ANHANG II VO (EU) 2013/503

WISSENSCHAFTLICHE ANFORDERUNGEN AN DIE RISIKOBEWERTUNG GENETISCH VERÄNDERTER LEBENS- UND FUTTERMITTEL

I.
EINLEITUNG

1.
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Für die Zwecke dieses Anhangs gelten die folgenden Definitionen:
1. „Gefahrenbestimmung” :
Ermittlung der biologischen, chemischen und physikalischen Stoffe, die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben und in bestimmten Lebens- und Futtermitteln bzw. Lebens- und Futtermittelgruppen vorkommen können.
2. „Gefahrencharakterisierung” :
Qualitative und/oder quantitative Bewertung der Beschaffenheit der schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit, die sich aus den möglicherweise in Lebens- und Futtermitteln vorkommenden biologischen, chemischen und physikalischen Stoffen ergeben.
3. „Risikocharakterisierung” :
Qualitative und/oder quantitative Abschätzung — einschließlich der entsprechenden Unsicherheiten — der Wahrscheinlichkeit des Eintretens und des Schweregrads bekannter oder potenzieller schädlicher Auswirkungen auf die Gesundheit in einer gegebenen Population, ausgehend von der Gefahrenbestimmung, der Gefahrencharakterisierung und der Expositionsbewertung.

2.
BESONDERE ERWÄGUNGEN

2.1.
Insertion von zum Erreichen des erwünschten Merkmals nicht unbedingt erforderlicher Markergenen und anderer Nukleinsäure-Sequenzen

Zur Erleichterung der Risikobewertung sollte der Antragsteller bestrebt sein, möglichst wenige Nukleinsäure(n)-Sequenzen einzuführen, die zum Erreichen des erwünschten Merkmals nicht unbedingt erforderlich sind. Während des Verfahrens zur genetischen Veränderung von Pflanzen oder anderen Organismen werden häufig Markergene verwendet, um die Auswahl und Identifizierung genetisch veränderter Zellen, die das relevante Gen, eingebaut in das Genom des Wirtsorganismus, enthalten, unter der großen Mehrheit nicht transformierter Zellen zu erleichtern. Der Antragsteller muss solche Markergene sorgfältig auswählen und Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2001/18/EG beachten. Vor diesem Hintergrund sollte sich der Antragsteller bemühen, GVO ohne Verwendung von Antibiotikaresistenz-Markergenen zu entwickeln.

2.2.
Risikobewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel, die kombinierte Transformationsereignisse aufweisen

Für die Risikobewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel, die kombinierte Transformationsereignisse aufweisen, die durch die herkömmliche Kreuzung genetisch veränderter Pflanzen mit einem oder mehreren Transformationsereignissen entstanden sind, legt der Antragsteller für jedes einzelne Transformationsereignis eine Risikobewertung vor oder verweist gemäß Artikel 3 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung auf einen bereits vorliegenden Antrag/bereits vorliegende Anträge. Die Risikobewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel, die kombinierte Transformationsereignisse aufweisen, muss auch eine Bewertung folgender Aspekte beinhalten:
a)
Stabilität der Transformationsereignisse;
b)
Expression der Transformationsereignisse;
c)
Mögliche sich aus der Kombination der Transformationsereignisse ergebende Synergie- oder Antagonismuseffekte sind einer Bewertung gemäß den Abschnitten 1.4 (Toxikologie), 1.5 (Allergenität) und 1.6 (ernährungsphysiologische Bewertung) zu unterziehen.
Bei genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln, die genetisch veränderte Pflanzen enthalten, aus solchen bestehen oder aus solchen hergestellt sind, deren Anbau mit der Produktion genetisch veränderten Materials verbunden ist, das verschiedene Unterkombinationen von Transformationsereignissen enthält (segregierende Kulturen), umfasst der Antrag alle noch nicht zugelassenen Unterkombinationen, unabhängig von deren Ursprung. In einem solchen Fall legt der Antragsteller entsprechende Versuchsdaten oder eine wissenschaftliche Begründung dafür vor, warum keine Versuchsdaten für die betreffenden Unterkombinationen vorzulegen sind. Bei genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln, die genetisch veränderte Pflanzen enthalten, aus solchen bestehen oder aus solchen hergestellt sind, deren Anbau nicht zur Produktion genetisch veränderten Materials führt, das verschiedene Kombinationen von Transformationsereignissen enthält (nicht segregierende Kulturen), umfasst der Antrag lediglich die zum Inverkehrbringen bestimmte Kombination. Die in diesem Abschnitt festgelegten Regeln gelten entsprechend für alle Transformationsereignisse, die mit anderen Mitteln kombiniert werden, beispielsweise im Wege der Ko- oder Retransformation.

II.
WISSENSCHAFTLICHE ANFORDERUNGEN

1.
BESTIMMUNG UND CHARAKTERISIERUNG VON GEFAHREN

1.1.
Angaben zu den Empfänger- oder (gegebenenfalls) Ausgangspflanzen

1.1.1.
Der Antragsteller legt umfassende Angaben zu den Empfänger- oder gegebenenfalls zu den Ausgangspflanzen vor, damit

a)
alle möglicherweise bedenklichen Punkte, wie das Vorkommen natürlicher Toxine oder Allergene, bewertet werden können;
b)
festgestellt werden kann, ob besondere Untersuchungen erforderlich sind.

1.1.2.
Für die in Nummer 1.1.1 genannten Zwecke legt der Antragsteller folgende Angaben vor:

a)
Vollständige Bezeichnung;

i)
Familie;
ii)
Gattung;
iii)
Art;
iv)
Unterart;
v)
Zuchtsorte/Zuchtlinie oder Stamm;
vi)
Trivialname.

b)
Geografische Verbreitung und Anbau der Pflanze, einschließlich ihrer Verbreitung innerhalb der EU.
c)
Angaben zu den Empfänger- oder Ausgangspflanzen in Bezug auf deren Sicherheit, einschließlich Toxizität und Allergenität, sofern bekannt.
d)
Angaben zu früheren und aktuellen Verwendungen der Empfängerpflanze. Zu diesen Angaben gehört die sichere Verwendungsgeschichte als Lebens- oder Futtermittel, Informationen dazu, wie die Pflanze gewöhnlich angebaut, transportiert und gelagert wird, ob besondere Verarbeitungsverfahren erforderlich sind, damit die Pflanze für den sicheren Verzehr geeignet ist, und eine Beschreibung der Rolle, die die Pflanze normalerweise in der Ernährung spielt (beispielsweise welcher Teil der Pflanze die Lebensmittelquelle darstellt, ob in bestimmten Bevölkerungsuntergruppen ein hoher Verzehr besteht und welche wichtigen Makro- oder Mikronährstoffe sie zur Ernährung beiträgt).

1.2.
Molekulare Charakterisierung

1.2.1.
Angaben zur genetischen Veränderung
Der Antragsteller legt ausreichende Angaben zur genetischen Veränderung vor, anhand deren
a)
die Nukleinsäure(n), die zur Transformation bestimmt ist, sowie verbundene Vektorsequenzen identifiziert werden können, die möglicherweise auf die Empfängerpflanze übertragen wurden;
b)
die tatsächlich in die Pflanze eingeführte(n) Nukleinsäure(n) charakterisiert werden kann/können.
Der Antragsteller legt Angaben zu folgenden Elementen vor:
a)
Verfahren zur genetischen Veränderung einschließlich relevante Unterlagen;
b)
Empfängerpflanzen;
c)
Art und Stamm von Agrobacterium oder anderen Mikroorganismen, falls bei der genetischen Veränderung verwendet;
d)
Helferplasmide, falls bei der genetischen Veränderung verwendet;
e)
Träger-Nukleinsäure-Quelle, falls bei der genetischen Veränderung verwendet.
Der Antragsteller legt folgende Angaben vor:
a)
eine physikalische Karte der funktionellen Elemente und anderer Plasmid-/Vektorkomponenten sowie die zur Interpretation der molekularen Analysen benötigten einschlägigen Informationen (wie Spaltstelle, Position der in einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) verwendeten Primer, Lokalisation der Sonden bei der Southern-Analyse). Die für die Insertion vorgesehene Region ist deutlich anzugeben;
b)
eine Tabelle, in der jede Plasmid-/Vektorkomponente (einschließlich der für die Insertion vorgesehene Region) unter Angabe ihrer Größe, Herkunft und geplanten Funktion gekennzeichnet ist.
Der Antragsteller macht Angaben zu dem Spenderorganismus/den Spenderorganismen und zu der/den zur Insertion bestimmten Nukleinsäure-Sequenz(en), damit ermittelt werden kann, ob die Beschaffenheit des Spenderorganismus/der Spenderorganismen oder der Nukleinsäure-Sequenz(en) Anlass zu Sicherheitsbedenken geben kann. Die Angaben zur Funktion der für die Insertion vorgesehenen Nukleinsäure-Region(en) umfassen folgende Elemente:
a)
Vollständige Sequenz der zur Insertion bestimmten Nukleinsäure(n), einschließlich Informationen zu jeder absichtlicher Veränderung der entsprechenden Sequenz(en) in dem Spenderorganismus/den Spenderorganismen;
b)
sichere Verwendungsgeschichte des Genprodukts/der Genprodukte, die aus den für die Insertion vorgesehenen Regionen entstehen;
c)
Daten zu einer möglichen Verwandtschaft der Genprodukte zu bekannten Toxinen, Anti-Nährstoffen und Allergenen.
Die Angaben zu jedem Spenderorganismus umfassen:

die taxonomische Klassifizierung;

die Verwendungsgeschichte in Bezug auf die Lebens- und Futtermittelsicherheit.

1.2.2.
Angaben zu der genetisch veränderten Pflanze
Die gemäß diesem Absatz vorzulegenden Angaben können sich auf eine allgemeine Beschreibung des eingeführten Merkmals/der eingeführten Merkmale und die sich darauf ergebenden Änderungen des Phänotyps und des Metabolismus der Pflanze beschränken. Handelt es sich beispielsweise bei dem eingeführten Merkmal um eine Herbizid-Resistenz, legt der Antragsteller Angaben zur Wirkungsweise des Wirkstoffs und seiner Verstoffwechselung in der Pflanze vor. Der Antragsteller legt folgende Angaben vor:
a)
Größe und Kopienzahl aller nachweisbaren (vollständigen und partiellen) Inserts; diese werden üblicherweise mit der Southern-Analyse bestimmt.

Kombinationen von Sonden/Restriktionsenzymen, die zu diesem Zweck verwendet werden, müssen alle Sequenzen abdecken, die in die genetisch veränderte Pflanze eingeführt werden könnten, z. B. alle Teile des Plasmids/Vektors, jede Träger- oder Fremd-Nukleinsäure(n), die in der genetisch veränderten Pflanze verbleibt.

Die Southern-Analyse muss den/die gesamten Transgenlocus/Transgenloci und flankierenden Sequenzbereiche sowie alle geeigneten Kontrollen umfassen.

Zur Bestimmung der Kopienzahl des Inserts können auch ergänzende Verfahren verwendet werden (beispielsweise Echtzeit-PCR);

b)
Zusammensetzung und Sequenz des eingeführten genetischen Materials an jedem Insertionsort in einem elektronischen Standardformat, damit Änderungen der eingeführten Sequenzen im Vergleich zu den für die Einführung bestimmten Sequenzen festgestellt werden können;
c)
bei Deletion(en) Größe und Funktion der deletierten Region(en), wenn möglich;
d)
subzelluläre Lokalisierung(en) des/der Inserts (Zellkern, Chloroplasten oder Mitochondrien oder in nicht integrierter Form) und Verfahren zu dessen/deren Bestimmung;
e)
Sequenzinformationen in einem elektronischen Standardformat sowohl für die 5’- als auch die 3’-flankierenden Regionen an jedem Insertionsort, zur Identifizierung von Unterbrechungen bekannter Gene.

Zur Suche nach Ähnlichkeiten zwischen den Arten und innerhalb der Arten sind bioinformatische Analysen auf der Grundlage aktueller Datenbanken durchzuführen.

Handelt es sich um genetisch veränderte Pflanzen mit kombinierten Transformationsereignissen, ist die Sicherheit potenzieller Interaktionen zwischen allen unbeabsichtigten Veränderungen an jedem Insertionsort zu bewerten;

f)
offene Leseraster (nachstehend „OLR” ; bezeichnet jede Nukleotidsequenz, die eine Codon-Kette enthält, die innerhalb des gleichen Leserasters nicht von einem Stop-Codon unterbrochen wird), die infolge der genetischen Veränderung an den Verbindungsstellen mit genomischer DNA oder aufgrund interner Neuanordnungen des/der Inserts entstehen.

Ungeachtet ihrer Länge sind die OLR zwischen den Stop-Codonen zu analysieren. Zur Untersuchung möglicher Ähnlichkeiten mit bekannten Toxinen oder Allergenen sind bioinformatische Analysen auf der Grundlage aktueller Datenbanken durchzuführen.

Die Eigenschaften und Fassungen der Datenbanken werden zur Verfügung gestellt.

Je nachdem, welche Informationen ermittelt wurden, sind zur Vervollständigung der Risikobewertung möglicherweise weitere Analysen erforderlich (beispielsweise eine Transkriptionsanalyse).

Der Antragsteller unterbreitet Angaben,

aus denen erkennbar wird, ob die eingeführte/veränderte Sequenz zu beabsichtigten Änderungen auf Protein-, RNA- und/oder Metabolit-Ebene führt;

in denen eine mögliche unbeabsichtigte Expression neuer OLR charakterisiert wird, die gemäß Nummer 1.2.2.2 Buchstabe f als bedenklich gelten.

Zu diesem Zweck sind vom Antragsteller folgende Angaben vorzulegen:
a)
Zur Expressions-Analyse verwendete Methode(n) sowie deren Leistungsmerkmale.
b)
Informationen über die Entwicklung der Expression des Inserts im Verlauf des Lebenszyklus der Pflanze.

Ob Angaben zur Entwicklung der Expression erforderlich sind, wird auf Einzelfallbasis unter Berücksichtigung des verwendeten Promotors, der beabsichtigten Auswirkungen der Veränderung und des Umfangs des Antrags entschieden.

c)
Teile der Pflanze, in denen das eingeführte Insert/die veränderten Sequenzen exprimiert wird/werden.
d)
Mögliche unbeabsichtigte Expression neuer OLR, die gemäß Abschnitt 1.2.2.2 Buchstabe f bestimmt wurden und als bedenklich gelten.
e)
In Feldversuchen erhobene Daten zur Proteinexpression, einschließlich Rohdaten, die sich auf die Bedingungen beziehen, unter denen die Pflanze angebaut wird.

In jedem Fall sind Daten zur Expressionsstärke aus den Teilen der Pflanze, die zu Lebens- und Futtermittelzwecken verwendet werden, vorzulegen.

Außerdem sind Angaben zur Expression der Zielgene in anderen Teilen der Pflanze vorzulegen, falls gewebespezifische Promotoren verwendet wurden und dies von Bedeutung für die Sicherheitsbewertung ist. Dabei sind bezüglich der Proteinexpression mindestens Daten für drei Anbauorte oder für einen Anbauort über drei Anbauperioden hinweg vorzulegen. Ein Austausch von Anbauorten und -perioden ist möglich, sofern die Mindestanforderungen eingehalten werden. Sofern aufgrund der Beschaffenheit des Inserts erforderlich (beispielsweise bei Gen-Silencing oder wenn biochemische Übertragungswege gezielt verändert wurden), sind bestimmte RNA oder Metaboliten zu analysieren.

