Präambel VO (EU) 2013/462

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(4) müssen Ratingagenturen Verhaltensregeln einhalten, um mögliche Interessenkonflikte zu verringern und für Ratings sowie den Ratingprozess hohe Qualität und ausreichende Transparenz sicherzustellen. Nach den Änderungen durch die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) erhielt die durch die Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(6) errichtete Europäische Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) (ESMA) die Befugnis, Ratingagenturen zu registrieren und zu beaufsichtigen. Die vorliegende Verordnung ergänzt den derzeitigen Regulierungsrahmen für Ratingagenturen. Einige der wichtigsten Fragen, wie Interessenkonflikte aufgrund des „Modells des zahlenden Emittenten” und Offenlegung von Informationen zu strukturierten Finanzinstrumenten, werden behandelt, und der Rahmen muss überprüft werden, nachdem er für einen angemessenen Zeitraum in Kraft war, um zu beurteilen, ob diese Fragen damit vollständig geklärt werden. Die Erforderlichkeit, die Transparenz, die Verfahrensvorschriften und den Zeitpunkt der Veröffentlichung insbesondere für Länderratings zu überprüfen, wurde zwischenzeitlich durch die derzeitige Staatsschuldenkrise unterstrichen.
(2)
In seiner Entschließung „Ratingagenturen: Perspektiven für die Zukunft” (7) vom 8. Juni 2011 forderte das Europäische Parlament eine bessere Regulierung dieser Einrichtungen. Anlässlich seines informellen Treffens am 30. September und 1. Oktober 2010 erkannte der Rat (Wirtschaft und Finanzen) an, dass weitere Anstrengungen erforderlich sind, um eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit Ratingtätigkeiten in Angriff zu nehmen, wie das Risiko eines übermäßigen Rückgriffs auf Ratings sowie das Risiko von Interessenkonflikten, die aus dem Vergütungsmodell von Ratingagenturen herrühren. Der Europäische Rat gelangte am 23. Oktober 2011 zu dem Schluss, dass beim Abbau des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings Fortschritte erforderlich seien.
(3)
Auf internationaler Ebene gab der Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB), zu dessen Mitgliedern die Europäische Zentralbank (EZB) zählt, am 20. Oktober 2010 Grundsätze zur Verringerung des Rückgriffs von Behörden und Finanzinstituten auf Ratings von Ratingagenturen (im Folgenden „FSB-Grundsätze” ) aus. Die FSB-Grundsätze wurden im November 2010 auf dem G20-Gipfel in Seoul gebilligt. Daher ist es angezeigt, dass die sektoralen zuständigen Behörden die Praktiken der Marktteilnehmer bewerten und die Marktteilnehmer dazu anhalten, die Wirkung solcher Praktiken abzumildern. Die sektoralen zuständigen Behörden sollten entsprechende Anreizmaßnahmen beschließen. Die ESMA sollte — gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der durch die Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(8) errichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankaufsichtsbehörde) und der durch die Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates(9) errichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) — im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 und im Rahmen dieser Verordnung auf eine Erleichterung der Konvergenz der Aufsichtspraktiken hinwirken.
(4)
Ratingagenturen sollten Anlegern die Daten über die Fehlerwahrscheinlichkeit von Ratings und Ratingausblicken basierend auf Daten über bisherige Ergebnisse, wie sie in dem von der ESMA eingerichteten zentralen Datenspeicher veröffentlicht sind, bewusst machen.
(5)
Gemäß den FSB-Grundsätzen sollten Zentralbanken die Kreditqualität von Finanzinstrumenten, die sie bei Marktgeschäften als Sicherheiten akzeptieren oder unmittelbar erwerben, selbst bewerten. Die Zentralbanken sollten Automatismen vermeiden, die zu unnötig abrupten und weitreichenden Änderungen bei der Anerkennungsfähigkeit von Finanzinstrumenten und der Höhe von Bewertungsabschlägen führen könnten, die „Klippeneffekte” verschärfen können. In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2012 hat die EZB ferner darauf hingewiesen, dass sie sich dem gemeinsamen Ziel verpflichtet sieht, den übermäßigen Rückgriff auf Ratings zu verringern. In diesem Zusammenhang erstattet die EZB regelmäßig Bericht über die verschiedenen Maßnahmen, die im Rahmen des Eurosystems ergriffen werden, um den Rückgriff auf Ratings zu vermindern. Gemäß Artikel 284 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat die EZB dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission sowie auch dem Europäischen Rat einen Jahresbericht über die Tätigkeit des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und die Geld- und Währungspolitik im vergangenen und in den laufenden Jahren zu unterbreiten. Der Präsident der EZB hat den Bericht dem Europäischen Parlament, das auf dieser Grundlage eine allgemeine Aussprache durchführen kann, und dem Rat vorzulegen. Des Weiteren könnte die EZB in diesen Berichten erläutern, wie sie die FSB-Grundsätze umgesetzt hat und welche alternativen Bewertungsmethoden sie verwendet.
(6)
Die Union bemüht sich zurzeit darum, in einem ersten Schritt zu prüfen, ob Bezugnahmen auf Ratings im Unionsrecht zu einem ausschließlichen oder automatischen Rückgriff auf solche Ratings führen oder führen könnten, und in einem zweiten Schritt alle Bezugnahmen auf Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken im Unionsrecht zu überprüfen, um sie bis 2020 zu streichen, sofern geeignete Alternativen für die Bewertung des Kreditrisikos gefunden und umgesetzt werden.
(7)
Die Bedeutung, die Ratingausblicke für Anleger und Emittenten haben, und ihre Auswirkungen auf Märkte sind mit der Bedeutung und den Auswirkungen von Ratings vergleichbar. Daher sollten sämtliche Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, mit denen gewährleistet werden soll, dass Ratingmaßnahmen zutreffend und transparent sind und nicht zu Interessenkonflikten führen, auch für Ratingausblicke gelten. Gemäß der derzeitigen Aufsichtpraxis wird eine Reihe von Anforderungen der Verordnung auf Ratingausblicke angewandt. Mit der vorliegenden Verordnung sollten die Vorschriften klargestellt werden und es sollte Rechtssicherheit geschaffen werden indem eine Begriffsbestimmung der Ratingausblicke eingeführt wird und verdeutlicht wird, welche spezifischen Bestimmungen für diese Ratingausblicke gelten. Die Begriffsbestimmung der Ratingausblicke sollte auch die üblicherweise als „Credit Watch” bezeichneten Meinungsäußerungen bezüglich der wahrscheinlichen Richtung, in der sich ein Rating auf kurze Sicht entwickeln wird, umfassen.
(8)
