Artikel 7 VO (EU) 2014/656
Abfangen auf Hoher See
(1) Auf Hoher See ergreifen die beteiligten Einsatzkräfte bei begründetem Verdacht, dass ein Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Flaggenstaat gemäß dem Protokoll gegen die Schleusung von Migranten und, soweit von Belang, gemäß dem nationalen Recht und dem Völkerrecht eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
- a)
- Ersuchen um Information und Vorlage von Dokumenten zum Nachweis der Eigentumsverhältnisse, der Registrierung und des Reiseverlaufs des Schiffs sowie der Identität, Staatsangehörigkeit und anderer einschlägiger Personalien der an Bord befindlichen Personen, unter anderem auch darüber, ob Personen dringend medizinische Hilfe benötigen;
- b)
- Anhalten und Betreten des Schiffs, Durchsuchen des Schiffs, seiner Ladung und der an Bord befindlichen Personen sowie Befragung der an Bord befindlichen Personen und Unterrichtung dieser Personen, dass Schiffsführer für das Ermöglichen der Fahrt mit Sanktionen belegt werden können.
(2) Werden Beweise gefunden, die diesen Verdacht bestätigen, so können die beteiligten Einsatzkräfte vorbehaltlich der Genehmigung durch den Flaggenstaat gemäß dem Protokoll gegen die Schleusung von Migranten und, soweit von Belang, gemäß dem nationalen Recht oder dem Völkerrecht eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen ergreifen:
- a)
- Beschlagnahme des Schiffs und Ingewahrsamnahme der an Bord befindlichen Personen;
- b)
- Warnung und Anweisung an das Schiff, nicht in das Küstenmeer oder die Anschlusszone einzulaufen, und erforderlichenfalls Aufforderung an das Schiff, seinen Kurs in Richtung eines Bestimmungsorts außerhalb des Küstenmeers oder der Anschlusszone zu ändern;
- c)
- Beförderung des Schiffs oder der an Bord befindlichen Personen zu einem Drittstaat zu veranlassen oder andernfalls Überstellung des Schiffs oder der an Bord befindlichen Personen an die Behörden eines Drittstaats;
- d)
- Beförderung des Schiffs oder der an Bord befindlichen Personen bis zu dem Einsatzmitgliedstaat oder einem benachbarten beteiligten Mitgliedstaat.
(3) Jede Maßnahme, die nach den Absätzen 1 oder 2 getroffen wird, muss verhältnismäßig sein und darf nicht über das zur Erreichung der Ziele dieses Artikels erforderliche Maß hinausgehen.
(4) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 erteilt der Einsatzmitgliedstaat den beteiligten Einsatzkräften über die internationale Leitstelle geeignete Anweisungen.
(5) Führt das Schiff die Flagge des Einsatzmitgliedstaats oder eines beteiligten Mitgliedstaats oder zeigt es dessen Registrierungszeichen, so kann dieser Mitgliedstaat nach Bestätigung der Staatszugehörigkeit des Schiffs eine oder mehrere der in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen genehmigen. Der Einsatzmitgliedstaat erteilt sodann den beteiligten Einsatzkräften über die internationale Leitstelle geeignete Anweisungen.
(6) Führt das Schiff die Flagge eines an dem Seeeinsatz nicht beteiligten Mitgliedstaats oder eines Drittstaats oder zeigt es dessen Registrierungszeichen, so benachrichtigt entweder der Einsatzmitgliedstaat oder der beteiligte Mitgliedstaat abhängig davon, wessen beteiligte Einsatzkräfte das Schiff abgefangen haben, den Flaggenstaat, fordert eine Bestätigung der Registrierung an und ersucht den Flaggenstaat bei Bestätigung der Staatszugehörigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um die Benutzung seines Schiffs für die Schleusung von Migranten zu unterbinden. Ist der Flaggenstaat nicht bereit oder nicht in der Lage, entweder unmittelbar oder mit Unterstützung des Mitgliedstaats, zu dem die beteiligten Einsatzkräfte gehören, entsprechend tätig zu werden, so ersucht dieser Mitgliedstaat den Flaggenstaat um die Genehmigung, die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Der Einsatzmitgliedstaat oder der beteiligte Mitgliedstaat informieren die internationale Leitstelle über den gesamten Nachrichtenverkehr mit dem Flaggenstaat und über die vom Flaggenstaat genehmigten beabsichtigten Maßnahmen. Der Einsatzmitgliedstaat erteilt sodann den beteiligten Einsatzkräften über die internationale Leitstelle geeignete Anweisungen.
