ANHANG X VO (EU) 2017/746

KONFORMITÄTSBEWERTUNG AUF DER GRUNDLAGE EINER BAUMUSTERPRÜFUNG

1. Als EU-Baumusterprüfung wird das Verfahren bezeichnet, mit dem eine Benannte Stelle feststellt und bescheinigt, dass ein Produkt einschließlich der technischen Dokumentation und der einschlägigen Prozesse während des Lebenszyklus sowie ein entsprechendes für die geplante Produktion des Produkts repräsentatives Exemplar den einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen.

2.
Antragstellung

Der Antragsteller stellt einen Antrag auf Bewertung bei einer Benannten Stelle. Der Antrag enthält

den Namen des Herstellers und die Anschrift seiner eingetragenen Niederlassung und, wenn der Antrag vom Bevollmächtigten eingereicht wird, den Namen des Bevollmächtigten und die Anschrift seiner eingetragenen Niederlassung,

die technische Dokumentation gemäß den Anhängen II und III. Der Antragsteller stellt der Benannten Stelle ein für die geplante Produktion des Produkts repräsentatives Exemplar (im Folgenden „Baumuster” ) zur Verfügung. Die Benannte Stelle kann erforderlichenfalls weitere Exemplare des Baumusters verlangen,

bei Produkten zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests: Testberichte, einschließlich der Ergebnisse von mit vorgesehenen Anwendern durchgeführten Studien und Daten, die die Eignung des Produkts im Zusammenhang mit seiner Zweckbestimmung zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests belegen,

soweit möglich, ein Exemplar des Produkts. Bei Bedarf wird das Produkt nach Beendigung der Bewertung der technischen Dokumentation zurückgegeben,

Angaben, die die Eignung des Produkts im Zusammenhang mit seiner Zweckbestimmung zur Eigenanwendung oder für patientennahe Tests belegen,

die Angaben, die auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung des Produkts anzubringen sind, und

eine schriftliche Erklärung, dass bei keiner anderen Benannten Stelle ein Parallelantrag zu demselben Baumuster eingereicht worden ist, oder Informationen über etwaige frühere Anträge zu demselben Baumuster, die von einer anderen Benannten Stelle abgelehnt oder vom Hersteller oder seinem Bevollmächtigten vor der abschließenden Bewertung durch diese andere Benannte Stelle zurückgezogen wurden.

3.
Bewertung

Die Benannte Stelle hat folgende Aufgaben:
a)
Sie setzt zur Prüfung des Antrags bei ihr beschäftigtes Personal ein, das nachweislich über Kenntnisse und Erfahrung bezüglich der Bewertung der betreffenden Technologie und Produkte und der Bewertung des klinischen Nachweises verfügt. Die Benannte Stelle kann verlangen, dass der Antrag durch zusätzliche durchgeführte Tests oder die Aufforderung zur Vorlage weiterer Nachweise ergänzt wird, damit die Konformität mit den maßgeblichen Anforderungen dieser Verordnung beurteilt werden kann. Die Benannte Stelle führt angemessene physische Kontrollen oder Laboruntersuchungen bezüglich des Produkts durch oder fordert den Hersteller zur Durchführung solcher Tests auf.
b)
Sie prüft und bewertet die technische Dokumentation in Bezug auf ihre Konformität mit den auf das Produkt anwendbaren Bestimmungen dieser Verordnung und überprüft, ob das Baumuster in Übereinstimmung mit dieser Dokumentation hergestellt wurde; sie stellt außerdem fest, welche Bestandteile entsprechend den in Artikel 8 genannten geltenden Normen oder den geltenden GS ausgelegt sind und bei welchen Bestandteilen sich die Auslegung nicht auf die in Artikel 8 genannten einschlägigen Normen oder die einschlägigen GS stützt.
c)
Sie überprüft den vom Hersteller in dem Bericht über die Leistungsbewertung gemäß Anhang XIII Abschnitt 1.3.2 vorgelegten klinischen Nachweis. Für die Zwecke dieser Überprüfung setzt die Benannte Stelle bei ihr beschäftigte Produktprüfer mit ausreichendem klinischen Fachwissen sowie externe klinische Experten mit unmittelbarer aktueller Erfahrung im Zusammenhang mit der klinischen Anwendung des betreffenden Produkts ein.
d)
Stützt sich der klinische Nachweis ganz oder teilweise auf Daten zu Produkten, die als ähnlich oder gleichartig mit dem zu bewertenden Produkt dargestellt werden, so prüft die Benannte Stelle unter Berücksichtigung von Faktoren wie neuen Indikationen oder Innovationen, ob die Verwendung dieser Daten angemessen ist. Sie dokumentiert eindeutig ihre Ergebnisse hinsichtlich der behaupteten Gleichartigkeit sowie der Relevanz und Eignung der Daten für einen Konformitätsnachweis.
e)
Sie dokumentiert eindeutig das Ergebnis ihrer Bewertung in dem Bericht über die Begutachtung der Leistungsbewertung gemäß Anhang IX Abschnitt 4.8.
f)
Sie führt die geeigneten Bewertungen und erforderlichen physischen Kontrollen oder Laboruntersuchungen durch oder lässt diese durchführen, um festzustellen, ob die vom Hersteller gewählten Lösungen den in dieser Verordnung festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen entsprechen, falls die in Artikel 8 genannten Normen oder die GS nicht angewendet wurden. Wenn ein Produkt zur Erfüllung seiner Zweckbestimmung an ein anderes Produkt oder andere Produkte angeschlossen werden muss, ist der Nachweis zu erbringen, dass das erstere Produkt bei Anschluss an ein anderes Produkt oder andere Produkte, das/die die vom Hersteller angegebenen Merkmale aufweist/aufweisen, die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt.
g)
Sie führt die geeigneten Bewertungen und erforderlichen physischen Kontrollen oder Laboruntersuchungen durch oder lässt diese durchführen, um festzustellen, ob die einschlägigen harmonisierten Normen tatsächlich angewendet wurden, sofern sich der Hersteller für die Anwendung dieser Normen entschieden hat.
h)
Sie vereinbart mit dem Antragsteller den Ort, an dem die erforderlichen Bewertungen und Tests durchzuführen sind.
i)
Sie erstellt einen EU-Baumusterprüfbericht über die Ergebnisse der gemäß den Buchstaben a bis g durchgeführten Bewertungen und Tests.
j)
Bei Produkten der Klasse D ersucht sie ein gemäß Artikel 100 benanntes EU-Referenzlaboratorium zu überprüfen, ob das Produkt die vom Hersteller angegebene Leistung erbringt und den GS, sofern solche existieren, oder anderen vom Hersteller gewählten Lösungen entspricht, die ein mindestens gleichwertiges Sicherheits- und Leistungsniveau gewährleisten. Die Überprüfung umfasst u. a. Laboruntersuchungen des EU-Referenzlaboratoriums gemäß Artikel 48 Absatz 5.