Mittelfristig sollte die Machbarkeit weiterer Schritte geprüft werden, um Bezugnahmen auf Ratings in Vorschriften zur Regulierung von Finanzdienstleistungen zu streichen, und um die Risikogewichtung von Aktiva mittels Ratings abzuschaffen. Bis es soweit ist, bleiben Ratingagenturen jedoch wichtige Teilnehmer des Finanzmarkts. Infolgedessen sind die Unabhängigkeit und Integrität der Ratingagenturen und deren Ratingtätigkeiten von besonderer Bedeutung für die Wahrung der Glaubwürdigkeit dieser Einrichtungen gegenüber Marktteilnehmern, insbesondere Anlegern und anderen Nutzern von Ratings. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 müssen Ratingagenturen registriert sein und beaufsichtigt werden, da ihre Dienstleistungen von erheblichem öffentlichem Interesse sind. Ratings sind anders als Anlageanalysen keine bloßen Meinungen über den Wert oder den Preis eines Finanzinstruments oder einer finanziellen Verbindlichkeit. Bei Ratingagenturen handelt es sich nicht um bloße Finanzanalysten oder Anlageberater. Ratings haben für der Regulierung unterliegende Anleger wie Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften und andere institutionelle Anleger einen aufsichtsrechtlichen Wert. Obwohl die Anreize, sich in allzu hohem Maße auf Ratings zu stützen, abgebaut werden, bestimmen Ratings aufgrund von Informationsasymmetrien und aus Effizienzgründen nach wie vor Anlageentscheidungen. In diesem Zusammenhang müssen Ratingagenturen unabhängig und ihre Ratingmethoden transparent sein und von den Marktteilnehmern auch so wahrgenommen werden.
(9)
Der übermäßige Rückgriff auf Ratings sollte verringert werden, und alle durch Ratings ausgelösten Automatismen sollten nach und nach abgebaut werden. Kreditinstitute und Wertpapierfirmen sollten dazu angehalten werden, interne Verfahren einzurichten, die es ihnen ermöglichen, Kreditrisiken selbst zu bewerten; außerdem sollten sie darauf hinwirken, dass Anleger eine sorgfältige Prüfung durchführen. In diesem Zusammenhang sieht die vorliegende Verordnung vor, dass sich Finanzinstitute nicht ausschließlich oder automatisch auf Ratings verlassen sollten. Finanzinstitute sollten daher keine Verträge eingehen, die vorsehen, dass sie sich ausschließlich oder automatisch auf Ratings verlassen, und sie sollten davon absehen, diese in Verträgen als einzigen Parameter für die Bewertung der Bonität eines Investments festzulegen oder eine Kauf- oder Verkaufsentscheidung von externen Ratings abhängig zu machen.
(10)
In der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 war bereits eine erste Serie von Maßnahmen zur Lösung des Problems der Unabhängigkeit und Integrität von Ratingagenturen und deren Ratingaktivitäten vorgesehen. Das Ziel der Gewährleistung der Unabhängigkeit von Ratingagenturen und das Ziel, potenzielle Interessenkonflikte zu erkennen, damit umzugehen und möglichst zu vermeiden, lagen bereits mehreren Bestimmungen der genannten Verordnung zugrunde. Die Auswahl und Vergütung der Ratingagentur durch das bewertete Unternehmen (das Modell des zahlenden Emittenten) bringt inhärente Interessenkonflikte mit sich. Nach diesem Modell besteht für die Ratingagenturen ein Anreiz, einen Emittenten mit Gefälligkeitsratings zu bewerten, um eine langfristige Einnahmen sichernde Geschäftsbeziehung zu gewährleisten oder um für zusätzliche Aufträge und Einnahmen zu sorgen. Darüber hinaus können die Beziehungen zwischen den Anteilseignern von Ratingagenturen und den bewerteten Unternehmen zu Interessenkonflikten führen, auf die mit den bestehenden Vorschriften nicht ausreichend eingegangen wird. Infolgedessen können nach dem Modell des zahlenden Emittenten abgegebene Ratings als Bewertungen wahrgenommen werden, die eher den Wünschen des Emittenten entgegenkommen als den Bedürfnissen des Anlegers. Es ist von entscheidender Bedeutung, die für Ratingagenturen geltenden Bedingungen der Unabhängigkeit zu stärken, damit sich die Glaubwürdigkeit der nach dem Modell des zahlenden Emittenten abgegebenen Ratings erhöht.
(11)
Um auf einem Markt, der bisher von drei Ratingagenturen beherrscht wird, den Wettbewerb zu stärken, sollten Maßnahmen zur Förderung der Inanspruchnahme kleinerer Agenturen getroffen werden. In letzter Zeit sind Emittenten oder mit diesen verbundene Dritte dazu übergegangen, Ratings von zwei oder mehr Agenturen einzuholen; daher sollte ein Emittent oder ein mit diesem verbundener Dritter, der zwei oder mehr Ratings anfordert, in Betracht ziehen, mindestens eine Ratingagentur zu beauftragen, deren Anteil am Gesamtmarkt nicht über 10 % liegt und die der Emittent oder ein mit diesem verbundener Dritter als geeignet betrachten könnte, ein Rating der betreffenden Emission oder des betreffenden Emittenten abzugeben.
(12)
Die Entwicklung am Ratingmarkt zeigt, dass Ratingagenturen und bewertete Unternehmen traditionell dauerhafte Geschäftsbeziehungen eingehen. Daraus entsteht das Risiko der Vertrautheit, da sich die Ratingagentur im Laufe der Zeit gegenüber den Wünschen des bewerteten Unternehmens möglicherweise zu wohlwollend verhält. Unter diesen Umständen könnte die Unparteilichkeit von Ratingagenturen allmählich in Frage gestellt werden. Denn für Ratingagenturen, die von einem Wertpapiere emittierenden Unternehmen beauftragt und bezahlt werden, besteht ein Anreiz, allzu günstige Ratings für das bewertete Unternehmen oder dessen Schuldtitel abzugeben, um die Geschäftsbeziehung zu diesem Emittenten aufrechtzuerhalten. Emittenten unterliegen auch Anreizen, die lang andauernde Beziehungen begünstigen, z. B. dem Lock-in-Effekt, bei dem ein Emittent von einem Wechsel der Ratingagentur absieht, weil dies bei den Anlegern Bedenken bezüglich der Bonität des Emittenten aufkommen lassen könnte. Dieses Problem wurde bereits in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 erkannt, in der den Ratingagenturen vorgeschrieben wurde, Analysten und Mitarbeiter einem Rotationssystem zu unterwerfen, das einen gestaffelten Wechsel in den Analyseteams und Ratingausschüssen sicherstellt, damit die Unabhängigkeit von Ratinganalysten und Mitarbeitern, die die Ratings genehmigen, nicht in Frage gestellt wird. Der Erfolg solcher Regeln hing allerdings stark von der jeweiligen Lösung ab, die innerhalb der Ratingagentur umgesetzt wurde, nämlich die tatsächliche Unabhängigkeit und die Professionalität der Mitarbeiter der Ratingagentur gegenüber den kommerziellen Interessen der Ratingagentur. Diese Regeln wurden nicht konzipiert, um für Dritte hinreichend zu gewährleisten, dass die Interessenkonflikte, die sich aus der lang andauernden Beziehung ergaben, wirksam verringert oder vermieden würden. Dies ließe sich beispielsweise durch eine Beschränkung des Zeitraums erreichen, in dem eine Ratingagentur fortlaufend für denselben Emittenten oder dessen Schuldtitel Ratings abgibt. Die Festlegung einer Höchstdauer für die vertragliche Beziehung zwischen dem Emittenten, der bewertet wird oder dessen Schuldtitel bewertet werden, und der Ratingagentur sollte den Anreiz zur Abgabe günstiger Ratings in Bezug auf diesen Emittenten beseitigen. Zusätzlich dürfte die Vorschrift, die Ratingagentur im Zuge einer normalen und regelmäßigen Marktpraxis zu wechseln, das Problem des Lock-in-Effekts auf wirksame Weise entschärfen. Schließlich dürfte sich die Rotation der Ratingagenturen positiv auf den Ratingmarkt auswirken, da diese Regelung den Zugang neuer Marktteilnehmer erleichtern würde und bestehenden Ratingagenturen die Gelegenheit böte, ihr Geschäft auf neue Tätigkeitsfelder auszudehnen.