Bei Gen-Silencing durch RNAi-Expression sollten potenzielle Nicht-Ziel-Gene im Wege einer In-silico-Analyse ermittelt werden, damit bewertet werden kann, ob die genetische Veränderung Auswirkungen auf die Expression anderer Gene haben könnte, die Anlass zu Bedenken geben.

f)
Bei einer Kombination von Transformationsereignissen durch konventionelle Kreuzung sind Expressions-Daten vorzulegen, anhand deren potenzielle Wechselwirkungen zwischen den Ereignissen bewertet werden können, die möglicherweise Anlass zu zusätzlichen Bedenken in Bezug auf die Protein- und Merkmalsexpression im Vergleich zu den einzelnen Transformationsereignissen geben. Für den Vergleich sind Daten zu verwenden, die von in denselben Feldversuchen angebauten Pflanzen stammen. Wenn im Einzelfall Bedenken bestehen, könnten zusätzliche Angaben erforderlich sein.
Der Antragsteller unterbreitet Angaben
a)
zum Nachweis der genetischen Stabilität des Transgenlocus/der Transgenloci sowie der phänotypische Stabilität und Erbmuster des eingeführten Merkmals/der eingeführten Merkmale;
b)
bei kombinierten Transformationsereignissen zum Nachweis, dass jedes der in der Pflanze kombinierten Transformationsereignisse über dieselben molekularen Eigenschaften und Merkmale verfügt wie in den Pflanzen mit den einzelnen Transformationsereignissen.
Zum Nachweis dieser Angaben sind Daten zum Nachweis der Stabilität über mehrere (üblicherweise fünf) Generationen oder Vegetationszyklen für die Pflanzen mit einzelnen Transformationsereignissen vorzulegen. Dabei reicht es aus, Daten aus den ersten und den letzten Generationen der Vegetationszyklen vorzulegen. Die Quelle des für die Analyse verwendeten Materials ist anzugeben. Die Daten sind unter Verwendung geeigneter statistischer Methoden zu analysieren. Bei kombinierten Transformationsereignissen sind Vergleiche zwischen dem ursprünglichen Transformationsereignis und den kombinierten Transformationsereignissen; dafür ist Pflanzenmaterial zu verwenden, das repräsentativ ist für das Material, das für die kommerzielle Herstellung konzipiert wurde. Der Antragsteller legt eine angemessene Begründung für die Verwendung des betreffenden Pflanzenmaterials vor. Im Rahmen dieses Vergleichs werden die Sequenzen der Inserts und die flankierenden Regionen von GV-Pflanzen mit einem Einzelereignis mit denen von Pflanzen mit kombinierten Transformationsereignissen verglichen. Zu Bewertung der genetischen Stabilität der/des Transformationsereignisse(s) verwenden die Antragsteller geeignete molekulare Ansätze gemäß Abschnitt 1.2.2.2. Wenn intakte und funktionelle Nukleinsäure(n) in den genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln verbleibt/verbleiben, bewertet der Antragsteller die Wahrscheinlichkeit eines horizontalen Gentransfers von dem Erzeugnis auf Menschen, Tiere und Mikroorganismen sowie alle damit verbundenen potenziellen Risiken.
1.2.3.
Schlussfolgerungen der molekularen Charakterisierung
Für die molekulare Charakterisierung werden Daten zur Struktur und Expression des/der Inserts sowie zur Stabilität des/der angestrebten Merkmals/Merkmale vorgelegt. Dies gilt auch dann, wenn die Transformationsereignisse im Wege konventioneller Züchtung kombiniert wurden. Dabei ist insbesondere anzugeben, ob die molekulare Charakterisierung der genetischen Veränderung(en) Anlass zu Bedenken in Bezug auf die Unterbrechung endogener Gene oder Steuerungssequenzen gibt. Außerdem soll die molekulare Charakterisierung darauf abzielen festzustellen, ob durch die genetische(n) Veränderung(en) Fragen hinsichtlich des Potenzials zur Herstellung anderer als der angestrebten Proteine/Stoffe, insbesondere von Toxinen und Allergenen, aufgeworfen werden. Die potenziellen unbeabsichtigten Veränderungen, die gemäß diesem Abschnitt identifiziert werden, sind in dem/den entsprechenden ergänzenden Teil(en) der Sicherheitsbewertung zu behandeln.

1.3.
Vergleichende Analyse

Die vergleichende Analyse der Zusammensetzung und der agronomischen und phänotypischen Eigenschaften stellt zusammen mit der molekularen Charakterisierung den Ausgangspunkt für Struktur und Durchführung der Risikobewertung eines neuen genetisch veränderten Lebens- oder Futtermittels dar. Dabei sollen Ähnlichkeiten und Unterschiede in folgenden Bereichen festgestellt werden:
a)
Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der genetisch veränderten Pflanze und ihrem konventionellen Gegenstück in Bezug auf Zusammensetzung, agronomische Leistung und phänotypische Eigenschaften (beabsichtigte und unbeabsichtigte Veränderungen);
b)
Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel und seinem konventionellen Gegenstück in Bezug auf die Zusammensetzung.
Ist kein geeignetes konventionelles Gegenstück zu finden, kann keine vergleichende Sicherheitsbewertung vorgenommen werden; in diesem Fall werden die Sicherheits- und ernährungsphysiologische Bewertung durchgeführt wie bei unter die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) fallenden neuartigen Lebensmitteln, für die es kein konventionelles Gegenstück gibt (wenn z. B. das genetisch veränderte Lebens- oder Futtermittel nicht eng mit einem Lebens- oder Futtermittel verwandt ist, das eine sichere Verwendungsgeschichte hat, oder wenn ein besonderes Merkmal/besondere Merkmale eingeführt werden, um die Zusammensetzung des genetisch veränderten Lebens- und Futtermittels grundlegend zu verändern).
1.3.1.
Wahl des konventionellen Gegenstücks und weiterer Vergleichsprodukte
Für sich vegetativ fortpflanzende Pflanzen ist als konventionelles Gegenstück grundsätzlich die nah-isogene Sorte zu wählen, aus der die transgene Linie gewonnen wurde. Bei generativ vermehrten Pflanzen muss das konventionelle Gegenstück einen der genetisch veränderten Pflanze vergleichbaren genetischen Hintergrund haben. Wurde die GV-Pflanze im Wege von Rückkreuzungen entwickelt, ist ein konventionelles Gegenstück mit einem der genetisch veränderten Pflanze möglichst ähnlichen genetischen Hintergrund zu wählen. Außerdem kann der Antragsteller Vergleichsprodukte anführen, die einen der genetisch veränderten Pflanze ähnlicheren genetischen Hintergrund haben als das konventionelle Gegenstück (z. B. negativer Segregant). Handelt es sich um herbizid-tolerante genetisch veränderte Pflanzen, bei denen zu bewerten ist, ob die zu erwartenden landwirtschaftlichen Methoden die Expression der untersuchten Endpunkte beeinflussen, sind drei Testmaterialien zu vergleichen: die genetisch veränderte Pflanze bei Einsatz des vorgesehenen Herbizids, das einer konventionellen Herbizidbehandlung ausgesetzte konventionelle Gegenstück und die derselben konventionellen Herbizidbehandlung ausgesetzte genetisch veränderte Pflanze. Bei Vorliegen kombinierter Transformationsereignissen ist es nicht immer möglich, ein konventionelles Gegenstück zu verwenden, dessen genetischer Hintergrund dem der genetisch veränderten Pflanzen genauso ähnlich ist wie bei einem konventionellen Gegenstück, das üblicherweise für eine Pflanze mit einem einzigen Transformationsereignis verwendet wird. Unter diesen Umständen hat der Antragsteller eine angemessene Begründung für die Wahl des konventionellen Gegenstücks vorzulegen und dessen Grenzen hinsichtlich der Risikobewertung zu bewerten. Als weitere Vergleichsprodukte dürfen darüber hinaus auch einzelne veränderte Ausgangslinien, genetisch veränderte Linien, die eine Unterkombination der kombinierten Transformationsereignisse enthalten, für die ein Zulassungsantrag gestellt wurde, oder aus diesen genetisch veränderten Linien hervorgegangene negative Segreganten herangezogen werden. Der Antragsteller muss eine ausführliche Begründung für die Wahl der zusätzlichen Vergleichsprodukte vorlegen. In jedem Fall hat der Antragsteller außer einer angemessenen Begründung der Auswahl auch Angaben zum Züchtungsschema (Stammbaum) zu machen, sowohl für die genetisch veränderte Pflanze als auch für das konventionelle Gegenstück und gegebenenfalls weitere Vergleichsprodukte. Die sichere Verwendungsgeschichte des konventionellen Gegenstücks ist durch geeignete qualitative und quantitative Daten zu belegen. Ausführlichere Leitlinien zur Anwendung der in diesem Abschnitt genannten Anforderungen sind der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA „Guidance on selection of comparators for the risk assessment of genetically modified plants and derived food and feed” (2) (Leitlinien zur Auswahl von Vergleichsprodukten im Rahmen der Sicherheitsbewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel) zu entnehmen.
1.3.2.
Versuchsanordnung und statistische Analyse von Daten aus Feldversuchen für die vergleichende Analyse
Zur Feststellung, ob die genetisch veränderte Pflanze und/oder die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel sich von den konventionellen Gegenstücken unterscheiden und/oder eine Äquivalenz mit nicht genetisch veränderten Referenzsorten mit sicherer Verwendungsgeschichte aufweisen, sind Feldversuche zur Herstellung von Material für die vergleichende Analyse durchzuführen. Für jeden Endpunkt sind bei der vergleichenden Analyse zwei Konzepte durchzuspielen:
i)
ein Differenztest, mit dem überprüft wird, ob die genetisch veränderte Pflanze sich vom konventionellen Gegenstück unterscheidet und infolgedessen als eine Gefahr betrachtet werden muss, je nach Art des Unterschieds und nach Expositionsausmaß und -art;
ii)
ein Äquivalenztest, mit dem überprüft wird, ob die genetisch veränderte Pflanze bis auf das/die eingeführten Merkmal(e) den nicht genetisch veränderten Referenzsorten entspricht oder nicht.
Bei der Untersuchung der Differenz ist als Nullhypothese anzunehmen, dass kein Unterschied zwischen dem GVO und dem konventionellen Gegenstück besteht, während die Gegenhypothese besagt, dass ein Unterschied besteht. Werden bei der Risikobewertung zusätzliche Vergleichsprodukte herangezogen, ist für jedes zusätzliche Vergleichsprodukt ein Differenztest in Bezug auf die genetisch veränderte Pflanze durchzuführen, der den in Abschnitt 1.3.2.2 genannten Anforderungen an die Durchführung von Differenztests für genetisch veränderte Pflanzen und ihre konventionellen Gegenstücke entsprechen muss. Bei der Untersuchung der Äquivalenz ist als Nullhypothese anzunehmen, dass der Unterschied zwischen GVO und Referenzsortensatz mindestens der festgelegten Mindestgröße entspricht (siehe Abschnitt 1.3.2.2), während die Gegenhypothese besagt, dass kein Unterschied zwischen GVO und den Referenzsorten besteht bzw. ein Unterschied, der kleiner als die festgelegte Mindestgröße ist. Die Nullhypothese muss verworfen werden, damit geschlossen werden kann, dass GVO und Referenzsortensatz im Hinblick auf den fraglichen Endpunkt eindeutig gleichwertig sind. Die bei der Untersuchung auf Gleichwertigkeit verwendeten Äquivalenzgrenzen müssen der von den Referenzsorten mit sicherer Verwendungsgeschichte zu erwartenden natürlichen Variation in geeigneter Weise entsprechen. Die natürliche Variation hat verschiedene Ursachen: innerhalb einer Sorte gibt es Variation aufgrund von Umweltfaktoren; zwischen Sorten ist sie auf eine Kombination genetischer und Umweltfaktoren zurückzuführen. Um die allein den Genotypen zuzuordnenden Unterschiede zu identifizieren und einzuschätzen, muss die umweltbedingte Variabilität unbedingt kontrolliert werden. Daher müssen nicht genetisch veränderte Referenzsorten bei Feldversuchen in die Versuchsanordnung eingezogen werden, und zwar in ausreichender Zahl, damit die zur Festlegung der Äquivalenzgrenzen erforderliche angemessene Einschätzung der Variabilität gewährleistet ist. Alle Testmaterialien — bestehend aus genetisch veränderten Pflanzen, dem konventionellen Gegenstück, Referenzsorten und gegebenenfalls weiteren Vergleichsprodukten — wird auf Plots innerhalb eines einzigen Feldes an jedem Versuchsort randomisiert, üblicherweise im Wege eines vollständig randomisierten oder eines randomisierten Blockversuchs. Die für die Feldversuche ausgewählten Versuchsorte müssen die verschiedenen meteorologischen und agronomischen Bedingungen widerspiegeln, unter denen die Pflanze angebaut werden soll. Die Wahl ist ausdrücklich zu begründen. Die gewählten nicht genetisch veränderten Referenzsorten müssen für die ausgewählten Versuchsorte geeignet sein; ihre Wahl ist ausdrücklich zu begründen. Bieten die Versuchsorte nur eine begrenzte Bandbreite von Anbaubedingungen, sind die Feldversuche über einen längeren Zeitraum als ein Jahr hinweg zu wiederholen. An ein und demselben Versuchsort muss das Testmaterial — bestehend aus genetisch veränderten Pflanzen, dem konventionellen Gegenstück, Referenzsorten und gegebenenfalls weiteren Vergleichsprodukten — für jede Wiederholung identisch sein. Außerdem müssen, sofern es keine ausdrückliche Begründung für eine diesbezügliche Ausnahme gibt, an jedem Versuchsort mindestens drei geeignete nicht genetisch veränderte Referenzsorten der Pflanze vorliegen, die über eine sichere Verwendungsgeschichte verfügen, und die bei Wiederholungen identisch sein müssen. Die Zahl der Ergebnisse für jedes Testmaterial entspricht der Zahl der Wiederholungen an jedem Versuchsort; es sollten immer mindestens vier Wiederholungen pro Versuchsort durchgeführt werden. Stehen an einem bestimmten Versuchsort jedoch nur zwei geeignete Referenzsorten zur Verfügung, sind dort sechs Wiederholungen vorzunehmen; gibt es nur eine Referenzsorte, müssen es acht Wiederholungen sein. Jeder Feldversuch wird an mindestens acht Versuchsorten wiederholt, die so ausgewählt werden, dass sie repräsentativ für die Umgebungen sind, in denen die Pflanze wahrscheinlich angebaut wird. Die Feldversuche können in einem einzigen Jahr oder über mehrere Jahre hinweg durchgeführt werden. Die nicht genetisch veränderten Referenzsorten können sich von Versuchsort zu Versuchsort unterscheiden; insgesamt sind im Rahmen der gesamten Versuchsreihe mindestens sechs verschiedene Referenzsorten zu verwenden. Wird die genetisch veränderte Pflanze zusammen mit anderen genetisch veränderten Pflanzen der gleichen Pflanzenart untersucht (beispielsweise Zea mays), so kann das Material für die vergleichende Bewertung dieser verschiedenen genetisch veränderten Pflanzen gleichzeitig am gleichen Ort und im Rahmen desselben Feldversuchs hergestellt werden, indem die unterschiedlichen genetisch veränderten Pflanzen und die entsprechenden Vergleichsprodukte in denselben randomisierten Block gesetzt werden. Dies ist an zwei strenge Bedingungen geknüpft:
i)
das konventionelle Gegenstück und gegebenenfalls weitere Vergleichsprodukte müssen immer im selben Block vorkommen wie die genetisch veränderte Pflanze;
ii)
alle verschiedenen genetisch veränderten Pflanzen und ihre Vergleichsprodukte und alle nicht genetisch veränderten Referenzsorten, die zur Untersuchung auf Gleichwertigkeit mit diesen genetisch veränderten Pflanzen verwendet werden, müssen in jedem einzelnen Block vollständig randomisiert sein.
Beträgt die Zahl der für die Durchführung eines solchen Feldversuch erforderlichen Plots pro Block mehr als 16, kann eine Versuchsanordnung mit teilweise ausgewogenen unvollständigen Blöcken verwendet werden, um die Zahl der Plots pro Block zu verringern, indem einige der genetisch veränderten Pflanzen und ihre Vergleichsprodukte aus jedem Block ausgeschlossen werden. Dies ist an zwei strenge Bedingungen geknüpft:
i)
das konventionelle Gegenstück muss immer im selben Block vorkommen wie die entsprechende genetisch veränderte Pflanze;
ii)
alle nicht genetisch veränderten Referenzsorten erscheinen in jedem der unvollständigen Blöcke und sind vollständig randomisiert mit den Pflanzen und deren Vergleichsprodukten.
Die Feldversuche sind angemessen zu beschreiben mit Angabe wichtiger Parameter wie Behandlung des Felds vor der Aussaat, Datum der Aussaat, Bodenart, Herbizid-Verwendung, klimatische und sonstige Anbau-/Umweltbedingungen während des Wachstums und der Ernte, Bedingungen während der Lagerung des geernteten Materials. Ausführlichere Leitlinien zur Anwendung der in diesem Abschnitt genannten Anforderungen sind der Stellungnahme der EFSA „Statistical considerations for the safety evaluation of GMOs” (3) (Statistische Erwägungen bei der Sicherheitsbewertung von GVO) zu entnehmen. Die Analyse der Daten ist in einem klaren Format und mit genormten statistischen Einheiten darzustellen. Die Rohdaten und der für die statistische Analyse verwendete Programmcode sind in editierbarer Form zur Verfügung zu stellen. Eine Datentransformation kann erforderlich sein, um die Normalität zu gewährleisten und einen geeigneten Maßstab zu erhalten, auf dem die statistischen Effekte additiv sind. Für viele Reaktionsvariablen von Endpunkten dürfte sich eine logarithmische Datentransformation eignen. In solchen Fällen wird jeder Unterschied zwischen dem genetisch veränderten Material und anderem Testmaterial im Verhältnis zur natürlichen Skala interpretiert. Ergibt jedoch eine logarithmische Datentransformation kein geeignetes Ergebnis, muss die natürliche Skala oder eine andere Skala in Erwägung gezogen werden. Die im Feldversuch beobachtete gesamte Variabilität jedes Endpunktes wird mithilfe geeigneter statistischer Modelle eingeschätzt und untergliedert, so dass zwei Sätze von Konfidenzgrenzen abgeleitet und auf der Grundlage der bei Referenzsorten beobachteten Variabilität eine untere und eine obere Äquivalenzgrenze festgesetzt werden können. Ein Satz von Konfidenzgrenzen kommt beim Differenztest zum Einsatz; der andere sowie die Äquivalenzgrenzen werden beim Äquivalenztest verwendet. Für die Berechnung der Konfidenzgrenzen wird in beiden Tests (Differenz- und Äquivalenztest) ein lineares gemischtes Statistikmodell verwendet; zur Schätzung der im Äquivalenztest zu verwendenden Äquivalenzgrenzen wird ein leicht abgewandeltes Modell verwendet. I ist eine Indikatorvariable (beim gemischten Modell nicht zentriert), wobei I = 1 für das Vorhandensein irgendeiner nicht genetisch veränderten Referenzsorte in dem Plot steht und I = 0, wenn keine vorhanden ist. Die Zufallsfaktoren beim Modell 1 sollten diejenigen sein (müssen aber nicht auf sie beschränkt sein), die die Differenz anzeigen i) zwischen den Testmaterialien (ein Satz Testmaterialien besteht aus der GV-Pflanze, ihrem konventionellen Gegenstück, allen nicht genetisch verändert Referenzsorten und allen zusätzlichen Vergleichsprodukten); ii) bei der Interaktion zwischen den Testmaterialien und I; iii) zwischen Versuchsorten; und iv) zwischen den verschiedenen Blöcken an einem Versuchsort. Modell 2 sollte mit Modell 1 identisch sein, abgesehen davon, dass der die Interaktion zwischen den Testmaterialien und I darstellende Zufallsfaktor ausgelassen wird. Der feste Faktor sollte bei beiden Modellen so viele Ebenen haben, wie Testmaterialien vorhanden sind, und repräsentativ für die Unterschiede der Mittelwerte der Testmaterialien sein. Die Testmaterialien sind, wie oben aufgeführt, die GV-Pflanze, ihr konventionelles Gegenstück, der Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten sowie alle zusätzlichen Testmaterialien. Der Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten gilt in Bezug auf den festen Faktor als eine einzige Ebene. Für den Differenztest ist die Komponente des festen Faktors, der von Interesse ist, der Unterschied im Einheitsfreiheitsgrad zwischen der GV-Pflanze und ihrem konventionellen Gegenstück. Für den Äquivalenztest ist die Komponente des festen Faktors, der von Interesse ist, der Unterschied im Einheitsfreiheitsgrad zwischen der GV-Pflanze und dem Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten. Sowohl Differenz- als auch Äquivalenztest werden mithilfe des Verhältnisses zwischen Testhypothese und Festsetzung der Konfidenzgrenzen durchgeführt. Beim Äquivalenztest folgt der Ansatz der Methode der zwei einseitigen Tests (TOST), indem die Nullhypothese der Nicht-Gleichwertigkeit verworfen wird, wenn beide Konfidenzgrenzen innerhalb der Äquivalenzgrenzen liegen. Die Wahl einer Konfidenzgrenze bei 90 % entspricht dem üblichen 95 %igen Vertrauensbereich bei statistischen Untersuchungen der Gleichwertigkeit. Die Ergebnisse des Differenz- und des Äquivalenztests sind visuell für alle Endpunkte gleichzeitig darzustellen, in einem einzigen Diagramm oder einigen wenigen Diagrammen. Die Diagramme zeigen die Null-Differenz-Linie zwischen dem genetisch veränderten Material und dem konventionellen Gegenstück sowie für jeden Endpunkt: die angepassten unteren und oberen Äquivalenzgrenzen, den durchschnittlichen Unterschied zwischen dem genetisch veränderten Material und dem konventionellen Gegenstück und die Konfidenzgrenzen für diesen Unterschied (siehe die möglichen Ergebnisse für einen einzigen Endpunkt in Abbildung 1). Wenn zusätzlich zu dem konventionellen Gegenstück anderes Testmaterial als Vergleichsprodukt verwendet wird, sind im Diagramm/in den Diagrammen für alle diese Vergleichsprodukte die mittlere Differenz zwischen dem genetisch veränderten Material und dem Vergleichsprodukt, die Konfidenzgrenzen und die angepassten Äquivalenzgrenzen zu zeigen, und zwar im Verhältnis zu der gleichen Nulllinie, die durch das konventionelle Gegenstück definiert ist. Die Null-Differenz-Linie auf der logarithmischen Skala entspricht einem Multiplikationsfaktor der Einheit auf der natürlichen Skala. Die Horizontalachse ist mit Werten zu beschriften, die die Veränderung im Verhältnis zur natürlichen Skala angeben. Bei einer logarithmischen Transformation erscheinen die Änderungswerte 2 x und ½ x mit gleichen Abständen auf den beiden Seiten der Null-Differenz-Linie. Trotz des zu erwartenden hohen Anteils an falschen erheblichen Differenzen hat der Antragsteller alle erheblichen Differenzen zwischen der genetisch veränderten Pflanze, dem konventionellen Gegenstück und gegebenenfalls jedem anderen Testmaterial anzugeben, mit Hauptaugenmerk auf ihrer jeweiligen biologischen Relevanz (siehe Abschnitt 3 zur Risikocharakterisierung). Bei der Berichterstattung sind für jeden untersuchten Endpunkt genaue Angaben zu machen, einschließlich der
a)
der Analyse zugrunde liegenden Annahmen;
b)
vollständigen Spezifizierung der gewählten gemischten Modelle, einschließlich fester und zufälliger Effekte;
c)
Ergebnisse aller Tests auf Wechselwirkungen zwischen den Testmaterialien und Versuchsorten;
d)
festen Effekte, unter Angabe der für den Vergleich verwendeten geeigneten geschätzten Restabweichung, und Varianzkomponenten für die Zufallsfaktoren;
e)
geschätzten Freiheitsgrade;
f)
aller sonstigen relevanten Statistiken.
Auch eine Abhandlung zu den wahrscheinlichen Auswirkungen anderer Anbaubedingungen, die nicht im Feldversuch untersucht wurden, ist vorzulegen. Abbildung 1: Vereinfachte Version eines Diagramms für eine vergleichende Bewertung mit den sieben möglichen Ergebnissen für jeden einzelnen Endpunkt. Nach Anpassung der Äquivalenzgrenzen wird eine einzige Konfidenzgrenze (für die Differenz) zur visuellen Bewertung der Ergebnisse beider Tests verwendet (Differenz- und Äquivalenztest). Hier wird nur die obere angepasste Äquivalenzgrenze betrachtet. Gezeigt werden Mittel der genetisch veränderten Pflanze auf einer geeigneten Skala (Quadrat), Konfidenzgrenzen (Whisker) für die Differenz zwischen genetisch veränderter Pflanze und konventionellem Gegenstück (Balken zeigt Konfidenzintervall an), eine vertikale Linie für die Abwesenheit jeglicher Differenz (beim Differenztest) und vertikale Linien, die die angepassten Äquivalenzgrenzen darstellen (beim Äquivalenztest). Im Fall der Ergebnisse 1, 3 und 5 kann die Nullhypothese „keine Differenz” nicht verworfen werden; im Fall der Ergebnisse 2, 4, 6 und 7 unterscheidet sich die genetisch veränderte Pflanze von ihrem konventionellen Gegenstück. Zur Interpretation der Äquivalenz sind vier Kategorien (i-iv) vorgegeben: in Kategorie i wird die Nullhypothese der Nichtäquivalenz zugunsten der Äquivalenz verworfen; in den Kategorien ii, iii und iv kann die Nichtäquivalenz nicht verworfen werden.
A.
Für den Differenztest wird jedes Ergebnis aus dem Diagramm wie folgt kategorisiert; außerdem werden die jeweils entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen.

