Präambel VO (EU) 2012/386

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 und Artikel 118 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Das wirtschaftliche Wohlergehen der Union wird von anhaltender Kreativität und Innovation getragen. Soll der Wohlstand der Union auch künftig gesichert werden, so sind Maßnahmen zum wirksamen Schutz von Kreativität und Innovation unverzichtbar.
(2)
Rechte des geistigen Eigentums sind wesentlicher Teil des Betriebsvermögens von Unternehmen und tragen dazu bei, Erfindern und Innovatoren eine angemessene Rendite für ihre Arbeit zu sichern und ihre Investitionen in Forschung und neue Ideen zu schützen.
(3)
Ein solider, harmonisierter und schrittweiser Ansatz im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums ist bei der Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele der Strategie Europa 2020, zu der auch die digitale Agenda für Europa gehört, von fundamentaler Bedeutung.
(4)
Die stetige Zunahme der Zahl der Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums stellt eine ernsthafte Bedrohung nicht nur für die Wirtschaft der Union, sondern in vielen Fällen auch für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in der Union dar. Eine erfolgreiche Bekämpfung dieses Phänomens erfordert daher wirksame, sofortige und koordinierte Maßnahmen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene.
(5)
Im Rahmen der umfassenden Strategie zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, die in der Entschließung des Rates vom 25. September 2008 über einen europäischen Gesamtplan zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie(3) angestrebt wurde, forderte der Rat die Kommission auf, eine Europäische Beobachtungsstelle für Nachahmungen und Piraterie einzurichten. Deshalb hat die Kommission ein Netz von Sachverständigen aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor geschaffen und hat die Aufgaben dieses Netzes in ihrer Mitteilung mit dem Titel „Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Binnenmarkt” beschrieben. Der Name der Europäischen Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie sollte in „Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums” (im Folgenden „Beobachtungsstelle” ) geändert werden.
(6)
In dieser Mitteilung wurde festgestellt, dass die Beobachtungsstelle als Ressourcenzentrum dienen sollte, das Informationen und Daten über alle Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zentral erfasst, überwacht und darüber Bericht erstattet. Sie sollte als Plattform für die Zusammenarbeit zwischen Vertretern der nationalen Behörden und Interessenvertretern dienen, um diesen Gelegenheit zu bieten, Gedanken und Erkenntnisse über bewährte Praktiken auszutauschen und Empfehlungen an politische Entscheidungsträger hinsichtlich gemeinsamer Durchsetzungsstrategien zu formulieren. Der Mitteilung zufolge sollte die Beobachtungsstelle bei der Kommission eingerichtet und von den Kommissionsdienststellen verwaltet werden.
(7)
In seiner Entschließung vom 1. März 2010 über die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Binnenmarkt(4) forderte der Rat die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Wirtschaft auf, der Beobachtungsstelle ihnen zugängliche zuverlässige und vergleichbare Informationen über Nachahmungen und Piraterie zur Verfügung zu stellen und unter dem Dach der Beobachtungsstelle gemeinsam Pläne für die Erhebung weiterer Informationen zu entwickeln und zu vereinbaren. Ferner forderte der Rat die Beobachtungsstelle auf, jährlich einen umfassenden Bericht zu Ausmaß, Größenordnung und Hauptmerkmalen der Nachahmung und Piraterie sowie zu deren Folgen für den Binnenmarkt vorzulegen. Dieser Jahresbericht sollte im Einklang mit dem Datenschutzrecht unter Verwendung der dafür von den Behörden der Mitgliedstaaten, der Kommission und der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellten relevanten Informationen erstellt werden. Der Rat hat ferner darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, neue wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle zur Erweiterung des legalen Angebots an kulturellen und kreativen Inhalten zu entwickeln und gleichzeitig Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums vorzubeugen und diese zu bekämpfen, und zwar als notwendiges Mittel zur Förderung von Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und kultureller Vielfalt.
(8)
