Präambel VO (EU) 2019/123

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 551/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 über die Ordnung und Nutzung des Luftraums im einheitlichen europäischen Luftraum ( „Luftraum-Verordnung” )(*), insbesondere auf Artikel 6 Absätze 4 und 7,

In Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Netzfunktionen sollten als ein Dienst von allgemeinem Interesse gelten, der für das europäische Flugverkehrsmanagementnetz (European Air Traffic Management Network, EATMN, im Folgenden das „Netz” ) und in dessen Rahmen erbracht wird. Indem sie dafür sorgen, dass das erforderliche Maß an Leistung, Interoperabilität, Kompatibilität und Koordinierung von Tätigkeiten, auch solcher zur Sicherstellung der optimalen Nutzung knapper Ressourcen, gewährleistet wird, dürften sie zur nachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrssystems beitragen.
(2)
Die Auslegung des europäischen Streckennetzes, die Verwaltung der Netzkapazität und der Verkehrsflüsse sowie die Koordinierung knapper Ressourcen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 551/2004 sollte die hoheitliche Gewalt der Mitgliedstaaten über ihren Luftraum und ihre Zuständigkeiten für die öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit und Angelegenheiten der Verteidigung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 549/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates(**) unberührt lassen.
(3)
Das Netz sollte alle physischen und operativen Komponenten umfassen, die sich auf die Leistung, insbesondere die Pünktlichkeit und Flugeffizienz von Luftfahrzeugen auswirken, die in dem Luftraum der Europa-Region (EUR) der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) betrieben werden, in dem die Mitgliedstaaten für die Erbringung der Flugverkehrsdienste zuständig sind.
(4)
Das europäische Streckennetz sollte so ausgelegt sein, dass die Effizienz der Streckenführung unter Betrachtung des gesamten Flugwegs ( „Flugsteig zu Flugsteig” ) in allen Flugphasen gesteigert und insbesondere der Flugeffizienz und Umweltaspekten besonders Rechnung getragen wird.
(5)
Damit sichergestellt ist, dass der Netzbetrieb im einheitlichen europäischen Luftraum stets verbessert wird und die für ganz Europa geltenden Leistungsziele realisiert werden, sind operative Maßnahmen notwendig, um effiziente Luftraumstrukturen aufzubauen und die verfügbaren Kapazitäten zu verwalten. Diese operativen Maßnahmen sollten eine effiziente Nutzung des Luftraums ermöglichen und gewährleisten, dass Luftraumnutzer bevorzugte Flugwege nutzen können.
(6)
Die ATFM-Funktion (Verkehrsflussregelung) ist Teil der Netzfunktionen und dient der optimalen Nutzung der verfügbaren Luftraumkapazität. Daher sollte diese Funktion unter gebührender Berücksichtigung der Verordnung (EU) Nr. 255/2010 der Kommission(***) näher ausgeführt werden.
(7)
Nach der Verordnung (EG) Nr. 551/2004 sind detaillierte Durchführungsvorschriften für die Koordinierung und Harmonisierung der Prozesse und Verfahren zur Erhöhung der Effizienz der Frequenzverwaltung für den Luftverkehr zu erlassen. In den detaillierten Durchführungsvorschriften sollte auch eine zentrale Funktion zur Koordinierung der frühzeitigen Feststellung und Deckung des Frequenzbedarfs vorgesehen werden, um die Auslegung und den Betrieb des Netzes zu unterstützen.
(8)
Bei der Optimierung des Ausbaus und des Betriebs des Netzes sollte auf die Arbeiten der ICAO auf den Gebieten Streckenauslegung, Verkehrsflussregelung sowie Verwaltung der Frequenzen und Radartranspondercodes zurückgegriffen werden.
(9)
Die Mitgliedstaaten sollten ihren Verpflichtungen gegenüber der ICAO auf den Gebieten Streckenauslegung, Verkehrsflussregelung sowie Verwaltung der Frequenzen und Radartranspondercodes nachkommen und diese netzwirksamer umsetzen. Der Netzmanager sollte in diesem Bereich koordinierend und unterstützend tätig sein.
