ANHANG VI VO (EU) 2012/528

GEMEINSAME GRUNDSÄTZE FÜR DIE BEWERTUNG VON UNTERLAGEN FÜR BIOZIDPRODUKTE

INHALT

Begriffsbestimmungen Einleitung Bewertung Allgemeine Grundsätze Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier Wirkungen auf die Umwelt Wirkungen auf die Zielorganismen Wirksamkeit Zusammenfassung Schlussfolgerungen Allgemeine Grundsätze Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier Wirkungen auf die Umwelt Wirkungen auf die Zielorganismen Wirksamkeit Zusammenfassung Zusammenfassung der Schlussfolgerungen

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Übereinstimmung mit den Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Die unter den Abschnitten „Bewertung” und „Schlussfolgerungen” verwendeten Begriffe „Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier” , „Wirkungen auf die Umwelt” , „Wirkungen auf die Zielorganismen” und „Wirksamkeit” stimmen mit den Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b wie folgt überein:

    „Wirksamkeit” entspricht dem Kriterium i — „Es ist hinreichend wirksam.”

    „Wirkungen auf die Zielorganismen” entspricht dem Kriterium ii — „Es hat keine unannehmbaren Wirkungen auf die Zielorganismen, indem es beispielsweise eine unannehmbare Resistenz oder Kreuzresistenz bzw. bei Wirbeltieren unnötige Leiden oder Schmerzen verursacht.”

    „Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier” entspricht dem Kriterium iii — Es hat selbst oder aufgrund seiner Rückstände keine unmittelbaren oder mittelbaren unannehmbaren Wirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich gefährdeter Gruppen(1), oder Tieren weder direkt noch über das Trinkwasser, über Nahrungs- oder Futtermittel oder über die Luft noch durch andere indirekte Effekte.

    „Wirkungen auf die Umwelt” entspricht dem Kriterium iv — Es hat selbst oder aufgrund seiner Rückstände keine unannehmbaren Wirkungen auf die Umwelt, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte:

    Verbleib und Verteilung in der Umwelt;

    Kontamination von Oberflächengewässern (einschließlich Ästuar- und Meeresgewässern), Grundwasser und Trinkwasser, Luft und Boden unter Berücksichtigung von Orten in großer Entfernung vom Verwendungsort durch weiträumige Verbreitung in der Umwelt;

    Wirkungen auf Nichtzielorganismen;

    Wirkungen auf die Biodiversität und das Ökosystem.

Technische Definitionen

a)
Ermittlung schädlicher Wirkungen

Ermittlung schädlicher Wirkungen, die von einem Biozidprodukt ausgehen können.

b)
Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung

Ermittlung der Beziehung zwischen Dosis oder Ausmaß der Exposition gegenüber einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff in einem Biozidprodukt und Häufigkeit und Schwere einer schädlichen Wirkung.

c)
Ermittlung der Exposition

Feststellung der Emissionen, der Ausbreitungswege und -geschwindigkeit eines Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs in einem Biozidprodukt sowie seiner Umwandlung bzw. seines Abbaus, um die Konzentrationen/Dosen abzuschätzen, denen Humanpopulationen, Tiere oder Umweltkompartimente ausgesetzt sind oder sein können.

d)
Risikocharakterisierung

Abschätzung der Häufigkeit und der Schwere schädlicher Wirkungen, die in einer Humanpopulation, bei Tieren oder in einem Umweltkompartiment infolge einer tatsächlichen bzw. vorhergesagten Exposition gegenüber einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff in einem Biozidprodukt wahrscheinlich auftreten. Die Risikocharakterisierung kann eine „Risikoeinschätzung” im Sinne einer Quantifizierung dieser Wahrscheinlichkeit einschließen.

e)
Umwelt

Gewässer, einschließlich des Sediments, Luft, Boden sowie wildlebende Arten von Pflanzen und Tieren und ihre gegenseitigen Beziehungen sowie die Beziehungen zwischen ihnen und allen lebenden Organismen.