In seinen Schlussfolgerungen vom 25. Mai 2010 zur künftigen Überarbeitung des Markensystems in der Europäischen Union(5) forderte der Rat die Kommission auf, eine Rechtsgrundlage für die Beteiligung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden „das Amt” ) an durchsetzungsbezogenen Tätigkeiten, auch bei der Bekämpfung von Nachahmungen, zu schaffen, insbesondere durch die Förderung der Zusammenarbeit des Amtes mit den nationalen Markenämtern und mit der Beobachtungsstelle. Hierzu sieht die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums(6) unter anderem bestimmte Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit, einschließlich des Informationsaustauschs, zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission vor.
(9)
In seiner Empfehlung vom 26. März 2009 zur Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet(7) hat das Europäische Parlament dem Rat empfohlen, einen uneingeschränkten und sicheren Internetzugang zu gewährleisten und die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Akteuren bei der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden zu fördern.
(10)
In seiner Entschließung vom 22. September 2010 zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Binnenmarkt(8) forderte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Zusammenarbeit zwischen dem Amt und den nationalen Ämtern für geistiges Eigentum auszubauen und auch die Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums einzubeziehen.
(11)
In seiner Entschließung vom 12. Mai 2011 zu der Erschließung des Potenzials der Kultur- und Kreativindustrien(9) forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, den besonderen Problemen von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Stärkung ihrer Rechte des geistigen Eigentums Rechnung zu tragen sowie bewährte Verfahren und wirksame Methoden zur Achtung dieser Rechte zu fördern.
(12)
In seiner Entschließung vom 6. Juli 2011 zu einem Gesamtkonzept für den Datenschutz in der Europäischen Union(10) forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, eine vollumfängliche Harmonisierung und Rechtssicherheit zu gewährleisten und somit für ein einheitliches und hohes Schutzniveau für den Einzelnen unter allen Umständen zu sorgen.
(13)
Angesichts der zahlreichen der Beobachtungsstelle zugewiesenen Aufgaben bedarf es einer Lösung für die Sicherstellung einer angemessenen und tragfähigen Infrastruktur mit Blick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben.
(14)
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke(11) leisten sich das Amt und die Gerichte oder Behörden der Mitgliedstaaten gegenseitig Amtshilfe und tauschen das Amt und die Zentralbehörden der Mitgliedstaaten für den gewerblichen Rechtsschutz gegenseitig Veröffentlichungen aus. Entsprechend hat das Amt eine Zusammenarbeit mit den für den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zuständigen nationalen Ämtern aufgenommen. Somit verfügt das Amt bereits weitgehend über die notwendige Erfahrung und Sachkunde, um eine angemessene und tragfähige Infrastruktur in dem Bereich sicherzustellen, in dem die von der Beobachtungsstelle wahrzunehmenden Aufgaben angesiedelt sind.
(15)
Das Amt ist somit gut aufgestellt, um mit der Durchführung der betreffenden Aufgaben betraut zu werden.
(16)
Diese Aufgaben sollten sämtliche durch die Richtlinie 2004/48/EG geregelten Rechte des geistigen Eigentums umfassen, da es bei rechtsverletzenden Handlungen vielfach um ein ganzes Bündel von Rechten geht. Darüber hinaus sind Daten und ein Austausch bewährter Praktiken über die gesamte oben erwähnte Bandbreite von Rechten des geistigen Eigentums erforderlich, um ein vollständiges Bild der Situation zu erhalten und umfassende Strategien zur Verringerung der Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zu entwickeln.
(17)
Die Aufgaben, die das Amt wahrnehmen sollte, können mit den in der Richtlinie 2004/48/EG vorgesehenen Durchsetzungs- und Berichterstattungsmaßnahmen verknüpft werden. So sollte das Amt nationalen Behörden oder Betreibern gegenüber Dienstleistungen erbringen, die insbesondere auf eine einheitliche Umsetzung der Richtlinie abzielen und deren Anwendung erleichtern dürften. Die Aufgaben des Amtes sind somit in engem Zusammenhang mit dem Regelungsbereich von Rechtsakten zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zu sehen.
(18)
Nach ihrer Einrichtung durch das Amt sollte die Beobachtungsstelle zu einem Exzellenzzentrum für Informationen und Daten über Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums werden, indem sie auf die Sachkunde, Erfahrung und Ressourcen des Amtes zurückgreift.