i)
Ergebnisarten 1, 3 und 5: Der Konfidenzintervall-Balken schneidet die Null-Differenz-Linie. Die Nullhypothese „keine Differenz” kann nicht verworfen werden, und die angemessene Schlussfolgerung ist, dass nicht genügend Beweise dafür vorliegen, dass die genetisch veränderte Pflanze sich von dem konventionellen Gegenstück unterscheidet.
ii)
Ergebnisarten 2, 4, 6 und 7: Der Konfidenzintervall-Balken schneidet die Null-Differenz-Linie nicht. Die Nullhypothese „keine Differenz” muss verworfen werden, und die angemessene Schlussfolgerung ist, dass die genetisch veränderte Pflanze sich erheblich von dem konventionellen Gegenstück unterscheidet.

B.
Für den Äquivalenztest wird jedes Ergebnis aus dem Diagramm wie folgt kategorisiert; außerdem werden die jeweils entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen.

i)
Ergebnisarten 1 und 2 (Abbildung 1, Kategorie i): Beide Konfidenzgrenzen liegen zwischen den angepassten Äquivalenzgrenzen und die Nichtäquivalenz-Hypothese wird verworfen. Die entsprechende Schlussfolgerung ist, dass die genetisch veränderte Pflanze dem Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten gleichwertig ist.
ii)
Ergebnisarten 3 und 4 (Abbildung 1, Kategorie ii): Der Mittelwert der genetisch veränderten Pflanze liegt zwischen den angepassten Äquivalenzgrenzen, aber der Konfidenzintervallbalken schneidet mindestens eine der Äquivalenzgrenzen im Diagramm. Nichtäquivalenz kann nicht verworfen werden, und die entsprechende Schlussfolgerung ist, dass eine Äquivalenz zwischen der genetisch veränderten Pflanze und dem Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten wahrscheinlicher ist als eine Nichtäquivalenz.
iii)
Ergebnisarten 5 und 6 (Abbildung 1, Kategorie iii): Der Mittelwert der genetisch veränderten Pflanze liegt außerhalb der angepassten Äquivalenzgrenzen, aber der Konfidenzintervallbalken schneidet mindestens eine der Äquivalenzgrenzen. Nichtäquivalenz kann nicht verworfen werden und die entsprechende Schlussfolgerung ist, dass eine Nichtäquivalenz zwischen der genetisch veränderten Pflanze und dem Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten wahrscheinlicher ist als eine Äquivalenz.
iv)
Ergebnisart 7 (Abbildung 1, Kategorie iv): Beide Konfidenzgrenzen liegen außerhalb der angepassten Äquivalenzgrenzen. Die entsprechende Schlussfolgerung ist, dass die genetisch veränderte Pflanze dem Satz nicht genetisch veränderter Referenzsorten nicht gleichwertig ist.

Bestehen erhebliche Differenzen und/oder mangelt es an Äquivalenz für einen bestimmten Endpunkt müssen weitere statistische Analysen durchgeführt werden, um zu bewerten, ob Wechselwirkungen zwischen einem der Testmaterialien und dem Versuchsort bestehen, möglicherweise mittels eines einfachen ANOVA-Standardansatzes. Unabhängig davon, welcher Ansatz verwendet wird, sind für jeden untersuchten Endpunkt genaue Angaben zu machen, einschließlich a) der der Analyse zugrunde liegenden Annahmen sowie gegebenenfalls b) der Freiheitsgrade, c) der geschätzten Restabweichung für jede Varianzquelle und der Varianzkomponenten und d) jeder anderen relevanten Statistik. Diese zusätzlichen Analysen sollen bei der Interpretation jeglicher erheblicher Differenzen, die entdeckt wurden, und bei der Untersuchung möglicher Wechselwirkungen zwischen Testmaterialien und anderen Faktoren helfen.

Ausführlichere Leitlinien zur Anwendung der in diesem Abschnitt genannten Anforderungen sind der Stellungnahme der EFSA „Statistical considerations for the safety evaluation of GMOs” (4) (Statistische Erwägungen bei der Sicherheitsbewertung von GVO) zu entnehmen.

