Artikel 1 MDR (VO (EU) 2017/745)

Gegenstand und Geltungsbereich

(1) Mit dieser Verordnung werden Regeln für das Inverkehrbringen, die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme von für den menschlichen Gebrauch bestimmten Medizinprodukten und deren Zubehör in der Union festgelegt. Diese Verordnung gilt ferner für in der Union durchgeführte klinische Prüfungen, die diese Medizinprodukte und dieses Zubehör betreffen.

(2) Diese Verordnung gilt des Weiteren ab dem Geltungsbeginn der GS gemäß Artikel 9 für die in Anhang XVI aufgeführten Produktgruppen ohne medizinische Zweckbestimmung, wobei der Stand der Technik und insbesondere bereits geltende harmonisierte Normen für analoge Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung, die auf ähnlicher Technologie beruhen, zu berücksichtigen sind. Gegenstand der GS für jede in Anhang XVI aufgeführte Produktgruppe sind mindestens die Anwendung des Risikomanagements gemäß Anhang I für die betreffende Produktgruppe und erforderlichenfalls die klinische Bewertung der Sicherheit.

Die erforderlichen GS werden bis zum 26. Mai 2021 erlassen. Sie gelten nach Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens oder ab dem 26. Mai 2021, wobei das spätere Datum maßgebend ist.

Ungeachtet des Artikels 122 bleiben die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Einstufung der unter Anhang XVI fallenden Produkte als Medizinprodukte gemäß der Richtlinie 93/42/EWG bis zu dem in Unterabsatz 1 genannten Geltungsbeginn der diese Produktgruppe betreffenden GS gültig.

Diese Verordnung gilt zudem für in der Union durchgeführte klinische Prüfungen, die die in Unterabsatz 1 genannten Produkte betreffen.

(3) Produkte mit medizinischer und nicht-medizinischer Zweckbestimmung müssen sowohl die Anforderungen an Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung als auch die Anforderungen an Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung erfüllen.

(4) Für die Zwecke dieser Verordnung werden Medizinprodukte und ihr Zubehör sowie die in Anhang XVI aufgeführten Produkte, auf die diese Verordnung gemäß Absatz 2 Anwendung findet, im Folgenden als „Produkte” bezeichnet.

(5) In Fällen, in denen dies aufgrund der Ähnlichkeit eines in Verkehr gebrachten Produkts mit medizinischer Zweckbestimmung und eines Produkts ohne medizinische Zweckbestimmung in Bezug auf ihre Merkmale und die damit verbundenen Risiken gerechtfertigt ist, wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 115 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die in Anhang XVI enthaltene Liste von Produkten durch Hinzufügung neuer Produktgruppen anzupassen, um den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Anwender oder anderer Personen oder anderer Aspekte der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

(6) Diese Verordnung gilt nicht für

a)
In-vitro-Diagnostika im Sinne der Verordnung (EU) 2017/746,
b)
Arzneimittel im Sinne des Artikels 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Bei der Entscheidung, ob ein Produkt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG oder dieser Verordnung fällt, ist insbesondere die hauptsächliche Wirkungsweise des Produkts zu berücksichtigen,
c)
Arzneimittel für neuartige Therapien im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007,
d)
menschliches Blut, Blutprodukte, Blutplasma oder Blutzellen menschlichen Ursprungs oder Produkte, die bei Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme solche Blutprodukte, solches Blutplasma oder solche Blutzellen enthalten, mit Ausnahme der in Absatz 8 dieses Artikels genannten Produkte,
e)
kosmetische Mittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009,
f)
Transplantate, Gewebe oder Zellen tierischen Ursprungs und ihre Derivate sowie Produkte, die solche enthalten oder daraus bestehen; allerdings gilt diese Verordnung für Produkte, die aus Geweben oder Zellen tierischen Ursprungs oder ihren Derivaten hergestellt sind, die nicht lebensfähig sind oder abgetötet wurden,
g)
Transplantate, Gewebe oder Zellen menschlichen Ursprungs und ihre Derivate, die unter die Richtlinie 2004/23/EG fallen, sowie Produkte, die diese enthalten oder daraus bestehen; allerdings gilt diese Verordnung für Produkte, die aus Derivaten von Geweben oder Zellen menschlichen Ursprungs hergestellt sind, die nicht lebensfähig sind oder abgetötet wurden,
h)
andere als die unter den Buchstaben d, f und g genannten Produkte, die aus lebensfähigen biologischen Substanzen oder lebensfähigen Organismen — einschließlich lebender Mikroorganismen, Bakterien, Pilzen oder Viren — bestehen oder solche enthalten, um die Zweckbestimmung des Produkts zu erreichen oder zu unterstützen,
i)
Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

(7) Für Produkte, die beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme als integralen Bestandteil ein In-vitro-Diagnostikum im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2017/746 enthalten, gilt die vorliegende Verordnung. Die Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/746 gelten für das In-vitro-Diagnostikum-Teil des Produkts.

