Präambel VO (EU) 2015/1775

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates(3) wurde mit dem Ziel erlassen, durch unterschiedliche nationale Maßnahmen zur Regelung des Handels mit Robbenerzeugnissen entstandene Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes zu beseitigen. Diese Maßnahmen wurden erlassen als Reaktion auf moralische Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der Tierschutzaspekte des Tötens von Robben und der möglichen Präsenz von Erzeugnissen auf dem Unionsmarkt, die von Robben stammen, welche unter Zufügung von übermäßig starken Schmerzen, Qualen, Angst und anderen Formen von Leiden getötet wurden. Diese Bedenken wurden durch Erkenntnisse belegt, die zeigen, dass unter den besonderen Bedingungen der Robbenjagd eine humane Tötung nicht wirklich konsequent und wirksam durchgeführt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 ein allgemeines Verbot des Inverkehrbringens von Robbenerzeugnissen eingeführt.
(2)
Gleichzeitig ist die Robbenjagd fester Bestandteil der sozioökonomischen Gegebenheiten, der Ernährung, der Kultur und der Identität der Inuit und anderer indigener Gemeinschaften, der wesentlich zu deren Lebensunterhalt und deren Entwicklung beiträgt, Nahrungsmittel- und Einkommensquelle zur Unterstützung des Lebens und einer nachhaltigen Existenzsicherung der Gemeinschaft darstellt und das traditionsgemäße Leben der Gemeinschaft bewahrt und fortführt. Aus diesen Gründen führt die von den Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften traditionell betriebene Robbenjagd nicht zu denselben moralischen Bedenken wie die in erster Linie aus kommerziellen Gründen betriebene Robbenjagd. Außerdem wird allgemein anerkannt, dass die grundlegenden, wirtschaftlichen und sozialen Interessen von Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften im Einklang mit der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, die am 13. September 2007 angenommen wurde, und anderen einschlägigen internationalen Übereinkünften nicht beeinträchtigt werden sollten. Ferner haben drei Mitgliedstaaten (Dänemark, die Niederlande und Spanien) das von der Internationalen Arbeitsorganisation am 27. Juni 1989 angenommene Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern (Übereinkommen Nr. 169)(4) ratifiziert. Aus diesen Gründen ermöglicht die Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 im Rahmen einer Ausnahme das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen aus einer Jagd, die von Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften traditionsgemäß zu deren Lebensunterhalt betrieben wird und zu diesem beiträgt.
(3)
In Anbetracht des mit der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 verfolgten Ziels sollte das Inverkehrbringen auf den Unionsmarkt von Robbenerzeugnissen aus einer von Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften betriebenen Jagd davon abhängig gemacht werden, dass diese unter gebührender Beachtung des Tierschutzes in einer Weise durchgeführt wird, die Schmerzen, Qualen, Angst und andere Formen des Leidens der erlegten Tiere so weit wie möglich reduziert, wobei gleichzeitig die Lebensweise der Inuit und anderer indigener Gemeinschaften und der mit der Jagd verfolgte Zweck des Lebensunterhalts in Betracht gezogen werden. Daher sollte die Ausnahmeregelung für Robbenerzeugnisse aus einer Jagd, die von Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften betrieben wird, auf eine Jagd beschränkt werden, die einen Beitrag zur Existenzsicherung dieser Gemeinschaften leistet.
(4)
Die Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 sieht ferner ausnahmsweise das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen vor, wenn die Bejagung zu dem alleinigen Zweck der nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen betrieben wird. Obgleich die Bedeutung von Jagden, die zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen durchgeführt werden, anzuerkennen ist, kann es in der Praxis schwierig sein, diese Form der Jagd von der großumfänglichen Robbenjagd aus hauptsächlich kommerziellen Gründen zu unterscheiden. Dies kann zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der betreffenden Robbenerzeugnisse führen. Daher sollte diese Ausnahmeregelung nicht länger vorgesehen werden. Durch die Aufhebung der Ausnahmeregelung in Bezug auf die nachhaltige Bewirtschaftung der Meeresressourcen können indes Probleme in Mitgliedstaaten entstehen, in denen aus der legalen Robbenjagd stammende Tierkörper als Material