Artikel 8 VO (EU) 2014/795

Liquiditätsrisiko

(1) Ein SIPS-Betreiber richtet einen umfassenden Rahmen zum Management von Liquiditätsrisiken ein, die Teilnehmer des SIPS, Verrechnungsbanken, Nostro-Agenten, Depotbanken, Liquiditätsgeber und andere entsprechende Stellen darstellen. Ein SIPS-Betreiber stellt Teilnehmern angemessene Instrumente zum effektiven Liquiditätsmanagement zur Verfügung und überwacht und befördert reibungslose Liquiditätsströme im System.

(2) Ein SIPS-Betreiber setzt operative und analytische Instrumente ein, durch die er Verrechnungs- und Zahlungsströme, einschließlich der Verwendung von Innertagesliquidität, fortlaufend und rechtzeitig erkennen, messen und überwachen kann.

(2a) Ein SIPS-Betreiber, der ein System mit aufgeschobenem Netto-Zahlungsausgleich betreibt hat sicherzustellen, dass

a)
finanzielle Verpflichtungen spätestens zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem ein Zahlungs- bzw. Übertragungsauftrag in die für jeden Teilnehmer zugängliche Berechnung der Nettoabwicklungspositionen einfließt und
b)
ausreichend liquide Mittel in Einklang mit den Absätzen 3 bis 6 spätestens in dem in Buchstabe a in Bezug genommenen Zeitpunkt vorgehalten werden.

(3) Ein SIPS-Betreiber verfügt jederzeit über ausreichend liquide Mittel in allen Währungen, in denen er seine Geschäfte ausübt, von dem Zeitpunkt an, in dem finanzielle Verpflichtungen entstehen, oder gewährleistet, dass Teilnehmer über diese Mittel verfügen, um in einer Vielzahl möglicher Stressszenarien einen taggleichen Ausgleich von finanziellen Verpflichtungen durchzuführen. Soweit angemessen umfasst dies eine Innertages-Abwicklung oder eine Abwicklung an mehreren Tagen. Die Stressszenarien umfassen: a) den Ausfall — unter extremen, aber plausiblen Marktbedingungen — des Teilnehmers, der zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen die größte finanzielle Verpflichtung insgesamt hat, und b) andere Szenarien gemäß Absatz 11.

(4) Ein SIPS-Betreiber, der einseitige Zahlungen in Euro abwickelt, hält liquide Mittel gemäß Absatz 3 oder gewährleistet, dass Teilnehmer solche liquiden Mittel halten, um bei einem Ausfall des Teilnehmers, der zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen die größte finanzielle Verpflichtung insgesamt im Sinne von Absatz 3 Buchstabe a hat, finanzielle Verpflichtungen rechtzeitig wie folgt zu erfüllen:

a)
mit Barmitteln beim Eurosystem oder
b)
mit notenbankfähigen Sicherheiten gemäß der Definition des in Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank (EZB/2014/60)(1) und Leitlinie EZB/2014/31 der Europäische Zentralbank(2) festgelegten Sicherheitenrahmens des Eurosystems, abhängig davon, ob der SIPS-Betreiber nachweisen kann, dass jene Sicherheit kurzfristig verfügbar und auf der Grundlage von vornherein bestimmten und äußerst zuverlässigen Finanzierungsbedingungen selbst bei angespannten Marktbedingungen taggleich in Barmittel umwandelbar ist.

(5) Ein SIPS-Betreiber, der einseitige Zahlungen in Euro abwickelt, verfügt oder gewährleistet, dass Teilnehmer zusätzliche liquide Mittel gemäß Absatz 3 Buchstabe b halten, und zwar in einer in Absatz 4 genannten Form oder bei einer kreditwürdigen Geschäftsbank in Form eines oder mehrerer der folgenden Instrumente:

a)
zugesagte Kreditlinien,
b)
zugesagte Devisenswaps,
c)
zugesagte Repo-Geschäfte,
d)
Vermögenswerte, die die Anforderungen des Artikels 7 Absatz 1 erfüllen und von einer Verwahrstelle gehalten werden,
e)
Investitionen.

Für sämtliche dieser Instrumente müssen Barmittel in einem Zeitraum verfügbar sein, damit der Abschluss eines taggleichen Ausgleichs ermöglicht wird. Insbesondere muss der SIPS-Betreiber in der Lage sein, nachzuweisen, dass unbare Instrumente kurzfristig verfügbar und auf der Grundlage von vornherein bestimmten und äußerst zuverlässigen Finanzierungsbedingungen selbst bei angespannten Marktbedingungen taggleich in Barmittel umwandelbar sind.

Der SIPS-Betreiber ist bereit, der zuständigen Behörde auf der Grundlage einer angemessenen internen Prüfung nachzuweisen, dass die Geschäftsbank kreditwürdig ist.

(6) Ein SIPS-Betreiber, der zweiseitige oder einseitige Zahlungen in anderen Währungen als Euro abwickelt, hält liquide Mittel gemäß Absatz 3 oder gewährleistet, dass Teilnehmer solche liquiden Mittel in einer in Absatz 5 genannten Form halten.