(13)
Es ist allerdings wichtig, dass die Umsetzung eines Rotationssystems so gestaltet ist, dass die Vorteile des Systems seine möglichen negativen Auswirkungen mehr als aufwiegen. Häufige Rotationen könnten beispielsweise dazu führen, dass höhere Kosten für Emittenten und Ratingagenturen entstehen, da die Kosten für die Abgabe eines Ratings für ein neues Unternehmen oder Finanzinstrument in der Regel höher sind als die Kosten für die Überwachung eines bereits abgegebenen Ratings. Außerdem ist ein beträchtlicher Aufwand an Zeit und Ressourcen erforderlich, um eine Ratingagentur zu etablieren, unabhängig davon, ob es sich um einen Nischenanbieter oder eine alle Anlageklassen abdeckende Ratingagentur handelt. Ein ständiger Wechsel der Ratingagenturen könnte außerdem erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Kontinuität der Ratings haben. Es ist ebenso wichtig, dass das Rotationssystem zusammen mit angemessenen Schutzmaßnahmen angewendet werden sollte, damit sich der Markt allmählich anpassen kann, ehe der Mechanismus möglicherweise künftig verstärkt eingesetzt wird. Dies ließe sich dadurch erreichen, dass der Anwendungsbereich des Systems auf Wiederverbriefungen — eine beschränkte Finanzierungsquelle für Banken — beschränkt wird, während bereits abgegebene Ratings auf entsprechenden Auftrag hin weiterhin überwacht werden können, auch nachdem die Rotation verbindlich eingeführt wurde. Somit sollte die Rotation grundsätzlich nur neue Wiederverbriefungen berühren, denen Aktiva desselben Originators zugrunde liegen. Die Kommission sollte überprüfen, ob es angezeigt ist, ein beschränktes Rotationssystem beizubehalten oder es auch auf andere Anlageklassen auszuweiten; in diesem Fall sollte geprüft werden, ob andere Anlageklassen anders zu behandeln sind, etwa im Hinblick auf die Höchstdauer der vertraglichen Beziehung. Sollte das Rotationssystem auf andere Anlageklassen ausgedehnt werden, sollte die Kommission prüfen, ob die Einführung einer Pflicht der Ratingagentur erforderlich ist, bei Ablauf der Höchstdauer der Vertragsbeziehung der nachfolgenden Ratingagentur Informationen über den Emittenten und die bewerteten Finanzinstrumente zur Verfügung zu stellen (Übergabebericht).
(14)
Es ist angemessen, eine Rotation auf dem Ratingmarkt für Wiederverbriefungen einzuführen. Erstens hat sich dieses Segment des europäischen Verbriefungsmarkts seit Ausbruch der Finanzkrise unterdurchschnittlich entwickelt, und es ist daher dasjenige, in welchem die größte Erforderlichkeit besteht, Interessenkonflikten vorzubeugen. Zweitens hängt das Kreditrisiko bei Schuldtiteln, wie etwa Unternehmensanleihen, in einem hohen Maße davon ab, ob der Emittent in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen, wohingegen es sich bei Wiederverbriefungen in der Regel ausschließlich aus der jeweiligen Transaktion ergibt. Daher besteht bei einer Wiederverbriefung kein hohes Risiko, dass Wissen verloren geht, wenn eine neue Ratingagentur beauftragt wird. Mit anderen Worten: Auch wenn gegenwärtig nur eine begrenzte Anzahl von Ratingagenturen auf dem Ratingmarkt für Wiederverbriefungen tätig ist, ist dieser Markt eher für den Wettbewerb geschaffen, und ein Rotationssystem könnte diesem Markt mehr Dynamik verleihen. Schließlich gibt es auf dem Ratingmarkt für Wiederverbriefungen, der von einigen wenigen großen Ratingagenturen beherrscht wird, auch andere Akteure, die Fachwissen auf diesem Gebiet erworben haben.
(15)
Der regelmäßige Wechsel von Ratingagenturen, die Ratings für Wiederverbriefungen abgeben, dürfte größere Vielfalt in die Bewertung der Bonität bringen. Zahlreiche verschiedene Meinungen, Perspektiven und Methoden seitens der Ratingagenturen sollten zu vielfältigeren Ratings führen und letztlich die Bonitätsbewertung der Wiederverbriefungen verbessern. Damit diese Vielfalt zum Tragen kommt und Gefälligkeiten sowohl der Originatoren als auch der Ratingagenturen vermieden werden, muss die Höchstdauer, während der eine Ratingagentur ein Rating für Wiederverbriefungen desselben Originators abgeben darf, auf einen Zeitraum beschränkt werden, der in regelmäßiger Abfolge eine unvoreingenommene Bewertung der Bonität garantiert. Diese Faktoren sowie die Erforderlichkeit, für eine gewisse Kontinuität bei den Ratings zu sorgen, bedeuten, dass ein Zeitraum von vier Jahren angemessen ist. Wenn mindestens vier Ratingagenturen beauftragt werden, sollte die Pflicht zur Rotation nicht zur Anwendung kommen, da der Zweck des Rotationssystems bereits erfüllt ist. Um echten Wettbewerb zu gewährleisten, sollte eine solche Ausnahme nur anwendbar sein, wenn mindestens vier der beauftragten Ratingagenturen ein Rating für einen bestimmten Anteil der ausstehenden Finanzinstrumente des Originators abgeben.
(16)
Ein Rotationssystem für Wiederverbriefungen sollte auf den Originator ausgerichtet sein. Wiederverbriefungen werden von Zweckgesellschaften emittiert, die über keine nennenswerte Fähigkeit zur Schuldenbedienung verfügen. Daher würde bei einer an den Emittenten anknüpfenden Rotation das System wirkungslos. Eine an den Sponsor anknüpfende Rotation hätte wiederum zur Folge, dass die Ausnahme praktisch fast immer zur Anwendung käme.
(17)
Ein Rotationssystem könnte wesentlich dazu beitragen, die Zugangsbarrieren zum Ratingmarkt für Wiederverbriefungen zu verringern. Andererseits könnte es für neue Marktteilnehmer schwieriger werden, auf dem Markt dauerhaft Fuß zu fassen, da es ihnen nicht erlaubt wäre, ihre Kunden zu behalten. Kleine Ratingagenturen sollten daher von der Rotationspflicht ausgenommen werden.
(18)
Der Rotationsmechanismus sollte auf glaubwürdige Weise durchgesetzt werden, damit er Wirkung entfaltet. Die Ziele der Rotationsverpflichtung würden nicht erfüllt, wenn es der bisherigen Ratingagentur gestattet wäre, binnen allzu kurzer Frist erneut Ratings für Wiederverbriefungen desselben Originators abzugeben. Daher ist es wichtig, einen angemessenen Zeitraum vorzusehen, innerhalb dessen die bisherige Ratingagentur nicht damit beauftragt werden kann, erneut Ratings für Wiederverbriefungen desselben Originators abzugeben. Dieser Zeitraum sollte ausreichend lang bemessen sein, damit die neue Ratingagentur ihre Dienste effektiv erbringen kann, sodass gewährleistet ist, dass die Wiederverbriefungen einer ganz neuen Überprüfung nach einem anderen Ansatz unterzogen werden und dass die von der neuen Ratingagentur abgegebenen Ratings ausreichende Kontinuität aufweisen. Damit das Rotationssystem reibungslos funktioniert, ist zudem zu berücksichtigen, dass der Länge des Zeitraums durch das Vorhandensein von Ratingagenturen mit ausreichender Fachkompetenz auf dem Gebiet der Wiederverbriefungen Grenzen gesetzt sind. Die Länge des Zeitraums sollte daher verhältnismäßig sein, der Laufzeit des ausgelaufenen Vertrags der bisherigen Ratingagentur entsprechen, aber sollte vier Jahre nicht übersteigen.
