Artikel 5 VO (EU) 2017/1938

Infrastrukturstandard

(1) Jeder Mitgliedstaat oder, wenn ein Mitgliedstaat es vorsieht, seine zuständige Behörde gewährleistet, dass die erforderlichen Maßnahmen dafür ergriffen werden, dass bei Ausfall der größten einzelnen Gasinfrastruktur die technische Kapazität der verbleibenden Infrastruktur, die gemäß der N – 1-Formel in Anhang II Nummer 2 bestimmt wurde, unbeschadet des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels in der Lage ist, die Gasmenge zu liefern, die zur Deckung der Gesamtnachfrage nach Erdgas in dem berechneten Gebiet an einem Tag mit einer außerordentlich hohen Nachfrage benötigt wird, wie sie mit statistischer Wahrscheinlichkeit einmal in 20 Jahren auftritt. Das erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklungen beim Gasverbrauch, der langfristigen Auswirkungen der Energieeffizienzmaßnahmen und der Nutzungsraten bestehender Infrastruktur.

Die Verpflichtung gemäß Unterabsatz 1 des vorliegenden Artikels gilt unbeschadet der Verantwortung der Übertragungsnetzbetreiber, die entsprechenden Investitionen zu tätigen, und der Verpflichtungen der Fernleitungsnetzbetreiber gemäß der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 und der Richtlinie 2009/73/EG.

(2) Die Verpflichtung, sicherzustellen, dass die verbleibende Infrastruktur über die technische Kapazität verfügt, um die Gesamtnachfrage nach Erdgas gemäß Absatz 1 dieses Artikels zu decken, gilt auch dann als erfüllt, wenn die zuständige Behörde in dem Präventionsplan nachweist, dass eine Störung der Gasversorgung durch angemessene marktbasierte nachfrageseitige Maßnahmen hinreichend und rechtzeitig ausgeglichen werden kann. Hierzu wird die Formel N – 1 gemäß Anhang II Nummer 4 berechnet.

(3) Soweit angemessen, können entsprechend der Risikobewertungen nach Artikel 7 die zuständigen Behörden benachbarter Mitgliedstaaten vereinbaren, gemeinsam die in Absatz 1 genannte Verpflichtung zu erfüllen. In diesem Fall führen die zuständigen Behörden in der Risikobewertung die Berechnung der N – 1-Formel auf und erläutern in den regionalen Kapiteln der Präventionspläne, wie diese Verpflichtung durch die vereinbarten Maßnahmen erfüllt wird. Es gilt Anhang II Nummer 5.

(4) Die Fernleitungsnetzbetreiber ermöglichen die Schaffung permanenter physischer bidirektionaler Kapazitäten auf allen Verbindungsleitungen zwischen Mitgliedstaaten, ausgenommen

a)
im Falle von Verbindungen zu Produktionsanlagen, zu LNG-Anlagen und zu Verteilernetzen oder
b)
in Fällen, in denen nach eingehender Bewertung und nach Konsultation anderer Mitgliedstaaten und der Kommission Ausnahmen von dieser Verpflichtung gemäß Anhang III gewährt wurden.

Für das Verfahren zur Schaffung oder zum Ausbau von bidirektionalen Kapazitäten auf einer Verbindungsleitung oder für den Erhalt oder die Verlängerung einer Ausnahme von dieser Verpflichtung findet Anhang III Anwendung. Die Kommission veröffentlicht die Liste der Ausnahmen und aktualisiert diese Liste.

(5) Ein Vorschlag für die Schaffung oder den Ausbau von bidirektionalen Kapazitäten oder ein Antrag auf Gewährung oder Verlängerung einer Ausnahme muss eine Kosten-Nutzen-Analyse enthalten, die auf der Grundlage der Methodologie gemäß Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates(1) erstellt wird und auf folgenden Kriterien beruht:

a)
einer Bewertung der Marktnachfrage,
b)
Prognosen für Nachfrage und Angebot,
c)
möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die bestehende Infrastruktur,
d)
einer Durchführbarkeitsstudie,
e)
den Kosten der bidirektionalen Kapazitäten, einschließlich der notwendigen Verstärkung des Fernleitungsnetzes und
f)
der Vorteile für die Gasversorgungssicherheit, wobei der mögliche Beitrag der bidirektionalen Kapazitäten zur Erfüllung des in diesem Artikel festgelegten Infrastrukturstandards zu berücksichtigen ist.

(6) Die nationalen Regulierungsbehörden berücksichtigen die tatsächlich angefallenen Kosten einer Erfüllung der Verpflichtung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels und die Kosten der Schaffung von bidirektionalen Kapazitäten, um bei der transparenten und ausführlichen Festlegung und Genehmigung der Tarife und Methodologien gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 und gemäß Artikel 41 Absatz 8 der Richtlinie 2009/73/EG angemessene Anreize zu bieten.