1.3.3.
Wahl des Materials und der Stoffe für die Analyse
Beim Vergleich genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel mit ihrem konventionellen Gegenstück ist die Analyse der Zusammensetzung des Pflanzenmaterials äußerst wichtig. Das für die vergleichende Bewertung verwendete Material muss unter Berücksichtigung der Verwendung der genetisch veränderten Pflanze und der Art der genetischen Veränderung ausgewählt werden. Bei herbizid-toleranten genetisch veränderten Pflanzen sind drei Testmaterialien zu verwenden: die genetisch veränderte Pflanze bei Einsatz des vorgesehenen Herbizids, das einer konventionellen Herbizidbehandlung ausgesetzte konventionelle Gegenstück und die derselben konventionellen Herbizidbehandlung ausgesetzte genetisch veränderte Pflanze. Zu analysieren ist, außer in wohlbegründeten Ausnahmefällen, das rohe Agrarerzeugnis, da dieses normalerweise den Hauptausgangspunkt für den Eintritt des Materials in die Lebens- und Futtermittelherstellung und Verarbeitungskette darstellt. Zusätzliche Untersuchungen an verarbeiteten Produkten (beispielsweise Lebens- und Futtermittel, Lebensmittelzutaten, Futtermittel-Ausgangsprodukte, Lebens- und Futtermittelzusatzstoffe und Lebensmittelaromen) sind gegebenenfalls auf Einzelfallbasis durchzuführen (siehe auch Abschnitt 1.3.6). Probenahme, Analyse und Vorbereitung des zu untersuchenden Materials erfolgen nach angemessenen Qualitätsstandards.
1.3.4.
Vergleichende Analyse der Zusammensetzung
Zusätzlich zu den Analysen auf Ebene der neu exprimierten Proteine (siehe Abschnitt 1.2.2.3) wird die Analyse der Zusammensetzung für eine angemessene Bandbreite von Stoffen durchgeführt. In jedem Fall muss der Antragsteller mindestens eine Analyse der chemischen Bestandteile (einschließlich Feuchtigkeit und Gesamtasche), der wichtigsten Makro- und Mikronährstoffe, der Antinährstoffe, der natürlichen Toxine und bereits identifizierter Allergene sowie anderer pflanzlicher Sekundärmetaboliten, die für die spezielle Pflanzenart charakteristisch sind, gemäß den Konsenspapieren der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über Erwägungen zur Zusammensetzung neuer Pflanzensorten (OECD-Konsensdokumente)(5) vorlegen. Für die Analyse sind diejenigen Vitamine und Mineralien auszuwählen, die in ernährungsphysiologisch erheblichen Gehalten vorliegen und/oder die angesichts der Menge, in der die Pflanze verzehrt werden soll, einen ernährungsphysiologisch erheblichen Beitrag zur Ernährung leisten. Welche Analysen genau durchzuführen sind, hängt von der zu untersuchenden Pflanzenart ab; jedenfalls muss jedoch eine genaue Bewertung vorgenommen werden, die der beabsichtigten Wirkung der genetischen Veränderung, dem geplanten Nährwert und der geplanten Verwendung der Pflanze angemessen ist. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei den Hauptnährstoffen wie Proteinen, Kohlenhydraten, Lipiden/Fetten, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien zu widmen. Für ölreiche Pflanzen ist beispielsweise das Fettsäurenprofil (wichtigste gesättigte, einfach ungesättigte oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren) und für Pflanzen, die eine wichtige Proteinquelle darstellen, das Aminosäurenprofil (Proteinaminosäuren und wichtigste Nichtprotein-Aminosäuren) anzugeben. Für die vegetativen Teile von zu Futtermittelzwecken verwendeten Pflanzen sind auch Analysen der Zellwandkomponenten erforderlich. Der Antragsteller legt außerdem eine Analyse hinsichtlich der wichtigsten Toxine vor, die von Natur aus in der Empfängerpflanze vorliegen und die je nach Toxizitätspotenz und -gehalt schädlich für die menschliche oder die Tiergesundheit sein können. Die Konzentration solcher Stoffe wird unter Berücksichtigung der Pflanzenart und der geplanten Verwendung des Lebens- oder Futtermittelprodukts bewertet. Ebenso sind antinutritive Stoffe, beispielsweise Verdauungsenzymhemmer, und bereits identifizierte Allergene zu untersuchen. Je nach Charakteristika der eingeführten Merkmale können weitere Analysen spezifischer Stoffe erforderlich sein, beispielsweise Metaboliten von möglicherweise veränderten metabolischen Pfaden. Der Antragsteller erwägt gegebenenfalls die Angabe anderer Stoffe als nur die im OECD-Konsensdokument aufgeführten Hauptnährstoffe, Haupttoxine, Antinährstoffe und Allergene; die Auswahl dieser Stoffe ist zu begründen.
1.3.5.
Vergleichende Analyse der agronomischen und phänotypischen Eigenschaften
Der Antragsteller legt einen Vergleich der genetisch veränderten Pflanze mit dem konventionellen Gegenstück vor. Anhand dieses Vergleichs muss der Antragsteller unbeabsichtigte Wirkungen der genetischen Veränderung erkennen können; außerdem müssen dabei Pflanzenbiologie und agronomische Merkmale, einschließlich gemeinsamer Zuchtparameter (wie Ertrag, Pflanzenmorphologie, Blütezeit, Wachstumsgradtage bis zur Reife, Überlebensdauer der Pollen, Reaktion auf Pflanzenpathogene und Schadinsekten, Anfälligkeit für abiotische Stressfaktoren) behandelt werden. Die Protokolle dieser Feldersuche werden gemäß den in Abschnitt 1.3.2 genannten Spezifikationen erstellt. Wenn Transformationsereignisse durch konventionelle Kreuzungen kombiniert werden, kann es auch zu Veränderungen der agronomischen und phänotypischen Eigenschaften kommen. Mögliche Unterschiede der phänotypischen Merkmale und agronomischen Eigenschaften kombinierter Transformationsereignisse müssen im Rahmen von Feldversuchen bewertet werden. Gegebenenfalls legt der Antragsteller zusätzliche Angaben zu den agronomischen Merkmalen der kombinierten Transformationsereignisse aus zusätzlichen Feldversuchen vor.
1.3.6.
Auswirkungen der Verarbeitung
Der Antragsteller bewertet, ob die verwendeten Verarbeitungs- und/oder Konservierungstechniken möglicherweise die Merkmale der genetisch veränderten Endprodukte im Vergleich zu ihren jeweiligen konventionellen Gegenstücken verändern. Der Antragsteller stellt eine ausreichend detaillierte Beschreibung der verschiedenen Verarbeitungstechniken zur Verfügung, in der insbesondere auf die verschiedenen Schritte eingegangen wird, die erhebliche Änderungen bezüglich Produktinhalt, -qualität oder -reinheit zur Folge haben können. Genetische Veränderungen können die Veränderung metabolischer Pfade zum Ziel haben, was zu Änderungen der Konzentration an Nicht-Protein-Stoffen oder zu neuen Metaboliten führen kann (z. B. bei nährwertangereicherten Lebensmitteln). Verarbeitete Produkte können im Rahmen der Bewertung der genetisch veränderten Pflanze zur Beurteilung der Sicherheit der genetischen Veränderung bewertet werden oder Gegenstand einer gesonderten Bewertung sein. Der Antragsteller legt die wissenschaftliche Grundlage für die Risikobewertung dieser Produkte vor. Im Einzelfall ist die Vorlage zusätzlicher Versuchsdaten in Betracht zu ziehen. Je nach der Art des Produkts sind gegebenenfalls Angaben zu Zusammensetzung, Gehalt an unerwünschten Stoffen, Nährstoffgehalt und Stoffwechsel sowie zu der geplanten Verwendung vorzulegen. Je nach Beschaffenheit des neu exprimierten Proteins/der neu exprimierten Proteine ist gegebenenfalls zu bewerten, in welchem Maße die Verarbeitungsschritte zu Konzentration oder Elimination, Denaturierung und/oder Degradation dieses Proteins/dieser Proteine im Endprodukt führen.
1.3.7.
Schlussfolgerung
Aus der Schlussfolgerung der vergleichenden Analyse muss klar Folgendes hervorgehen:
a)
ob sich die agronomischen und phänotypischen Eigenschaften der genetisch veränderten Pflanze unter Berücksichtigung der natürlichen Variation abgesehen von dem/den eingeführten Merkmal(en) von den Eigenschaften des konventionellen Gegenstücks unterscheiden und/oder den Eigenschaften der Referenzsorten gleichwertig sind;
b)
ob sich die Zusammensetzungseigenschaften der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel unter Berücksichtigung der natürlichen Variation abgesehen von dem/den eingeführten Merkmal(en) von den Eigenschaften des konventionellen Gegenstücks unterscheiden und/oder den Eigenschaften der Referenzsorten gleichwertig sind;
c)
welche Eigenschaften der genetisch veränderten Pflanze bzw. der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel sich unter Berücksichtigung der natürlichen Variation von den Eigenschaften des konventionellen Gegenstücks unterscheiden und/oder den Eigenschaften der Referenzsorten nicht gleichwertig sind, und bezüglich deren weitere Untersuchungen erforderlich sind;
d)
ob es im Fall einer Kombination von Transformationsereignissen durch konventionelle Kreuzung Anzeichen für Wechselwirkungen zwischen den kombinierten Transformationsereignissen gibt.