EINLEITUNG

1.
In diesem Anhang werden die gemeinsamen Grundsätze für die Bewertung von Dossiers für Biozidprodukte gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b dargelegt. Die Entscheidung eines Mitgliedstaats oder der Kommission, ein Biozidprodukt zuzulassen, wird auf der Grundlage der Bedingungen nach Artikel 19 und unter Berücksichtigung der nach den Bestimmungen dieses Anhangs durchgeführten Bewertung gefällt. Ausführliche technische Hinweise für die Anwendung dieses Anhangs können auf der Website der Agentur abgerufen werden.
2.
Die in diesem Anhang festgelegten Grundsätze können in ihrer Gesamtheit auf die Bewertung von Biozidprodukten angewandt werden, die chemische Stoffe enthalten. Bei Biozidprodukten, die Mikroorganismen enthalten, sollten diese Grundsätze durch technische Leitlinien unter Berücksichtigung der gewonnenen praktischen Erfahrung erweitert werden, und sie sollten in Abhängigkeit von der Produktart und den neuesten wissenschaftlichen Informationen angewandt werden. Auch im Fall von Biozidprodukten, die Nanomaterialien enthalten, müssen die in diesem Anhang festgelegten Grundsätze angepasst und durch technische Leitlinien erweitert werden, um den jüngsten wissenschaftlichen Informationen Rechnung zu tragen.
3.
Um ein harmonisiertes hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt sicherzustellen, ist es notwendig, alle Risiken zu erfassen, die sich aus der Verwendung eines Biozidprodukts ergeben. Zu diesem Zweck wird eine Risikobewertung durchgeführt, um die Annehmbarkeit oder aber alle ermittelten Risiken zu bestimmen. Hierzu wird eine Bewertung der Risiken vorgenommen, die von den einzelnen relevanten Bestandteilen des Biozidprodukts ausgehen, wobei etwaige Kumulations- und Synergieeffekte zu berücksichtigen sind.
4.
Eine Risikobewertung des Wirkstoffs bzw. der Wirkstoffe des Biozidprodukts ist immer erforderlich. Diese Risikobewertung umfasst die Ermittlung schädlicher Wirkungen und gegebenenfalls eine Bewertung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung, eine Expositionsabschätzung und eine Risikocharakterisierung. Sofern eine quantitative Risikobewertung nicht möglich ist, wird eine qualitative Bewertung durchgeführt.
5.
Zusätzliche Risikobewertungen werden in der oben beschriebenen Art für alle in dem Biozidprodukt enthaltenen bedenklichen Stoffe durchgeführt. Gegebenenfalls werden im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vorgelegte Informationen berücksichtigt.
6.
Zur Durchführung einer Risikobewertung sind Daten erforderlich. Diese Daten sind in den Anhängen II und III im Einzelnen aufgeführt und tragen dem Umstand Rechnung, dass es zahlreiche Anwendungen sowie unterschiedliche Produktarten gibt, was sich auf die damit verbundenen Risiken auswirkt. Bei den erforderlichen Daten handelt es sich um Mindestdaten, die für eine angemessene Risikobewertung unverzichtbar sind. Die bewertende Stelle berücksichtigt die Anforderungen der Artikel 6, 21 und 62 entsprechend, um eine doppelte Datenvorlage zu vermeiden. Daten können auch für einen in einem Biozidprodukt enthaltenen bedenklichen Stoff verlangt werden. Bei in situ erzeugten Wirkstoffen werden auch die mit dem/den Vorläufer(n) verbundenen etwaigen Risiken in die Risikobewertung einbezogen.
7.
Die Ergebnisse der Risikobewertungen für einen in einem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoff und darin enthaltene bedenkliche Stoffe werden in die Gesamtbewertung des Biozidprodukts selbst aufgenommen.
8.
Bei der Durchführung von Bewertungen eines Biozidprodukts verfährt die bewertende Stelle wie folgt:

a)
Sie berücksichtigt sonstige einschlägige technische oder wissenschaftliche Angaben, die ihr normalerweise über die Eigenschaften des Biozidprodukts, seine Bestandteile, Stoffwechselprodukte oder Rückstände zur Verfügung stehen;
b)
sie bewertet etwaige Begründungen des Antragstellers für fehlende Daten.

9.
Die Anwendung dieser gemeinsamen Grundsätze in Verbindung mit den übrigen Bedingungen nach Artikel 19 soll dazu führen, dass die zuständigen Behörden oder die Kommission entscheiden, ob ein Biozidprodukt zugelassen werden kann, wobei eine Zulassung Anwendungsbeschränkungen oder sonstige Auflagen enthalten kann. In bestimmten Fällen können die zuständigen Behörden entscheiden, dass weitere Angaben vorzulegen sind, bevor eine Entscheidung über die Zulassung getroffen werden kann.
10.
Im Fall von Biozidprodukten mit Wirkstoffen, die unter die Ausschlusskriterien nach Artikel 5 Absatz 1 fallen, evaluieren die zuständigen Behörden oder die Kommission auch, ob die Bedingungen des Artikels 5 Absatz 2 erfüllt werden können.
11.
Während des Bewertungsprozesses arbeiten Antragsteller und die bewertenden Stellen zusammen, um alle Fragen über die erforderlichen Angaben rasch zu klären oder in einem frühen Stadium festzustellen, ob gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen erforderlich sind, um ferner vorgeschlagene Anwendungsbedingungen für das Biozidprodukt zu ändern oder um seine Art bzw. Zusammensetzung so abzuändern, dass die vollständige Übereinstimmung mit den Anforderungen des Artikels 19 und dieses Anhangs sichergestellt ist. Der Verwaltungsaufwand, insbesondere für die KMU, soll so gering wie möglich sein, ohne das Schutzniveau für Menschen, Tiere und die Umwelt zu beeinträchtigen.
12.
Die Schlussfolgerungen der bewertenden Stelle während des Bewertungsprozesses müssen auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen, die vorzugsweise auf internationaler Ebene anerkannt sind, und sich auf Empfehlungen von Experten stützen.

