Artikel 36 AGVO (VO (EU) 2014/651)

Investitionsbeihilfen für den Umweltschutz einschließlich Dekarbonisierung

1. Investitionsbeihilfen für den Umweltschutz einschließlich Beihilfen zur Verringerung und zum Abbau von Treibhausgasemissionen sind im Sinne des Artikels 107 Absatz 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV freigestellt, sofern die Voraussetzungen des vorliegenden Artikels und des Kapitels I erfüllt sind.

1a. Dieser Artikel gilt nicht für Maßnahmen, für die in den Artikeln 36a, 36b und 38 bis 48 spezifischere Vorschriften festgelegt sind. Ebenso wenig gilt dieser Artikel für Investitionen in Ausrüstungen, Maschinen und industrielle Produktionsanlagen, die fossile Brennstoffe einschließlich Erdgas nutzen. Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit, Beihilfen für die Installation von Zusatzkomponenten zu gewähren, durch die bestehende Anlagen, Maschinen oder industrielle Produktionsanlagen umweltverträglicher genutzt werden können; in diesem Fall darf die Investition weder zur Erhöhung der Produktionskapazität noch zu einem höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe führen.

1b. Dieser Artikel gilt auch für Investitionen in Ausrüstung und Maschinen, die Wasserstoff nutzen, und für Investitionen in Infrastruktur für den Wasserstofftransport, soweit der genutzte bzw. transportierte Wasserstoff als erneuerbarer Wasserstoff einzustufen ist. Er gilt auch für Investitionen in Ausrüstung und Maschinen, die aus Wasserstoff gewonnene Brennstoffe nutzen, deren Energiegehalt aus erneuerbaren Energiequellen mit Ausnahme von Biomasse stammt und die nach den Methoden erzeugt wurden, die in der Richtlinie (EU) 2018/2001 und ihren Durchführungsrechtsakten oder delegierten Rechtsakten für flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs festgelegt sind.

Dieser Artikel gilt auch für Beihilfen für Investitionen in Anlagen, Ausrüstung und Maschinen, die strombasierten Wasserstoff, der nicht als erneuerbarer Wasserstoff einzustufen ist, herstellen oder nutzen, und in gewidmete Infrastruktur nach Artikel 2 Nummer 130 letzter Satz zum Transport von strombasiertem Wasserstoff, der nicht als erneuerbarer Wasserstoff einzustufen ist, sofern nachgewiesen werden kann, dass der hergestellte, genutzte bzw. transportierte strombasierte Wasserstoff – ausgehend von einem Vergleichswert für fossile Brennstoffe von 94 g CO2-Äquivalent/MJ – über den gesamten Lebenszyklus zu Treibhausgaseinsparungen von mindestens 70 % führt. Zur Bestimmung der Lebenszyklus-Treibhausgasemissionseinsparungen für die Zwecke dieses Unterabsatzes werden die Treibhausgasemissionen, die bei der Erzeugung des für die Wasserstoffherstellung genutzten Stroms anfallen, anhand des Grenzkraftwerks in der Gebotszone bestimmt, in dem sich der Elektrolyseur in den Bilanzkreisabrechnungszeitintervallen befindet, in denen der Elektrolyseur Strom aus dem Netz verbraucht.

In den in den Unterabsätzen 1 und 2 genannten Fällen darf während der gesamten Lebensdauer der Investition nur Wasserstoff, der die in diesen Unterabsätzen genannten Voraussetzungen erfüllt, genutzt, befördert oder gegebenenfalls hergestellt werden. Der Mitgliedstaat muss eine entsprechende verbindliche Zusage erhalten.

2. Die Investition muss eine der beiden nachstehenden Voraussetzungen erfüllen:

a)
Sie ermöglicht die Durchführung eines Vorhabens, das unabhängig von etwaigen verbindlichen nationalen Normen, die strenger als die Unionsnormen sind, dazu führt, dass im Rahmen der Tätigkeiten des Beihilfeempfängers der Umweltschutz über die geltenden Unionsnormen hinaus verbessert wird; bei Vorhaben bezüglich oder im Zusammenhang mit gewidmeter Infrastruktur im Sinne des Artikels 2 Nummer 130 letzter Satz für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 oder bei Vorhaben, die eine Anbindung an Energieinfrastruktur für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 beinhalten, kann sich die Verbesserung des Umweltschutzes auch aus den Tätigkeiten einer anderen an der Infrastrukturkette beteiligten Einheit ergeben; oder
b)
sie ermöglicht die Durchführung eines Vorhabens, das dazu führt, dass im Rahmen der Tätigkeiten des Beihilfeempfängers der Umweltschutz verbessert wird, ohne dass hierzu eine Verpflichtung durch entsprechende Unionsnormen besteht; bei Vorhaben bezüglich oder im Zusammenhang mit gewidmeter Infrastruktur im Sinne des Artikels 2 Nummer 130 letzter Satz für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 oder bei Vorhaben, die eine Anbindung an Energieinfrastruktur für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 beinhalten, kann sich die Verbesserung des Umweltschutzes auch aus den Tätigkeiten einer anderen an der Infrastrukturkette beteiligten Einheit ergeben; oder
c)
sie ermöglicht die Durchführung eines Vorhabens, das dazu führt, dass im Rahmen der Tätigkeiten des Beihilfeempfängers der Umweltschutz über angenommene, aber noch nicht in Kraft getretene Unionsnormen hinaus verbessert wird; bei Vorhaben bezüglich oder im Zusammenhang mit gewidmeter Infrastruktur im Sinne des Artikels 2 Nummer 130 letzter Satz für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 oder bei Vorhaben, die eine Anbindung an Energieinfrastruktur für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2 beinhalten, kann sich die Verbesserung des Umweltschutzes auch aus den Tätigkeiten einer anderen an der Infrastrukturkette beteiligten Einheit ergeben.