(19)
Es ist im Verhältnis zum angestrebten Ziel verhältnismäßig, die regelmäßige Rotation der Ratingagenturen vorzuschreiben. Diese Anforderung gilt nur für registrierte Ratingagenturen, die der Aufsicht unterliegen und eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse (Ratings, die zu Aufsichtszwecken herangezogen werden können) nach dem Modell des zahlenden Emittenten und für eine spezielle Anlageklasse (Wiederverbriefungen) erbringen. Da diese Einrichtungen das Privileg genießen, dass ihre Dienste als bedeutend für die Regulierung des Finanzdienstleistungsmarkts anerkannt und sie selbst zur Ausübung dieser Tätigkeiten zugelassen werden, müssen sie bestimmte Verpflichtungen einhalten, um unter allen Umständen Unabhängigkeit zu gewährleisten und als unabhängig wahrgenommen zu werden. Einer Ratingagentur, die sich an der Abgabe von Ratings für Wiederverbriefungen eines bestimmten Originators gehindert sieht, wäre es nach wie vor gestattet, Ratings für Wiederverbriefungen anderer Originatoren und für andere Anlageklassen abzugeben. In einem Marktumfeld, in dem die Rotationsvorschrift für alle Teilnehmer gilt, ergeben sich Geschäftsgelegenheiten, da sämtliche Ratingagenturen rotieren müssten. Darüber hinaus können Ratingagenturen stets nicht angeforderte Ratings für Wiederverbriefungen desselben Originators abgeben und dabei von ihrer Erfahrung profitieren. Nicht angeforderte Ratings werden nicht vom Modell des zahlenden Emittenten eingeschränkt und sind daher theoretisch weniger von möglichen Interessenkonflikten betroffen. Für die Kunden der Ratingagenturen stellt die Höchstdauer der vertraglichen Beziehung zu einer Ratingagentur und die Voraussetzung für die Beauftragung von mehr als einer Ratingagentur ebenfalls Beschränkungen ihrer Freiheit dar, den eigenen Geschäften nachzugehen. Diese Beschränkungen sind jedoch im öffentlichen Interesse erforderlich, wenn man den Einfluss des Modells des zahlenden Emittenten auf die Unabhängigkeit der Ratingagenturen bedenkt; diese Unabhängigkeit ist erforderlich, damit unparteiliche Ratings gewährleistet sind, die von Anlegern zu Aufsichtszwecken genutzt werden können. Gleichzeitig gehen diese Beschränkungen nicht über das erforderliche Maß hinaus und sollten vor allem als ein Element verstanden werden, das die Bonität der Wiederverbriefungen gegenüber den anderen Beteiligten und letztlich gegenüber dem Markt erhöht.
(20)
Die Unabhängigkeit einer Ratingagentur gegenüber einem bewerteten Unternehmen wird auch von möglichen Interessenkonflikten eines ihrer bedeutenden Anteilseigner mit dem bewerteten Unternehmen beeinträchtigt: Ein Anteilseigner könnte Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eines bewerteten Unternehmens oder eines mit diesem verbundenen Dritten sein. In der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wird dieser Falltyp nur im Hinblick auf Interessenkonflikte behandelt, die durch Ratinganalysten, Personen, die Ratings genehmigen, oder andere Mitarbeiter der Ratingagentur entstehen. Hingegen wurde in dieser Verordnung nicht auf mögliche Interessenkonflikte durch Anteilseigner oder Mitglieder von Ratingagenturen eingegangen. Zwecks Förderung der Wahrnehmung der Unabhängigkeit von Ratingagenturen gegenüber den bewerteten Unternehmen ist es angemessen, die in dieser Verordnung vorgesehenen bestehenden Regeln zu Interessenkonflikten, die durch Mitarbeiter der Ratingagenturen entstehen, auf Interessenkonflikte auszudehnen, die durch Anteilseigner oder Mitglieder entstehen, die innerhalb der Ratingagentur eine bedeutende Stellung innehaben. Dementsprechend sollte eine Ratingagentur in Fällen, in denen ein Anteilseigner oder Mitglied 10 % der Stimmrechte dieser Agentur hält und außerdem ein Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des bewerteten Unternehmens ist oder in das bewertete Unternehmen investiert hat und die Investitionen einen bestimmten Umfang erreichen, von der Abgabe von Ratings absehen oder mitteilen, dass das Rating beeinflusst sein kann. Die Tatsache, dass ein Anteilseigner oder ein Mitglied, der bzw. das mindestens 5 % der Stimmrechte dieser Agentur hält, in das bewertete Unternehmen investiert oder er bzw. es ein Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des bewerteten Unternehmens ist, sollte offengelegt werden, zumindest wenn die Investitionen einen bestimmten Umfang erreichen. Ist ein Anteilseigner oder Mitglied in der Lage, die Geschäftstätigkeit der Ratingagentur wesentlich zu beeinflussen, so sollte diese Person ferner für das bewertete Unternehmen oder einen mit diesem verbundenen Dritten keine Beratungsleistungen hinsichtlich dessen Unternehmens- oder Rechtsstruktur, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten oder Tätigkeiten erbringen.
(21)
Um eine praktikable Anwendung der in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorgesehenen Regeln über Unabhängigkeit und Verhütung von Interessenkonflikten sicherzustellen und um zu verhindern, dass sie unwirksam werden, ist eine ausreichend hohe Zahl von Ratingagenturen, die weder mit der bisherigen Ratingagentur im Fall der Rotation noch mit der für denselben Emittenten parallele Ratingdienstleistungen erbringenden Einrichtung in Verbindung stehen erforderlich. Es ist angemessen, im Fall der Rotation wie auch im Fall zweier für denselben Emittenten parallele Ratingdienste erbringender Ratingagenturen die strikte Trennung der bisherigen Ratingagentur von der neuen Agentur vorzuschreiben. Die jeweiligen Ratingagenturen sollten weder durch Kontrolle, noch durch die Angehörigkeit zur selben Gruppe von Ratingagenturen, noch durch die Eigenschaft als Anteilseigner oder Mitglied einer der anderen Ratingagenturen oder die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung in diesen, noch durch die Fähigkeit zur Bestellung von Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans einer der anderen Ratingagenturen miteinander verbunden sein.
(22)
Ratingagenturen sollten eine wirksame interne Kontrollstruktur für die Umsetzung der Maßnahmen und Verfahren zur Verhinderung und Kontrolle etwaiger Interessenkonflikte und zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von Ratings, Ratinganalysten und Ratingteams gegenüber Anteilseignern, Verwaltungs- und Leitungsorganen und Verkaufs- und Vermarktungstätigkeiten einrichten, beibehalten, durchsetzen und dokumentieren. Für die Unternehmensführung, organisatorische Fragen und die Regelung von Interessenkonflikten sollten Standardarbeitsverfahren eingeführt werden. Diese Standardarbeitsverfahren sollten regelmäßig überprüft und überwacht werden, um zu bewerten, ob sie wirksam sind, und ob sie besser aktualisiert werden sollten.