BEWERTUNG

Allgemeine Grundsätze

13.
Die mit einem Antrag auf Zulassung eines Biozidprodukts vorgelegten Angaben müssen von der bewertenden oder befassten zuständigen Behörde im Einklang mit den einschlägigen Artikeln der Verordnung validiert werden. Nach der Validierung dieser Daten nehmen die zuständigen Behörden eine Risikobewertung auf der Grundlage der vorgeschlagenen Verwendung anhand dieser Daten vor. Gegebenenfalls werden im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vorgelegte Informationen berücksichtigt.
14.
In jedem Fall wird eine Risikobewertung für den in dem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoff durchgeführt. Sofern in dem Biozidprodukt außerdem bedenkliche Stoffe enthalten sind, wird ferner eine Risikobewertung für jeden dieser Stoffe vorgenommen. Die Risikobewertung deckt die vorgeschlagene normale Verwendung des Biozidprodukts sowie ein realistisches Worst-case-Szenario ab; dies schließt alle einschlägigen Herstellungs- und Entsorgungsfragen ein. Bei der Bewertung wird auch berücksichtigt, wie „behandelte Waren” , die mit dem Produkt behandelt wurden oder dieses enthalten, verwendet und entsorgt werden dürfen. In situ hergestellte Wirkstoffe und die entsprechenden Vorläufer werden ebenfalls einbezogen.
15.
Im Zuge der Durchführung der Bewertung wird auch die Möglichkeit von Kumulations- oder Synergieeffekten berücksichtigt. Die Agentur entwickelt und verbreitet in Zusammenarbeit mit der Kommission, den Mitgliedstaaten und den Interessengruppen zusätzliche Leitlinien zu den wissenschaftlichen Definitionen und Methoden für die Bewertung von Kumulations- und Synergieeffekten.
16.
Für jeden in dem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoff und bedenklichen Stoff umfasst die Risikobewertung die Ermittlung schädlicher Wirkungen und möglichst die Festlegung geeigneter Referenzwerte für Dosis- oder Wirkungskonzentrationen, wie von NOAEL-Werten oder PNEC-Werten (Predicted No Effect Concentrations). Darüber hinaus schließt sie gegebenenfalls eine Ermittlung der Dosis (Konzentration)/Wirkung-Beziehung und eine Ermittlung der Exposition sowie eine Risikocharakterisierung ein.
17.
Die Ergebnisse eines Vergleichs der Exposition gegenüber den geeigneten Referenzwerten für jeden Wirkstoff und jeden bedenklichen Stoff fließen in die Gesamtrisikobewertung des Biozidprodukts ein. Sofern keine quantitativen Ergebnisse vorliegen, werden die Ergebnisse der qualitativen Bewertungen in ähnlicher Weise einbezogen.
18.
Mit der Risikobewertung wird Folgendes bestimmt:

a)
die Gefahren aufgrund physikalisch-chemischer Eigenschaften,
b)
das Risiko für Menschen und Tiere,
c)
das Risiko für die Umwelt,
d)
die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Menschen, Tieren und der Umwelt sowohl bei der vorgeschlagenen normalen Verwendung des Biozidprodukts als auch in einer realistischen Worst-case-Situation.

19.
In bestimmten Fällen kann entschieden werden, dass weitere Angaben erforderlich sind, bevor eine Risikobewertung abgeschlossen werden kann. Diese zusätzlich geforderten Angaben stellen die Mindestangaben dar, die notwendig sind, um eine solche Risikobewertung abzuschließen.
20.
Die im Hinblick auf eine Biozidproduktfamilie vorgelegten Informationen sollen der bewertenden Stelle eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob alle Produkte der Biozidproduktfamilie die Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b erfüllen.
21.
Gegebenenfalls wird für jeden in dem Produkt enthaltenen Wirkstoff die technische Gleichwertigkeit mit Wirkstoffen festgestellt, die bereits in die Liste der genehmigten Stoffe aufgenommen wurden.

Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier

Wirkungen auf die menschliche Gesundheit

22.
Die Risikobewertung berücksichtigt folgende potenziellen Wirkungen, die sich aus der Verwendung des Biozidprodukts ergeben, sowie ferner die wahrscheinlich exponierten Populationen.
23.
Die obengenannten Wirkungen ergeben sich aus den Eigenschaften der im Produkt enthaltenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe. Es handelt sich dabei um

akute Toxizität,

Reizung,

ätzende Wirkung,

Sensibilisierung,

Toxizität bei wiederholter Verabreichung,

Mutagenität,

Karzinogenität,

Fortpflanzungstoxizität (Reproduktionstoxizität),

Neurotoxizität,

Immuntoxizität,

Störung des Hormonsystems,

etwaige andere besondere Eigenschaften des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs,

sonstige Wirkungen aufgrund physikalisch-chemischer Eigenschaften.

24.
Bei den obengenannten Populationen handelt es sich um

berufsmäßige Verwender,

nichtberufsmäßige Verwender,

durch die Umwelt direkt oder indirekt exponierte Personen.

Im Zusammenhang mit diesen Populationen sollte der Notwendigkeit des Schutzes gefährdeter Gruppen innerhalb dieser Populationen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

