderlich. Während am wenigsten entwickelte Länder stärker in den CDM eingebunden werden müssen, sollten wirtschaftlich fortgeschrittenere Entwicklungsländer nach und nach an den sektoralen Marktmechanismen und letztlich an Emissionshandelssystemen mit Obergrenzen (cap-and-trade)(4) beteiligt werden.
- (6)
- Die Teilnahme am JI- und CDM-Mechanismus und auch die Entscheidung darüber, ob die daraus hervorgehenden Gutschriften innerhalb eines Emissionshandelssystems verwendet werden dürfen, sind freiwillig. Deshalb ist zu unterscheiden zwischen Gutschriften generell und solchen Gutschriften, deren Verwendungsgenehmigung die Unterzeichner des Kyoto-Protokolls im Rahmen ihrer jeweiligen staatsrechtlichen Regelungen beschlossen haben. So schloss die Richtlinie 2003/87/EG bereits die Verwendung zugeteilter Mengen handelbarer Einheiten (assigned amount units, AAU) aus, und die Richtlinie 2004/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5) gestattete die Nutzung bestimmter JI- und CDM-Gutschriften, allerdings mit harmonisierten Verwendungsbeschränkungen für internationale Gutschriften aus Nuklear-, Landnutzungs- und Forstwirtschaftsprojekten und sah vor, dass die Mitgliedstaaten Anlagenbetreibern die Verwendung bestimmter Mengen anderer Arten internationaler Gutschriften erlauben können.. Die Richtlinie 2003/87/EG sieht den Erlass harmonisierter Durchführungsvorschriften für Beschränkungen der Verwendung internationaler Gutschriften vor.
- (7)
- Die Verwendung internationaler Gutschriften aus Projekten, die Trifluormethan (HFC-23) und Distickstoffoxid (N2O) aus der Adipinsäureherstellung (im Folgenden „Industriegasprojekte” genannt) betreffen, sollte beschränkt werden. Diese Maßnahme steht in Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Oktober 2009, in denen Entwicklungsländer und insbesondere die wirtschaftlich fortgeschritteneren Entwicklungsländer nachdrücklich aufgefordert werden, geeignete Klimaschutzmaßnahmen zu treffen. Die große Mehrheit von Industriegasprojekten wird in wirtschaftlich fortgeschrittenen Entwicklungsländern durchgeführt, die über ausreichende Möglichkeiten zur eigenständigen Finanzierung dieser kostengünstigen Emissionsreduktionen verfügen, und die bisherigen Einkünfte aus diesen Projekten dürften zur Finanzierung ausreichen. Die Einführung von Verwendungsbeschränkungen für Industriegasgutschriften, vor allem, wenn sich entsprechende Entscheidungen auf internationaler Ebene anschließen, dürfte zu einer ausgewogeneren geografischen Verteilung der Vorteile der Kyoto-Mechanismen beitragen.
- (8)
- Industriegasprojekte werfen Umweltschutzprobleme auf. Außergewöhnlich hohe Renditen aus der Vernichtung von HFC-23 führen dazu, dass in registrierten Anlagen weiterhin Chlordifluormethan (H-FCKW-R22), ein Treibhausgas mit hohem Ozonabbaupotenzial, in den im Rahmen der Methode „Projekttätigkeit” höchstzulässigen Mengen produziert und verwendet wird. Es könnte daher mehr H-FCKW-R22 produziert werden, als es ohne Projekttätigkeiten der Fall gewesen wäre. Dies wiederum untergräbt die Anpassung 2007 des Montreal-Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen(6), in Bezug auf Produktion und Verbrauch von FCKW, mit der der Ausstieg aus H-FCKW-R22 bei Verwendung als Nichtausgangsstoff beschleunigt werden soll. Die Entwicklung ist außerdem nicht vereinbar damit, dass die Mitgliedstaaten den Ausstieg aus der Produktion von H-FCKW-R22 über Beiträge zum multilateralen Fonds des Montreal-Protokolls finanzieren. Diese hohen Renditen führen zu Verzerrungen wirtschaftlicher Anreize und des Wettbewerbs sowie zu Verlagerungen der Apidinsäureproduktion weg von EU-Herstellern zu eingetragenen Anlagen in Drittländern. Die sehr viel vorteilhaftere Behandlung von Apidinsäureherstellern, die an den Kyoto-Mechanismen teilnehmen, gegenüber Herstellern, die dem EU-System ab 2013 beitreten, wird das Risiko ähnlicher Produktionsverlagerungen erhöhen und eine Nettozunahme der globalen Emissionen nach sich ziehen. Um Verzerrungen wirtschaftlicher Anreize sowie Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren und Verlagerungen von CO2-Emissionen zu vermeiden, ist es angezeigt, die Verwendung dieser internationalen Gutschriften zu beschränken.
- (9)
- Internationale Gutschriften aus Industriegasprojekten fördern weder den Technologietransfer noch die notwendige langfristige Transformation der Energiesysteme in Entwicklungsländern. Ein Mindern dieser Industriegase durch JI oder CDM ist kein sehr effizienter Beitrag zur Verringerung der globalen Emissionen, denn die von Projektentwicklern erwirtschafteten hohen Renditen fließen nicht in die Emissionsminderung.
- (10)
- Maßnahmen zur umfassenden Beschränkung der Verwendung bestimmter Gutschriften sind in Artikel 11a Absatz 9 der Richtlinie 2003/87/EG vorgesehen. Es empfiehlt sich, eine solche Beschränkung auf Industriegasprojekte anzuwenden. Eine umfassende Verwendungsbeschränkung eliminiert am ehesten die unerwünschten Wirkungen dieser Gutschriften für Wettbewerb und Umwelt, verbessert die Kosteneffizienz globaler Maßnahmen zur Emissionsreduktion und die Umweltleistung des CO2-Marktes, indem Investitionen in kohlenstoffarme Technologien gefördert werden.
- (11)
- Gemäß Artikel 11a Absatz 9 der Richtlinie 2003/87/EG sollten die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen ab 1. Januar 2013 gelten, was der Vorgabe dieses Artikels „frühestens sechs Monate und spätestens drei Jahre nach Erlass der Maßnahmen” entspricht. Die Verwendung von Industriegasgutschriften für die Zielerfüllung im Jahr 2012 bleibt von diesen Maßnahmen unberührt.
- (12)
- Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für Klimaänderung —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Fußnote(n):
- (1)
ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32.
- (2)
ABl. L 33 vom 7.2.1994, S. 11.
- (3)
ABl. L 130 vom 15.5.2002, S. 1.
- (4)
Schlussfolgerungen des Rates: Vorbereitung der 16. Konferenz der Vertragsparteien der UNFCCC, Cancun (29.11.-10.12.2010) — 3036. Tagung des Umweltrates, Luxemburg, 14.10.2010, und Schlussfolgerungen des Rates: Position der EU für die Kopenhagener Klimakonferenz (7.-18.12.2009) — 2968. Tagung des Umweltrates, Luxemburg, 21. Oktober 2009, bestätigt durch die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Brüssel vom 29./30. Oktober 2009.
- (5)
ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 18.
- (6)
Das Montreal-Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, auf der 19. Tagung der Vertragsparteien zum Protokoll angepasst und geändert (17.-21. September 2007).
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