für Robbenerzeugnisse verwendet werden, die gelegentlich in kleinen Mengen auf den lokalen Märkten angeboten worden sind. Die Kommission sollte die ihr zur Verfügung gestellten Informationen über die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 in der durch die vorliegende Verordnung geänderten Fassung in den betreffenden Mitgliedstaaten in ihre Bewertung des Funktionierens, der Wirksamkeit und der Auswirkungen der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 aufnehmen. Die Aufhebung dieser Ausnahmeregelung berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die Robbenjagd für die Zwecke der nachhaltigen Bewirtschaftung der Meeresressourcen weiterhin zu regeln.
(5)
Um sicherzustellen, dass die Ausnahmeregelung für Robbenerzeugnisse aus einer Jagd, die von Inuit und anderen indigenen Gemeinschaften betrieben wird, nicht auf Robbenerzeugnisse aus einer in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen betriebenen Jagd angewendet wird, sollte der Kommission gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Befugnis zum Erlass von Rechtsakten übertragen werden, um erforderlichenfalls auf der Grundlage von Nachweisen das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen aus der betreffenden Jagd zu untersagen oder die Menge dieser Erzeugnisse, die in Verkehr gebracht werden dürfen, zu begrenzen. Besonders wichtig ist, dass die Kommission im Zuge ihrer vorbereitenden Arbeiten angemessene Konsultationen, auch auf Sachverständigenebene, durchführt. Es ist ferner wichtig, dass die Kommission angemessene Konsultationen mit den betroffenen Ursprungsländern und den einschlägigen Interessenträgern durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.
(6)
Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden, um die Verwaltungsregelungen für die Anerkennung der Stellen, die die Einhaltung der Bedingungen für das Inverkehrbringen von Robbenerzeugnissen bescheinigen dürfen, und für die Ausstellung und die Kontrolle der Bescheinigungen sowie die Verwaltungsvorschriften festzulegen, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass die Bedingungen für die Einfuhr von Robbenerzeugnissen, die zum persönlichen Gebrauch von Reisenden oder ihrer Familien bestimmt sind, eingehalten werden, und um technische Leitlinien herauszugeben. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(5) ausgeübt werden.
(7)
Zur Erleichterung der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 und ihrer Ausnahmeregelungen sollte die Kommission die Öffentlichkeit und die zuständigen Behörden, einschließlich der Zollbehörden, über die Vorschriften der genannten Verordnung und die Regelungen unterrichten, nach denen Robbenerzeugnisse aus einer Jagd, die von Inuit oder anderen indigenen Gemeinschaften betrieben wird, in Verkehr gebracht werden dürfen.
(8)
Die Mitgliedstaaten sollten regelmäßig über die Maßnahmen berichten, die sie zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 getroffen haben. Auf der Grundlage dieser Berichte sollte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1007/2009, einschließlich der Auswirkungen auf die sozioökonomische Entwicklung der Inuit und anderer indigener Gemeinschaften, berichten.
(9)
Da das Ziel dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(10)
In Anbetracht des Umfangs, in dem der Handel mit Robbenerzeugnissen in der durch diese Verordnung geänderten Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 geregelt ist, sollte die Verordnung (EU) Nr. 737/2010 der Kommission(6) aufgehoben werden.
(11)
Die Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 sollte daher entsprechend geändert werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 27. Mai 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 8. September 2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 1. Oktober 2015.

(3)

Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über den Handel mit Robbenerzeugnissen (ABl. L 286 vom 31.10.2009, S. 36).

(4)

Das Übereinkommen Nr. 169 nennt unter anderem das Recht auf Selbstidentifikation indigener Gemeinschaften und deren Recht, so weit wie möglich Kontrolle über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung auszuüben.

(5)

Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).

(6)

Verordnung (EU) Nr. 737/2010 der Kommission vom 10. August 2010 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Handel mit Robbenerzeugnissen (ABl. L 216 vom 17.8.2010, S. 1).

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