1.4.
Toxikologie

Zu bewerten sind die toxikologischen Auswirkungen aller Veränderungen der ganzen Lebens-/Futtermittel, die sich aus der genetischen Veränderung — beispielsweise der Einführung neuer Gene, dem Gen-Silencing oder der Überexpression eines endogenen Gens — ergeben. Die toxikologische Bewertung zielt auf Folgendes ab:
a)
Nachweis, dass die beabsichtigte(n) Wirkung(en) der genetischen Veränderung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier hat/haben.
b)
Nachweis, dass die unbeabsichtigte(n) Wirkung(en) der genetischen Veränderung(en), die aufgrund der vorangegangenen molekularen, phänotypischen und zusammensetzungsbezogenen vergleichenden Analyse festgestellt wurde(n) bzw. deren Vorliegen angenommen wird, keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier hat/haben.
c)
Identifizierung potenzieller schädlicher Wirkungen neuer Bestandteile und Bestimmung der höchsten Dosis, bei der noch keine schädlichen Wirkungen auftreten. Die annehmbare tägliche Aufnahmemenge (Acceptable Daily Intake — ADI) der einzelnen Stoffe kann unter Verwendung entsprechender Unsicherheits- und Sicherheitsfaktoren, die den Unterschieden zwischen Mensch und Tier sowie den individuellen Unterschieden zwischen Einzelpersonen Rechnung tragen, aus den im Rahmen geeigneter Tierversuche erhobenen Daten abgeleitet werden.
d)
Identifizierung potenzieller schädlicher Wirkungen auf die ganzen genetisch veränderten Lebens-/Futtermittel oder Ausräumung verbleibender Unsicherheiten mittels 90-tägiger Fütterungsstudien.
Der Antragsteller bestimmt die Art der toxikologischen Untersuchungen, die an neuen Bestandteilen und ganzen genetisch veränderten Lebens-/Futtermitteln vorgenommen werden müssen, auf der Grundlage der Ergebnisse der gemäß den Abschnitten 1.2 und 1.3 durchgeführten molekularen, phänotypischen und zusammensetzungsbezogenen vergleichenden Analysen, insbesondere aufgrund der zwischen dem genetisch veränderten Produkt und seinem konventionellen Gegenstück festgestellten Unterschiede, wobei sowohl die beabsichtigten als auch die unbeabsichtigten Veränderungen zu berücksichtigen sind. Der Antragsteller bewertet die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchungen auch und prüft, ob Bedarf an zusätzlichen Untersuchungen der neuen Bestandteile oder der ganzen Lebens-/Futtermittel gemäß den Abschnitten 1.4.4.2 und 1.4.4.3 besteht. Dabei berücksichtigt der Antragsteller das Vorliegen neu exprimierter Proteine, das mögliche Vorliegen anderer neuer Bestandteile und/oder mögliche Änderungen der Gehalte der natürlichen Bestandteile, die über die normale Variation hinausgehen. Die spezifischen Informationsanforderungen und Untersuchungsstrategien sind in den Abschnitten 1.4.1 bis 1.4.4 aufgeführt. Umfasst der Umfang des Antrags genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel, die aus genetisch veränderten Pflanzen hergestellt sind, bzw. beschränkt sich der Antrag darauf, so ist eine toxikologische Bewertung der verarbeiteten Produkte vorzulegen, es sei denn, der Antragsteller legt eine Risikobewertung der genetisch veränderten Pflanze (oder relevanter Pflanzenteile) zum Nachweis der Sicherheit derselben vor, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die verarbeiteten genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel sich in irgendeiner Form von ihren jeweiligen konventionellen Gegenstücken unterscheiden. Der Antragsteller legt diesbezüglich eine angemessene Begründung vor. Toxikologische Untersuchungen, die auf die Bewertung der Risiken für die Gesundheit von Menschen und/oder Tieren ausgelegt sind, müssen einander ergänzen. Die meisten Untersuchungen, die zur Bewertung der Sicherheit genetisch veränderter Lebensmittel erforderlich sind, gelten auch für die Bewertung genetisch veränderter Futtermittel. Neben der den Verbrauchern und Tieren durch die Aufnahme von Lebens- und Futtermitteln entstehenden Exposition sind vom Antragsteller auch schädliche Auswirkungen auf Einzelpersonen anzugeben, die aufgrund einer Exposition gegenüber genetisch verändertem Lebens- und Futtermittelmaterial im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit entstehen könnten, beispielsweise bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten oder bei der Saatgutaufbereitung. Zur weiteren Charakterisierung dieser Anzeichen möglicher schädlicher Wirkungen sind geeignete Untersuchungen anzustellen. Bei den toxikologischen Untersuchungen wendet der Antragsteller international anerkannte Protokolle und Testverfahren (siehe Abschnitt 1.7, Tabellen 1 und 2) an. Anpassungen dieser Protokolle oder die Verwendung von diesen Protokollen abweichender Verfahren sind im Antrag zu begründen.
1.4.1.
Untersuchung neu exprimierter Proteine
Der Antragsteller legt eine Bewertung aller neu exprimierten Proteine vor. Die für die Erkundung der möglichen Toxizität eines neu exprimierten Proteins erforderlichen Untersuchungen sind auf Einzelfallbasis auszuwählen, je nachdem, welche Erkenntnisse zur Quelle des Proteins, seiner Funktion oder Aktivität und seiner Geschichte hinsichtlich des Verzehrs durch Mensch und Tier vorliegen. Bei in der genetisch veränderten Pflanze exprimierten Proteinen, für die eine sichere Verwendungsgeschichte beim Verzehr als Lebens- und/oder Futtermittel belegt ist, und zwar sowohl für die Pflanze als auch für das neu exprimierte Protein, sind die in diesem Abschnitt aufgeführten spezifischen toxikologischen Untersuchungen nicht erforderlich. In einem solchen Fall legt der Antragsteller die erforderlichen Angaben zur sicheren Verwendungsgeschichte der Proteine vor. Sind spezifische Untersuchungen erforderlich, muss das untersuchte Protein dem neu exprimierten Protein so, wie es in der genetisch veränderten Pflanze exprimiert ist, entsprechen. Wird in Ermangelung einer ausreichenden Menge an Testmaterial aus der Pflanze ein von einem Mikroorganismus hergestelltes Protein verwendet, muss die strukturelle, biochemische und funktionelle Gleichwertigkeit dieses mikrobiellen Substituts mit dem neu exprimierten Pflanzenprotein nachgewiesen werden. Für den Nachweis der Gleichwertigkeit sind insbesondere Vergleiche hinsichtlich des Molekulargewichts, der Aminosäuresequenz, der posttranslationalen Modifizierung, der Immunogenität sowie, bei Enzymen, der Enzymaktivität erforderlich. Unterscheiden sich das in der Pflanze exprimierte Protein und sein mikrobielles Substitut, so ist die Bedeutung dieser Unterschiede für die Sicherheitsbewertung zu beurteilen. Zum Nachweis der Sicherheit neu exprimierter Proteine legt der Antragsteller folgende Angaben vor:
a)
Eine molekulare und eine biochemische Charakterisierung des neu exprimierten Proteins, einschließlich Bestimmung der Primärstruktur, des Molekulargewichts (ermittelt beispielsweise mittels Massenspektrometrie), Studien zur posttranslationalen Modifizierung und eine Beschreibung seiner Funktion. Handelt es sich um neu exprimierte Enzyme, sind auch Angaben zur Enzymaktivität einschließlich Temperatur- und pH-Bereich für optimale Aktivität, zur Spezifizität des Substrats und zu möglichen Reaktionsprodukten erforderlich. Außerdem sind mögliche Wechselwirkungen mit anderen Pflanzenbestandteilen zu bewerten.
b)
Eine aktuelle Suche nach Homologie mit Proteinen, die bekanntermaßen schädliche Auswirkungen haben, beispielsweise toxische Proteine. Eine Suche nach homologen Proteinen, die eine normale metabolische oder strukturelle Funktion haben, kann ebenfalls wertvolle Informationen liefern. Die für die Suche verwendete(n) Datenbank(en) und Verfahren sind anzugeben.
c)
Eine Beschreibung der Stabilität des Proteins unter den einschlägigen Verarbeitungs- und Lagerungsbedingungen sowie der voraussichtlichen Behandlung der Lebens- und Futtermittel. Die Einflüsse von Temperatur- und pH-Änderungen sind zu untersuchen und mögliche Veränderungen der Proteine (z. B. Denaturierung) und/oder die durch solche Behandlungen entstandenen stabilen Proteinfragmente zu charakterisieren.
d)
Daten über die Widerstandfähigkeit des neu exprimierten Proteins gegenüber proteolytischen Enzymen (wie Pepsin), ermittelt beispielsweise im Rahmen von In-vitro-Untersuchungen mit geeigneten standardisierten Tests. Stabile Abbauprodukte müssen im Hinblick darauf charakterisiert und bewertet werden, ob sie möglicherweise aufgrund ihrer biologischen Aktivität schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnten.
e)
Eine 28-tägige Studie zur Toxizität bei wiederholter oraler Verabreichung an Nagetiere mit dem neu exprimierten Protein. Gegebenenfalls müssen je nach Ergebnis der 28-tägigen Toxizitätsstudie weitere gezielte Untersuchungen durchgeführt werden, einschließlich einer Analyse der Immunotoxizität.
Untersuchungen auf akute Toxizität der neu exprimierten Proteine genetisch veränderter Pflanzen stellen einen geringen Mehrwert für die Risikobewertung des wiederholten Verzehrs genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel durch Mensch und Tier dar und müssen im Rahmen der gemäß dieser Nummer durchzuführenden Untersuchungen nicht vorgelegt werden. Führt die genetische Veränderung zur Expression zweier oder mehrerer Proteine in der genetisch veränderten Pflanze und besteht wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge die Möglichkeit von Synergien oder Antagonismen von Sicherheitsbedenken, muss der Antragsteller Untersuchungen mit kombinierter Zuführung der Proteine durchführen.
1.4.2.
Untersuchung anderer neuer Bestandteile außer Proteinen
Der Antragsteller legt eine Risikobewertung der ermittelten neuen Bestandteile vor, die keine Proteine sind. Diese umfasst je nach Einzelfall eine Bewertung ihrer toxischen Potenz und des Bedarfs an toxikologischen Untersuchungen sowie eine Bestimmung ihrer Konzentration in dem genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel. Zur Feststellung der Sicherheit neuer Bestandteile, für die keine sichere Verwendungsgeschichte bei Verzehr in Lebens- oder Futtermitteln existiert, legt der Antragsteller Angaben vor, die den Angaben in den Leitlinien der EFSA vom 16. August 2012 für die Bewertung von Lebensmittelzusatzstoffen und Nährstoffquellen für Lebensmittel ( „Guidance for submissions for food additive evaluations by the EFSA Panel on Food Additives and Nutrient Sources added to Food” )(6) sowie der Verordnung (EG) Nr. 429/2008 der Kommission vom 25. April 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Erstellung und Vorlage von Anträgen sowie der Bewertung und Zulassung von Futtermittelzusatzstoffen(7) entsprechen. Dazu gehört die Einreichung von Informationen zu einer Reihe grundlegender Untersuchungen, beispielsweise zu Metabolismus/Toxikokinetik, subchronischer Toxizität, Genotoxizität, chronischer Toxizität, Karzinogenität, Reproduktions- und Entwicklungstoxizität, sowie zu jeder anderen geeigneten Untersuchung. Spezifische Leitlinien für Tierversuche siehe Abschnitt 1.7 Tabelle 1 dieses Anhangs. Testprotokolle für Untersuchungen auf Genotoxizität finden sich in Abschnitt 1.7 Tabelle 2 dieses Anhangs.
1.4.3.
Angaben zu geänderten Gehalten an Lebens- und Futtermittelbestandteilen
Dieser Abschnitt gilt nur für den Fall, dass eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte Auswirkung der genetischen Veränderung eine Änderung des Gehalts an solchen Lebens- und Futtermittelbestandteilen hervorruft, die über die natürliche Variation hinausgeht. Zum Nachweis der Sicherheit dieses geänderten Gehalts an Lebens- und Futtermittelbestandteilen wie Mikro- und Makronährstoffe, Antinährstoffe, natürliche Toxine und andere pflanzliche Sekundärmetaboliten legt der Antragsteller eine ausführliche Risikobewertung vor, die sich auf Kenntnisse der physiologischen Funktion und/oder der toxischen Eigenschaften dieser Bestandteile stützt. Das Ergebnis dieser Risikobewertung ist ausschlaggebend dafür, ob und in welchem Maße zusätzlich zu der 90-tägigen Fütterungsstudie an Nagetieren mit ganzen genetisch veränderten Lebens-/Futtermitteln toxikologische Untersuchungen an ausgewählten Lebens- und Futtermittelbestandteilen vorzulegen sind.
1.4.4.
Untersuchung des ganzen genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittels
Der Antragsteller stützt sich bei der Risikobewertung des genetisch veränderten Lebens- und Futtermittels hauptsächlich auf die molekulare Charakterisierung, die vergleichende Analyse der agronomischen und phänotypischen Merkmale und die umfassende vergleichende Analyse der Zusammensetzung sowie auf die toxikologische Bewertung der festgestellten beabsichtigten und unbeabsichtigten Wirkungen, einschließlich einer 90-tägigen Fütterungsstudie an Nagetieren mit ganzen genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln gemäß Abschnitt 1.4.4.1. Unter den in diesem Abschnitt unter 1.4.4.2 und 1.4.4.3 genannten Umständen sind zusätzliche spezifische toxikologische Untersuchungen an dem ganzen Lebens- bzw. Futtermittel durchzuführen. Zur Bewertung von Lebens- und Futtermitteln, die genetisch veränderte Pflanzen mit einem einzigen Transformationsereignis oder mit kombinierten Transformationsereignissen, die nicht durch die konventionelle Kreuzung genetisch veränderter Pflanzen mit einem einzigen Transformationsereignis entstanden sind, enthalten, daraus bestehen oder daraus hergestellt wurden, legt der Antragsteller eine 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren mit ganzen Lebens- und Futtermitteln vor. Bei kombinierten Transformationsereignissen, die durch die konventionelle Kreuzung genetisch veränderter Pflanzen mit einem oder mehreren Transformationsereignissen entstanden sind, ist eine 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren mit ganzen Lebens- und Futtermitteln für jede der verwendeten genetisch veränderten Pflanzen mit einem einzigen Transformationsereignis vorzulegen. Eine zusätzliche 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren mit ganzen Lebens- und Futtermitteln mit der genetisch veränderten Pflanze mit kombinierten Transformationsereignissen ist dann vorzulegen, wenn während der Bewertung i) der Stabilität des Inserts, ii) der Expression des Inserts und iii) der sich möglicherweise aus der Kombination der Transformationsereignisse ergebenden Synergie- oder Antagonismuseffekte Anzeichen potenzieller schädlicher Wirkungen festgestellt werden. Der Aufbau der Toxizitätsstudie mit genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sollte dem der „Prüfung auf sub-chronische orale Toxizität — 90-Tage-Toxizitätsstudie bei wiederholter oraler Verabreichung an Nagetiere” (siehe Tabelle 1) entsprechen und einem geeigneten Protokoll folgen. Grundsätzlich sind mindestens zwei Versuchsdosierungen und eine negative Kontrolle zu verwenden. Als höchste Dosierung ist die Maximalmenge zu verwenden, bei der noch kein ernährungsphysiologisches Ungleichgewicht auftritt; die niedrigste Dosierung muss das zu testende Lebens- und/oder Futtermittel in einer Menge enthalten, die über der voraussichtlichen Aufnahmemenge des Menschen/der Zieltierart liegt. Die getesteten genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel sollten relevant für das zu verbrauchende Produkt sein. Bei herbizid-toleranten genetisch veränderten Pflanzen sollte das getestete Material von einer genetisch veränderten Pflanze stammen, die dem betreffenden Herbizid ausgesetzt war. Die Angaben zu der natürlichen Variation der Testparameter stammen, wenn möglich, nicht von der Einbeziehung von Referenzsorten in die Versuche, sondern von historischen Hintergrunddaten, die von im Handel befindlichen, nicht genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln abgeleitet werden. Der Schwerpunkt der statistischen Analyse sollte auf der Identifizierung möglicher Differenzen zwischen dem Testmaterial und der Kontrolle liegen. Zur Bestimmung einer geeigneten Stichprobengröße, mit der eine präspezifizierte biologisch relevante Effektstärke mit einem festgelegten Power- und Signifikanzniveau identifiziert werden kann, ist eine Poweranalyse durchzuführen. Die EFSA-Leitlinien zur Durchführung 90-tägiger Studien zur Toxizität bei wiederholter oraler Verabreichung an Nagetiere mit ganzen Lebens- bzw. Futtermitteln ( „EFSA guidance on repeated-dose 90-day oral toxicity study in rodents on whole food/feed” (8)) enthalten eine genauere Anleitung für die Durchführung dieser Studie. Legen die gemäß den Abschnitten 1.4.1, 1.4.2 und 1.4.3 über die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel verlangten Angaben eine mögliche Reproduktions-, Entwicklungs- oder chronische Toxizität nahe, oder ergibt die 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren. Anzeichen für schädliche Wirkungen (z. B. funktionelle und/oder histologische Veränderungen der nervösen, endokrinen oder immunologischen Gewebe/Organe oder der Fortpflanzungsgewebe/-organe) sind geeignete Untersuchungen durchzuführen. Die Protokolle für die Untersuchungen auf Reproduktions-, Entwicklungs- und chronische Toxizität (siehe Abschnitt 1.7 Tabelle 1) können für die Zwecke von Untersuchungen ganzer genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel angepasst werden. Da die 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren nur darauf ausgelegt ist, Auswirkungen auf Gewicht und Histopathologie der Fortpflanzungsorgane erwachsener Tiere zu erkennen und damit keine anderen Auswirkungen auf Fortpflanzung oder Entwicklung erkannt werden können, sind, falls in dieser Hinsicht Gefahren festgestellt werden, über eine 90-tägige Fütterungsstudie an Nagetieren hinausgehende Untersuchungen an ganzen Lebens- und Futtermitteln anzustellen. Wenn sich aus den Angaben gemäß den Abschnitten 1.4.1, 1.4.2 und 1.4.3 zu den genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln oder den Ergebnissen der 90-tägigen Fütterungsstudie an Nagetieren Anzeichen für schädliche Wirkungen ergeben, sind Fütterungsstudien an den Zieltierarten vorzulegen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Sicherheit neuer Bestandteile (neu exprimierte Proteine und andere neue Bestandteile), auf der Identifizierung und Charakterisierung unbeabsichtigter Wirkungen und auf den ernährungsphysiologischen Auswirkungen aller beabsichtigten erheblichen Änderungen der Zusammensetzung der genetisch veränderten Pflanze (siehe auch Abschnitt 1.6). Derartige Untersuchungen sind auf Pflanzenmaterial zu beschränken, das sich für die Beimischung zum Futter der Tiere eignet und einer aus ernährungsphysiologischer Sicht geeigneten Kontroll-Ernährung gegenübergestellt werden kann. Bei den Tierversuchen beobachteten relevante Wirkungen müssen bewertet werden, damit die möglichen Konsequenzen für die Gesundheit von Mensch und Tier bestimmt und ihre Bedeutung für die Sicherheit der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel bewertet werden kann. Diese Bewertung kann durch zusätzliche Angaben und Erwägungen untermauert werden. Es ist zu beachten, dass bestimmte Wirkungen aufgrund der Unterschiede zwischen den Arten bei den Testtieren auftreten können und nicht beim Menschen. Insbesondere hat der Antragsteller Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei den geänderten Parametern (d. h. entsprechend höhere Änderungen bei höheren Dosen) zu betrachten, da diese ein wichtiges Indiz für eine Wirkung des untersuchten Stoffs darstellen. Wird ein Unterschied nur bei der höchsten verabreichten Dosis beobachtet, sind andere Faktoren einzubeziehen, um festzustellen, ob ein Zusammenhang mit der Behandlung besteht. Angaben zur Hintergrundvarianz eines gegebenen Parameters kann der Antragsteller aus Daten über andere Tiere derselben Art/desselben Stammes, die in dem gleichen Versuch oder in anderen Versuchen untersucht wurden, oder aus international harmonisierten Datenbanken ableiten. In Versuchen mit Tieren beiderlei Geschlechts können Veränderungen, die nur Tiere eines Geschlechts betreffen, dennoch ein einschlägiges Anzeichen für eine Wirkung sein, je nachdem, welcher Parameter geändert wurde und welcher Mechanismus die Veränderung verursacht hat. So können Tiere eines bestimmten Geschlechts anfälliger oder sogar besonders anfällig für von einem bestimmten Bestandteil verursachte Änderungen sein als Tiere des anderen Geschlechts, z. B. bei endokrinen Wirkungen. Der Antragsteller hat auch mögliche Wechselbeziehungen zwischen beobachteten Änderungen einzelner Parameter zu identifizieren, die die Anzeichen für das Vorliegen einer Wirkung bestärken können. Leberschäden beispielsweise, die an der Leber selbst als Veränderung der Histopathologie, Makropathologie und des Gewichts des Organs beobachtet werden können, können auch durch geänderte Gehalte bestimmter aus der Leber stammender Stoffe wie Enzyme oder Bilirubin ersichtlich sein. Was den möglichen Grund für eine beobachtete Wirkung betrifft, so muss die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität berücksichtigt werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf den untersuchten Stoff, sondern auch hinsichtlich anderer Faktoren, die die Ergebnisse beeinflusst haben könnten (beispielsweise Gewichtsverringerung aufgrund der geringeren Aufnahme einer weniger schmackhaften Nahrung). Daten zur Untermauerung der Hypothese einer Kausalität zwischen dem untersuchten Stoff und den Wirkungen auf Tiere können z. B. in vorausschauenden Daten zu plausiblen Wirkungen bestehen, die aus In-vitro- und In-silico-Experimenten oder der im Tierversuch beobachteten Dosis-Wirkungs-Beziehung stammen.
1.4.5.
Schlussfolgerungen der toxikologischen Bewertung
Aus den Schlussfolgerungen der toxikologischen Bewertung muss hervorgehen, ob:
a)
mögliche schädliche Wirkungen, die in anderen Teilen der Sicherheitsbewertung identifiziert wurden, bestätigt oder verworfen wurden;
b)
sich aus den verfügbaren Angaben zu dem/den neu exprimierten Protein(en) und anderen neuen Bestandteilen, die infolge der genetischen Veränderung entstanden sind, Hinweise auf mögliche schädliche Wirkungen ergeben und insbesondere, ob und bei welcher Dosis bei den einzelnen Untersuchungen schädliche Wirkungen festgestellt wurden;
c)
sich aus den Angaben zu den natürliche Bestandteilen, die in anderen Gehalten vorliegen als in dem konventionellen Gegenstück, Hinweise auf mögliche schädliche Wirkungen ergeben und insbesondere, ob und bei welcher Dosis bei den einzelnen Untersuchungen schädliche Wirkungen festgestellt wurden;
d)
bei den Untersuchungen ganzer genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel schädliche Wirkungen festgestellt wurden und bei welcher Dosis.
Der Antragsteller beurteilt die Ergebnisse der toxikologischen Bewertung unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Aufnahme der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel (siehe Abschnitt 2).