25.
Bei der Ermittlung schädlicher Wirkungen werden die Eigenschaften und potenziellen negativen Wirkungen der in dem Biozidprodukt vorhandenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe berücksichtigt.
26.
Die bewertende Stelle geht bei der Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung für einen in einem Biozidprodukt enthaltenen Wirkstoff oder bedenklichen Stoff nach den Nummern 27 bis 30 vor.
27.
Für die Toxizität bei wiederholter Verabreichung und die Reproduktionstoxizität werden die Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung für jeden Wirkstoff oder jeden bedenklichen Stoff bewertet und — wo dies möglich ist — ein NOAEL-Wert bestimmt. Sofern die Bestimmung eines NOAEL-Wertes nicht möglich ist, wird ein LOAEL-Wert (lowest-observed-adverse-effect-level) bestimmt. Gegebenenfalls können andere Dosis-Wirkung-Deskriptoren als Referenzwerte verwendet werden.
28.
Für akute Toxizität, ätzende Wirkung und Reizung ist es normalerweise nicht möglich, einen NOAEL- oder LOAEL-Wert auf der Grundlage der im Einklang mit den Anforderungen dieser Verordnung durchgeführten Tests abzuleiten. Für akute Toxizität wird der LD50-Wert (mittlere letale Dosis) oder LC50-Wert (mittlere letale Konzentration) oder ein anderer geeigneter Dosis-Wirkung-Deskriptor abgeleitet. Für die anderen Wirkungen genügt es festzustellen, ob solche Wirkungen bei der Verwendung des Biozidprodukts durch den Wirkstoff oder durch den bedenklichen Stoff verursacht werden können.
29.
Für Mutagenität und Karzinogenität sollte eine Bewertung ohne Schwellenwert durchgeführt werden, wenn der Wirkstoff oder bedenkliche Stoff genotoxisch und karzinogen ist. Ist der Wirkstoff oder bedenkliche Stoff nicht genotoxisch, wird eine Bewertung mit Schwellenwert durchgeführt.
30.
Sofern in Bezug auf die Sensibilisierung von Haut und Atemwegen keine Einigung über die mögliche Festlegung einer Dosis/Konzentration besteht, unterhalb deren insbesondere bei Personen, die gegenüber dem betreffenden Stoff bereits sensibilisiert sind, wahrscheinlich keine schädlichen Wirkungen auftreten, genügt es festzustellen, ob durch den Wirkstoff oder durch den bedenklichen Stoff solche Wirkungen als Ergebnis der Verwendung des Biozidprodukts verursacht werden können.
31.
Bei der Durchführung der Risikobewertung sind Toxizitätsdaten, die aus Beobachtungen der Exposition des Menschen hergeleitet werden (z. B. Informationen aus der Herstellung, aus Giftnotrufzentren oder epidemiologischen Erhebungen), besonders zu berücksichtigen.
32.
Eine Ermittlung der Exposition wird für alle Humanpopulationen (berufsmäßige Verwender, nichtberufsmäßige Verwender und durch die Umwelt direkt oder indirekt exponierte Personen) durchgeführt, bei denen eine Exposition gegenüber einem Biozidprodukt vorliegt oder realistischerweise vorhergesehen werden kann, wobei besonderes Augenmerk auf die für gefährdete Gruppen relevanten Formen der Exposition zu legen ist. Ziel der Ermittlung ist eine quantitative oder qualitative Abschätzung der Dosis/Konzentration jedes Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs, einschließlich relevanter Metaboliten und Abbauprodukte, dem eine Population bei der Verwendung des Biozidprodukts und der mit diesem Produkt behandelten Waren ausgesetzt ist bzw. sein kann.
33.
Die Ermittlung der Exposition basiert auf den Angaben in den technischen Unterlagen gemäß den Artikeln 6 und 21 sowie auf allen sonstigen verfügbaren und einschlägigen Informationen. Besonders zu berücksichtigen sind gegebenenfalls

in geeigneter Weise gemessene Expositionsdaten,

die Form, in der das Produkt in den Verkehr gebracht wird,

Art des Biozidprodukts,

Verwendungsmethode und -rate,

physikalisch-chemische Eigenschaften des Produkts,

wahrscheinliche Expositionswege und Resorptionspotenzial,

Häufigkeit und Dauer der Exposition,

Höchstwerte für Rückstände,

Art und Umfang von besonderen exponierten Populationen, sofern solche Informationen vorliegen.

34.
Bei der Ermittlung der Exposition werden auf geeignete Weise gemessene, repräsentative Expositionsdaten besonders berücksichtigt. Werden für die Bewertung der Expositionshöhe Berechnungsmethoden angewendet, so müssen geeignete Modelle herangezogen werden.

Diese Modelle müssen

unter Berücksichtigung realistischer Parameter und Annahmen eine bestmögliche Bewertung aller einschlägigen Verfahren liefern;

einer Analyse unterzogen werden, bei der mögliche Unsicherheiten berücksichtigt werden;

auf verlässliche Weise durch Messungen validiert sein, die unter Bedingungen durchgeführt wurden, die für die Verwendung des Modells relevant sind;

für die Bedingungen des Verwendungsbereichs relevant sein.

Einschlägige Überwachungsdaten über Stoffe mit analogen Anwendungs- und Expositionsmustern bzw. Eigenschaften werden ebenfalls berücksichtigt.

35.
Sofern für die Wirkungen gemäß Nummer 23 ein Referenzwert bestimmt wurde, wird im Rahmen der Risikocharakterisierung ein Vergleich des Referenzwertes mit der geschätzten Dosis/Konzentration, der die Population ausgesetzt ist, vorgenommen. Kann kein Referenzwert bestimmt werden, so wird der qualitative Ansatz verfolgt.

Kann kein Referenzwert bestimmt werden, so wird der qualitative Ansatz verfolgt. Bewertungsfaktoren dienen der Extrapolation von toxischen Tierversuchen auf die exponierte Humanpopulation. Die Festlegung eines allgemeinen Bewertungsfaktors berücksichtigt den Unsicherheitsgrad bei der Extrapolation zwischen Arten und innerhalb derselben Art. In Ermangelung geeigneter chemischer Daten wird auf den einschlägigen Referenzwert ein Standard-Bewertungsfaktor von 100 angewandt. Zusätzliche Elemente können bei den Bewertungsfaktoren berücksichtigt werden, einschließlich Toxikokinetik und Toxikodynamik, Art und Schwere der Wirkung, menschliche Human(unter)populationen, Expositionsabweichungen zwischen Untersuchungsergebnissen und der menschlichen Exposition in Bezug auf Häufigkeit und Dauer, Extrapolation der Untersuchungsdauer (z. B. subchronisch bis chronisch), Dosis-Wirkung-Beziehung und die Gesamtqualität der Toxizitätsdaten.