(23)
Dass Ratingagenturen als unabhängig wahrgenommen werden, würde besonders dann beeinträchtigt, wenn dieselben Anteilseigner oder Mitglieder in andere, nicht zur selben Gruppe von Agenturen gehörenden Ratingagenturen investieren würden - zumindest wenn diese Anlagen einen bestimmten Umfang erreichen, der diesen Anteilseignern oder Mitgliedern eine gewisse Einflussnahme auf das Geschäft der betreffenden Ratingagentur gestattet. Damit die Unabhängigkeit der Ratingagenturen (und die Wahrnehmung dieser Unabhängigkeit) gewährleistet ist, sind deshalb strengere Regeln über die Beziehungen zwischen den Ratingagenturen und deren Anteilseignern oder Mitgliedern angemessen. Aus diesem Grund sollte niemand eine Beteiligung von 5 % oder mehr in mehr als einer Ratingagentur gleichzeitig halten, es sei denn, die betreffenden Ratingagenturen gehören zur selben Gruppe.
(24)
Das Ziel, eine hinreichende Unabhängigkeit der Ratingagenturen zu gewährleisten, erfordert, dass Anleger nicht in mehr als einer Ratingagentur gleichzeitig Investitionen von 5 % oder mehr halten. Die Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind(10), sieht vor, dass Personen, die 5 % der Stimmrechte in einem börsennotierten Unternehmen kontrollieren, diese Tatsache offenlegen, denn unter anderem haben die Anleger ein Interesse zu erfahren, wie sich die Stimmrechtsstruktur eines solchen Unternehmens ändert. Die Schwelle von 5 % wird somit als bedeutende Beteiligung betrachtet, mit der die Stimmrechtsstruktur in einem solchen Unternehmen beeinflusst werden kann. Daher ist es angemessen, die Schwelle von 5 % für die Zwecke der Beschränkung der gleichzeitigen Investitionen in mehr als eine Ratingagentur heranzuziehen. Die Maßnahme ist nicht als unverhältnismäßig anzusehen, da es sich bei keiner der in der Union registrierten Ratingagenturen um börsennotierte Unternehmen handelt und sie somit nicht den Transparenz- und Verfahrensvorschriften unterliegen, die für börsennotierte Gesellschaften in der Union gemäß der Richtlinie 2004/109/EG gelten. Nicht börsennotierte Unternehmen werden häufig gemäß Protokollen oder Vereinbarungen der Anteilseigner geführt, und die Zahl der Anteilseigner oder Mitglieder ist in der Regel gering. Daher könnte selbst eine Minderheitsposition in einer nicht börsennotierten Ratingagentur einflussreich sein. Um sicherzustellen, dass Anlagen in Ratingagenturen aus rein wirtschaftlichem Interesse nach wie vor möglich sind, sollte diese Beschränkung gleichzeitiger Investitionen in mehr als eine Ratingagentur nicht auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren ausgedehnt werden, die durch vom Anleger unabhängige Drittparteien verwaltet werden und nicht dem Einfluss des Anlegers unterliegen.
(25)
Die Bestimmungen in dieser Verordnung über Interessenkonflikte im Zusammenhang mit der Struktur der Anteilseigner sollten gleichermaßen für unmittelbare und mittelbare Beteiligungen gelten, da sie ansonsten einfach umgangen werden könnten. Ratingagenturen sollten alle Anstrengungen unternehmen, um herauszufinden, wer ihre mittelbaren Anteilseigner sind, um potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden.
(26)
Die Wirksamkeit der Regeln über die Unabhängigkeit und über die Verhütung von Interessenkonflikten, denen zufolge Ratingagenturen nicht über einen langen Zeitraum hinweg Ratings für denselben Emittenten abgeben, würde möglicherweise abgeschwächt, wenn den Ratingagenturen gestattet würde, bedeutende Anteilseigner oder Mitglieder anderer Ratingagenturen zu werden.
(27)
Es sollte dafür gesorgt werden, dass durch Änderungen der Ratingmethoden diese nicht an Strenge verlieren. Zu diesem Zweck sollten Emittenten, Anleger und andere interessierte Kreise Gelegenheit haben, sich zu beabsichtigten Änderungen der Ratingmethoden zu äußern. Dadurch können sie die Gründe für die Einführung neuer Methoden und für die betreffende Änderung besser verstehen. Stellungnahmen von Emittenten und Anlegern zu Entwürfen neuer Methoden können den Ratingagenturen wertvolle Beiträge für die Methodenfestlegung liefern. Auch die ESMA sollte über geplante Änderungen unterrichtet werden. Obwohl der ESMA durch die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 die Befugnis übertragen wird zu überprüfen, dass die von den Ratingagenturen verwendeten Methoden streng, systematisch und beständig sind und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten, insbesondere Rückvergleichen, beruht, sollte dies nicht die Befugnis umfassen, die die Angemessenheit der vorgeschlagenen Methode oder den Inhalt der nach Anwendung der Methoden abgegebenen Ratings zu beurteilen. Die Ratingmethoden sollten gegebenenfalls den mit Umweltrisiken verbundenen Finanzrisiken Rechnung tragen.
(28)
Aufgrund der Komplexität strukturierter Finanzinstrumente ist es Ratingagenturen nicht immer gelungen, bei den für solche Instrumente abgegebenen Ratings eine ausreichend hohe Qualität zu gewährleisten. Dadurch verringerte sich das Vertrauen des Marktes in diese Art von Ratings. Zur Wiederherstellung des Vertrauens wäre es angemessen, Emittenten oder mit diesen verbundenen Dritten vorzuschreiben, mindestens zwei verschiedene Ratingagenturen mit der Abgabe von Ratings für strukturierte Finanzinstrumente zu beauftragen, was zu unterschiedlichen und konkurrierenden Bewertungen führen könnte. Dies könnte außerdem den übermäßigen Rückgriff auf ein einzelnes Rating verringern.
(29)
Der Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Vorschlag für eine Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(11) und die Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten(12) ersetzen sollen, führen eine Anforderung für Kreditinstitute ein, der zufolge Banken und Wertpapierfirmen das Kreditrisiko von Unternehmen und Finanzinstrumenten, in die sie selbst investieren, bewerten müssen und sich in dieser Hinsicht nicht einfach auf externe Ratings stützen dürfen. Diese Anforderung sollte auf weitere vom Unionsrecht regulierte Finanzmarktteilnehmer einschließlich Vermögensverwalter ausgedehnt werden. Diese Anforderung sollte jedoch für alle Finanzmarktteilnehmer in einer Weise angewendet werden, die unter Berücksichtigung der Art, der Größe und der Komplexität des betreffenden Teilnehmers angemessen ist. Mitgliedstaaten sollten nicht das Recht haben, Vorschriften einzuführen oder beizubehalten, die einen stärkeren Rückgriff dieser Anleger auf Ratings gestatten.
(30)