Darüber hinaus konsultiert die Benannte Stelle in den in Artikel 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung genannten Fällen die einschlägigen Experten gemäß Artikel 106 der Verordnung (EU) 2017/745 nach dem Verfahren des Artikels 48 Absatz 6 der vorliegenden Verordnung zum Bericht des Herstellers über die Leistungsbewertung.

Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

Das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums und — sofern das Verfahren gemäß Artikel 48 Absatz 6 anwendbar ist — die Standpunkte der konsultierten Experten sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend die in diesem wissenschaftlichen Gutachten geäußerten Standpunkte des EU-Referenzlaboratoriums und gegebenenfalls die von den gemäß Artikel 48 Absatz 6 konsultierten Experten geäußerten Standpunkte. Die Benannte Stelle stellt keine Bescheinigung aus, wenn das wissenschaftliche Gutachten des EU-Referenzlaboratoriums negativ ist.

k)
Bei therapiebegleitenden Diagnostika ersucht sie auf der Grundlage des Entwurfs des Kurzberichts über Sicherheit und Leistung sowie des Entwurfs der Gebrauchsanweisung eine der von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/83/EG benannten zuständigen Behörden oder die EMA (im Folgenden jeweils als „konsultierte Arzneimittelbehörde” bezeichnet, je nachdem, welche Stelle unter diesem Buchstaben konsultiert wurde) um ein Gutachten bezüglich der Eignung des Produkts in Verbindung mit dem betreffenden Arzneimittel. Fällt das Arzneimittel ausschließlich in den Geltungsbereich des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, so konsultiert die Benannte Stelle die EMA. Ist das betreffende Arzneimittel bereits zugelassen oder wurde ein Antrag auf seine Zulassung eingereicht, so konsultiert die Benannte Stelle die zuständige Arzneimittelbehörde oder die EMA, je nachdem, welche Behörde für die Zulassung verantwortlich ist. Die Arzneimittelbehörde bzw. die EMA legt innerhalb von 60 Tagen nach Eingang aller notwendigen Unterlagen ihr Gutachten vor. Diese Frist von 60 Tagen kann einmal aus berechtigten Gründen um weitere 60 Tage verlängert werden. Das Gutachten der konsultierten Arzneimittelbehörde sowie etwaige Aktualisierungen werden in die Dokumentation der Benannten Stelle zu dem Produkt aufgenommen. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Benannte Stelle gebührend das von der zuständigen Arzneimittelbehörde bzw. der EMA vorgelegte Gutachten. Sie teilt der betreffenden Arzneimittelbehörde ihre endgültige Entscheidung mit.
l)
Sie erstellt einen EU-Baumusterprüfbericht über die Ergebnisse der gemäß den Buchstaben a bis k durchgeführten Bewertungen und Prüfungen und bereitgestellten wissenschaftlichen Gutachten, einschließlich eines Berichts über die Begutachtung der Leistungsbewertung von Produkten der Klassen C oder D oder von Produkten, die unter Abschnitt 2 dritter Spiegelstrich fallen.

