Anlage 6 VO (EU) 2014/260

Auswirkungen der Schlammverweilzeit auf die Behandlungsfähigkeit chemischer Substanzen

EINLEITUNG

1.
Die im Haupttext beschriebene Methode dient der Feststellung, ob die getesteten Substanzen (in der Regel Stoffe, die bekanntermaßen inhärent, aber nicht leicht biologisch abbaubar sind) innerhalb der für Kläranlagen geltenden Grenzen biologisch abgebaut werden können. Die Ergebnisse werden als prozentuale Abnahme und prozentualer biologischer Abbau angegeben. Die Betriebsbedingungen der Belebtschlammanlagen und die Wahl des Zulaufs lassen relativ breit gefächerte Prüfsubstanzkonzentrationen im Ablauf zu. Tests werden nur an Schlammfeststoffen in einer einzigen nominalen Konzentration oder bei einer einzigen nominalen Schlammverweilzeit (sludge retention time, SRT) durchgeführt, und die beschriebenen Verfahren für den Überschussschlammabzug können dazu führen, dass der SRT-Wert während des Tests sowohl von einem Tag zum anderen als auch während eines Tages beträchtlich variiert.
2.
Bei dieser Variante (1)(2) wird die Schlammverweilzeit (wie dies auch bei Anlagen größeren Maßstabs der Fall ist) während jedes 24-Stunden-Zeitraums innerhalb sehr viel engerer Grenzen kontrolliert, wodurch sich eine konstantere Konzentration in den Abläufen ergibt. Es wird die Verwendung von Haushaltsabwasser empfohlen, da diese Abwasserart konsistentere und höhere Abnahmeprozentwerte ergibt. Darüber hinaus werden die Effekte verschiedener SRT-Werte untersucht, und in einer weiterreichenden Studie können die Effekte verschiedener Temperaturen auf die Ablaufkonzentration bestimmt werden.
3.
Es besteht bisher kein allgemeines Einvernehmen darüber, welche kinetischen Modelle zugrunde liegen, wenn chemische Stoffe unter Abwasserbehandlungsbedingungen biologisch abgebaut werden. Auf die erhobenen Daten wurde das Monod-Modell (zur Vorhersage der Wachstumsgeschwindigkeit von Bakterien in Abhängigkeit von der Konzentration der Substrate) gewählt (1)(2), da die Methode nur zur Anwendung auf in großen Mengen produzierte chemische Substanzen bestimmt war, die in Abwasser in Konzentrationen von über 1 mg/l vorkommen. Die Gültigkeit des vereinfachten Modells und die aufgestellten Annahmen wurden anhand einer Reihe von Alkoholethoxylaten von unterschiedlicher primärer Bioabbaubarkeit bestimmt (2)(3).

Anmerkung:
Da sich diese Variante eng an den Wortlaut der vorliegenden Prüfmethode (C.10-A) anlehnt, werden im Folgenden nur die Punkte beschrieben, bei denen Abweichungen bestehen.