Ferner könnten sich Anleger über die Bonität strukturierter Finanzinstrumente leichter ein fundiertes Urteil bilden, wenn ihnen hinreichende Informationen über diese Instrumente übermittelt würden. Da die Risiken von strukturierten Finanzinstrumenten in hohem Maße von der Qualität und Performance der zugrunde liegenden Vermögenswerte abhängen, sollten den Anlegern mehr Informationen über die zugrunde liegenden Vermögenswerte zur Verfügung gestellt werden. Dies würde die Abhängigkeit der Anleger von Ratings verringern. Darüber hinaus dürfte die Offenlegung einschlägiger Informationen über strukturierte Finanzinstrumente den Wettbewerb unter den Ratingagenturen verschärfen, denn dadurch könnte die Zahl nicht angeforderter Ratings steigen. Die Kommission sollte bis Januar 2016 prüfen und Bericht erstatten, ob es angemessen ist, dieses Offenlegungserfordernis auf andere Finanzprodukte auszudehnen. Es gibt weitere Finanzprodukte, wie zum Beispiel gedeckte Schuldverschreibungen und sonstige besicherte Anleihen, bei denen das Risiko in hohem Maße von den Eigenschaften der zugrunde liegenden Sicherheiten abhängt und es sinnvoll sein könnte, den Anlegern mehr Informationen über diese Sicherheiten zur Verfügung zu stellen.
(31)
Emittenten, Anleger und andere interessierte Kreise sollten auf einer zentralen Website Zugang zu aktuellen Ratinginformationen haben. ESMA sollte eine europäische Ratingplattform einrichten, die Anlegern ermöglichen sollte, alle für ein bestimmtes bewertetes Unternehmen vorhandenen Ratings mühelos zu vergleichen. Wichtig ist, dass auf der Website dieser Plattform sämtliche für die einzelnen Instrumente verfügbaren Ratings ersichtlich sind, damit Anleger das gesamte Spektrum der Meinungen abwägen können, bevor sie ihre eigene Anlageentscheidung treffen. Um den Ratingagenturen jedoch nicht die Befähigung zu nehmen, nach dem Modell des zahlenden Investors zu verfahren, sollten solche Ratings nicht in die Europäische Ratingplattform aufgenommen werden. Die Europäische Ratingplattform sollte dazu beitragen, dass kleinere und neue Ratingagenturen an Bekanntheit gewinnen. Der zentrale Datenspeicher der ESMA sollte in die Europäische Ratingplattform integriert werden, um eine einzige Plattform für sämtliche für die einzelnen Instrumente verfügbaren Ratings und für die Informationen über die bisherigen Ergebnisse, die im zentralen Datenspeicher veröffentlicht werden, zu schaffen. Das Europäische Parlament sprach sich in seiner Entschließung zu Ratingagenturen vom 8. Juni 2011 für eine solche Veröffentlichung von Ratings aus.
(32)
Ratings haben — unabhängig davon, ob sie zu Aufsichtszwecken abgegeben werden oder nicht — erheblichen Einfluss auf Anlageentscheidungen sowie auf das Ansehen und die finanzielle Attraktivität der Emittenten. Daher stehen Ratingagenturen gegenüber Anlegern und Emittenten besonders in der Pflicht; sie haben zu gewährleisten, dass sie die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 einhalten, damit ihre Ratings unabhängig, objektiv und von angemessener Qualität sind. Jedoch sind die Anleger und Emittenten nicht immer in der Lage, Ratingagenturen zur Verantwortung zu ziehen. Es kann sich insbesondere schwierig gestalten, eine Ratingagentur zivilrechtlich haftbar zu machen, wenn keine vertragliche Beziehung zwischen der Ratingagentur und beispielsweise einem Anleger oder einem ohne entsprechenden Auftrag bewerteten Emittenten vorliegt. Selbst wenn eine vertragliche Beziehung mit der betreffenden Ratingagentur besteht, kann es für Emittenten schwierig sein, ihre zivilrechtlichen Haftungsansprüche gegenüber der Ratingagentur durchzusetzen: So kann etwa eine Herabstufung eines Ratings, die auf einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 beruht, negative Auswirkungen auf das Ansehen und die Finanzierungskosten eines Emittenten haben und somit dem Emittenten einen Schaden zufügen, selbst wenn dieser nicht von der vertraglichen Haftung gedeckt ist. Daher ist es wichtig, einen angemessenen Entschädigungsanspruch für Anleger vorzusehen, die sich in vertretbarer Weise auf ein Rating verlassen haben, das gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 verstößt, sowie für Emittenten, denen aufgrund eines Ratings, das unter Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 abgegeben wurde, ein Schaden entstanden ist. Der Anleger und der Emittent sollten die Ratingagentur für Schäden haftbar machen können, die durch eine das Ratingergebnis beeinflussende Verletzung der genannten Verordnung verursacht wurden. Während Anleger und Emittenten, die eine vertragliche Beziehung zu einer Ratingagentur eingegangen sind, bereits aufgrund von Vertragsverletzung Ansprüche gegen diese Ratingagentur geltend machen können, sollten alle Anleger und Emittenten, unabhängig davon, ob eine vertragliche Beziehung zwischen ihnen und einer Ratingagentur besteht, die Möglichkeit haben, bei einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Schadensersatz zu verlangen.
(33)
Es sollte die Möglichkeit bestehen, dass Ratingagenturen haften, wenn sie ihnen durch die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 auferlegte Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen. Dieser Verschuldensmaßstab ist angemessen, denn die Ratingtätigkeit beinhaltet in einem gewissen Maß die Bewertung komplexer wirtschaftlicher Faktoren, und die Anwendung verschiedener Methoden kann zu unterschiedlichen Ratings führen, von denen keines als falsch angesehen werden kann. Ferner sollten Ratingagenturen nur dann einer potenziell unbegrenzten Haftung ausgesetzt werden, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 verstoßen.
(34)
Ein Anleger oder Emittent, der aufgrund eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Schadensersatz verlangt, sollte genaue und detaillierte Angaben machen, aus denen hervorgeht, dass die Ratingagentur gegen die Verordnung verstoßen hat. Diese Angaben sollten vom zuständigen Gericht gewürdigt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Anleger oder Emittent möglicherweise keinen Zugang zu Informationen hat, die ausschließlich in der Sphäre der Ratingagentur liegen.
(35)
Was Fragen der zivilrechtlichen Haftung einer Ratingagentur angeht, die nicht unter diese Verordnung fallen oder nicht darin geregelt werden, darunter die Kausalität und das Konzept der groben Fahrlässigkeit, so sollten diese Angelegenheiten dem geltenden nationalen Recht gemäß den einschlägigen Regeln des internationalen Privatrechts unterliegen. Den Mitgliedstaaten sollte es insbesondere gestattet sein, nationale Regelungen über die zivilrechtliche Haftung beizubehalten, die günstiger für Anleger oder Emittenten sind oder sich nicht auf Verstöße gegen die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 stützen. Welches Gericht für die Entscheidung über einen von einem Anleger geltend gemachten zivilrechtlichen Haftungsanspruch zuständig ist, sollte anhand der einschlägigen Regeln des internationalen Privatrechts bestimmt werden.
(36)