1.5.
Allergenität

Lebensmittelallergien sind adverse Reaktionen auf Lebensmittel; sie stellen ein erhebliches Problem für die öffentliche Gesundheit dar. Lebensmittelallergien unterschieden sich von toxischen Reaktionen und Unverträglichkeiten. Eine Allergie ist eine pathologische Abweichung der Immunreaktion auf einen bestimmten Stoff, die nur bei bestimmten Personen vorkommt, die aufgrund eines kombinierten Effekts von Umgebung und genetischer Prädisposition allergisch sensibilisiert sind. Bei Allergikern kann manchmal eine winzige Menge eines Lebensmittels, das von den meisten Menschen gut vertragen wird, zu schweren Symptomen und zum Tod führen. Ursache der schädlichen Wirkung auf die Gesundheit ist dabei nicht das Allergen an sich, sondern die anormale Reaktion der allergischen Person auf das Allergen. Lebensmittelallergien können von verschiedenen immunologischen Mechanismen verursacht werden. Die geläufigste Form der Lebensmittelallergie stellt jedoch die IgE-vermittelte Lebensmittelallergie dar, die auch die schwersten Symptome verursacht und die einzige Form ist, die lebensbedrohliche Reaktionen hervorruft. Diese IgE-vermittelte Lebensmittelallergie stand bei der Allergenitätsbewertung von GVO im Mittelpunkt. Dazu muss bemerkt werden, dass eine Lebensmittelallergie aus zwei getrennten Phasen besteht: Zunächst erfolgt eine Sensibilisierung, in deren Rahmen keine Symptome auftreten, die Reaktionskapazität des Immunsystems aber dramatisch gesteigert wird; später folgt die Effektorphase (Provokation) mit klinischen Erscheinungen. Beim Verzehr wird das Allergen bzw. werden die Allergene, also das Lebensmittel oder der Lebensmittelbestandteil, dem gegenüber die Person sensibilisiert ist, bis zu einem gewissen Grad von den Verdauungsenzymen abgebaut, von der Darmschleimhaut (und kleine Mengen sogar von der Mundschleimhaut) absorbiert, in speziellen Zellen des Immunsystems verarbeitet und gelangen dann zu den reaktiven Immunzellen, die die Immunantwort hervorrufen. Auch wenn das Lebensmittelallergen mit der Haut in Kontakt kommt oder eingeatmet wird, kann es zu einer Sensibilisierung kommen. Die meisten Stoffe, die eine Allergenität von Lebensmitteln oder auch von Pollen bewirken, sind Proteine. Einige Proteinabbauprodukte, also Peptid-Fragmente, können die Allergenität des ursprünglichen Proteins beibehalten und können daher auch als Allergene gelten. Das spezifische Allergierisiko von GVO beruht auf: i) der Exposition gegenüber neu exprimierten Proteinen, die in den genießbaren Teilen der Pflanze oder im Pollen enthalten sein können; dieser Punkt hängt mit der biologischen Quelle des Transgens zusammen; und ii) Änderungen der Allergenität der gesamten Pflanze und ihrer Produkte, beispielsweise aufgrund einer unbeabsichtigten Wirkung der genetischen Änderung, die zu einer Überexpression natürlicher endogener Allergene führt; dieser Punkt hängt mit der Biologie der Empfängerpflanze selbst zusammen. Ausführlichere Leitlinien zur Anwendung der in diesem Abschnitt genannten Anforderungen sind in der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA zur Bewertung der Allergenität von GV-Pflanzen und -Mikroorganismen sowie daraus gewonnenen Lebens- und Futtermitteln vom 30. Juni 2010(9) zu finden.
1.5.1.
Bewertung der Allergenität des neu exprimierten Proteins
Allergenität ist keine inhärente, vollständig vorhersagbare Eigenschaft eines bestimmten Proteins, sondern eine biologische Aktivität, die einer Wechselwirkung mit einzelnen Personen mit einem prädisponierten genetischen Hintergrund bedarf. Allergenität hängt daher von der genetischen Diversität und Variabilität der Atopiker ab. Häufigkeit, Schweregrad und Spezifizität allergischer Reaktionen hängen außerdem von geografischen und Umweltfaktoren ab. Angesichts dieser Unvorhersehbarkeit müssen bei der Bewertung der Allergenität verschiedene Aspekte kombiniert werden, um insgesamt ausreichende Nachweise zu erhalten, mit denen die Unsicherheiten bezüglich des/der fraglichen Proteins/Proteine minimiert werden können. Bei der Untersuchung struktureller Merkmale und biologischer und physikochemischer Eigenschaften eines neu exprimierten Proteins ist es wesentlich, dass das untersuchte Protein in Bezug auf Struktur und Aktivität dem neu exprimierten Protein in der genetisch veränderten Pflanze gleichwertig ist. An gereinigten Zielproteinen, die durch Expression in Organismen wie Escherichia coli gewonnen wurden, durchgeführte Untersuchungen sind akzeptabel, sofern die Eigenschaften des mikrobiellen Substituts mit denen des in der Pflanze exprimierten Proteins identisch sind und somit alle posttranslationalen Modifizierungen, die speziell in der Pflanze vorkommen, berücksichtigt werden. Der Antragsteller prüft, ob die Quelle des Transgens allergen ist. Wurde das eingeführte Genmaterial aus Weizen, Roggen, Gerste, Hafer oder verwandten Getreidekörnern gewonnen, bewertet der Antragsteller außerdem, welche Rolle die neu exprimierten Proteine möglicherweise bei der Auslösung von Zöliakie oder anderer, nicht IgE-vermittelter Enteropathien spielen. Im Fall kombinierter Transformationsereignisse legt der Antragsteller eine Bewertung auf Einzelfallbasis jedes Potenzials einer gesteigerten Allergenität für Menschen oder Tiere vor. Diese möglichen Wirkungen können sich aufgrund additiver, Synergie- oder Antagonismuseffekte der Genprodukte ergeben. Der Antragsteller folgt bei der Bewertung einer möglichen Allergenität neu exprimierter Proteine einem integrierten Einzelfallansatz, also einem Beweiskraftkonzept. Dieses Konzept umfasst
a)
einen Vergleich der Homologie der Aminosäuresequenz zwischen dem neu exprimierten Protein und bekannten Allergenen.

In jedem Fall ist eine Suche nach Sequenzhomologien und/oder strukturellen Ähnlichkeiten zwischen dem exprimierten Protein und bekannten Allergenen durchzuführen, um eine mögliche IgE-Kreuzreaktivität zwischen dem neu exprimierten Protein und bekannten Allergenen festzustellen. Der Antragsteller sorgt dafür, dass Qualität und Umfang der Datenbanken dem neuesten Stand entsprechen. Das Alignment-basierte Kriterium, bei dem 35 % Sequenzidentität mit einem bekannten Allergen über einen Bereich von wenigstens 80 Aminosäuren Länge vorliegen muss, gilt als Mindestanforderung. Alle bei der Untersuchung verwendeten Sequenzalignmentparameter sind zur Verfügung zu stellen, einschließlich der Berechnung der Prozent Identität. Die Berechnung der Prozent Identität wird über einen Bereich von 80 Aminosäuren Länge mit Gaps durchgeführt, so dass die eingeführten Gaps als Fehlpaarungen behandelt werden. In einigen Fällen, beispielsweise bei der Bewertung kurzer peptidischer Fragmente wie OLR, kann eine Suche nach Sequenzen von benachbarten identischen oder chemisch ähnlichen Aminosäureresten durchgeführt werden. Eine solche Suche darf jedoch aufgrund ihrer geringen Empfindlichkeit bzw. Spezifizität nicht routinemäßig zur Identifizierung potenziell linearer IgE-bindender Epitope verwendet werden.

b)
Spezifisches Serum-Screening

Gibt es Anzeichen einer Sequenz-Homologie oder struktureller Ähnlichkeiten, beruht ein wichtiges Verfahren zur Bewertung der Möglichkeit, inwiefern eine Exposition bereits gegen kreuzreaktive Proteine sensibilisierter Einzelpersonen den neu exprimierten Proteinen gegenüber eine allergische Reaktion hervorrufen könnten, auf In-vitro-Untersuchungen, die die Fähigkeit spezifischer IgE aus Seren von Allergikern zur Bindung der Testproteine messen. Bei der menschlichen IgE-Reaktion bestehen individuelle Unterschiede hinsichtlich Spezifizität und Affinität. Insbesondere kann die Spezifizität der IgE-Antikörper den unterschiedliche Allergenen gegenüber, die in einem bestimmten Lebensmittel/einer bestimmten Quelle vorkommen, und/oder gegenüber den unterschiedlichen auf einem bestimmten Protein vorliegenden Epitopen sich von Allergiker zu Allergiker unterscheiden. Um die Empfindlichkeit des Tests zu optimieren, werden Einzelseren gut charakterisierter Allergiker verwendet. In folgenden Fällen hat der Antragsteller ein spezifisches Serum-Screening durchzuführen:

i)
Die Quelle des eingeführten Gens gilt als allergen, auch wenn keine Sequenzhomologie des neu exprimierten Proteins mit einem bekannten Allergen nachgewiesen wurde; oder
ii)
die Quelle ist nicht als allergen bekannt, es gibt aber aufgrund einer Sequenzhomologie oder strukturellen Ähnlichkeit Anzeichen für eine Beziehung zwischen dem neu exprimierten Protein und einem bekannten Allergen.

Das spezifische Serum-Screening wird unter Verwendung einschlägiger immunchemischer Tests an Einzelseren von Personen mit einer nachgewiesenen und gut charakterisierten Allergie gegen die Quelle oder gegen das möglicherweise kreuzreaktive Allergen durchgeführt. Die geeigneten Verfahren hierfür sind IgE-Bindungsassays (wie der Radio- oder der Enzym-Allergo-Sorbent-Test (RAST bzw. EAST), der Enzyme-Linked-Immuno-Sorbent-Assay (ELISA) oder eine von einem Immunblotting mit spezifischen IgE-haltigen Seren gefolgte Elektrophorese).

c)
Pepsinresistenz- und In-vitro-Verdauungstests

Seit Langem gilt Stabilität gegenüber der Verdauung durch proteolytische Enzyme als Merkmal allergener Proteine. Obwohl nachgewiesen wurde, dass kein absoluter Zusammenhang existiert, ist eine Resistenz des Proteins gegenüber der Verdauung durch Pepsin im Beweiskraftkonzept als zusätzliches Kriterium für die Allergenitätsbewertung zu betrachten. Die Untersuchung auf Pepsinresistenz wird im Allgemeinen unter weitgehend standardisierten Bedingungen durchgeführt, bei niedrigem pH-Wert und einem hohen Pepsin-zu-Protein-Verhältnis. Es ist anerkannt, dass der Pepsinresistenztest nicht die physiologischen Bedingungen der Verdauung widerspiegelt. Die Verdaulichkeit der neu exprimierten Proteine bei bestimmten Bevölkerungssegmenten, beispielsweise Kleinkindern oder Personen mit Verdauungsstörungen, kann mit In-vitro-Verdaulichkeitstests, die unter verschiedenen Bedingungen durchgeführt werden, bewertet werden. In zusätzlichen In-vitro-Verdauungstests sind außerdem Auswirkungen möglicher Wechselwirkungen zwischen dem Protein und anderen Matrixkomponenten sowie die Wirkung der Verarbeitung zu berücksichtigen, da das für das neu eingeführte Protein kodierende Gen in dem Produkt als komplexe Matrix vorliegt. Je nach Ergebnis der In-vitro-Verdauungstests, ist ein Vergleich der IgE-Bindung intakter, durch Wärme denaturierter und Pepsin-verdauter Proteine auszuwerten, da eine unterschiedliche Verdaulichkeit Auswirkungen auf die Allergenität des neu exprimierten Proteins haben könnte.

d)
Zusätzliche Untersuchungen

Obgleich zusätzliche Tests wie zellbasierte In-vitro-Assays oder In-vivo-Tests an Tiermodellen bisher nicht für regulatorische Zwecke validiert sind, können sie nützliche zusätzliche Erkenntnisse z. B. über das Potenzial des neu exprimierten Proteins zur De-novo-Sensibilisierung liefern.

1.5.2.
Bewertung der Allergenität des genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittels
Ist die Empfängerpflanze bekanntermaßen allergen, bewertet der Antragsteller jede mögliche Änderung der Allergenität des genetisch veränderten Lebens- oder Futtermittels durch einen Vergleich seines Allergenrepertoires mit dem des konventionellen Gegenstücks. Insbesondere ist dabei eine mögliche Überexpression natürlicher endogener Allergene in der genetisch veränderten Pflanze zu untersuchen. Der Antragsteller nimmt diese Bewertung von Fall zu Fall vor, je nachdem, welche Informationen zum Allergenitätspotenzial der Empfängerpflanze vorliegen. Die Bewertung wird im Allgemeinen mit analytischen Verfahren wie Proteomik unter Verwendung von Allergikerseren als Sonden durchgeführt. Seren klinisch gut charakterisierter Allergiker, die das Referenzmaterial für IgE-Bindungstests darstellen, liegen möglicherweise in begrenzter Zahl und Menge vor. Um die Verwendung menschlicher Seren so weit wie möglich zu beschränken, können bereits vorab anhand von Tierseren, die unter genau definierten Bedingungen sensibilisiert wurden, sowie durch Einbeziehung einschlägig identifizierter endogener Allergene in die vergleichende Analyse der Zusammensetzung wichtige Erkenntnisse über die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigter Veränderungen der allgemeinen Allergenität der genetisch veränderten Pflanze gewonnen werden. Außerdem legt der Antragsteller, sofern verfügbar, Angaben zur Allergieprävalenz bei Personen, die im Anbau der genetisch veränderten Pflanze beschäftigt sind, damit in Kontakt kommen oder sich in der Nähe befinden, vor.
1.5.3.
Adjuvantizität
Adjuvantien sind Stoffe, die bei gleichzeitiger Verabreichung mit einem Antigen die Immunantwort auf das Antigen verstärken und somit auch die allergische Reaktion verstärken könnten. Weisen bestimmte bekannte funktionelle Aspekte des neu exprimierten Proteins oder eine strukturelle Ähnlichkeit mit bekannten starken Adjuvantien auf eine mögliche Adjuvanzwirkung hin, bewertet der Antragsteller, welche Rolle diese Proteine als Adjvantien spielen könnten. Bei Allergenen können Wechselwirkungen mit anderen Bestandteilen der Lebensmittelmatrix und/oder eine Verarbeitung Struktur und Bioverfügbarkeit eines Adjuvans und somit auch seine biologische Aktivität verändern.
1.5.4.
Schlussfolgerung der Allergenitätsbewertung
Aus der Schlussfolgerung der Allergenitätsbewertung muss klar hervorgehen, ob
a)
es wahrscheinlich ist, dass das/die neue(n) Protein(e) allergen ist/sind;
b)
es wahrscheinlich ist, dass das genetisch veränderte Lebens- bzw. Futtermittel stärker allergen ist als das konventionelle Gegenstück.
Besteht aufgrund der genetischen Veränderung die Wahrscheinlichkeit einer höheren Allergenität, muss das genetisch veränderte Lebens- bzw. Futtermittel unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Aufnahme weiter charakterisiert werden (siehe Abschnitt 2). Der Antragsteller schlägt geeignete Bedingungen für das Inverkehrbringen vor (wie marktbegleitende Beobachtung und Kennzeichnung).