(7) Besteht der begründete Verdacht, dass ein Schiff, obwohl es eine fremde Flagge führt oder sich weigert, seine Flagge zu zeigen, in Wirklichkeit die gleiche Staatszugehörigkeit besitzt wie die beteiligten Einsatzkräfte, so überprüfen diese das Recht des Schiffs, seine Flagge zu führen. Zu diesem Zweck können sie sich dem verdächtigen Schiff nähern. Bleibt der Verdacht bestehen, so nehmen sie eine weitere Untersuchung an Bord des Schiffs vor, die so zurückhaltend wie möglich durchzuführen ist.
(8) Besteht der begründete Verdacht, dass ein Schiff, obwohl es eine fremde Flagge führt oder sich weigert, seine Flagge zu zeigen, in Wirklichkeit die Staatszugehörigkeit des Einsatzmitgliedstaats oder eines beteiligten Mitgliedstaats besitzt, so überprüfen die beteiligten Einsatzkräfte das Recht des Schiffs, seine Flagge zu führen.
(9) Erweist sich in den Fällen der Absätze 7 oder 8 der Verdacht hinsichtlich der Staatszugehörigkeit des Schiffs als begründet, so kann dieser Einsatzmitgliedstaat beziehungsweise dieser beteiligte Mitgliedstaat eine oder mehrere der in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen genehmigen. Der Einsatzmitgliedstaat erteilt sodann den beteiligten Einsatzkräften über die internationale Leitstelle geeignete Anweisungen.
(10) Solange der Flaggenstaat keine Genehmigung für weitere Maßnahmen erteilt hat, wird das Schiff aus sicherer Entfernung beobachtet. Ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Flaggenstaat werden keine weiteren Maßnahmen getroffen, außer solchen, die erforderlich sind, um eine unmittelbare Gefahr für das Leben von Personen abzuwenden, oder solchen, die sich aus einschlägigen bilateralen oder multilateralen Übereinkünften ableiten.
(11) Besteht der begründete Verdacht, dass ein staatenloses Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, so können die beteiligten Einsatzkräfte das Schiff betreten und durchsuchen, um seine Staatenlosigkeit zu überprüfen. Werden Beweise gefunden, die diesen Verdacht bestätigen, so informieren die beteiligten Einsatzkräfte den Einsatzmitgliedstaat; dieser kann unmittelbar oder mit Unterstützung des Mitgliedstaats, zu dem die beteiligten Einsatzkräfte gehören, weitere geeignete Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 im Einklang mit dem nationalen Recht und dem Völkerrecht ergreifen.
(12) Ein Mitgliedstaat, dessen beteiligte Einsatzkräfte eine Maßnahme nach Absatz 1 ergriffen haben, informiert den Flaggenstaat unverzüglich über die Ergebnisse dieser Maßnahme.
(13) Der den Einsatzmitgliedstaat beziehungsweise einen beteiligten Mitgliedstaat in der internationalen Leitstelle vertretende nationale Beamte ist dafür zuständig, die Kommunikation mit den einschlägigen Behörden dieses Mitgliedstaats zu ermöglichen, wenn es darum geht, die Genehmigung für die Überprüfung des Rechts eines Schiffs, die Flagge dieses Mitgliedstaats zu führen, oder für die Ergreifung der in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Maßnahmen zu erwirken.
(14) Wenn sich der Verdacht, dass ein Schiff für die Schleusung von Migranten auf Hoher See benutzt wird, als unbegründet erweist oder die beteiligten Einsatzkräfte keine Handlungszuständigkeit besitzen, jedoch weiterhin ein begründeter Verdacht besteht, dass das Schiff Personen befördert, die die Grenze eines Mitgliedstaats zu erreichen und sich den Kontrollen an den Grenzübergangsstellen zu entziehen beabsichtigen, so wird das Schiff weiter beobachtet. Die internationale Leitstelle übermittelt die Informationen über dieses Schiff der nationalen Leitstelle des Mitgliedstaats, den es ansteuert.
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