4.
Bescheinigung

Falls das Baumuster dieser Verordnung entspricht, stellt die Benannte Stelle eine EU-Baumusterprüfbescheinigung aus. Diese Bescheinigung enthält den Namen und die Anschrift des Herstellers, die Ergebnisse der Bewertung der Baumusterprüfung, die Bedingungen für die Gültigkeit der Bescheinigung sowie die zur Identifizierung des genehmigten Baumusters erforderlichen Angaben. Die Bescheinigung wird gemäß Anhang XII erstellt. Die relevanten Teile der Dokumentation werden der Bescheinigung beigefügt; eine Abschrift verbleibt bei der Benannten Stelle.

5.
Änderungen am Baumuster

5.1. Der Hersteller informiert die Benannte Stelle, die die EU-Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt hat, über alle geplanten Änderungen am genehmigten Baumuster oder seiner Zweckbestimmung oder seiner Verwendungsbedingungen.

5.2. Änderungen am genehmigten Produkt, einschließlich Beschränkungen seiner Zweckbestimmung oder seiner Verwendungsbedingungen, müssen von der Benannten Stelle, die die EU-Baumusterprüfbescheinigung ausgestellt hat, genehmigt werden, wenn diese Änderungen die Konformität des Produkts mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen oder mit den vorgesehenen Anwendungsbedingungen des Produkts beeinträchtigen können. Die Benannte Stelle prüft die geplanten Änderungen, teilt dem Hersteller ihre Entscheidung mit und stellt ihm einen Nachtrag zum EU-Baumusterprüfbericht aus. Die Genehmigung von Änderungen am genehmigten Baumuster wird in Form eines Nachtrags zur EU-Baumusterprüfbescheinigung erteilt.

5.3. Bei Änderungen der Zweckbestimmung und der Verwendungsbedingungen des genehmigten Produkts — mit Ausnahme von Beschränkungen der Zweckbestimmung und der Verwendungsbedingungen — ist ein neuer Antrag auf Durchführung einer Konformitätsbewertung erforderlich.

5.4. Wenn die Änderungen die vom Hersteller angegebene Leistung oder die Einhaltung der GS oder anderer vom Hersteller gewählten Lösungen, die mit der EU-Baumusterprüfbescheinigung genehmigt wurden, beeinträchtigen könnten, konsultiert die Benannte Stelle das EU-Referenzlaboratorium, das an der ursprünglichen Konsultation beteiligt war, um zu bestätigen, dass die Einhaltung der GS, sofern verfügbar, oder anderer vom Hersteller zur Gewährleistung eines diesen mindestens gleichwertigen Sicherheits- und Leistungsniveaus gewählten Lösungen aufrechterhalten wird. Das EU-Referenzlaboratorium erstellt innerhalb von 60 Tagen ein wissenschaftliches Gutachten.

5.5. Betreffen die Änderungen die Leistung oder die bestimmungsgemäße Verwendung eines mit einer EU-Baumusterprüfbescheinigung genehmigten therapiebegleitenden Diagnostikums oder seine Eignung in Verbindung mit einem Arzneimittel, so konsultiert die Benannte Stelle die zuständige Arzneimittelbehörde, die an der ursprünglichen Konsultation beteiligt war, oder die EMA. Die konsultierte Arzneimittelbehörde legt innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der vollständigen Unterlagen zu den Änderungen gegebenenfalls ein Gutachten vor. Die Genehmigung von Änderungen am genehmigten Baumuster wird in Form eines Nachtrags zur ursprünglichen EU-Baumusterprüfbescheinigung erteilt.

6.
Verwaltungsbestimmungen

Der Hersteller oder — falls der Hersteller keine eingetragene Niederlassung in einem Mitgliedstaat hat — sein Bevollmächtigter hält während eines Zeitraums, der frühestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des letzten Produkts endet, für die zuständigen Behörden folgende Unterlagen bereit:

die Unterlagen gemäß Abschnitt 2 zweiter Spiegelstrich,

die Informationen über die Änderungen gemäß Abschnitt 5,

Kopien der EU-Baumusterprüfbescheinigungen, der wissenschaftlichen Gutachten und Berichte und der entsprechenden Nachträge/Ergänzungen.

Es gilt Anhang IX Abschnitt 7.

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