(7) Ergänzt ein SIPS-Betreiber die in Absatz 3 genannten Mittel um weitere Vermögenswerte, sind diese Vermögenswerte voraussichtlich marktfähig oder als Sicherheiten (für z. B. Kreditlinien, Swaps oder Repo-Geschäfte) ad hoc nach einem Ausfall zugelassen, selbst wenn dies nicht zuverlässig unter extremen, aber plausiblen Marktbedingungen vorab vereinbart oder garantiert werden kann. Ergänzt ein Teilnehmer die in Absatz 3 genannten Mittel um weitere Vermögenswerte, stellt der SIPS-Betreiber sicher, dass diese weiteren Vermögenswerte die in Satz 1 dieses Absatzes festgelegten Anforderungen erfüllen. Es wird davon ausgegangen, dass Vermögenswerte voraussichtlich marktfähig oder als Sicherheiten zugelassen sind, wenn der SIPS-Betreiber den Regelungen und Vorgehensweisen der betreffenden Zentralbank hinsichtlich der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten Rechnung getragen hat.

(8) Ein SIPS-Betreiber darf nicht davon ausgehen, dass Notfallkredite der Zentralbank zur Verfügung stehen werden.

(9) Ein SIPS-Betreiber prüft unter Einhaltung seiner Sorgfaltspflicht, dass jeder Geber der in Absatz 3 genannten liquiden Mittel des SIPS: a) über ausreichende und aktuelle Informationen verfügt, um seine mit der Bereitstellung von Barmitteln oder Vermögenswerten verbundenen Liquiditätsrisiken zu verstehen und zu steuern, und b) in der Lage ist, Barmittel oder Vermögenswerte bei Bedarf bereitzustellen. Ein SIPS-Betreiber prüft mindestens einmal jährlich, ob er seine Sorgfaltspflicht einhält. Es werden nur Stellen mit Zugang zur Kreditaufnahme bei der emittierenden Zentralbank als Liquiditätsgeber zugelassen. Der SIPS-Betreiber testet die Verfahren des SIPS für den Zugang zu seinen liquiden Mitteln regelmäßig.

(10) Ein SIPS-Betreiber mit Zugang zu Zentralbankkonten, Zahlungsdiensten oder Wertpapierdienstleistungen nimmt diese Dienste in Anspruch, soweit dies zweckmäßig ist.

(11) Ein SIPS-Betreiber legt durch die Durchführung strenger Stresstests fest, wie viel Barmittel und andere Vermögenswerte zur Erfüllung der in den Absätzen 3 und 4 genannten Anforderungen erforderlich sind. Bei der Durchführung von Stresstests trägt der SIPS-Betreiber einer Bandbreite von relevanten Szenarien Rechnung, einschließlich des Ausfalls einer oder mehrerer Teilnehmer am gleichen und an zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Tagen.

Bei der Berücksichtigung der Szenarien ist der Ausgestaltung und dem Geschäftsbetrieb des SIPS Rechnung zu tragen; zudem sind alle Stellen zu prüfen, die wesentliche Liquiditätsrisiken für das SIPS darstellen könnten, wozu Verrechnungsbanken, Nostro-Agenten, Depotbanken, Liquiditätsgeber und verbundene FMIs gehören. Gegebenenfalls umfassen die genannten Szenarien einen mehrtägigen Zeitraum.

(12) Ein SIPS-Betreiber legt seine Gründe für die Bereithaltung der Barmittel und anderen Vermögenswerte, die beim SIPS-Betreiber oder bei Teilnehmern gehalten werden, schriftlich fest und verfügt über eine entsprechende angemessene Leitungsstruktur dafür. Er legt klare Verfahren für die Berichterstattung der Ergebnisse seiner Stresstests an den Rat fest und verwendet diese Ergebnisse, um die Angemessenheit seines Rahmens zur Steuerung des Liquiditätsrisikos zu bewerten und Anpassungen an diesem vorzunehmen.

(13) Ein SIPS-Betreiber legt klare Regelungen und Verfahren fest, die dem SIPS ermöglichen, nach Ausfall eines oder mehrerer seiner Teilnehmer einen taggleichen und gegebenenfalls einen zeitnahen Innertages-Ausgleich bzw. einen Ausgleich an mehreren Tagen von finanziellen Verpflichtungen durchzuführen. Diese Regelungen und Verfahren

a)
behandeln unvorgesehene und möglicherweise ungedeckte Liquiditätsengpässe;
b)
zielen auf die Vermeidung der Abwicklung, des Widerrufs oder der Verzögerung des taggleichen Ausgleichs von finanziellen Verpflichtungen ab;
c)
legen dar, wie die Barmittel und die anderen Vermögenswerte, die das SIPS während eines Stressereignisses aufgebraucht hat, bis zu der in den Absätzen 3 bis 5 vorgesehenen Höhe wieder aufgestockt werden.

Fußnote(n):

(1)

Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).

(2)

Leitlinie EZB/2014/31 der Europäischen Zentralbank vom 9. Juli 2014 über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten und zur Änderung der Leitlinie EZB/2007/9 (ABl. L 240 vom 13.8.2014, S. 28).

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