(10)
Die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates(****) sollte von der Durchführung der ATFM-Funktion (Verkehrsflussregelung) unberührt bleiben. Flughäfen tragen als Zu- und Abgangspunkte des Netzes wesentlich zu dessen Gesamtleistung bei. Daher sollte für diese Funktion eine Verbindung zu den Flughafenbetreibern vorgesehen werden, die als Bodenkoordinatoren die Kapazität am Boden optimieren. Dies würde die Netzkapazität insgesamt verbessern. Zudem sollten Verfahren festgelegt werden, mit denen die Flughafen-Zeitnischen und Flugpläne besser aufeinander abgestimmt werden und so die verfügbare Kapazität des Netzes, auch der Flughäfen, optimiert wird.
(11)
Die Zuweisung von Funkfrequenzen erfolgt im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU). Es liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, der ITU ihren Frequenzbedarf für die Zivilluftfahrt zu melden und dann den für den allgemeinen Flugverkehr zugewiesenen Frequenzbereich optimal zu nutzen. Die politischen und rechtlichen Grundlagen in diesem Bereich regelt die Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(*****).
(12)
Für die Radartranspondercodes, auch für die Modus-S-Abfragecodes, sowie für die Funkfrequenzfunktionen hat die ICAO Orientierungshilfen ausgearbeitet. Zudem betreibt sie ein System zur Registrierung von Frequenzzuteilungen für die Zwecke des allgemeinen Flugverkehrs in der ICAO-Region Europa. Diese Aufgabe nimmt derzeit Eurocontrol in seiner Eigenschaft als Netzmanager wahr.
(13)
Die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Abschuss des Flugs MH 17 im Luftraum der Ukraine am 17. Juli 2014 und dem Terrorangriff am Flughafen Brüssel am 22. März 2016 haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass eine zentrale Stelle die Koordinierung der Abhilfenahmen auf lokaler und regionaler Ebene sowie auf Netzebene unterstützt und eine zeitnahe Reaktion bei künftigen Krisensituationen, die die Luftfahrt beeinträchtigen, gewährleistet.
(14)
Um die in der Verordnung (EG) Nr. 551/2004 festgelegten Netzfunktionen wirksam und ausgestattet mit den notwendigen Ressourcen wahrnehmen zu können, sollte sich ein Netzmanager in seinem Handeln durch Unparteilichkeit und Kompetenz auszeichnen. Bewirbt sich eine Stelle um die Funktion als Netzmanager, sollte sie darlegen, mit welchen Mitteln und Ressourcen sie die ihr auferlegten Anforderungen zu erfüllen gedenkt. Der Netzmanager sollte von einer Führungskraft der zum Netzmanager ernannten Stelle vertreten werden.
(15)
Es ist von Vorteil, wenn eine einzige Stelle die verschiedenen Netzfunktionen koordiniert und damit die Maßnahmen unterstützt, mit denen auf lokaler und subregionaler Ebene kurz- und langfristige operative und strategische Ziele, die in sich schlüssig sind und mit den Leistungszielen in Einklang stehen, für das Netz ausgearbeitet und gefördert werden. Die Netzfunktionen sollten jedoch von den am Betrieb Beteiligten und vom Netzmanager sowie auf Ebene der Mitgliedstaaten und der funktionalen Luftraumblöcke entsprechend den durch diese Verordnung festgelegten Zuständigkeiten realisiert werden.
(16)
2017 prüfte die Kommission Leitungsstruktur, Finanzierungsmodalitäten, Kostenbasis und Kosteneffizienz der Netzfunktionen. Ein Ergebnis dieser Prüfung war, dass der Netzmanager von einer gestärkten Leitungsstruktur und einer größeren Verwaltungsautonomie profitieren dürfte.
(17)
Die Netzfunktionen sollten kosteneffizient und insbesondere unter Vermeidung von Überschneidungen wahrgenommen werden.
(18)
Die Pflichten und Aufgaben des Netzmanagers sollten im Hinblick auf die Umsetzung der Netzfunktionen und die Netzleistung klar festgelegt werden. Hierunter fallen auch alle Dienstleistungen oder Tätigkeiten, die für die am Betrieb Beteiligten entsprechend den mit diesen getroffenen Arbeitsvereinbarungen und Betriebsabläufen zentral erbracht werden müssen.
(19)
