Artikel 380 VO (EU) 2015/35

Kriterien für die Bewertung der Gleichwertigkeit von Drittlandssystemen

Die Gleichwertigkeit des für die Gruppenaufsicht geltenden Aufsichtssystems eines Drittlands mit den Anforderungen von Titel III der Richtlinie 2009/138/EG wird anhand folgender Kriterien bewertet:

(a)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands verfügen über die nötigen Mittel, einschlägigen Erfahrungen, Kapazitäten, einschließlich finanzieller und personeller Mittel, und ein Mandat für einen wirksamen Schutz der Versicherungsnehmer und Begünstigten unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Wohnort;
(b)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands sind aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften dazu befugt:

i)
zu bestimmen, welche Unternehmen der Gruppenaufsicht unterliegen,
ii)
Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die Teil einer Gruppe sind, zu beaufsichtigen,
iii)
erforderlichenfalls Sanktionen aufzuerlegen oder Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen;

(c)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands sind in der Lage, das Risikoprofil und die Solvabilität und Finanzlage von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die Teil einer Gruppe sind, sowie die Geschäftsstrategie der Gruppe einer wirksamen Bewertung zu unterziehen;
(d)
die Aufsicht auf Gruppenebene umfasst zumindest alle Unternehmen, über die ein beteiligtes Unternehmen im Sinne von Artikel 212 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2009/138/EG einen beherrschenden oder maßgeblichen Einfluss ausübt, es sei denn, dies wäre den Zielen der Gruppenaufsicht nicht angemessen;
(e)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands tragen bei der Wahrnehmung ihrer allgemeinen Aufgaben den Auswirkungen, die ihre Entscheidungen ausgehend von den verfügbaren Informationen insbesondere in Krisensituationen auf die Stabilität der weltweiten Finanzsysteme haben können, in gebührender Weise Rechnung;
(f)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands tragen möglichen prozyklischen Wirkungen ihrer Maßnahmen bei außergewöhnlicher Bewegungen auf den Finanzmärkten Rechnung;
(g)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt ein wirksames Governance-System auf Gruppenebene, das ein solides und vorsichtiges Management des Geschäfts gewährleistet und folgende Elemente vorschreibt:

i)
eine angemessene, transparente Organisationsstruktur mit klarer Zuweisung und angemessener Trennung der Zuständigkeiten;
ii)
Anforderungen zur Gewährleistung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit von Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten, die den Anforderungen nach Artikel 42 der Richtlinie 2009/138/EG gleichwertig sind;
iii)
wirksame Verfahren zur Gewährleistung der zeitnahen Übermittlung von Informationen sowohl innerhalb der Gruppe als auch an die zuständigen Aufsichtsbehörden;
iv)
Anforderungen zur Gewährleistung einer wirksamen Beaufsichtigung outgesourcter Funktionen oder Tätigkeiten;

(h)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt ein wirksames Risikomanagementsystem auf Gruppenebene, das mindestens folgende Elemente umfasst:

i)
Strategien, Prozesse und Verfahren der internen Berichterstattung, die zur kontinuierlichen Ermittlung, Messung, Überwachung, Handhabung und Meldung von Risiken, denen die Gruppe tatsächlich oder potenziell ausgesetzt ist, sowie von Interdependenzen erforderlich sind;
ii)
ein wirksames System der internen Kontrolle;

(i)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt von der Gruppe solide Berichterstattungs- und Rechnungslegungsverfahren zur Überwachung und Steuerung der gruppeninternen Transaktionen und Risikokonzentrationen;
(j)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt von der Gruppe die Einrichtung und Weiterführung einer wirksamen Risikomanagementfunktion, Compliance-Funktion, internen Revisionsfunktion und versicherungsmathematischen Funktion;
(k)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt von der Gruppe:

i)
die Bereitstellung aller für Beaufsichtigungszwecke erforderlichen Informationen an die Aufsichtsbehörden von Drittländern;
ii)
mindestens einmal im Jahr die Meldung bedeutender Risikokonzentrationen auf Gruppenebene und bedeutender gruppeninterner Transaktionen;
iii)
mindestens einmal im Jahr die Veröffentlichung eines Berichts über Solvabilität und Finanzlage der Gruppe, der dem Bericht gemäß Artikel 51 der Richtlinie 2009/138/EG gleichwertig ist;

(l)
das Aufsichtssystem des Drittlands schreibt vor, dass vorgeschlagene Änderungen der Unternehmenspolitik oder der Führung der Gruppe oder Änderungen der qualifizierten Beteiligungen in der Gruppe mit der soliden und vorsichtigen Führung der Gruppe vereinbar sind;
(m)
die Bewertung der Finanzlage der Gruppe erfolgt anhand solider wirtschaftlicher Grundsätze, und die Solvabilitätsbeurteilung beruht auf einer wirtschaftlichen Bewertung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten;
(n)
das Aufsichtssystem des Drittlands verlangt von der Gruppe, angemessene Finanzmittel zu halten, einschließlich folgender Anforderungen:

i)
die Gruppe bildet versicherungstechnische Rückstellungen für sämtliche Versicherungs- und Rückversicherungsverpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern und Anspruchsberechtigten von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, die Teil der Gruppe sind;
ii)
zur Deckung der versicherungstechnischen Rückstellungen gehaltene Vermögenswerte werden im besten Interesse aller Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten und unter Berücksichtigung der offen gelegten strategischen Ziele angelegt;
iii)
die Gruppe tätigt Anlagen ausschließlich in Vermögenswerte und Instrumente, deren Risiken sie angemessen ermitteln, messen, überwachen, managen, steuern und melden kann;
iv)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands verlangen von der Gruppe, Kapitalanforderungen in einem Umfang zu erfüllen, der dem in Artikel 101 Absatz 3 der Richtlinie 2009/138/EG festgelegten Umfang gleichwertig ist und gewährleistet, dass im Falle signifikanter Verluste Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigte angemessen geschützt sind und fällige Zahlungen weiterhin erhalten;
v)
Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen, die Teil der Gruppe sind, halten Kapital in einer bestimmten Mindesthöhe, bei deren Unterschreitung unmittelbar die höchste Stufe aufsichtsbehördlicher Maßnahmen ausgelöst wird;
vi)
die Kapitalanforderung für die Gruppe wird durch Eigenmittel ausreichender Qualität erfüllt, die den Ausgleich signifikanter Verluste ermöglichen; die von den Aufsichtsbehörden als Eigenmittel hoher Qualität anerkannten Eigenmittel gleichen Verluste sowohl im Falle der Fortführung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens als auch im Falle einer Liquidation aus;

(o)
das Aufsichtssystem des Drittlands umfasst risikobasierte Kapitalanforderungen zur Erfassung quantifizierbarer Risiken; signifikante, nicht quantifizierbare Risiken, die nicht durch die Kapitalanforderungen abgedeckt werden können, werden durch andere Aufsichtsmechanismen erfasst;
(p)
das Aufsichtssystem des Drittlands gewährleistet bei Nichteinhaltung der Kapitalanforderung gemäß Buchstabe n Ziffer iv ein zeitnahes Eingreifen der Aufsichtsbehörden des Drittlandes;
(q)
die Aufsichtsbehörden des Drittlands beschränken die Verwendung von Eigenmittelbestandteilen verbundener Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen, wenn diese ihrer Auffassung nach effektiv nicht zur Bedeckung der Solvenzkapitalanforderung des bei der Berechnung der Solvabilität der Gruppe berücksichtigten beteiligten Unternehmens bereitgestellt werden können;
(r)
die Berechnung der Solvabilität der Gruppe im Rahmen des Aufsichtssystems des Drittlands führt zu einem Ergebnis, das dem anhand einer der Berechnungsmethoden der Artikel 230 und 233 der Richtlinie 2009/138/EG oder anhand einer Kombination dieser Methoden erzielten Ergebnis zumindest gleichwertig ist, und durch diese Berechnung werden die Mehrfachberücksichtigung von Eigenmitteln zur Erfüllung der Kapitalanforderung für die Gruppe und eine gruppeninterne Kapitalschöpfung durch Gegenfinanzierungen ausgeschlossen;
(s)
das Aufsichtssystem des Drittlands sieht vor, dass alle Personen, die für die Aufsichtsbehörden dieses Drittlands tätig sind oder waren, sowie die von diesen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen dem Berufsgeheimnis unterliegen und die Anforderungen bezüglich des Berufsgeheimnisses sich auf Informationen von allen Aufsichtsbehörden erstrecken;
(t)
das Aufsichtssystems des Drittlands sieht vor, dass unbeschadet der Fälle, die unter das Strafrecht fallen, Personen, die für die Aufsichtsbehörden des Drittlands tätig sind oder waren, vertrauliche Informationen, die sie erhalten, an keine Person oder Behörde weitergeben, es sei denn in zusammengefasster oder aggregierter Form, so dass die einzelnen Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen nicht zu erkennen sind;
(u)
das Aufsichtssystem des Drittlands sieht vor, dass im Zusammenhang mit Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen, gegen die durch Gerichtsbeschluss das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Zwangsabwicklung eingeleitet worden ist, vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, die an Versuchen zur Rettung des Versicherungs- oder des Rückversicherungsunternehmens beteiligt sind, in zivil- oder handelsgerichtlichen Verfahren weitergegeben werden können;
(v)
Aufsichtsbehörden von Drittländern, die von anderen Aufsichtsbehörden vertrauliche Informationen erhalten, dürfen diese in Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur für einen der folgenden Zwecke verwenden:

i)
Prüfung der Einhaltung der Bedingungen für die Aufnahme der Tätigkeit, für das Governance-System, für die Offenlegung und für die Solvabilitätsbeurteilung;
ii)
Verhängung von Sanktionen;
iii)
im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens über die Anfechtung einer Entscheidung der Aufsichtsbehörden;
iv)
in Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Solvabilitätssystem des betreffenden Drittlands;

(w)
Drittland-Aufsichtsbehörden sind befugt, von Aufsichtsbehörden erhaltene Informationen in Wahrnehmung ihrer aufsichtsrechtlichen Aufgaben oder bei der Aufdeckung und Untersuchung von Verstößen gegen das Gesellschaftsrecht mit anderen Behörden, Stellen oder Personen, die in dem betreffenden Drittland den Anforderungen des Berufsgeheimnisses unterliegen, auszutauschen; diese Informationen werden nur nach ausdrücklicher Zustimmung der mitteilenden Aufsichtsbehörde offen gelegt und gegebenenfalls nur für die Zwecke eingeholt, für die die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilt hat.

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