PRINZIP DER PRÜFMETHODE

4.
Porous-Pot-Belebtschlammanlagen, die zur Erleichterung des (fast) kontinuierlichen Abzugs von Kultursuspension konzipiert wurden und eine sehr präzise Kontrolle der Schlammverweilzeit (SRT, oder θs) gestatten, werden mit verschiedenen Schlammverweilzeiten und — fakultativ — bei verschiedenen Temperaturen als nicht gekoppelte Anlagen betrieben. Die Verweilzeit beträgt in der Regel 2 bis 10 Tage, und die Temperaturen liegen zwischen 5 und 20 °C. (Vorzugsweise häusliches) Abwasser und eine Lösung der Prüfsubstanz werden in Anteilen, die die erforderliche Schlammverweilzeit (3 bis 6 Stunden) und die erforderliche Prüfsubstanzkonzentration im Zulauf gewährleisten, separat in die Anlagen zudosiert. Zu Vergleichszwecken werden zeitgleich Kontrollanlagen ohne Prüfsubstanz betrieben.
5.
Es können andere Apparaturtypen verwendet werden, doch muss in diesem Fall unbedingt sichergestellt werden, dass eine gute Kontrolle der Schlammverweilzeit gewährleistet ist. So muss bei der Verwendung von Anlagen mit Klärkasten möglicherweise in Kauf genommen werden, dass Feststoffe über den Anlagenablauf verloren gehen. Ferner sollten besondere Vorkehrungen getroffen werden, um Fehler aufgrund von Schwankungen der Schlammmenge im Klärkasten zu vermeiden.
6.
Die Anlagen werden unter allen gewählten Testbedingungen betrieben, und sobald Stabilität erreicht wurde, werden über einen Zeitraum von ungefähr drei Wochen die durchschnittlichen Steady-State-Konzentrationen der Prüfsubstanz in den Abläufen und — fakultativ — die DOC-Werte bestimmt. Zusätzlich zur Bestimmung der prozentualen Abnahme der Prüfsubstanz und der fakultativen Bestimmung des DOC-Wertes wird das Verhältnis zwischen Betriebsbedingungen und Prüfsubstanzkonzentration im Ablauf grafisch dargestellt. Auf diese Weise können kinetische Konstanten berechnet und die Bedingungen vorausgesagt werden, unter denen die Prüfsubstanz behandelt werden kann.

ANGABEN ZUR PRÜFSUBSTANZ

7.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 12 und 13.

NEGATIVE/POSITIVE TESTERGEBNISSE (PASS/FAIL)

8.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 14 und 15.

REFERENZSUBSTANZ

9.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 16.

REPRODUZIERBARKEIT VON TESTERGEBNISSEN

10.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 17 und 18.

BESCHREIBUNG DER METHODE

Apparatur

11.
Als Anlage ist das modifizierte Porous-Pot-System geeignet (siehe Anlage 6.1). Das System besteht aus einem Innengefäß (oder Einsatz) aus porösem Polypropylen mit einer Dicke von 3,2 mm und einer Porengröße von ungefähr 90 μm; das Anschlussstück ist stumpfgeschweißt (dadurch wird die Anlage robuster als das unter Nummer 21 dieses Kapitels C.10 A beschriebene System). Das Innengefäß wird in ein größeres Außengefäß aus undurchlässigem Polyethylen eingesetzt, welches aus zwei Teilen besteht — einer runden Basisplatte mit ausgestanzten Lochöffnungen für zwei Luftleitungen und eine Schlammabzugleitung und einem aufschraubbaren Zylinder mit einem derart angeordneten Ausfluss, dass das Volumen im Topf stets auf 3 Liter gehalten werden kann. Eine der Luftleitungen ist mit einem Lüftungsstein versehen, die andere ist an einem Ende offen und im Topf im rechten Winkel zum Stein angeordnet. Das System erzeugt genügend Turbulenz, um den Inhalt des Topfes vollständig durchzumischen und Konzentrationen an gelöstem Sauerstoff von über 2 mg/l zu gewährleisten.
12.
Die Anlagen in angemessener Zahl entweder im Wasserbad oder in konstant temperierten Räumen unter kontrollierten Temperaturbedingungen zwischen 5 und 20 °C (± 1 °C) betreiben. Um die Prüfsubstanzlösung und den abgesetzten Schlamm in den vorgeschriebenen Raten (0-1,0 ml/Min bzw. 0-25 ml/Min) in die Belüftungsgefäße zu dosieren, sind Pumpen erforderlich; eine dritte Pumpe zieht den Überschussschlamm aus den Belüftungsgefäßen ab. Die erforderliche sehr langsame Fließgeschwindigkeit des Überschussschlamms wird erreicht, indem eine Pumpe auf höhere Geschwindigkeit eingestellt und mithilfe einer Zeitschaltuhr intermittent, d. h. 10 Sekunden pro Minute, betrieben wird, wobei eine Pumpenleistung von 3 ml/Min eine Abzugrate von 0,5 ml/Min ergibt.