Die Tatsache, dass institutionelle Anleger einschließlich Vermögensverwalter verpflichtet sind, die Bonität von Vermögenswerten selbst zu bewerten, sollte Gerichte nicht von der Feststellung abhalten, dass eine Verletzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 durch eine Ratingagentur einem Anleger einen Schaden verursacht hat, für den diese Ratingagentur haftet. Diese Verordnung wird zwar die Möglichkeiten von Anlegern verbessern, eine eigene Risikobewertung durchzuführen, der Zugang zu Informationen wird aber für Anleger weiterhin stärker beschränkt sein als für die Ratingagenturen selbst. Darüber hinaus dürften insbesondere kleinere Anleger häufig nicht in der Lage sein, ein von einer Ratingagentur abgegebenes Rating kritisch zu prüfen.
(37)
Die Mitgliedstaaten und die ESMA sollten dafür sorgen, dass die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 verhängten Sanktionen nur dann offengelegt werden, wenn eine solche Offenlegung verhältnismäßig wäre.
(38)
Damit Interessenkonflikte weiter abgebaut und ein fairer Wettbewerb am Ratingmarkt erleichtert wird, sollte dafür gesorgt werden, dass die von Ratingagenturen den Kunden in Rechnung gestellten Gebühren nicht diskriminierend sind. Unterschiede bei den für dieselbe Art von Dienstleistung verlangten Gebühren sollten nur durch einen Unterschied bei den tatsächlichen Kosten, die bei der Erbringung dieser Leistung für verschiedene Kunden anfallen, gerechtfertigt sein. Ferner sollten die für Ratingdienste für einen bestimmten Emittenten berechneten Gebühren nicht von den Ergebnissen der ausgeführten Arbeiten oder von der Erbringung damit verbundener (Neben-)Dienstleistungen abhängen. Zwecks wirksamer Überwachung der Einhaltung dieser Regeln sollten die Ratingagenturen außerdem der ESMA die von ihren einzelnen Kunden erhaltenen Gebühren und ihre allgemeine Preispolitik offenlegen.
(39)
Als ein Beitrag zur Abgabe aktueller und glaubwürdiger Länderratings und zur Erleichterung des Verständnisses der Nutzer sollten diese Ratings regelmäßig überprüft werden. Ebenso wichtig ist es, dass die Transparenz bezüglich der durchgeführten Analysen, des mit der Erstellung von Länderratings betrauten Personals und der den Ratings zugrunde liegenden Annahmen, die die Ratingagenturen im Zusammenhang mit Staatsschulden heranziehen, erhöht wird.
(40)
Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass Anleger über hinreichende Informationen verfügen, um die Bonität von Mitgliedstaaten zu bewerten. Im Rahmen ihrer Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten sammelt und verarbeitet die Kommission Daten zur wirtschaftlichen und finanziellen Situation und Leistung sowie Haushaltslage aller Mitgliedstaaten; diese Daten werden größtenteils von der Kommission veröffentlicht und können daher von Anlegern herangezogen werden, um die Bonität von Mitgliedstaaten zu bewerten. Die Kommission sollte, soweit dies sinnvoll und möglich ist, und vorbehaltlich der einschlägigen Vertraulichkeitsvorschriften, die im Rahmen ihrer Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten Anwendung finden, die bestehende Berichterstattung über die wirtschaftliche Leistung der Mitgliedstaaten durch weitere Faktoren oder Indikatoren ergänzen, die den Anlegern dabei helfen können, die Bonität von Mitgliedstaaten zu bewerten. Diese Faktoren sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und die bestehenden Veröffentlichungen und sonstigen offengelegten Informationen ergänzen, damit den Anlegern weitere Daten zur Verfügung stehen, um die Bonität von öffentlichen Emittenten und die von diesen bereitgestellten Informationen bewerten zu können. Die Kommission sollte in diesem Zusammenhang untersuchen, inwieweit es möglich ist, eine europäische Bonitätsbewertung zu entwickeln, die es Anlegern ermöglicht, unter Berücksichtigung der besonderen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eine unparteiische und objektive Bewertung der Bonität von Mitgliedstaaten vorzunehmen. Die Kommission sollte gegebenenfalls geeignete Gesetzgebungsvorschläge unterbreiten.
(41)
In den derzeitigen Regeln ist vorgesehen, dass die Ratings dem bewerteten Unternehmen 12 Stunden vor Veröffentlichung mitgeteilt werden. Damit eine solche Mitteilung nicht außerhalb der Arbeitszeiten erfolgt und das bewertete Unternehmen genügend Zeit hat, die Korrektheit der dem Rating zugrunde liegenden Daten zu prüfen, sollte das bewertete Unternehmen einen vollen Arbeitstag vor Veröffentlichung des Ratings oder eines Ratingausblicks informiert werden. Das bewertete Unternehmen sollte ein beschränktes und eindeutiges Verzeichnis der Personen aufstellen, die befugt sind, eine solche Mitteilung in Empfang zu nehmen.
(42)
Mit Blick auf die Besonderheiten von Länderratings und zur Verringerung des Volatilitätsrisikos ist es angemessen und verhältnismäßig, den Ratingagenturen vorzuschreiben, diese Ratings erst nach Handelsschluss und mindestens eine Stunde vor Öffnung der Handelsplätze in der Union zu veröffentlichen. Aus diesem Grund ist es auch angemessen und verhältnismäßig zu verlangen, dass Ratingagenturen Ende Dezember einen Zeitplan für die kommenden 12 Monate veröffentlichen, in dem die Veröffentlichungszeitpunkte von Länderratings und gegebenenfalls die Veröffentlichungszeitpunkte der damit verbundenen Ratingausblicke aufgeführt werden. Die Zeitpunkte für die Veröffentlichungen sollten stets auf einen Freitag gelegt werden. Nur für nicht angeforderte Länderratings sollte die Anzahl der Veröffentlichungen im Zeitplan auf zwei bis drei beschränkt werden. Wenn es jedoch zur Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen erforderlich ist, sollten Ratingagenturen die Möglichkeit haben, von ihren mitgeteilten Zeitplänen abzuweichen, solange sie die Abweichung genau begründen. Eine solche Abweichung sollte aber nicht routinemäßig erfolgen.
(43)
Die Kommission sollte auf der Grundlage der Entwicklungen des Marktes dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vorlegen, in dem die Angemessenheit und Wege zur Unterstützung einer öffentlichen europäischen Ratingagentur, die für die Bewertung der Bonität der Staatsschulden von Mitgliedstaaten zuständig wäre, und/oder einer Europäischen Ratingstiftung, die für alle sonstigen Ratings zuständig wäre, erkundet werden. Die Kommission sollte gegebenenfalls geeignete Gesetzgebungsvorschläge unterbreiten.
(44)
Mit Blick auf die Besonderheiten von Länderratings und um die Gefahr von Ansteckungseffekten innerhalb der Union zu bannen, sollte es untersagt sein, die Überprüfung einer bestimmten Ländergruppe mit entsprechenden Erklärungen anzukündigen, wenn nicht gleichzeitig länderspezifische Einzelberichte vorgelegt werden. Um darüber hinaus die Validität und Zugänglichkeit der Informationsquellen zu stärken, die von Ratingagenturen in öffentlichen Mitteilungen über eventuelle Änderungen am Länderrating — mit Ausnahme von Ratings, Ratingausblicken und den diese begleitenden Pressemitteilungen — verwendet werden, sollten sich solche Mitteilungen stets auf Informationen aus der Sphäre der bewerteten Einheit stützen, die mit Zustimmung der bewerteten Einheit offengelegt wurden, es sei denn, die Informationen stammen aus allgemein zugänglichen Quellen. Wenn die für die bewertete Einheit maßgeblichen Rechtsvorschriften vorsehen, dass die bewertete Einheit solche Informationen nicht offenlegen darf, wie es zum Beispiel bei Insider-Informationen im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)(13) der Fall ist, darf die bewertete Einheit ihre Zustimmung nicht erteilen.