Wirkungen auf die Tiergesundheit

36.
Die bewertenden Stellen bewerten die Risiken, die von einem Biozidprodukt für Tiere ausgehen, indem sie die gleichen einschlägigen Grundsätze, die im Kapitel über die Wirkungen auf Menschen beschrieben sind, anwenden.

Wirkungen auf die Umwelt

37.
Die Risikobewertung berücksichtigt alle schädlichen Wirkungen, die sich für alle drei Umweltkompartimente Luft, Boden und Wasser (einschließlich Sediment) und für die belebte Natur (Biota) bei Verwendung des Biozidprodukts ergeben.
38.
Bei der Ermittlung schädlicher Wirkungen werden die Eigenschaften und potenziellen negativen Wirkungen der in dem Biozidprodukt vorhandenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe berücksichtigt.
39.
Die Ermittlung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung wird vorgenommen, um Vorhersagen über die Konzentration zu ermöglichen, unterhalb der schädliche Wirkungen auf die gefährdeten Umweltkompartimente nicht zu erwarten sind. Sie ist für die in dem Biozidprodukt vorhandenen Wirkstoffe und bedenklichen Stoffe durchzuführen. Diese Konzentration ist als PNEC bekannt. Allerdings kann es in bestimmten Fällen unmöglich sein, eine PNEC festzulegen. In dem Fall ist eine qualitative Bewertung der Dosis(Konzentration)/Wirkung-Beziehung erforderlich.
40.
Die PNEC wird anhand von Daten über die Wirkungen auf Organismen und von im Einklang mit den Bestimmungen der Artikel 6 und 20 vorgelegten Ökotoxizitätsstudien festgelegt. Sie wird unter Anwendung eines Extrapolationsfaktors auf die Referenzwerte berechnet, die sich aus den Tests an Organismen ergeben, z. B. LD50 (mittlere letale Dosis), LC50 (mittlere letale Konzentration), EC50 (mittlere wirksame Konzentration), IC50 (Konzentration, die 50 % Inhibition eines bestimmten Parameters, beispielsweise des Wachstums, bewirkt), NOEL(C) (No-observed-effect-level (concentration)) oder LOEL(C) (Lowest-observed-effect-level (concentration)). Gegebenenfalls können andere Dosis-Wirkung-Deskriptoren als Referenzwerte verwendet werden.
41.
Ein Extrapolationsfaktor ist Ausdruck des Unsicherheitsgrades bei der Extrapolation von Testdaten über eine begrenzte Anzahl von Spezies auf die reale Umwelt. Daher gilt in der Regel: Je umfassender die Daten und je länger die Testdauer, desto geringer der Unsicherheitsgrad und die Größe des Extrapolationsfaktors.
42.
Für jedes Umweltkompartiment wird die Ermittlung der Exposition durchgeführt, um die wahrscheinliche Konzentration jedes im Biozidprodukt vorhandenen Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs vorherzusagen. Diese Konzentration ist als PEC (Predicted environmental concentration) bekannt. In bestimmten Fällen kann es jedoch unmöglich sein, eine PEC zu bestimmen. In dem Fall ist eine qualitative Expositionsbewertung erforderlich.
43.
Eine PEC oder gegebenenfalls eine qualitative Expositionsabschätzung ist nur für Umweltkompartimente zu bestimmen bzw. vorzunehmen, für die Emissionen, Einleitungen, Einträge über den Abfallpfad oder Einträge aufgrund von Verteilungsvorgängen (einschließlich relevanter Beiträge durch biozidbehandelte Waren) bekannt oder realistischerweise vorhersehbar sind.
44.
Die PEC oder die qualitative Expositionsabschätzung wird insbesondere und, falls dafür geeignet, unter Berücksichtigung folgender Parameter bestimmt bzw. vorgenommen:

in geeigneter Weise gemessene Expositionsdaten,

die Form, in der das Produkt in den Verkehr gebracht wird,

Art des Biozidprodukts,

Verwendungsmethode und -rate,

physikalisch-chemische Eigenschaften,

Abbau-/Umwandlungsprodukte,

wahrscheinlicher Eintragspfad und Adsorptions-/Desorptions- und Abbaupotenzial,

Häufigkeit und Dauer der Exposition,

weiträumige Verbreitung in der Umwelt.

45.
Bei der Ermittlung der Exposition werden auf geeignete Weise gemessene, repräsentative Expositionsdaten besonders berücksichtigt. Werden für die Bewertung der Expositionshöhe Berechnungsmethoden angewendet, so müssen geeignete Modelle herangezogen werden. Die Charakteristika dieser Modelle müssen die gleichen sein wie in Nummer 34. Gegebenenfalls werden von Fall zu Fall einschlägige Überwachungsdaten über Stoffe mit analogen Verwendungs- und Expositionsmustern oder analogen Eigenschaften berücksichtigt.
46.
Die Risikocharakterisierung umfasst soweit möglich für alle Umweltkompartimente einen Vergleich der PEC mit dem PNEC-Wert, so dass ein PEC/PNEC-Verhältnis abgeleitet werden kann.
47.
Wenn es nicht möglich war, ein PEC/PNEC-Verhältnis abzuleiten, wird im Rahmen der Risikocharakterisierung eine qualitative Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, dass eine Wirkung unter den derzeitigen Expositionsbedingungen eintritt oder unter den erwarteten Expositionsbedingungen eintreten wird, vorgenommen.
48.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn es bedenkliche Stoffe, relevante Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte enthält, die gemäß Anhang XIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 die Kriterien PBT oder vPvB erfüllen oder endokrinschädigende Eigenschaften aufweisen, es sei denn, es wird wissenschaftlich nachgewiesen, dass unter den entsprechenden Verwendungsbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen auftreten.