Filtrationsgerät oder Zentrifuge

13.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 23.

Analysegerät

14.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 24.

Wasser

15.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 25 and 26.

Organisches Medium

16.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 27.

Synthetisches Abwasser

17.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 28.

Haushaltsabwasser

18.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 29.

Belebtschlamm

19.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 30.

Stammlösungen der Prüfsubstanz

20.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 31 und 32.

PRÜFVERFAHREN

Aufbereitung des Inokulums

21.
Es gelten nur die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummer 34. — Es ist Belebtschlamm zu verwenden (ungefähr 2,5 g/l).

Anzahl Prüfanlagen

22.
Für einen einfachen Test, d. h. einen Test zur Messung der prozentualen Abnahme, ist nur eine einzige Schlammverweilzeit (SRT) erforderlich; um jedoch die zur Berechnung vorläufiger kinetischer Konstanten erforderlichen Daten erheben zu können, werden 4 oder 5 SRT-Werte benötigt. In der Regel werden Verweilzeiten zwischen 2 und 10 Tagen gewählt. In der Praxis bietet es sich an, einen Test mit 4 oder 5 Verweilzeiten gleichzeitig bei ein und derselben Temperatur durchzuführen; bei ausgedehnten Studien werden dieselben SRT-Werte (oder u. U. eine unterschiedliche Wertespanne) und andere Temperaturen (5 bis 20 °C) verwendet. Zur Bestimmung der primären Bioabbaubarkeit (Hauptverwendungszweck) wird in der Regel nur eine Anlage je Bedingungsszenario benötigt. Zur Bestimmung der vollständigen Bioabbaubarkeit ist jedoch für jedes Bedingungsszenario eine Kontrollanlage erforderlich, die mit Abwasser, jedoch nicht mit Prüfsubstanz beschickt wird. Kann davon ausgegangen werden, dass im verwendeten Abwasser Prüfsubstanz präsent ist, müssten auch bei der Bestimmung der primären Bioabbaubarkeit Kontrollanlagen verwendet und die Berechnungen entsprechend korrigiert werden.

Zudosierung des organischen Mediums und der Prüfsubstanz

23.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 36 bis 39; es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Prüfsubstanzlösung separat zudosiert wird und dass verschiedene Schlammabzugsraten verwendet werden. Die Fließgeschwindigkeiten der Zuläufe, der Abläufe und des abgezogenen Überschussschlamms häufig, z. B. zweimal täglich, überprüfen und bei Bedarf auf ± 10 % justieren. Treten bei Verwendung von Haushaltsabwasser Probleme mit den Analysemethoden auf, sollte der Test mit synthetischem Abwasser durchgeführt werden, wobei jedoch sicherzustellen ist, dass unterschiedliche Medien vergleichbare kinetische Daten liefern.

Handhabung von Belebtschlammanlagen

24.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 40 bis 43, die Schlammverweilzeit (SRT) sollte jedoch nur durch „konstanten” Schlammabzug reguliert werden.

Probnahme und Analyse

25.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 44 bis 50, außer dass die Konzentration der Prüfsubstanz bestimmt werden muss und der DOC-Wert bestimmt werden kann; CSB-Werte sollten nicht verwendet werden.

DATEN UND BERICHTERSTATTUNG

Auswertung der Ergebnisse

26.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 52 bis 54.

Darstellung der Prüfergebnisse

27.
Es gelten die Bestimmungen von Kapitel C.10 A Nummern 56 bis 62.

Berechnung kinetischer Konstanten

28.
Es ist realistischer, die mittlere Steady-State-Konzentration der Prüfsubstanz im Ablauf anzugeben und zu beschreiben, wie sich diese unter unterschiedlichen Anlagenbetriebsbedingungen verändert, als die prozentuale primäre Biobaubarkeit anzuführen. Dies kann mithilfe von Gleichung (6) in Anlage 6.2 erfolgen, mit der Werte für KS, μm und θSC, die kritische Schlammverweilzeit, berechnet werden können.

