Artikel 8d VO (EU) 2016/399

Nationale Erleichterungsprogramme

(1) Jeder Mitgliedstaat kann ein freiwilliges Programm (im Folgenden „nationales Erleichterungsprogramm” ) einrichten, um Drittstaatsangehörigen oder Staatsangehörigen eines bestimmten Drittstaats, die gemäß dem Unionsrecht kein Recht auf Freizügigkeit genießen, beim Überschreiten der Außengrenzen eines Mitgliedstaats die in Absatz 2 genannten Erleichterungen zu gewähren.

(2) Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a muss bei den eingehenden Kontrollen bei der Einreise der in Absatz 1 genannten Drittstaatsangehörigen, die in das nationale Erleichterungsprogramm aufgenommen werden, keine Prüfung der in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a Ziffern iv und v genannten Gesichtspunkte erfolgen, wenn diese Drittstaatsangehörigen die Außengrenzen eines Mitgliedstaats überschreiten.

(3) Der Mitgliedstaat überprüft vorab die Drittstaatsangehörigen, die die Aufnahme in das nationale Erleichterungsprogramm beantragen, auf ihren Hintergrund, um insbesondere die Erfüllung der in Absatz 4 genannten Bedingungen zu überprüfen.

Der Hintergrund solcher Drittstaatsangehöriger wird vorab von Grenzschutzbeamten, Visumbehörden nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 767/2008 oder Einwanderungsbehörden nach Artikel 3 Absatz 1 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/2226 überprüft.

(4) Die unter Absatz 3 genannten Behörden gewähren einer Person die Aufnahme in das nationale Erleichterungsprogramm nur, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Der Antragsteller erfüllt die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 6 Absatz 1;
b)
das Reisedokument des Antragstellers sowie, soweit einschlägig, das Visum, das Visum für den längerfristigen Aufenthalt oder der Aufenthaltstitel, sind gültig und nicht falsch, verfälscht oder gefälscht;
c)
der Antragsteller kann die Notwendigkeit oder Absicht, häufig oder regelmäßig zu reisen, nachweisen oder begründen;
d)
der Antragsteller weist seine Integrität und Zuverlässigkeit nach — insbesondere belegt er gegebenenfalls die rechtmäßige Verwendung etwaiger früher erteilter Visa beziehungsweise Visa mit räumlich beschränkter Gültigkeit —, legt Nachweise für seine wirtschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsland vor und weist seine ehrliche Absicht nach, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor dem Ende der zulässigen Aufenthaltsdauer zu verlassen. Nach Artikel 25 der Verordnung (EU) 2017/2226 haben die unter Absatz 3 des vorliegenden Artikels genannten Behörden Zugang zum EES, um zu prüfen, ob der Antragsteller die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten in der Vergangenheit überschritten hat;
e)
der Antragsteller begründet den Zweck und die Umstände der beabsichtigten Aufenthalte;
f)
der Antragsteller verfügt über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts sowohl für die Dauer der beabsichtigten Aufenthalte als auch für die Rückreise in seinen Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder ist in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;
g)
es wird eine SIS-Abfrage durchgeführt.

(5) Die erstmalige Aufnahme in das nationale Erleichterungsprogramm wird für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr bewilligt. Der Zugang kann höchstens um weitere 5 Jahre oder bis zum Ende der Gültigkeitsdauer des Reisedokuments oder des Visums für die mehrfache Einreise, des Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder des Aufenthaltstitels verlängert werden, je nachdem, welche Gültigkeitsdauer kürzer ist.

Bei einer Verlängerung nimmt der Mitgliedstaat eine jährliche Neubewertung der Situation jedes in das nationale Erleichterungsprogramm aufgenommenen Drittstaatsangehörigen vor, um auf der Grundlage aktueller Daten zu gewährleisten, dass dieser Drittstaatsangehörige weiterhin die in Absatz 4 genannten Bedingungen erfüllt. Diese Neubewertung kann bei Grenzübertrittskontrollen vorgenommen werden.

(6) Die eingehenden Kontrollen bei der Einreise gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstaben a und b und die eingehenden Kontrollen bei der Ausreise gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe g umfassen auch eine Überprüfung, ob der Drittstaatsangehörige tatsächlich in das nationale Erleichterungsprogramm aufgenommen ist.

Die Grenzschutzbeamten können die Überprüfung von Drittstaatsangehörigen, die in das nationale Erleichterungsprogramm aufgenommen wurden, bei der Einreise gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstaben a und b und bei der Ausreise gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe g ohne elektronischen Abgleich der biometrischen Daten durchführen, indem sie das auf dem elektronischen Speichermedium (Chip)und im persönlichen EES-Dossier des betreffenden Drittstaatsangehörigen gespeicherte Lichtbild mit dem Gesicht des betreffenden Drittstaatsangehörigen vergleichen. Vollständige Überprüfungen werden stichprobenartig und auf der Grundlage einer Risikoanalyse durchgeführt.

(7) Die unter Absatz 3 genannten Behörden widerrufen die einem Drittstaatsangehörigen gewährte Aufnahme in das nationale Erleichterungsprogramm unverzüglich, falls sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme in dieses Programm nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind.

(8) Bei der Prüfung nach Absatz 3, ob der Antragsteller die Bedingungen gemäß Absatz 4 erfüllt, wird insbesondere beurteilt, ob bei ihm das Risiko der irregulären Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Sicherheit eines der Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten innerhalb der zulässigen Aufenthaltsdauer zu verlassen.

Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der beabsichtigten Aufenthalte werden nach der Dauer und dem Zweck des geplanten Aufenthalts bzw. der geplanten Aufenthalte und unter Zugrundelegung von Durchschnittspreisen in den betreffenden Mitgliedstaaten für Unterkunft und Verpflegung in preisgünstigen Unterkünften auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe c festgesetzten Richtbeträge bewertet. Der Nachweis einer Kostenübernahme, einer privaten Unterkunft oder beidem kann ebenfalls das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts belegen.

Die Prüfung eines Antrags stützt sich insbesondere auf die Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und den Wahrheitsgehalt und die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. Hat der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat Zweifel in Bezug auf den Antragsteller, seine Aussagen oder die vorgelegten Belege, kann er andere Mitgliedstaaten konsultieren, bevor er über den Antrag entscheidet.

(9) Zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die ein jeweils eigenes nationales Erleichterungsprogramm auf der Grundlage dieses Artikels eingerichtet haben, können eine Übereinkunft schließen, der zufolge Personen, die in das eigene nationale Erleichterungsprogramm aufgenommen wurden, die im Rahmen eines anderen nationalen Erleichterungsprogramms gewährten Erleichterungen zugestanden werden. Eine Ausfertigung dieser Übereinkunft ist innerhalb eines Monats nach ihrem Abschluss der Kommission zu übermitteln.

(10) Bei der Einführung eines nationalen Erleichterungsprogramms müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass ihr System zur Umsetzung des Programms den in Artikel 43 der Verordnung (EU) 2017/2226 festgelegten Datensicherheitsstandards entspricht. Die Mitgliedstaaten müssen eine angemessene Bewertung der Informationssicherheitsrisiken durchführen, und die Zuständigkeiten in Bezug auf die Sicherheit sind für sämtliche Phasen des Prozesses zu präzisieren.

(11) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum Ende des dritten Jahres der Anwendung dieses Artikels eine Bewertung seiner Umsetzung vor. Auf der Grundlage dieser Bewertung kann das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission ersuchen, die Einrichtung eines Unionsprogramms für vorab auf ihren Hintergrund überprüfte Vielreisende aus Drittstaaten vorzuschlagen.

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