Wirkungen auf die Zielorganismen

49.
Es wird eine Bewertung durchgeführt, um nachzuweisen, dass die Wirkung des Biozidprodukts bei Zielwirbeltieren kein unnötiges Leiden und keine unnötigen Schmerzen verursacht. Dazu gehören eine Beurteilung des Mechanismus, durch den die Wirkung erzielt wird, sowie die beobachteten Wirkungen auf das Verhalten und die Gesundheit der Zielwirbeltiere; sofern die beabsichtigte Wirkung der Tod des Zielwirbeltiers ist, werden die für die Tötung des Zielwirbeltiers erforderliche Zeit und die Bedingungen, unter denen der Tod eintritt, bewertet.
50.
Die bewertende Stelle prüft gegebenenfalls die Möglichkeit, dass der Zielorganismus eine Resistenz oder Kreuzresistenz gegen einen Wirkstoff im Biozidprodukt entwickelt.

Wirksamkeit

51.
Die vom Antragsteller vorgelegten Daten sind ausreichend, um die Wirksamkeitsansprüche des Produkts nachzuweisen. Vom Antragsteller vorgelegte oder im Besitz der bewertenden Stelle befindliche Daten müssen die Wirksamkeit des Biozidprodukts gegen die Zielorganismen demonstrieren, wenn sie normal nach den Zulassungsbedingungen verwendet werden.
52.
Eine Prüfung sollte nach den Leitlinien der Union durchgeführt werden, sofern diese verfügbar und anwendbar sind. Gegebenenfalls können auch andere Verfahren angewendet werden, wie in nachstehender Liste aufgeführt. Liegen annehmbare relevante Felddaten vor, so können diese benutzt werden.

ISO-, CEN- oder sonstige internationale Standardverfahren,

einzelstaatliche Normen,

Standardindustrieverfahren (sofern von der bewertenden Stelle akzeptiert),

Standardverfahren der individuellen Hersteller (sofern von der bewertenden Stelle akzeptiert),

Daten aus der Entwicklung des Biozidprodukts (sofern von der bewertenden Stelle akzeptiert).

Zusammenfassung

53.
In jedem Bereich, in dem Risikobewertungen durchgeführt wurden, fasst die bewertende Stelle die Ergebnisse für den Wirkstoff und die Ergebnisse für etwaige bedenkliche Stoffe zusammen, um zu einer Gesamtbewertung des Biozidprodukts selbst zu gelangen. Dabei werden auch etwaige Kumulations- und Synergieeffekte berücksichtigt.
54.
Für ein Biozidprodukt mit mehr als einem Wirkstoff werden auch etwaige schädliche Wirkungen zusammen betrachtet, um zu einer Gesamtbewertung des Biozidprodukts selbst zu gelangen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Allgemeine Grundsätze

55.
Zweck der Bewertung ist es festzustellen, ob ein Produkt die Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt oder nicht. Die bewertende Stelle zieht ihre Schlussfolgerung unter Berücksichtigung der Risiken der einzelnen Wirkstoffe zusammen mit den Risiken der im Biozidprodukt enthaltenen einzelnen bedenklichen Stoffe und stützt sich dabei auf die im Einklang mit den Nummern 13 bis 54 dieses Anhangs durchgeführte Bewertung.
56.
Bei der Feststellung der Übereinstimmung mit den Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b gelangt die bewertende Stelle zu einer der nachstehenden Schlussfolgerungen für jede Produktart und für jeden Anwendungsbereich des Biozidprodukts, für das ein Antrag gestellt wurde:

1.
Das Biozidprodukt erfüllt die Kriterien.
2.
Vorbehaltlich besonderer Bedingungen/Einschränkungen kann das Biozidprodukt die Kriterien erfüllen.
3.
Ohne zusätzliche Daten kann nicht festgestellt werden, ob das Biozidprodukt die Kriterien erfüllt.
4.
Das Biozidprodukt erfüllt die Kriterien nicht.

57.
Bei der Entscheidung, ob ein Biozidprodukt die Kriterien nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt, berücksichtigt die bewertende Stelle die Unsicherheit, die sich aus der Variabilität der im Bewertungsprozess verwendeten Daten ergibt.
58.
Gelangt die bewertende Stelle zu der Schlussfolgerung, dass zusätzliche Daten oder Informationen erforderlich sind, so begründet die bewertende Stelle die Notwendigkeit solcher Informationen oder Daten. Diese zusätzlichen Informationen oder Daten sind die für eine weitere angemessene Risikobewertung mindestens notwendigen Daten.

Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier

Wirkungen auf die menschliche Gesundheit

59.
Die bewertende Stelle berücksichtigt mögliche Wirkungen auf alle Humanpopulationen, d. h. berufsmäßige und nichtberufsmäßige Verwender sowie direkt oder indirekt durch die Umwelt exponierte Personen. Wenn man zu diesen Schlussfolgerungen gelangt, wird besonderes Augenmerk auf die gefährdeten Gruppen innerhalb der verschiedenen Populationen gerichtet.
60.
Die bewertende Stelle prüft das Verhältnis zwischen der Exposition und der Wirkung. Bei der Prüfung dieses Verhältnisses ist eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, in erster Linie die Art der schädlichen Wirkungen des betreffenden Stoffes. Diese Wirkungen umfassen die akute Toxizität, Reizung, ätzende Wirkung, Sensibilisierung, Toxizität bei wiederholter Verabreichung, Mutagenität, Karzinogenität, Neurotoxizität, Immuntoxizität, Reproduktionstoxizität, Störungen des Hormonsystems zusammen mit den physikalisch-chemischen Eigenschaften und sonstige schädliche Eigenschaften des Wirkstoffs oder bedenklichen Stoffs oder ihrer relevanten Metaboliten oder Abbauprodukte.
61.
Typischerweise liegt die Sicherheitsmarge für die Exposition (MOEref) — das Verhältnis zwischen dem Dosisdeskriptor und der Expositionskonzentration — bei ungefähr 100, doch kann auch eine höhere oder niedrigere MOEref angemessen sein, was unter anderem von der Art der kritischen Effekte und der Sensibilität der Population abhängt.
62.
Die bewertende Stelle gelangt gegebenenfalls zu dem Schluss, dass das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii nur bei Anwendung von Präventiv- und Schutzmaßnahmen erfüllt werden kann, und zwar in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsabläufe, technische Schutzmaßnahmen, die Verwendung angemessener Ausrüstung und Materialien, die Anwendung kollektiver Schutzmaßnahmen und — wenn die Exposition auf anderem Wege nicht verhindert werden kann — die Anwendung individueller Schutzmaßnahmen, so z. B. das Tragen einer persönlicher Schutzausrüstung wie Atemgeräte, Atemschutzmasken, Overalls, Handschuhe und Schutzbrillen, um die Exposition für berufsmäßige Verwender zu verringern.
63.
Ist das Tragen einer persönlichen Schutzausrüstung für nichtberufsmäßige Verwender die einzige Möglichkeit, die Exposition auf ein für diese Population akzeptables Maß zu reduzieren, so sollte im Normalfall nicht davon ausgegangen werden, dass das Produkt für diese Population das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii erfüllt.

Wirkungen auf die Tiergesundheit

64.
Unter Anwendung der gleichen einschlägigen Kriterien wie im Abschnitt über die Wirkungen auf die menschliche Gesundheit prüft die bewertende Stelle, ob das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iii in Bezug auf die Tiergesundheit erfüllt ist.

Wirkungen auf die Umwelt

65.
Die Entscheidungsgrundlage ist das PEC/PNEC-Verhältnis oder, wenn dieses nicht ableitbar ist, eine qualitative Abschätzung. Dabei wird die Genauigkeit dieses Verhältnisses berücksichtigt, das von der Variabilität der Daten sowohl bei den Konzentrationsmessungen als auch bei den Abschätzungen abhängig ist.

Zur PEC-Bestimmung sollte das Modell verwandt werden, das bei Berücksichtigung von Verbleib und Verhalten des Biozidprodukts in der Umwelt das geeignetste ist.

66.
Wenn bei den einzelnen Umweltkompartimenten das PEC/PNEC-Verhältnis gleich oder weniger als 1 ist, bedeutet das für die Risikocharakterisierung, dass keine weiteren Informationen und/oder Prüfungen notwendig sind. Ist das Verhältnis PEC/PNEC größer als 1, so beurteilt die bewertende Stelle aufgrund der Größe dieses Verhältnisses und anderer einschlägiger Faktoren, ob weitere Informationen und/oder Prüfungen notwendig sind, um das Ausmaß der Gefährdung abzuklären, oder ob geeignete Maßnahmen zur Verringerung des Risikos notwendig sind oder ob das Biozidprodukt womöglich das Kriterium des Artikels 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllen kann.

Wasser

67.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium des Artikels 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger anderer bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte in Wasser (oder seinen Sedimenten) unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielorganismen in der Gewässer-, Meeres- oder Ästuarumwelt hat, außer wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass es unter relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen gibt. Insbesondere befindet die bewertende Stelle, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte in Wasser (oder seinen Sedimenten) verhindern würde, dass die in folgenden Rechtsvorschriften festgelegten Standards erreicht werden:

Richtlinie 2000/60/EG,

Richtlinie 2006/118/EG,

Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt(2),

Richtlinie 2008/105/EG oder

internationale Übereinkommen über den Schutz von Flüssen und Meeresgewässern vor Verschmutzung.

68.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte im Grundwasser den niedrigeren Wert der folgenden Konzentrationen übersteigt:

die höchstzulässige Konzentration gemäß der Richtlinie 98/83/EG; oder

die Höchstkonzentration, die im Anschluss an das Verfahren zur Genehmigung des Wirkstoffs gemäß dieser Verordnung aufgrund der entsprechenden Daten, insbesondere der toxikologischen Daten, festgelegt wird,

außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, dass die niedrigere Konzentration unter relevanten Feldbedingungen nicht überschritten wird.

69.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte nach Verwendung des Biozidprodukts unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen in Oberflächenwasser oder seinen Sedimenten

an der Stelle, an der das Oberflächenwasser in oder aus dem Bereich der geplanten Verwendung zur Entnahme von Trinkwasser bestimmt ist, die Werte überschreitet, die festgelegt wurden in

der Richtlinie 2000/60/EG,

der Richtlinie 98/83/EG oder

eine für unannehmbar gehaltene Wirkung auf Nichtzielorganismen hat,

außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, dass diese Konzentration unter relevanten Feldbedingungen nicht überschritten wird.