(7) Soweit eine Investition für die Schaffung oder den Ausbau von bidirektionalen Kapazitäten vom Markt zwar nicht benötigt, jedoch zur Gewährleistung der Gasversorgungssicherheit als erforderlich betrachtet wird und wenn durch diese Investition Kosten in mehr als einem Mitgliedstaat oder in einem Mitgliedstaat zum Nutzen eines anderen Mitgliedstaats entstehen, treffen die nationalen Regulierungsbehörden aller betroffenen Mitgliedstaaten eine koordinierte Entscheidung über die Kostenaufteilung, bevor über die Investition entschieden wird. Bei der Kostenaufteilung werden die in Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 beschriebenen Grundsätze und enthaltenen Elemente berücksichtigt, insbesondere der Anteil am Nutzen der Infrastrukturinvestitionen für die Erhöhung der Gasversorgungssicherheit der betreffenden Mitgliedstaaten sowie die bereits für die betreffende Infrastruktur getätigten Investitionen. Die Kostenaufteilung darf den Wettbewerb nicht unzulässig verfälschen und das wirksame Funktionieren des Binnenmarkts nicht unzulässig beeinträchtigen, mit dem Ziel, jede unzulässig verfälschende Auswirkung auf den Markt zu vermeiden.

(8) Die zuständige Behörde stellt sicher, dass jede neue Fernleitungsinfrastruktur durch die Entwicklung eines gut angebundenen Netzes zur Gasversorgungssicherheit beiträgt, gegebenenfalls auch mittels einer — im Verhältnis zur Marktnachfrage und den ermittelten Risiken — ausreichenden Zahl grenzüberschreitender Ein- und Ausspeisepunkte.

Die zuständige Behörde stellt in der Risikobewertung fest, ob bei Gesamtbetrachtung der Gas- und Stromnetze interne Engpässe bestehen und ob die nationale Einspeisekapazität und die nationalen Infrastrukturen, insbesondere die Fernleitungsnetze, in der Lage sind, die nationalen und grenzüberschreitenden Gasflüsse an das Szenario eines Ausfalls der größten einzelnen Gasinfrastruktur auf nationaler Ebene und der größten einzelnen Gasinfrastruktur von gemeinsamem Interesse für die Risikogruppe, die in der Risikobewertung ausgemacht wurden, anzupassen.

(9) Abweichend von Absatz 1 des vorliegenden Artikels und gemäß den Bestimmungen des vorliegenden Absatzes sind Luxemburg, Slowenien und Schweden an die Verpflichtung des Absatzes 1 nicht gebunden; sie bemühen sich jedoch, diese Verpflichtung einzuhalten, wobei sie die Gasversorgung der geschützten Kunden gemäß Artikel 6 sicherstellen.

Die Ausnahmeregelung gilt für Luxemburg, vorausgesetzt, Luxemburg verfügt über

a)
mindestens zwei Verbindungsleitungen mit anderen Mitgliedstaaten,
b)
mindestens zwei unterschiedliche Gasbezugsquellen und
c)
keine Gasspeicheranlagen in seinem Hoheitsgebiet.

Die Ausnahmeregelung gilt für Slowenien, vorausgesetzt, Slowenien verfügt über

a)
mindestens zwei Verbindungsleitungen mit anderen Mitgliedstaaten,
b)
mindestens zwei unterschiedliche Gasbezugsquellen und
c)
keine Gasspeicheranlagen oder LNG-Anlagen in seinem Hoheitsgebiet.

Die Ausnahmeregelung gilt für Schweden, vorausgesetzt, dass

a)
über schwedisches Hoheitsgebiet keine Gasdurchleitung in andere Mitgliedstaaten erfolgt,
b)
der jährliche Bruttogasverbrauch im Inland unter 2 Mtoe liegt und
c)
weniger als 5 % des gesamten Primärenergieverbrauchs durch Erdgas gedeckt werden.

Luxemburg, Slowenien und Schweden unterrichten die Kommission über jede Änderung an den Bedingungen dieses Absatzes. Die in diesem Absatz festgelegte Ausnahme gilt nicht mehr, wenn mindestens eine der Bedingungen nicht mehr zutrifft.

Als Teil der einzelstaatlichen Risikobewertung gemäß Artikel 7 Absatz 3 beschreiben Luxemburg, Slowenien und Schweden die Lage in Bezug auf die jeweiligen Bedingungen des vorliegenden Absatzes sowie die Prognosen für die Erfüllung der Verpflichtung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Erfüllung des Infrastrukturstandards, der Gasmarktentwicklung und von Gasinfrastrukturprojekten in der Risikogruppe. Auf der Grundlage der in der einzelstaatlichen Risikobewertung bereitgestellten Information und wenn die jeweiligen Bedingungen des vorliegenden Absatzes nach wie vor vorliegen, kann die Kommission beschließen, dass die Ausnahme weitere vier Jahre Anwendung findet. Im Falle eines stattgebenden Beschlusses wird das in diesem Unterabsatz festgelegte Verfahren nach vier Jahren wiederholt.

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009 (ABl. L 115 vom 25.4.2013, S. 39).

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