Bei der Wahrnehmung der ihm in Bezug auf die Überwachung der Infrastruktur und die allgemeinen Netzunterstützungsdienste übertragenen Aufgaben sollte der Netzmanager den Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und der am Betrieb Beteiligten in vollem Umfang Rechnung tragen.
(20)
Der Netzmanager sollte in die Ausarbeitung von Plänen und operativen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Netzfunktionen auf nationaler und subregionaler Ebene einbezogen werden, sofern sich diese Pläne und Maßnahmen auf die Netzleistung auswirken.
(21)
Im Hinblick auf eine angemessene Netzleistung sollten in den Netzbetriebsplan operative Maßnahmen und lokale Referenzwerte aufgenommen werden, mit denen der Entwicklung der Netzbedingungen und den unionsweit geltenden Leistungszielen Rechnung getragen wird. Zudem sollte der Netzmanager operative Einschränkungen und Engpässe ermitteln und eine geeignete Vorgehensweise vorschlagen.
(22)
Stetige Verbesserungen der Verkehrsflussregelung lassen sich in der Union nur mit einem soliden Management erreichen, dessen Grundsätze darauf ausgerichtet sind, die Zunahme des Luftverkehrs zu antizipieren, die verfügbare Kapazität optimal zu nutzen und die Umweltauswirkungen des Luftverkehrs zu verringern. Daher gilt es, einen gemeinsamen Rahmen für die Planung und Umsetzung von Verbesserungen der Netzleistung festzulegen. Hierzu sollten auf Netzebene ein Strategie- und Betriebsplan ausgearbeitet werden.
(23)
Der Netzmanager und die am Betrieb Beteiligten sollten partnerschaftlich zusammenarbeiten, um die Verkehrsflussregelung zu verbessern und gegebenenfalls Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen. Im Hinblick auf eine optimale Kapazitätsausnutzung und um die ATC-Sektoren darin zu unterstützen, diese Kapazität bestmöglich zur Verfügung zu stellen, sollte der Netzmanager insbesondere ATFM-Maßnahmen einführen können.
(24)
Die Netzfunktionen sollten Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 549/2004, der die Wahrung vitaler sicherheits- oder verteidigungspolitischer Interessen bezweckt, unberührt lassen. Die Netzfunktionen sollten auch die Anwendung der flexiblen Luftraumnutzung nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 551/2004 unberührt lassen.
(25)
Zwischen den Netzfunktionen und dem auf Ebene der funktionalen Luftraumblöcke organisierten Betrieb sollte eine Koordinierung erfolgen.
(26)
Zur Erreichung der festgelegten Ziele sind die Effektivität militärischer Einsätze sowie die zivil-militärische Zusammenarbeit und Koordinierung von allergrößter Bedeutung. Diese Verordnung sollte sich nicht auf Entscheidungen über Inhalt, Umfang oder Leistung militärischer Einsätze und Übungen erstrecken, die im Rahmen des operativen Flugverkehrs erfolgen. Im Interesse der Sicherheit und beiderseitigen Effizienz ist es allerdings wichtig, die Schnittstellen zwischen diesen Tätigkeiten und den dieser Verordnung unterliegenden Tätigkeiten abzudecken.
(27)
Im Interesse einer zeitnahen und effektiven Ausübung der Netzfunktionen und zur Unterstützung des Netzmanagers bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben ist es notwendig, einen effizienten Rahmen für die Konsultation der am Betrieb Beteiligten sowie detaillierte Arbeitsvereinbarungen und Betriebsabläufe festzulegen.
(28)
Auf nationaler Ebene, der Ebene der funktionalen Luftraumblöcke und auf Netzebene sollten effektive Konsultationen der Interessenträger stattfinden.
(29)
Um eine für die Wahrnehmung der Netzfunktionen geeignete Leitungsstruktur zu gewährleisten, sollte ein Netzmanagementgremium eingerichtet werden.
(30)
Im Interesse einer effektiven Entscheidungsfindung sollte das Netzmanagementgremium nur eine begrenzte Anzahl von Mitgliedern haben, die operative Aufgaben sowie Leitungsaufgaben wahrnehmen und über umfangreiches Fachwissen im ATM-Bereich verfügen. Diese Mitglieder sollten eine ausgewogene Vertretung aller Beteiligten gewährleisten. Anbieter von Flugsicherungsdiensten assoziierter Länder, deren Vertreter ebenfalls zu den Arbeiten des Netzmanagements beitragen, sollten ebenso zur Teilnahme am Netzmanagementgremium berechtigt sein.