(8) Jedes Produkt, das beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme als integralen Bestandteil einen Stoff enthält, der für sich allein genommen als Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG gelten würde, auch wenn es sich um ein Arzneimittel aus menschlichem Blut oder Blutplasma im Sinne von Artikel 1 Nummer 10 der genannten Richtlinie handelt, dem im Rahmen des Produkts eine unterstützende Funktion zukommt, wird auf der Basis dieser Verordnung bewertet und zugelassen.

Kommt diesem Stoff jedoch eine hauptsächliche und keine unterstützende Funktion im Rahmen des Produkts zu, so gilt für das Gesamtprodukt die Richtlinie 2001/83/EG bzw. die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(1). In diesem Fall gelten für die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukt-Teils die in Anhang I der vorliegenden Verordnung aufgeführten einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen.

(9) Jedes Produkt, das dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG abzugeben, unterliegt dieser Verordnung unbeschadet der das Arzneimittel betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004.

Werden das Produkt, das zur Abgabe eines Arzneimittels bestimmt ist, und das Arzneimittel jedoch so in Verkehr gebracht, dass sie ein einziges untrennbares Gesamtprodukt bilden, das ausschließlich zur Verwendung in dieser Verbindung bestimmt und nicht wiederverwendbar ist, so unterliegt dieses einzige untrennbares Gesamtprodukt der Richtlinie 2001/83/EG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. In diesem Fall gelten für die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukt-Teils des einzigen untrennbares Gesamtprodukts die in Anhang I der vorliegenden Verordnung aufgeführten einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen.

(10) Jedes Produkt, das beim Inverkehrbringen oder bei der Inbetriebnahme als integralen Bestandteil nicht lebensfähiges Gewebe oder nicht lebensfähige Zellen menschlichen Ursprungs oder deren Derivate enthält, denen im Rahmen des Medizinprodukts eine unterstützende Funktion zukommt, wird auf der Basis der vorliegenden Verordnung bewertet und zugelassen. In diesem Fall finden die in der Richtlinie 2004/23/EG festgelegten Bestimmungen für Spende, Beschaffung und Testung Anwendung.

Kommt diesen Geweben oder Zellen bzw. ihren Derivaten jedoch eine hauptsächliche und keine unterstützende Funktion im Rahmen des Produkts zu und fällt das Produkt nicht unter die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007, so gilt für das Produkt die Richtlinie 2004/23/EG,. In diesem Fall gelten für die Sicherheit und Leistung des Medizinprodukt-Teils die in Anhang I der vorliegenden Verordnung aufgeführten einschlägigen grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen.

(11) Diese Verordnung stellt eine spezielle Regelung der Union im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 2014/30/EU dar.

(12) Produkte, die auch Maschinen im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(2) sind, müssen — falls eine gemäß dieser Richtlinie relevante Gefährdung besteht — den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen gemäß Anhang I dieser Richtlinie entsprechen, sofern diese Anforderungen spezifischer sind als die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I Kapitel II der vorliegenden Verordnung.

(13) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Richtlinie 2013/59/Euratom.

(14) Diese Verordnung berührt nicht das Recht eines Mitgliedstaats, die Verwendung bestimmter Arten von Produkten im Zusammenhang mit Aspekten, die nicht unter diese Verordnung fallen, einzuschränken.

(15) Diese Verordnung berührt nicht nationale Rechtsvorschriften in Bezug auf die Organisation des Gesundheitswesens oder die medizinische Versorgung und deren Finanzierung, etwa die Anforderung, dass bestimmte Produkte nur auf ärztliche Verordnung abgegeben werden dürfen, die Anforderung, dass nur bestimmte Angehörige der Gesundheitsberufe oder bestimmte Gesundheitseinrichtungen bestimmte Produkte abgeben oder verwenden dürfen oder dass für ihre Verwendung eine spezielle Beratung durch Angehörige der Gesundheitsberufe vorgeschrieben ist.

(16) Diese Verordnung darf in keiner Weise die Pressefreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung in den Medien einschränken, soweit diese Freiheiten in der Union und in den Mitgliedstaaten — insbesondere gemäß Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union — garantiert sind.

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

(2)

Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 24).

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