(45)
Aus Gründen der Transparenz sollten Ratingagenturen bei der Veröffentlichung ihrer Länderratings, in den dazugehörigen Pressemitteilungen oder Berichten die wesentlichen Faktoren erläutern, die den Ratings zugrunde liegen. Die Transparenz bei Länderratings sollte aber nicht zu Vorgaben in Bezug auf die Richtung der nationalen Politik (etwa in den Bereichen Wirtschaft, Beschäftigung oder in sonstigen Politikbereichen) führen. Daraus folgt, dass die jeweilige Politik zwar von der Ratingagentur als Faktor für die Bewertung der Bonität eines öffentlichen Emittenten oder der von diesem begebenen Finanzinstrumente berücksichtigt und zur Erläuterung der Hauptgründe eines Länderratings verwendet werden darf, es den Ratingagenturen aber nicht gestattet sein sollte, öffentlichen Emittenten unmittelbare oder ausdrückliche Vorgaben oder Empfehlungen in Bezug auf eine bestimmte Politik zu machen. Ratingagenturen sollten davon Abstand nehmen, unmittelbare oder ausdrückliche Empfehlungen zur Politik staatlicher Akteure abzugeben.
(46)
Technische Standards für den Finanzdienstleistungssektor sollten unionsweit einen angemessenen Schutz von Einlegern, Anlegern und Verbrauchern gewährleisten. Da die ESMA über hoch spezialisierte Fachkräfte verfügt, wäre es sinnvoll und angemessen, ihr die Aufgabe zu übertragen, für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards, die keine politischen Entscheidungen erfordern, Entwürfe auszuarbeiten und der Kommission vorzulegen.
(47)
Die Kommission sollte den Entwurf der von der ESMA ausgearbeiteten technischen Regulierungsstandards annehmen, die sich mit folgenden Themen befassen: Inhalt, Häufigkeit und Präsentation der von den Emittenten zu liefernden Informationen über strukturierte Finanzinstrumente, Präsentation der Informationen, einschließlich Format, Methode und Zeitplan der Meldungen, die Ratingagenturen im Zusammenhang mit der Europäischen Ratingplattform an die ESMA übermitteln sollten, sowie Inhalt und Format der zum Zweck der laufenden Überwachung durch die ESMA verlangten regelmäßigen Meldungen über die von den Ratingagenturen in Rechnung gestellten Gebühren. Die Kommission sollte diese Standards im Wege delegierter Rechtsakte im Sinne von Artikel 290 des Vertrags und gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 annehmen.
(48)
Nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 dürfen in Drittländern abgegebene Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken herangezogen werden, wenn sie von nach jener Verordnung zertifizierten Ratingagenturen abgegeben oder von in der Union ansässigen Agenturen gemäß der genannten Verordnung übernommen sind. Voraussetzung für die Zertifizierung ist, dass die Kommission eine Entscheidung über die Gleichwertigkeit des Aufsichtsrahmens für Ratingagenturen des Drittlands angenommen hat, und Voraussetzung für die Übernahme ist, dass das Verhalten der Ratingagentur des Drittlands Anforderungen entspricht, die mindestens so streng sind wie die einschlägigen Vorschriften der Union. Einige der mit dieser Verordnung eingeführten Bestimmungen sollten für die Beurteilung der Gleichwertigkeit und Übernahme nicht gelten: Dabei handelt es sich um die Bestimmungen, die nur Verpflichtungen für Emittenten, nicht aber für Ratingagenturen festlegen. Darüber hinaus sollten Bestimmungen, die sich auf die Struktur des Ratingmarkts innerhalb der Union beziehen, statt Verhaltensregeln für Ratingagenturen festzuschreiben, in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Damit Drittländer genügend Zeit haben, ihren aufsichtsrechtlichen Rahmen im Hinblick auf die verbleibenden materiell-rechtlich neuen Bestimmungen zu überprüfen, sollten Letztere für die Zwecke von Beurteilungen der Gleichwertigkeit und der Übernahme erst ab dem 1. Juni 2018 gelten. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Vorschriften des Aufsichtsrahmens eines Drittlands nicht mit denen in dieser Verordnung identisch sein müssen. Wie bereits in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorgesehen, sollte es ausreichen, dass der Aufsichtsrahmen des Drittlands in der Praxis dieselben Ziele und Effekte erreicht, um als dem Aufsichtsrahmen der Union gleichwertig oder ebenso streng erachtet zu werden.
(49)
Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Unabhängigkeit von Ratingagenturen zu stärken, solide Ratingprozesse und -methoden zu fördern, die mit Länderratings verbundenen Gefahren zu verringern, das Risiko des übermäßigen Rückgriffs der Marktteilnehmer auf Ratings abzubauen und ein Recht auf Rechtsbehelf für Anleger zu gewährleisten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen der unionsweiten Struktur und Auswirkungen der zu beaufsichtigenden Ratingtätigkeiten besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union gemäß dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.
(50)
Die Kommission sollte bis Ende 2013 einen Bericht darüber vorlegen, ob ein Netz kleinerer Ratingagenturen aufgebaut werden könnte, um den Wettbewerb am Markt zu stärken. In dem Bericht sollten auch eine finanzielle und nichtfinanzielle Unterstützung durch die Union sowie Anreize für den Aufbau eines solchen Netzes beurteilt werden, wobei den Interessenkonflikten, die durch eine solche öffentliche Finanzierung entstehen kann, Rechnung zu tragen ist.
(51)
Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr(14) angehört und hat eine Stellungnahme abgegeben(15).
(52)
Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. C 167 vom 13.6.2012, S. 2.

(2)

ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 68.

(3)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 16. Januar 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 13. Mai 2013.

(4)

ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1.

(5)

ABl. L 145 vom 31.5.2011, S. 30.

(6)

ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84.

(7)

ABl. C 380 E vom 11.12.2012, S. 24.

(8)

ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12.

(9)

ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48.

(10)

ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38.

(11)

ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 1.

(12)

ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 201.

(13)

ABl. L 96 vom 12.4.2003, S. 16.

(14)

ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

(15)

ABl. C 139 vom 15.5.2012, S. 6.

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