(31)
Bei seiner Entscheidungsfindung sollte das Netzmanagementgremium von einer Arbeitsgruppe für operative Fragen unterstützt werden, die sich aus Managern des operativen Bereichs zusammensetzt, die ihre operativen Kenntnisse und Empfehlungen je nach Sachlage einbringen.
(32)
Im Interesse der Wirksamkeit des Krisenmanagements auf Netzebene und zur Unterstützung der europäischen Koordinierungszelle für Luftfahrtkrisensituationen sollte ein Netz nationaler Kontaktstellen eingerichtet werden. Die Kontaktstellen sollten die Einbeziehung nationaler Behörden erleichtern und im Krisenfall die enge Zusammenarbeit mit den entsprechenden Strukturen auf Ebene der Mitgliedstaaten gewährleisten.
(33)
Angesichts der hoheitlichen Gewalt der Mitgliedstaaten über ihren Luftraum und ihrer Vorgaben für die öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit und Angelegenheiten der Verteidigung sowie ihrer Zuständigkeiten für die Netzfunktionen sollten sie über alle Maßnahmen, die sich erheblich auf die Netzleistung auswirken, informiert und zu diesen Maßnahmen konsultiert werden. Zur Berücksichtigung ihrer Ansichten sollte die Kommission die Einberufung bereits bestehender Ausschüsse bestmöglich nutzen.
(34)
Der Haushalt des Netzmanagers sollte es diesem ermöglichen, die im Leistungssystem konkret genannten Zielvorgaben zu erfüllen und sein Arbeitsprogramm durchzuführen. Der Haushalt sollte von den übrigen Haushaltsposten der als Netzmanager benannten Stelle getrennt ausgewiesen werden, sofern diese Stelle auch andere Tätigkeiten ausführt. Das Netzmanagementgremium sollte die Kohärenz des Haushalts des Netzmanagers mit seinem Jahresarbeitsprogramm bestätigen.
(35)
Die Kommission sollte eine angemessene Kontrolle des Netzmanagers gewährleisten. Hierbei sollte die Rolle der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit als die für die Zulassung und Beaufsichtigung des Netzmanagers zuständige Behörde berücksichtigt werden.
(36)
In die Festlegung und Durchführung der Netzfunktionen sollten Drittländer, die ein Abkommen mit der Union geschlossen haben, einbezogen werden, um die europaweite Dimension des einheitlichen europäischen Luftraums zu stärken.
(37)
Diese Verordnung trägt den seit 2011 bei der Wahrnehmung der Netzfunktionen gewonnenen Erfahrungen gebührend Rechnung und legt überarbeitete gemeinsame Regeln für die Wahrnehmung der Netzfunktionen fest. Die Verordnung (EU) Nr. 677/2011 der Kommission(******) sollte daher aufgehoben werden.
(38)
Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für den einheitlichen Luftraum —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(*)

ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 20.

(**)

Verordnung (EG) Nr. 549/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 zur Festlegung des Rahmens für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums ( „Rahmenverordnung” ) (ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 1).

(***)

Verordnung (EU) Nr. 255/2010 der Kommission vom 25. März 2010 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Verkehrsflussregelung im Flugverkehr (ABl. L 80 vom 26.3.2010, S. 10).

(****)

Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 14 vom 22.1.1993, S. 1).

(*****)

Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung) (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 1).

(******)

Verordnung (EU) Nr. 677/2011 der Kommission vom 7. Juli 2011 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen für die Funktionen des Flugverkehrsmanagementnetzes (ATM-Netz) und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 691/2010 (ABl. L 185 vom 15.7.2011, S. 1).

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