70.
Die vorgeschlagenen Anweisungen für die Verwendung des Biozidprodukts, einschließlich der Verfahren zur Reinigung der Ausbringungsgeräte, sind so zu gestalten, dass, werden diese Verfahren befolgt, sie die Wahrscheinlichkeit einer unbeabsichtigten Kontamination des Wassers oder seiner Sedimente möglichst verringern.

Boden

71.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium des Artikels 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen die voraussichtliche Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger anderer bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel- oder Abbau- bzw. Reaktionsprodukte im Boden unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarten hat, außer wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass es unter relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Auswirkungen gibt.

Luft

72.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn eine vernünftigerweise vorhersehbare Möglichkeit unannehmbarer Wirkungen auf das Kompartiment Luft besteht, außer wenn wissenschaftlich nachgewiesen wird, dass unter relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen auftreten.

Nichtzielorganismen

73.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn eine realistischerweise vorhersehbare Möglichkeit besteht, dass Nichtzielorganismen dem Biozidprodukt ausgesetzt sind, wenn bei einem Wirkstoff oder bedenklichen Stoff

das PEC/PNEC-Verhältnis über 1 liegt, oder

die Konzentration des Wirkstoffs, etwaiger anderer bedenklicher Stoffe oder relevanter Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarten hat, außer wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass es unter relevanten Feldbedingungen keine unannehmbaren Wirkungen gibt.

74.
Die bewertende Stelle befindet, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer iv nicht erfüllt, wenn eine realistischerweise vorhersehbare Möglichkeit besteht, dass Mikroorganismen in Kläranlagen dem Biozidprodukt ausgesetzt werden, wenn das PEC/PNEC-Verhältnis für einen Wirkstoff, einen bedenklichen Stoff oder relevante Stoffwechsel-, Abbau- oder Reaktionsprodukte über 1 liegt, es sei denn, es ist eindeutig in der Risikobewertung nachgewiesen, dass unter Feldbedingungen weder direkt noch indirekt eine unannehmbare Wirkung im Zusammenhang mit der Lebensfähigkeit dieser Mikroorganismen auftritt.

Wirkungen auf die Zielorganismen

75.
Wenn die Entwicklung einer Resistenz oder Kreuzresistenz gegen den Wirkstoff im Biozidprodukt zu erwarten ist, prüft die bewertende Stelle Maßnahmen, um die Folgen dieser Resistenz möglichst gering zu halten. Das kann eine Änderung der Zulassungsbedingungen einschließen. Kann jedoch die Entwicklung einer Resistenz oder Kreuzresistenz nicht hinreichend eingedämmt werden, so befindet die bewertende Stelle, dass das Biozidprodukt das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii nicht erfüllt.
76.
Bei einem Biozidprodukt zur Bekämpfung von Wirbeltieren wird in der Regel davon ausgegangen, dass es das Kriterium nach Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii erfüllt, es sei denn,

der Tod tritt gleichzeitig mit dem Verlust des Bewusstseins ein, oder

der Tod tritt sofort ein, oder

die Lebensfunktionen werden allmählich ohne Zeichen offensichtlichen Leidens reduziert.

Bei Repellentien muss die beabsichtigte Wirkung ohne unnötige Leiden oder Schmerzen für das Zielwirbeltier erreicht werden können.

Wirksamkeit

77.
Grad, Art und Dauer der Schutzwirkung, der Bekämpfung oder anderer beabsichtigter Wirkungen müssen zumindest ähnlich sein wie bei der Verwendung geeigneter Referenzprodukte, falls derartige Referenzprodukte existieren, oder anderer Möglichkeiten der Bekämpfung. Gibt es keine Referenzprodukte, so muss das Biozidprodukt einen vorgegebenen Grad der Schutz- oder der Bekämpfungswirkung für die Bereiche der vorgeschlagenen Verwendung aufweisen. Schlussfolgerungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Biozidprodukts müssen für alle Bereiche der vorgeschlagenen Verwendung und für alle Gebiete des jeweiligen Mitgliedstaats oder gegebenenfalls der Union gelten, es sei denn, das Biozidprodukt ist für den Einsatz unter speziellen Umständen bestimmt. Um zu ermitteln, ob die empfohlene Dosis die zur Erreichung der gewünschten Wirkung notwendige Mindestmenge darstellt, prüft die bewertende Stelle die Daten zur Dosis-Wirkung-Beziehung, die in geeigneten Versuchen (zu denen eine unbehandelte Kontrolle gehören muss) ermittelt werden, wobei auch Aufwandmengen, die geringer sind als die empfohlene Menge, einbezogen werden.

Zusammenfassung

78.
In Bezug auf die in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffern iii und iv festgelegten Kriterien fasst die bewertende Stelle die für den (die) Wirkstoffe) und die bedenklichen Stoffe erreichten Schlussfolgerungen zusammen, um eine Gesamtschlussfolgerung für das Biozidprodukt als solches zu ziehen. Auch die Schlussfolgerungen in Bezug auf die in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b Ziffern i und ii festgelegten Kriterien werden zusammengefasst.

ZUSAMMENFASSUNG DER SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die bewertende Stelle kommt auf der Grundlage der Bewertung, die nach den in diesem Anhang dargelegten Prinzipien vorgenommen wurde, zu einer abschließenden Entscheidung darüber, ob das Biozidprodukt die Kriterien des Artikels 19 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt.

Fußnote(n):

(1)

Siehe Begriffsbestimmung des Begriffs „gefährdete Gruppen” in Artikel 3.

(2)

ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19.

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