Artikel 19 VO (EU) 2018/1805
Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen
(1) Die Vollstreckungsbehörde kann die Anerkennung oder Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung nur dann versagen, wenn
- a)
- die Vollstreckung der Entscheidung dem Grundsatz „ne bis in idem” zuwiderlaufen würde;
- b)
- nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Vorrechte oder Immunitäten bestehen, die der Einziehung des betreffenden Vermögensgegenstands entgegenstehen, oder wenn Vorschriften zur Bestimmung und Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Bezug auf die Pressefreiheit oder die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien bestehen, die der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung entgegenstehen;
- c)
- die Einziehungsbescheinigung unvollständig oder offenkundig unrichtig ausgefüllt und nach der in Absatz 2 vorgesehenen Abstimmung nicht vervollständigt wurde;
- d)
- die Einziehungsentscheidung sich auf eine Straftat bezieht, die ganz oder teilweise außerhalb des Hoheitsgebiets des Entscheidungsstaats und ganz oder teilweise im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats begangen wurde, und die Handlung, aufgrund deren die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt;
- e)
- die Rechte betroffener Personen nach dem Recht des Vollstreckungsstaats die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unmöglich machen würden, einschließlich wenn sich die Unmöglichkeit der Vollstreckung aus der Einlegung von Rechtsbehelfen gemäß Artikel 33 ergibt;
- f)
- in einem in Artikel 3 Absatz 2 genannten Fall die Handlung, aufgrund der die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats keine Straftat darstellt; in Fällen, die Steuer- oder Zoll- und Währungsbestimmungen betreffen, kann die Anerkennung oder Vollstreckung der Einziehungsentscheidung jedoch nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Recht des Vollstreckungsstaats nicht dieselbe Art von Steuern vorschreibt oder nicht dieselbe Art von Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen vorsieht wie das Recht des Entscheidungsstaats;
- g)
-
laut der Einziehungsbescheinigung die Person, gegen die die Einziehungsentscheidung ergangen ist, nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Einziehungsentscheidung im Zusammenhang mit einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hat, außer aus der Einziehungsbescheinigung geht hervor, dass die betroffene Person im Einklang mit weiteren verfahrensrechtlichen Vorschriften des Rechts des Entscheidungsstaates
- i)
- rechtzeitig persönlich vorgeladen wurde und dabei über den geplanten Termin und Ort der Verhandlung, die zu der Einziehungsentscheidung geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde oder auf anderem Wege tatsächlich offiziell vom geplanten Termin und Ort der Verhandlung Kenntnis erhalten hatte, und zwar in einer Weise, dass sich zweifelsfrei nachweisen ließ, dass die betroffene Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte und rechtzeitig darüber unterrichtet wurde, dass eine Einziehungsentscheidung auch im Falle ihres Nichterscheinens zur Verhandlung ergehen kann;
- ii)
- in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einem Rechtsanwalt, der entweder von der betroffenen Person selbst oder vom Staat bestellt wurde, das Mandat erteilt hat, die betroffene Person bei der Verhandlung zu verteidigen, und bei der Verhandlung von diesem Rechtsanwalt tatsächlich verteidigt wurde; oder
- iii)
- nachdem ihr die Einziehungsentscheidung zugestellt und sie ausdrücklich über ihr Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren belehrt wurde, das ihr die Möglichkeit der Teilnahme und einer erneuten Prüfung des Sachverhalts einschließlich einer Prüfung neuer Beweismittel mit der Option der Aufhebung der ursprünglichen Einziehungsentscheidung eröffnen würde, ausdrücklich erklärt hat, dass sie die Einziehungsentscheidung nicht anficht oder innerhalb der geltenden Frist keine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. kein Berufungsverfahren ersucht hat;
- h)
- in Ausnahmefällen aufgrund genauer und objektiver Angaben berechtigte Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unter den besonderen Umständen des Falles die offensichtliche Verletzung eines in der Charta verankerten relevanten Grundrechts, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, des Rechts auf ein faires Verfahren oder des Rechts auf Verteidigung zur Folge hätte.
(2) Bevor die Vollstreckungsbehörde in einem der in Absatz 1 genannten Fälle beschließt, die Einziehungsentscheidung ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, hält sie in geeigneter Wiese mit der Entscheidungsbehörde Rücksprache und ersucht diese gegebenenfalls um unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen Informationen.
(3) Der Beschluss, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung zu versagen, wird unverzüglich gefasst und der Entscheidungsbehörde umgehend in einer Form mitgeteilt, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.
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