2a. Investitionen in die Abscheidung und den Transport von CO2 müssen alle folgenden Voraussetzungen erfüllen:

a)
Abscheidung und/oder Transport von CO2, einschließlich einzelner Elemente der CCS- oder CCU-Kette, werden in eine vollständige CCS- und/oder CCU-Kette integriert.
b)
Der Kapitalwert (net present value – NPV) des Investitionsvorhabens ist während seiner Lebensdauer negativ. Bei der Berechnung des NPV des Vorhabens werden die vermiedenen Kosten der CO2-Emissionen berücksichtigt.
c)
Beihilfefähig sind ausschließlich die Investitionsmehrkosten, die sich aus der Abscheidung von CO2 aus einer CO2 emittierenden Anlage (Industrieanlage oder Kraftwerk) oder direkt aus der Umgebungsluft sowie aus der Pufferspeicherung und dem Transport abgeschiedener CO2-Emissionen ergeben.

2b. Wenn die Beihilfe auf die Verringerung oder Vermeidung direkter Emissionen abzielt, darf sie nicht lediglich zur Verlagerung der jeweiligen Emissionen von einem Wirtschaftszweig auf einen anderen führen, sondern muss insgesamt eine Verringerung der betreffenden Emissionen bewirken; insbesondere wenn die Beihilfe auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen abzielt, darf sie nicht lediglich zur Verlagerung dieser Emissionen von einem Wirtschaftszweig auf einen anderen führen, sondern muss insgesamt eine Verringerung dieser Emissionen bewirken.

3. Für Investitionen, die sicherstellen sollen, dass Unternehmen lediglich die geltenden Unionsnormen erfüllen, dürfen keine Beihilfen gewährt werden. Beihilfen, die Unternehmen in die Lage versetzen, bereits angenommene, aber noch nicht in Kraft getretene Unionsnormen zu erfüllen, können nach diesem Artikel gewährt werden, sofern die Investition, für die die Beihilfe gewährt wird, spätestens 18 Monate vor Inkrafttreten der betreffenden Norm durchgeführt und abgeschlossen wird.

4. Beihilfefähig sind die Investitionsmehrkosten, die anhand eines Vergleichs der Kosten der Investition mit denen des kontrafaktischen Szenarios, d. h. ohne die Beihilfe, wie folgt ermittelt werden:

a)
Besteht das kontrafaktische Szenario in der Durchführung einer weniger umweltfreundlichen Investition, die der üblichen Geschäftspraxis in dem betreffenden Wirtschaftszweig oder für die betreffende Tätigkeit entspricht, so ergeben sich die beihilfefähigen Kosten aus der Differenz zwischen den Kosten der durch die Beihilfe geförderten Investition und den Kosten der weniger umweltfreundlichen Investition.
b)
Besteht das kontrafaktische Szenario darin, dass dieselbe Investition zu einem späteren Zeitpunkt getätigt wird, so ergeben sich die beihilfefähigen Kosten aus der Differenz zwischen den Kosten der durch die Beihilfe geförderten Investition und dem Kapitalwert der Kosten der späteren Investition, abgezinst auf den Zeitpunkt, zu dem die geförderte Investition getätigt würde.
c)
Besteht das kontrafaktische Szenario darin, dass bestehende Anlagen und Ausrüstung in Betrieb bleiben, so ergeben sich die beihilfefähigen Kosten aus der Differenz zwischen den Kosten der durch die Beihilfe geförderten Investition und dem Kapitalwert der Investitionen in die Wartung, Reparatur und Modernisierung der bestehenden Anlagen und Ausrüstung, abgezinst auf den Zeitpunkt, zu dem die geförderte Investition getätigt würde.
d)
Bei Ausrüstungen, die Leasingvereinbarungen unterliegen, ergeben sich die beihilfefähigen Kosten aus der Kapitalwert-Differenz zwischen dem Leasing der durch die Beihilfe geförderten Ausrüstung und dem Leasing der weniger umweltfreundlichen Ausrüstung, die ohne Beihilfe geleast würde; die Leasingkosten umfassen keine Kosten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Ausrüstung oder der Anlage (Brennstoffkosten, Versicherung, Wartung, sonstige Verbrauchsgüter), unabhängig davon, ob sie Bestandteil des Leasingvertrags sind.