1.6.
Ernährungsphysiologische Bewertung

1.6.1.
Ziele der ernährungsphysiologischen Bewertung
In der vorzulegenden ernährungsphysiologischen Bewertung weist der Antragsteller nach, dass
a)
die Markteinführung der genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittel für Menschen bzw. für Tiere keine ernährungsphysiologischen Nachteile mit sich bringt. Die Bewertung umfasst die Bedeutung neu exprimierter Proteine, anderer neuer Bestandteile und von Änderungen in den Gehalten der Lebens- und Futtermittelbestandteile in den genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln für die Ernährung sowie mögliche Änderungen in der Ernährung des Verbrauchers oder des Tieres insgesamt;
b)
unbeabsichtigte Wirkungen der genetischen Veränderung, die aufgrund der molekularen, phänotypischen und zusammensetzungsbezogenen vergleichenden Analyse gemäß den Abschnitten 1.2 und 1.3 festgestellt wurden bzw. deren Vorliegen angenommen wird, sich nicht schädlich auf den Nährwert der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel ausgewirkt haben.
Bei durch konventionelle Kreuzung kombinierten Transformationsereignissen ist eine Bewertung der möglichen Änderungen des Nährwerts, einschließlich Änderungen der Zusammensetzung, vorzulegen, die sich aufgrund von Synergie- oder Antagonismuseffekten der Genprodukte ergeben könnten. Dies kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn die kombinierte Expression der neu eingeführten Gene unerwartete Auswirkungen auf biochemische Übertragungswege hat.
1.6.2.
Einzelne Punkte der ernährungsphysiologischen Bewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel
Im Rahmen der ernährungsphysiologischen Bewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel sind folgende Punkte zu behandeln:
a)
Die Zusammensetzung des genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittels in Bezug auf die Gehalte an Nährstoffen und Antinährstoffen (vgl. die in Abschnitt 1.3 beschriebenen Untersuchungen zur Zusammensetzung);
b)
die Bioverfügbarkeit und biologische Wirksamkeit der Nährstoffe in dem Lebens- bzw. Futtermittel, unter Berücksichtigung möglicher Beeinflussung durch Transport, Lagerung und zu erwartender Behandlung der Lebens- und Futtermittel;
c)
die voraussichtliche Aufnahme der Lebens- und Futtermittel (siehe Abschnitt 2) und die sich daraus ergebenden ernährungsphysiologischen Auswirkungen.
Wurden bei der vergleichenden Analyse bei den genetisch veränderten Lebens- und Futtermitteln Zusammensetzungseigenschaften entdeckt, die sich von den Eigenschaften des konventionellen Gegenstücks unterscheiden und/oder den Referenzsorten nicht gleichwertig sind, muss ihre ernährungsphysiologische Bedeutung auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands bewertet werden. Ergibt die Bewertung, dass die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel dem konventionellen Gegenstück ernährungsphysiologisch gleichwertig sind, müssen keine weiteren Untersuchungen angestellt werden. Ist es dagegen nicht möglich, aus der Bewertung der bei der vergleichenden Analyse erlangten Informationen auf die ernährungsphysiologische Gleichwertigkeit zu schließen, sind weitere ernährungsphysiologische Untersuchungen anzustellen. Vergleichende Wachstumsuntersuchungen an Jungtieren schnellwüchsiger Tierarten (beispielsweise Mastküken als Modell für Nichtwiederkäuer, Lämmer für Wiederkäuer, oder andere schnellwüchsige Arten).
1.6.3.
Ernährungsphysiologische Untersuchungen genetisch veränderter Lebensmittel
Der Antragsteller legt Notwendigkeit und Aufbau der ernährungsphysiologischen Untersuchungen auf der Grundlage des/der eingeführten Merkmals/Merkmale, der Ergebnisse der vergleichenden Analysen und gegebenenfalls der 90-tägigen Fütterungsstudie fest. Zusätzliche Angaben zum Nährwert können vergleichenden Wachstumserfolgsuntersuchungen an anderen Tierarten, beispielsweise Masthähnchen, bei denen es um die ernährungsphysiologische Bewertung genetisch veränderter Futtermittel ging, entnommen werden. Bei ernährungsphysiologischen Untersuchungen muss die Kontroll-Ernährung das konventionelle Gegenstück sowie gegebenenfalls zusätzliche Vergleichsprodukte enthalten. Bei herbizid-toleranten genetisch veränderten Pflanzen sollte das getestete Material von einer genetisch veränderten Pflanze stammen, die dem betreffenden Herbizid ausgesetzt war. Genetisch veränderte Lebensmittel, deren Veränderung darauf abzielt, dem Verbraucher im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln einen gesundheitlichen Mehrwert zu bieten, sind möglicherweise für bestimmte Bevölkerungsgruppen oder -untergruppen nützlich, stellen für andere dagegen ein Risiko dar. In Fällen, in denen eine geänderte Bioverfügbarkeit festgelegt werden muss, die möglicherweise Anlass zu Bedenken im Hinblick auf Bevölkerungsuntergruppen gibt, ist der Gehalt des Nährstoffs in dem Lebensmittel unter Einbeziehung aller Formen des Stoffs zu bestimmen. Die Verfahren zur Untersuchung auf Bioverfügbarkeit sind auf Einzelfallbasis auszuwählen, je nach Nährstoff oder anderen Bestandteilen, nach Lebensmittel, in dem diese Bestandteile vorliegen sowie unter Berücksichtigung der Gesundheit, des Ernährungszustands und der Ernährungsgewohnheiten der speziellen Bevölkerungsgruppe, die das Lebensmittel voraussichtlich verzehren wird.
1.6.4.
Ernährungsphysiologische Untersuchungen genetisch veränderter Futtermittel
Der Antragsteller legt Notwendigkeit und Aufbau weiterer ernährungsphysiologischen Untersuchungen auf der Grundlage des/der eingeführten Merkmals/Merkmale, der Ergebnisse der vergleichenden Analysen und gegebenenfalls der 90-tägigen Fütterungsstudie fest. Zusätzliche Angaben zum Nährwert können vergleichenden Wachstumserfolgsuntersuchungen an anderen Tierarten, beispielsweise Masthähnchen, bei denen es um die ernährungsphysiologische Bewertung genetisch veränderter Futtermittel ging, entnommen werden. Bei ernährungsphysiologischen Untersuchungen muss die Kontroll-Ernährung das konventionelle Gegenstück sowie gegebenenfalls zusätzliche Vergleichsprodukte enthalten. Bei genetisch veränderten Futtermitteln mit verbesserten ernährungsphysiologischen Eigenschaften sind Fütterungsstudien mit den zur Lebensmittelerzeugung genutzten Zieltierarten zur Bewertung der Auswirkungen auf die Futtermittel durchzuführen. Bei genetisch veränderten Pflanzen, die verändert wurden, um den Gehalt an und die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen zu verbessern, sind Fütterungsstudien mit den zur Lebensmittelerzeugung genutzten Zieltierarten zur Bestimmung der Bioverfügbarkeit der einzelnen Nährstoffe in der genetisch veränderten Pflanze im Vergleich zu dem konventionellen Gegenstück durchzuführen. Bei genetisch veränderten Pflanzen, die speziell im Hinblick auf eine Verbesserung der Tierleistung durch eine höhere Nährstoffdichte (beispielsweise einen erhöhten Ölgehalt) oder durch einen erhöhten Gehalt an einem bestimmten Nährstoff (beispielsweise eine wichtige Aminosäure oder ein Vitamin) verändert wurden, wird eine geeignete Kontroll-Ernährung zusammengestellt, der der betreffende Nährstoff in dem Maße zugefügt wird, wie er in der genetisch veränderten Pflanze aufgrund der Änderung enthalten ist. Nebenprodukte (beispielsweise Ölkuchen), aus denen der von der genetischen Veränderung betroffene Zielinhaltsstoff extrahiert wurde, können mit Nebenprodukten verglichen werden, die aus dem konventionellen Gegenstück hergestellt wurden. Fütterungsstudien an Zieltierarten umfassen bei Masthühnern, -schweinen und -rindern entweder die Wachstumsphase und/oder die letzte Mastphase vor der Schlachtung, bei Milchkühen den größten Teil des Laktationszyklus und bei Legehennen oder -wachteln den größten Teil des Legezyklus. Bei Futtermitteln, die nur für die Aquakultur bestimmt sind, sind Wachstumsstudien an Wassertierarten wie Karpfen, Welse, Salmonidae oder typischen Pflanzenfressern zu wählen. Gegebenenfalls sind zum Nachweis, dass die ernährungsphysiologisch verbesserte genetisch veränderte Pflanze den erwarteten Nährwert bietet, Untersuchungen mit unterschiedlicher Versuchsanordnung vorzulegen. Der genaue Versuchsaufbau und die statistischen Ansätze bei Fütterungsversuchen zur Untersuchung des Nährwerts genetisch veränderter Futtermittel, die zum Zweck der Veränderung der ernährungsphysiologischen Eigenschaften verändert wurden, an zur Lebensmittelgewinnung bestimmten Tieren hängt von der Zieltierart, der Art der untersuchten Pflanzenmerkmale und dem Maß der erwarteten Auswirkung ab. Die Versuchsdiäten sollten dergestalt zusammengestellt werden, dass die wichtigsten gemessenen Endpunkte auf Unterschiede in der Menge und/oder Verfügbarkeit des fraglichen Nährstoffs reagieren. Endpunktmessungen sind je nach der für die Untersuchungen verwendeten Zieltierart unterschiedlich, müssen jedoch Futteraufnahme, Körpergewicht, Tierleistung und Bioverfügbarkeit der Nährstoffe umfassen. Ausführlichere Leitlinien zur Anwendung der in diesem Abschnitt genannten Anforderungen sind dem Bericht der Arbeitsgruppe des GVO-Gremiums der EFSA zu Fütterungsstudien an Tieren(10) zu entnehmen.
1.6.5.
Schlussfolgerung der ernährungsphysiologischen Bewertung
In der Schlussfolgerung der ernährungsphysiologische Bewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel muss angegeben werden, ob die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel unter Berücksichtigung der natürlichen Variation dem konventionellen Gegenstück aus ernährungsphysiologischer Sicht gleichwertig sind. Der Antragsteller beurteilt die Ergebnisse der ernährungsphysiologischen Bewertung unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Aufnahme der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel (siehe Abschnitt 2).

1.7.
Standardisierte Leitlinien für Toxizitätsprüfungen

Bei Toxizitätsprüfungen wendet der Antragsteller international anerkannte Leitlinien sowie die in der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30. Mai 2008 zur Festlegung von Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)(11) beschriebenen Prüfverfahren an (siehe Tabellen 1 und 2). In den Tabellen 1 und 2 ist eine nicht erschöpfende Liste der validierten Prüfverfahren aufgeführt, die erforderlichenfalls und in möglicherweise angepasster Form zur Prüfung von GVO auf Toxizität anzuwenden sind. Welche Prüfverfahren jeweils durchgeführt werden, hängt von der Art der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel, der Art der genetischen Veränderung und den sich daraus ergebenden beabsichtigten und unbeabsichtigten Änderungen, der geplanten Verwendung und Exposition/Aufnahme und den verfügbaren Kenntnissen ab. Einige dieser Verfahren wurden zur Bewertung von Risiken am Arbeitsplatz entwickelt (siehe Abschnitte 1.4 und 1.5).

Tabelle 1

Nicht erschöpfende Liste validierter Prüfverfahren für chemische Stoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 440/2008, die, gegebenenfalls in angepasster Form, zur Prüfung von GVO auf Toxizität angewendet werden dürfen

BezeichnungReferenz des Verfahrens in Teil B des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 440/2008
AKUTE TOXIZITÄT (DERMAL)B.3.
SENSIBILISIERUNG DER HAUTB.6.
TOXIZITÄT NACH 28-TÄGIGER GABE (ORAL)B.7.
TOXIZITÄT NACH 28-TÄGIGER GABE (DERMAL)B.9.
PRÜFUNG AUF SUB-CHRONISCHE ORALE TOXIZITÄT — 90-TAGE-TOXIZITÄTSSTUDIE BEI WIEDERHOLTER ORALER VERABREICHUNG AN NAGETIEREB.26.
PRÜFUNG AUF CHRONISCHE TOXIZITÄTB.30.
PRÜFUNG AUF KANZEROGENITÄTB.32.
KOMBINIERTE STUDIE ZUR PRÜFUNG AUF KANZEROGENITÄT UND CHRONISCHE TOXIZITÄTB.33.
PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITÄT WÄHREND EINER GENERATIONB.34.
ZWEIGENERATIONENSTUDIE ZUR PRÜFUNG AUF REPRODUKTIONSTOXIZITATB.35.
TOXIKOKINETIKB.36.
PRÜFUNG AUF NEUROTOXIZITÄT BEI NAGETIERENB.43.

Tabelle 2

Genotoxizitätstests gemäß der Verordnung (EG) Nr. 440/2008

BezeichnungReferenz des Verfahrens in Teil B des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 440/2008
MUTAGENITÄT — IN-VIVO-TEST AUF CHROMOSOMENABERRATIONEN IN SÄUGETIERKNOCHENMARKZELLENB.11.
MUTAGENITÄT — IN-VIVO-ERYTHROZYTEN-MIKROKERNTEST BEI SÄUGERNB.12.
MUTAGENITÄT — RÜCKMUTATIONSTEST UNTER VERWENDUNG VON BAKTERIENB.13/14.
MUTAGENITÄT (EINSCHLIESSLICH PRESCREENING BETREFFEND KREBSERZEUGENDE EIGENSCHAFTEN) — GENMUTATION — SACCHAROMYCES CEREVISIAEB.15.
MITOTISCHE REKOMBINATION — SACCHAROMYCES CEREVISIAEB.16.
DNS-SCHÄDIGUNG UND -REPARATUR — UNPLANMÄSSIGE DNS-SYNTHESE (UDS) — SÄUGETIERZELLEN — IN VITROB.18.
MUTAGENITÄT — IN-VITRO-GENMUTATIONSTEST AN SÄUGETIERZELLENB.17.
IN-VITRO-SCHWESTERCHROMATIDAUSTAUSCH-TESTB.19.
IN-VITRO-ZELLTRANSFORMATIONSTESTB.21.
SPERMATOGONIEN-CHROMOSOMENABERRATIONSTEST BEI SÄUGETIERENB.23.

2.
EXPOSITIONSBEWERTUNG — VORAUSSICHTLICHE AUFNAHME/VORAUSSICHTLICHES AUSMASS DER VERWENDUNG

Eine Einschätzung der voraussichtlichen Aufnahme ist ein wesentliches Element der Risikobewertung genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel und ist auch für die ernährungsphysiologische Bewertung erforderlich. Der Antragsteller legt dabei Angaben zu der beabsichtigten Funktion, der Rolle in der Ernährung und zu dem erwarteten Ausmaß der Verwendung der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel in der EU vor. Außerdem ist der zu erwartenden Konzentrationsbereich der neu erzeugten Proteine oder der gezielt veränderten vorliegenden Pflanzenproteine in dem/den genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel(n), die in Verkehr gebracht werden sollen, anzugeben. Dabei schätzt er die voraussichtliche Durchschnitts- und Höchstaufnahme der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel auf der Grundlage repräsentativer für den Verbrauch der aus den jeweiligen herkömmlichen Pflanzen gewonnenen Produkte vorliegender Daten ab. Probabilistische Methoden können zur Bestimmung von Bereichen von plausiblen Werten anstelle von Einzelwerten oder Punktschätzungen eingesetzt werden. Der Antragsteller bestimmt und betrachtet bestimmte Bevölkerungsgruppen in der EU, bei denen eine höhere Exposition zu erwarten ist, und berücksichtigt diese höhere Exposition in der Risikobewertung. Werden in der Expositionsbewertung Annahmen zugrunde gelegt, sind diese zu beschreiben. Es sind aktuelle Versionen der Methoden und geeignete Verbrauchsdaten zu verwenden. Bei der Bewertung der Aufnahme können Daten zu Einfuhr- und Herstellungsmengen zusätzliche Informationen beitragen. Der Antragsteller bestimmt mittels geeigneter Verfahren die Konzentration der neu exprimierten Proteine, anderer neuer Bestandteile und endogener Lebens- und Futtermittelbestandteile, deren Gehalte infolge der genetischen Veränderung geändert wurden (z. B. durch die Änderung metabolischer Pfade), in den zur Verwendung als Lebens- oder Futtermittel bestimmten Teilen der genetisch veränderten Pflanze. Bei der Schätzung der voraussichtlichen Aufnahme sind Beeinflussungen durch Verarbeitung, Lagerung und erwartete Handhabung der betreffenden Lebens- und Futtermittel zu berücksichtigen, beispielsweise eine etwaige Anreicherung oder Verringerung. Hat die genetische Veränderung zu einem geänderten Gehalt eines natürlichen Bestandteils geführt, oder liegt natürlicherweise ein neuer Bestandteil in anderen Lebens- und Futtermittelprodukten vor, sind die voraussichtlichen Änderungen bei der Gesamtaufnahme dieser Bestandteile zum einen unter Annahme einer realistischen Aufnahme und zum anderen unter Annahme des schlimmstmöglichen Szenarios zu bewerten. Der Antragsteller legt Angaben zur bekannten oder voraussichtlichen Aufnahme ähnlicher genetisch veränderter Lebens- und Futtermittel durch Mensch und Tier sowie zu anderen Expositionswegen für die neuen und natürlichen Bestandteile vor, einschließlich der Faktoren, die diese Exposition beeinflussen, wie Menge, Häufigkeit usw.