(19)
Das Amt sollte ein Forum bieten, das Behörden und Akteure des privaten Sektors zusammenführt und sicherstellt, dass einschlägige objektive, vergleichbare und zuverlässige Daten zum Wert von Rechten des geistigen Eigentums und zu Verletzungen dieser Rechte gesammelt, analysiert und verbreitet werden, das bewährte Praktiken und Strategien zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ermittelt und fördert und das die öffentliche Wahrnehmung der Auswirkungen von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums erhöht. Darüber hinaus sollte das Amt zusätzliche Aufgaben wahrnehmen, wie etwa für ein besseres Verständnis des Wertes von Rechten des geistigen Eigentums, für die Förderung eines Informationsaustauschs über neue wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle, die das legale Angebot an kulturellen und kreativen Inhalten erweitern, für die Verbesserung der Sachkunde der mit der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums befassten Personen durch geeignete Schulungsmaßnahmen, für eine bessere Kenntnis der Methoden zur Verhinderung von Nachahmungen sowie für eine bessere Zusammenarbeit mit Drittländern und internationalen Organisationen sorgen. Die Kommission sollte an den gemäß dieser Verordnung von dem Amt ausgeübten Tätigkeiten beteiligt werden.
(20)
Das Amt sollte die Tätigkeiten der nationalen Behörden, des privaten Sektors und der Unionsorgane im Hinblick auf die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere deren Tätigkeiten zur Bekämpfung von Verletzungen dieser Rechte erleichtern und unterstützen. Die Ausübung der Befugnisse durch das Amt nach dieser Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht an der Ausübung ihrer Befugnisse. Die Aufgaben und Tätigkeiten des Amtes gemäß dieser Verordnung erstrecken sich nicht auf die Teilnahme an einzelnen Einsätzen oder Ermittlungen, die von den zuständigen Behörden durchgeführt werden.
(21)
Um diese Aufgaben möglichst wirksam wahrzunehmen, sollte sich das Amt mit anderen Behörden auf nationaler, europäischer und gegebenenfalls internationaler Ebene beraten und mit diesen zusammenarbeiten, Synergien mit den von diesen Behörden wahrgenommenen Tätigkeiten schaffen und Doppelarbeit vermeiden.
(22)
Das Amt sollte die Durchführung der Aufgaben und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums aus seinen eigenen Haushaltsmitteln finanzieren.
(23)
Was die Vertreter des privaten Sektors anbelangt, so sollte das Amt bei der Einberufung der Beobachtungsstelle mit Blick auf die geplanten Tätigkeiten eine repräsentative Auswahl derjenigen Branchen einbinden, die am stärksten betroffen sind oder die größte Erfahrung in der Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums haben — darunter die Kreativindustrien —, und insbesondere Rechteinhaber, einschließlich Autoren und anderer Schöpfer, sowie Internet-Akteure. Ferner sollte eine angemessene Vertretung der Verbraucher und der kleinen und mittleren Unternehmen gewährleistet sein.
(24)
Die den Mitgliedstaaten und dem privaten Sektor durch diese Verordnung auferlegten Informationspflichten sollten nicht zu unnötigem Verwaltungsaufwand führen und Doppelarbeit im Hinblick auf Daten, die den Unionsorganen bereits im Rahmen der bestehenden Meldepflichten in der Union von Vertretern der Mitgliedstaaten und des privaten Sektors zur Verfügung gestellt wurden, möglichst vermeiden.
(25)
Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich dem Amt Aufgaben zu übertragen, die die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums betreffen, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher wegen seiner Wirkungen besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62.

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2012 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 22. März 2012 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. C 253 vom 4.10.2008, S. 1.

(4)

ABl. C 56 vom 6.3.2010, S. 1.

(5)

ABl. C 140 vom 29.5.2010, S. 22.

(6)

ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45. Berichtigte Fassung in ABl. L 195 vom 2.6.2004, S. 16.

(7)

ABl. C 117 E vom 6.5.2010, S. 206.

(8)

ABl. C 50 E vom 21.2.2012, S. 48.

(9)

Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(10)

Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(11)

ABl. L 78 vom 24.3.2009, S. 1.

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