In allen in Unterabsatz 1 Buchstaben a bis d aufgeführten Situationen besteht das kontrafaktische Szenario in einer Investition mit vergleichbarer Produktionskapazität und Lebensdauer, die den bereits geltenden Unionsnormen entspricht. Das kontrafaktische Szenario muss im Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen, die Marktbedingungen und die durch das EU-EHS-System geschaffenen Anreize glaubwürdig sein.

Handelt es sich bei der durch die Beihilfe geförderten Investition um die Installation einer Zusatzkomponente für eine bereits bestehende Anlage und gibt es keine weniger umweltfreundliche kontrafaktische Investition, so sind die gesamten Investitionskosten beihilfefähig.

Besteht die durch die Beihilfe geförderte Investition im Bau einer gewidmeten Infrastruktur im Sinne des Artikels 2 Nummer 130 letzter Satz für Wasserstoff im Sinne des Absatzes 1b, für Abwärme oder für CO2, die erforderlich ist, um den Umweltschutz gemäß den Absätzen 2 und 2a zu verbessern, so sind die gesamten Investitionskosten beihilfefähig. Kosten für den Bau oder die Modernisierung von Speicheranlagen sind mit Ausnahme von Speicheranlagen für erneuerbaren Wasserstoff und unter Absatz 1b Unterabsatz 2 fallenden Wasserstoff nicht beihilfefähig.

Nicht direkt mit der Verbesserung des Umweltschutzes in Zusammenhang stehende Kosten sind nicht beihilfefähig.

5. Die Beihilfeintensität darf 40 % der beihilfefähigen Kosten nicht überschreiten. Führt die Investition, mit Ausnahme von Investitionen, bei denen Biomasse genutzt wird, zu einer 100%igen Verringerung der direkten Treibhausgasemissionen, so darf die Beihilfeintensität bis zu 50 % betragen.

6. Bei Investitionen im Zusammenhang mit CCS und/oder CCU darf die Beihilfeintensität höchstens 30 % der beihilfefähigen Kosten betragen.

7. Bei Beihilfen für mittlere Unternehmen kann die Intensität um 10 Prozentpunkte, bei Beihilfen für kleine Unternehmen um 20 Prozentpunkte erhöht werden.

8. Die Beihilfeintensität kann bei Investitionen in Fördergebieten nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV um 15 Prozentpunkte und bei Investitionen in Fördergebieten nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV um 5 Prozentpunkte erhöht werden.

9. Die Beihilfeintensität kann bis zu 100 % der Investitionskosten betragen, wenn die Beihilfe im Rahmen einer wettbewerblichen Ausschreibung gewährt wird, die über die Vorgaben des Artikels 2 Nummer 38 hinaus alle folgenden Voraussetzungen erfüllt:

a)
Die Gewährung der Beihilfe erfolgt auf der Grundlage objektiver, eindeutiger, transparenter und diskriminierungsfreier Beihilfefähigkeits- und Auswahlkriterien, die vorab festgelegt und mindestens sechs Wochen vor Ablauf der Antragsfrist veröffentlicht werden, um einen wirksamen Wettbewerb zu ermöglichen.
b)
Während der Durchführung einer Regelung wird im Falle einer Ausschreibung, bei der alle Bieter Beihilfen erhalten, die Ausgestaltung der Ausschreibung beispielsweise durch Verringerung von Mittelausstattung oder Volumen korrigiert, um bei den nachfolgenden Ausschreibungen einen wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen.
c)
Nachträgliche Anpassungen des Ausschreibungsergebnisses (z. B. anschließende Verhandlungen über die Ergebnisse des Bietverfahrens) sind ausgeschlossen.
d)
Mindestens 70 % der Auswahlkriterien, die insgesamt für die Erstellung der Rangfolge der Angebote und letztlich für die Zuweisung der Beihilfen im Rahmen der wettbewerblichen Ausschreibung herangezogen werden, müssen anhand der Höhe der Beihilfe im Verhältnis zum Beitrag des Vorhabens zu den Umweltzielen der Maßnahme festgelegt werden; dabei kann es sich z. B. um die pro zu erbringender Umweltschutzeinheit beantragte Beihilfe handeln.

10. Alternativ zu den Absätzen 4 bis 9 darf der Beihilfebetrag nicht höher sein als die Differenz zwischen den Investitionskosten, die in direktem Zusammenhang mit der Verbesserung des Umweltschutzes stehen, und dem Betriebsgewinn der Investition. Der Betriebsgewinn wird im Voraus auf der Grundlage realistischer Projektionen von den beihilfefähigen Kosten abgezogen und im Nachhinein über einen Rückforderungsmechanismus überprüft.

11. Abweichend von Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstaben a bis d und Absätzen 9 und 10 können die beihilfefähigen Kosten ohne Ermittlung eines kontrafaktischen Szenarios und ohne wettbewerbliche Ausschreibung festgelegt werden. In diesem Fall sind die beihilfefähigen Kosten die Investitionskosten, die in direktem Zusammenhang mit einer Verbesserung des Umweltschutzes stehen, und die in den Absätzen 5 bis 8 aufgeführten geltenden Beihilfeintensitäten und Aufschläge werden um 50 % verringert.

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