Artikel 19 VO (EU) 2012/528

Voraussetzungen für die Erteilung einer Zulassung

(1) Ein Biozidprodukt, das nicht für das vereinfachte Verfahren gemäß Artikel 25 in Betracht kommt, wird zugelassen, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
Die Wirkstoffe sind in Anhang I aufgenommen oder sind für die betreffende Produktart genehmigt, und etwaige Bedingungen, die für diese Wirkstoffe genannt sind, werden eingehalten.
b)
Nach den gemeinsamen Grundsätzen des Anhangs VI für die Bewertung von Dossiers für Biozidprodukte wurde nachgewiesen, dass das Biozidprodukt bei einer der Zulassung entsprechenden Verwendung und unter Berücksichtigung der in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Faktoren die folgenden Kriterien erfüllt:

i)
Das Biozidprodukt ist hinreichend wirksam.
ii)
Das Biozidprodukt hat keine unannehmbaren Wirkungen auf die Zielorganismen und verursacht insbesondere keine unannehmbare Resistenz oder Kreuzresistenz bzw. bei Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen.
iii)
Das Biozidprodukt hat — weder selbst noch aufgrund seiner Rückstände — sofortige oder verzögerte unannehmbare Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier, einschließlich gefährdeter Gruppen, weder direkt noch über das Trinkwasser, über Lebens- oder Futtermittel oder über die Luft noch durch andere indirekte Effekte.
iv)
Das Biozidprodukt hat selbst oder aufgrund seiner Rückstände keine unannehmbaren Wirkungen auf die Umwelt, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte:

Verbleib und Verteilung des Biozidprodukts in der Umwelt;

Kontamination von Oberflächengewässern (einschließlich Ästuar- und Meeresgewässern), Grundwasser und Trinkwasser, Luft und Boden unter Berücksichtigung von Orten in großer Entfernung vom Verwendungsort durch weiträumige Verbreitung in der Umwelt;

Auswirkungen des Biozidprodukts auf Nichtzielorganismen;

Auswirkungen des Biozidprodukts auf die Biodiversität und das Ökosystem.

c)
Die chemische Identität, die Menge und die technische Äquivalenz der in ihm enthaltenen Wirkstoffe und gegebenenfalls jegliche toxikologisch oder ökotoxikologisch signifikanten und relevanten Verunreinigungen und Stoffe, die keine Wirkstoffe sind, sowie seine toxikologisch oder ökologisch signifikanten Rückstände, die sich aus den zuzulassenden Verwendungen ergeben, können gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Anhänge II und III bestimmt werden.
d)
Die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Biozidprodukts wurden ermittelt und für eine sachgemäße Verwendung und Beförderung dieses Produkts als annehmbar erachtet.
e)
Gegebenenfalls wurden für in einem Biozidprodukt enthaltene Wirkstoffe im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates(1), der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates(2), der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) und der Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(4) Rückstandshöchstgehalte für Lebens- und für Futtermittel festgelegt, oder es wurden im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) spezifische Migrationsgrenzwerte oder Grenzwerte für den Rückstandsgehalt in Lebensmittelkontakt-Materialien festgelegt.
f)
Sofern in diesem Produkt Nanomaterialien eingesetzt werden, wurde das Risiko die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gesondert bewertet.

(2) Bei der Bewertung, ob ein Biozidprodukt die Kriterien in Absatz 1 Buchstabe b erfüllt, werden die folgenden Faktoren berücksichtigt:

a)
realistische Worst-case-Bedingungen, unter denen das Biozidprodukt verwendet werden könnte;
b)
die mögliche Verwendung von behandelten Waren, die mit dem Biozidprodukt behandelt wurden oder es enthalten;
c)
die Auswirkungen der Verwendung und der Beseitigung des Biozidprodukts;
d)
Kumulationseffekte;
e)
Synergieeffekte.

(3) Ein Biozidprodukt wird nur für Verwendungen zugelassen, für die gemäß Artikel 20 einschlägige Angaben vorgelegt wurden.