3.
RISIKOCHARAKTERISIERUNG

3.1.
Einleitung

Bei der Risikocharakterisierung genetisch veränderter Pflanzen sowie Lebens- bzw. Futtermittel stützt sich der Antragsteller auf Daten der Gefahrenbestimmung, der Gefahrencharakterisierung und Daten zu Exposition/Aufnahme. Der Antragsteller trägt dafür Sorge, dass die Risikocharakterisierung umfassend ist, indem er alle verfügbaren Ergebnisse aus den verschiedenen Untersuchungen einbezieht, einschließlich Molekularanalyse, phänotypische und agronomische Analyse, Analyse der Zusammensetzung und Untersuchungen auf Toxizität und Allergenität. Der Antragsteller hat Anzeichen zu beachten, die sich aus der Risikocharakterisierung ergeben und möglicherweise eine marktbegleitende Beobachtung der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel erforderlich machen. Bei der Durchführung der Risikocharakterisierung muss der Antragsteller nachweisen, dass Gefahrenbestimmung und Gefahrencharakterisierung vollständig sind. Er erörtert auch die Qualität der vorliegenden Daten und Angaben. Aus dieser Erörterung muss klar hervorgehen, in welcher Weise dieser Informationsbestand bei der Bestimmung der endgültigen Risikocharakterisierung berücksichtigt wurde. Der Antragsteller gibt für jede Untersuchung sowie für alle verschiedenen Stadien der Risikobewertung eine Einschätzung der jeweiligen Unsicherheiten an. Diese sind so weit wie möglich zu beziffern. Dabei ist zwischen Unsicherheiten, die sowohl natürliche Variationen bei den biologischen Parametern widerspiegeln (einschließlich Variationen in der Anfälligkeit von Bevölkerungsgruppen), und Variationen der Reaktionen von Art zu Art zu unterscheiden. Je nachdem, um welches Problem es geht und welche Daten vorliegen, nimmt der Antragsteller eine qualitative und, sofern möglich, eine quantitative Risikobewertung vor. Die Bedingungen für das geschätzte Risiko und die damit verbundenen Unsicherheiten müssen so genau wie möglich sein.

3.2.
Bei der Risikocharakterisierung zu behandelnde Fragen

Je nach Art der genetischen Veränderung nimmt der Antragsteller gegebenenfalls eine integrierte Risikobewertung der genetisch veränderten Pflanze gemäß Abschnitt 3.1 vor. Diese Risikobewertung ist je nach veränderter Pflanze, Art der genetischen Veränderung, Verfahren zum Anbau der genetisch veränderten Pflanze und Verwendung der genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel auf Einzelfallbasis durchzuführen Der Antragsteller berücksichtigt die verschiedenen bei den Schritten Gefahrenbestimmung und Gefahrencharakterisierung und Exposition betrachteten Fragen. Die Ergebnisse dieser Fragen sind bei der Risikocharakterisierung zusammen zu betrachten. Die Liste der Fragen in diesem Abschnitt ist nicht erschöpfend.
3.2.1.
Molekulare Charakterisierung
Bei der Entscheidung, ob die Notwendigkeit spezifischer Untersuchungen besteht, ist eine Bewertung der Eigenschaften und der früheren Verwendung der Spender- und der Empfängerpflanze ausschlaggebend, beispielsweise das Vorliegen besonderer Toxine oder Allergene in der unveränderten Empfängerpflanze, die infolge der genetischen Veränderung unabsichtlich verstärkt werden können. Der Antragsteller erörtert die Transformationsprotokolle, die Strategien zur molekularen Charakterisierung und die Spezifizität und Empfindlichkeit der Verfahren unter dem Gesichtspunkt der beabsichtigten und möglicherweise unbeabsichtigten Insertion und Expression von Gensequenzen. Wurde bei der Sequenzanalyse eine potenzielle Gefahr entdeckt, hat der Antragsteller darzulegen, auf welche Weise Ansätze wie bioinformatische Analysen, Zusammensetzungs-/agronomische Analysen und möglicherweise Fütterungsversuche mit dem ganzen genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittel zur Sicherheitsbewertung beitragen. Die Bedeutung der erzielten Ergebnisse ist unter Berücksichtigung der verfügbaren Erkenntnisse über Struktur und Funktion der Genomdatenbanken der betreffenden Pflanzenarten oder verwandter Arten zu bewerten. Bei GV-Pflanzen mit kombinierten Transformationsereignissen sind die zusätzlichen Risiken zu bewerten, die sich aus den kombinierten Wirkungen der kombinierten Gene ergeben könnten.
3.2.2.
Vergleichende Analyse
Mit der vergleichenden Analyse sollen in erster Linie mögliche Differenzen zwischen den GV-Pflanzen und ihren konventionellen Gegenstücken sowie gegebenenfalls anderen Vergleichsprodukten ermittelt werden. Außerdem soll mit der vergleichenden Analyse ein möglicher Mangel an Äquivalenzen zwischen der GV-Pflanze und den Referenzsorten ermittelt werden. Diese Differenzen und/oder dieser Mangel an Äquivalenzen sollte(n), unter Berücksichtigung der natürlichen Variation, bezüglich ihrer/seiner möglichen Auswirkungen auf die Lebens- und Futtermittelsicherheit und die ernährungsphysiologischen Eigenschaften bewertet werden. Das Risiko und die damit verbundenen Unsicherheiten sollten so genau wie möglich eingeschätzt und entsprechend berücksichtigt werden. Der Antragsteller weist nach, dass die vergleichende Analyse der genetisch veränderten Pflanze und des konventionellen Gegenstücks im Hinblick auf die agronomischen, morphologischen und Zusammensetzungseigenschaften gemäß den Anforderungen dieser Verordnung durchgeführt wurde. Die Auswahl des konventionellen Gegenstücks und gegebenenfalls zusätzlicher Vergleichsprodukte ist insbesondere im Hinblick auf ihre sichere Verwendungsgeschichte zu begründen.
3.2.3.
Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln in Bezug auf die Aufnahme
Der Antragsteller bewertet die erhobenen Daten, um die möglichen kurz- und langfristigen Risiken für die menschliche und die Tiergesundheit, die mit dem Verzehr der genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermittel hinsichtlich der Expression neuer Proteine/Metaboliten und erheblich veränderter Gehalte der in der ursprünglichen Pflanze enthaltenen Proteine/Metaboliten in den genetisch veränderten Lebens- bzw. Futtermitteln einhergehen, einzuschätzen. Diese Bewertung umfasst eine ausführliche Analyse der Relevanz und der Grenzen sowohl jeder einzelnen Untersuchung als auch der Angaben insgesamt. Der Antragsteller betrachtet die beobachteten Gehaltsbereiche der Stoffe, die bekanntermaßen im konventionellen Gegenstück und in Referenzsorten vorkommen. Die Variabilität kann durch Genotyp-abhängige oder umweltabhängige Unterschiede verursacht werden, oder durch eine Genotyp-Umwelt-Interaktion. Zusätzlich kann eine Reihe von Gehalten herangezogen werden, die in einem breiten Spektrum von Lebens- und Futtermitteln, die repräsentativ für die menschliche Ernährung oder die Tierernährung sind, beobachtet wurden, da sich darin die Mengen des spezifischen Stoffs widerspiegeln, denen Verbraucher ausgesetzt sein können. Wird in spezifischen Untersuchungen festgestellt, dass einzelne Bestandteile und/oder ganze genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel zu schädlichen Wirkungen führen, sind Angaben zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen, Schwellenwerten, verzögertem Auftreten schädlicher Wirkungen, Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen und der Verwendung von Unsicherheitsfaktoren bei der Extrapolation von Tierdaten auf den Menschen vorzulegen. Der Antragsteller prüft die Daten zu den Eigenschaften der in der genetisch veränderten Pflanze vorliegenden neuen Stoffe, einschließlich ihrer möglichen biologischen Wirkungen bei Mensch und Tier. Sind schädliche gesundheitliche Wirkungen dieser Stoffe bekannt und wurden in spezifischen Rechtsvorschriften Höchstgehalte für diese Stoffe in der Pflanze oder in ihren Produkten festgelegt, so sind diese Höchstgehalte zu berücksichtigen. Andernfalls sind in Bezug auf die voraussichtliche Aufnahme Referenzwerte für annehmbare oder duldbare Aufnahmemengen, beispielsweise für die annehmbare tägliche Aufnahmemenge oder die duldbare Höchstaufnahmemenge, in Erwägung zu ziehen. Wird der Stoff bereits ohne schädliche Wirkungen in Lebensmitteln verzehrt, so gelten die Aufnahmemengen bei konventioneller Ernährung als sicher. Der Antragsteller wertet Angaben zu den Auswirkungen der Verarbeitung auf die neuen Stoffe aus. Dabei ist eine mögliche Anreicherung bzw. Verringerung in Lebens- und Futtermittelprodukten, die der menschlichen oder der Tierernährung zugeführt werden, zu betrachten. Der Antragsteller bewertet auch die Bedeutung von Unterschieden, die infolge bekanntermaßen unter Verarbeitungsbedingungen auftretender chemischer Reaktionen entstehen. In Fällen, in denen komplexere genetische Veränderungen vorgenommen werden, beispielsweise durch den Transfer mehrerer Gene in ein einziges Konstrukt, die Retransformation bereits existierender genetisch veränderter Linien und die Kombination von Transformationsereignissen mittels konventioneller Züchtung genetisch veränderter Ursprungspflanzen, erörtert der Antragsteller die Strategien zur Bewertung jedes Risikos im Zusammenhang mit möglichen Wechselwirkungen zwischen den neu exprimierten Proteinen, den neuen Metaboliten und den ursprünglichen Pflanzenbestandteilen. Bei der Bewertung sind alle verfügbaren Angaben zu berücksichtigen, beispielsweise zur Wirkungsweise der neu exprimierten Proteine, zu den molekularen, agronomischen und Zusammensetzungseigenschaften der genetisch veränderten Pflanze sowie die Ergebnisse der Studien zur Toxizität für Tiere und der Fütterungsversuche. Der Antragsteller bewertet die Daten für die Bewertung des Allergenitätspotenzials der neu exprimierten Proteine in genetisch veränderten Pflanzen im Hinblick auf eine Einführung neuer allergener Proteine in Lebens- und Futtermittelpflanzen und eine mögliche allergische Reaktion anfälliger Personen sowie die Angaben zum Nachweis, dass die genetische Veränderung keine unbeabsichtigten Veränderungen der Eigenschaften und/oder Expressionsniveaus endogener allergener Proteine in dem genetisch veränderten Lebensmittel bewirkt. Insbesondere ist dabei die Wahl des Testmodells im Hinblick auf Spezifizität, Vorhersehbarkeit und Validierungsstatus zu begründen. Für die Schätzungen der Aufnahme der genetisch veränderten Lebensmittel bewertet der Antragsteller die angewendeten Methoden im Hinblick auf die mit der Voraussage der langfristigen Aufnahme einhergehenden Unsicherheiten. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei genetisch veränderten Pflanzen zu widmen, die dazu bestimmt sind, die ernährungsphysiologische Qualität des Lebens- bzw. Futtermittels zu verändern. Für solche genetisch veränderten Produkte ist die Notwendigkeit einer marktbegleitenden Beobachtung zu erörtern, damit festgestellt werden kann, inwiefern sich die Gesamtaufnahmemuster für das genetisch veränderte Lebensmittel tatsächlich ändern, in welchem Umfang dies geschieht und ob das Produkte bekannte (Neben-)Wirkungen oder unerwartete Nebenwirkungen auslöst. Wird eine marktbegleitende Beobachtung für erforderlich erachtet, sind Angaben zu Zuverlässigkeit, Empfindlichkeit und Spezifizität der vorgeschlagenen Methoden vorzulegen.

3.3.
Ergebnis der Risikocharakterisierung

Im Einklang mit den Anforderungen der Artikel 4 und 16 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 muss der Antragsteller sicherstellen, dass in der endgültigen Risikobewertung klar nachgewiesen wird, dass
a)
die genetisch veränderten Lebens- und Futtermittel keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben;
b)
die genetisch veränderten Lebensmittel sich von den Lebensmitteln, die sie ersetzen sollen, nicht so stark unterscheiden, dass ihr normaler Verzehr ernährungsphysiologische Nachteile für den Verbraucher mit sich brächte;
c)
die genetisch veränderten Lebensmittel den Verbraucher nicht irreführen;
d)
die genetisch veränderten Futtermittel den Verbraucher nicht dadurch schädigen oder irreführen, dass die spezifischen Merkmale der tierischen Erzeugnisse beeinträchtigt werden;
e)
die genetisch veränderten Futtermittel sich von den Futtermitteln, die sie ersetzen sollen, nicht so stark unterscheiden, dass ihr normaler Verzehr ernährungsphysiologische Nachteile für Mensch oder Tier mit sich brächte.
Der Antragsteller muss klar angeben, welche Annahmen bei der Risikobewertung zugrunde gelegt wurden, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und den Schweregrad der schädlichen Wirkungen in einer bestimmten Bevölkerung zu bewerten; außerdem sind Art und Ausmaß der Unsicherheiten anzugeben, die mit der Bestimmung dieser Risiken verbunden sind. Des Weiteren begründet der Antragsteller ausführlich, warum er einen bzw. warum er keinen Kennzeichnungsvorschlag gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a und Absatz 3 bzw. gemäß Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe b und Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vorlegt.

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 43 vom 14.2.1997, S. 1.

(2)

EFSA Journal 2011; 9(5):2149.

(3)

EFSA Journal 2010; 8(1):1250.

(4)

EFSA Journal 2010; 8(1):1250.

(5)

http://www.oecd.org/document/15/0,3746,en_2649_34385_46726799_1_1_1_1,00.html.

(6)

http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/2760.htm.

(7)

ABl. L 133 vom 22.5.2008, S. 1.

(8)

EFSA Journal 2011; 9(12):2438.

(9)

EFSA Journal 2010;8(7):1700.

(10)

EFSA, 2008 Report of the EFSA GMO Panel Working Group on Animal Feeding Trials, 2008. Safety and nutritional assessment of GM plants and derived food and feed. The role of animal feeding trials. Food and Chemical Toxicology 46 (2008) S2–S70.

(11)

ABl. L 142 vom 31.5.2008, S. 1.

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