(Alternativ können mit einem einfachen Rechnerprogramm Näherungswerte für KS und μm bestimmt werden, um die mithilfe von Gleichung 2 (Anlage 6.2) errechnete theoretische Kurve den erzielten Testwerten anzupassen. Auch wenn keine der Lösungen die einzige richtige sein wird, lässt sich dennoch ein verhältnismäßig akkurater Näherungswert für KS und μm bestimmen.)

Variabilität von Ergebnissen

29.
Es ist durchaus gängig, dass für kinetische Parameter bestimmter chemischer Substanzen unterschiedliche Werte erzielt werden. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl die Bedingungen, unter denen sich der Schlamm vermehrt hat, als auch die Testbedingungen (wie unter Nummer 5 und für andere Tests beschrieben) großen Einfluss auf die Prüfergebnisse haben. Ein Aspekt dieser Variabilität wurde von Grady et al (4) erörtert, die vorschlugen, die Begriffe „existierend” (extant) und „intrinsisch” (intrinsic) auf die beiden die Grenzen des physiologischen Zustands einer Kultur repräsentierenden Extremzustände anzuwenden, die während eines kinetischen Versuchs erreicht werden können. Darf sich der Zustand während des Tests nicht verändern, so spiegeln die Werte der kinetischen Parameter die Bedingungen des Milieus wider, aus dem die Mikroorganismen entnommen wurden; diese Werte gelten als „existierend” , d. h. gegenwärtig vorhanden. Am anderen Ende, d. h. wenn die Testbedingungen die vollständige Entwicklung des protein-synthetisierenden Systems und somit eine größtmögliche Wachstumsrate gestatten, gelten die erzielten kinetischen Parameter als „intrinsisch” und werden nur von der Art des Substrats und den Arten von Bakterien in der Kultur beeinflusst. Als Faustregel gilt, dass Existenz-Werte erzielt werden, wenn das Verhältnis von Substratkonzentration zu kompetenten (d. h. auf den Abbau spezialisierten) Mikroorganismen (So/Xo) gering, z. B. auf 0,025, gehalten wird, während intrinsische Werte anfallen, wenn dieses Verhältnis größer ist und ein Wert von mindestens 20 vorliegt. In beiden Fällen sollte So dem relevanten Wert von Ks — der Halbsättigungskonstante — entsprechen oder darüber liegen.
30.
Die Variabilität und andere Aspekte der Bioabbaugeschwindigkeit waren Gegenstand eines kürzlich stattgefundenen SETAC-Workshops (5). Solche (bereits vorliegenden oder geplanten) Studien dürften einen genaueren Einblick in die in Kläranlagen ablaufenden kinetischen Prozesse geben und somit eine bessere Auswertung existierender Daten ermöglichen, aber auch Anregungen für eine zweckdienlichere Auslegung künftiger Prüfmethoden geben.

LITERATUR:

1.
Birch RR (1982). The biodegradability of alcohol ethoxylates. XIII Jornado Com. Espanol Deterg.: 33-48.
2.
Birch RR (1984). Biodegradation of nonionic surfactants. J.A.O.C.S., 61(2): 340-343.
3.
Birch RR (1991). Prediction of the fate of detergent chemicals during sewage treatment. J. Chem. Tech. Biotechnol., 50: 411-422.
4.
Grady CPL, Smets BF and Barbeau DS (1996). Variability in kinetic parameter estimates: A review of possible causes and a proposed terminology. Wat. Res., 30 (3): 742-748.
5.
Biodegradation kinetics: Generation and use of data for regulatory decision making (1997). Workshop at Port Sunlight, UK. Herausgeber: Hales SG, Feitjel T, King H, Fox K, Verstraete W. 4-6. September 1996. SETAC- Europe, Brüssel.

© Europäische Union 1998-2021

Tipp: Verwenden Sie die Pfeiltasten der Tastatur zur Navigation zwischen Normen.