(4) Ein Biozidprodukt wird nicht zur Bereitstellung auf dem Markt zwecks Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen, wenn

a)
es die Kriterien gemäß der Richtlinie 1999/45/EG erfüllt, um wie folgt eingestuft zu werden:

giftig oder sehr giftig,

krebserzeugend der Kategorie 1 oder 2,

mutagen der Kategorie 1 oder 2 oder

fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 1 oder 2;

b)
es die Kriterien gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 erfüllt, um wie folgt eingestuft zu werden:

akute orale Toxizität der Kategorie 1, 2 oder 3,

akute dermale Toxizität der Kategorie 1, 2 oder 3,

akute inhalative Toxizität (Gas und Staub/Nebel) der Kategorie 1, 2 oder 3,

akute inhalative Toxizität (Dampf) der Kategorie 1 oder 2,

spezifische Zielorgan-Toxizität der Kategorie 1 bei einmaliger oder wiederholter Exposition,

karzinogen der Kategorie 1A oder 1B,

mutagen der Kategorie 1A oder 1B oder

reproduktionstoxisch der Kategorie 1A oder 1B;

c)
es aus einem die Kriterien „PBT” oder „vPvB” gemäß Anhang XIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 erfüllenden Stoff besteht, einen solchen Stoff enthält oder einen solchen Stoff erzeugt;
d)
es endokrinschädigende Eigenschaften hat oder
e)
es entwicklungsneurotoxische oder -immunotoxische Auswirkungen hat.

(5) Unbeschadet der Absätze 1 und 4 kann ein Biozidprodukt zugelassen werden, wenn die in Absatz 1 Buchstabe b Ziffern iii und iv festgelegten Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind, oder es kann zur Bereitstellung auf dem Markt zwecks Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen werden, wenn das Kriterium gemäß Absatz 4 Buchstabe c erfüllt ist, wenn die Nichtzulassung des Biozidprodukts — verglichen mit dem Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt, das sich aus der Verwendung des Biozidprodukts unter den in der Zulassung festlegten Voraussetzungen ergibt — unverhältnismäßige negative Folgen für die Gesellschaft hätte.

Wird ein Biozidprodukt verwendet, das nach diesem Absatz zugelassen ist, so sind geeignete Risikominderungsmaßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Exposition von Menschen und der Umwelt durch dieses Biozidprodukt auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Die Verwendung eines Biozidprodukts nach diesem Absatz ist auf Mitgliedstaaten beschränkt, in denen die Bedingung des Unterabsatzes 1 erfüllt ist.

(6) Die Bewertung der Biozidproduktfamilie, die entsprechend den gemeinsamen Prinzipien gemäß Anhang VI durchgeführt wird, muss die Maximalrisiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt und das Mindestwirksamkeitsniveau in Bezug auf alle innerhalb der Biozidproduktfamilie möglicherweise auftretenden Produkte berücksichtigen.

Eine Biozidproduktfamilie wird nur zugelassen, wenn:

a)
in dem Antrag ausdrücklich die Maximalrisiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt sowie das Mindestwirksamkeitsniveau, auf denen die Bewertung beruht, und die zulässigen Abweichungen bei Zusammensetzung und Verwendungszweck gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe s genannt werden, und zwar zusammen mit ihrer jeweiligen Einstufung, den betreffenden Gefahren- und Sicherheitshinweisen sowie den gegebenenfalls entsprechenden Risikobegrenzungsmaßnahmen, und
b)
wenn auf der Grundlage der Bewertung gemäß Unterabsatz 1 dieses Absatzes festgelegt werden kann, dass alle Biozidprodukte der Familie die Voraussetzungen gemäß Absatz 1 erfüllen.

(7) Gegebenenfalls beantragt der potenzielle Zulassungsinhaber oder sein Vertreter, dass für in einem Biozidprodukt enthaltene Wirkstoffe im Einklang mit der Verordnung (EWG) Nr. 315/93, der Verordnung (EG) Nr. 396/2005, der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 oder der Richtlinie 2002/32/EG Rückstandshöchstgehalte festgelegt werden oder dass im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 spezifische Migrationsgrenzwerte oder Grenzwerte für den Rückstandsgehalt in Lebensmittelkontakt-Materialien für solche Stoffe festgelegt werden.

(8) Wurde für einen Wirkstoff gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 bei der Genehmigung des Wirkstoffs kein Rückstandshöchstgehalt gemäß Artikel 9 der genannten Verordnung festgelegt oder muss ein gemäß Artikel 9 der genannten Verordnung festgelegter Höchstgehalt abgeändert werden, so wird der Rückstandshöchstgehalt nach dem Verfahren des Artikels 10 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung festgelegt bzw. abgeändert.

(9) Ist ein Biozidprodukt für die unmittelbare Anwendung auf den äußeren Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle bestimmt, so darf es keinen nicht wirksamen Stoff enthalten, der gemäß der Richtlinie (EG) Nr. 1223/2009 nicht in einem kosmetischen Mittel enthalten sein darf.

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 37 vom 13.2.1993, S. 1).

(2)

Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1).

(3)

Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates und zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 11).

(4)

Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Mai 2002 über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung (ABl. L 140 vom 30.5.2002, S. 10).

(5)

Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG (ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 4).

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