Artikel 111 VO (EU) 2019/1896

Beschwerdeverfahren

(1) In Zusammenarbeit mit dem Grundrechtsbeauftragten ergreift die Agentur die erforderlichen Maßnahmen, um im Einklang mit diesem Artikel ein unabhängiges und wirksames Beschwerdeverfahren einzuführen und weiterzuentwickeln, das die Achtung der Grundrechte bei allen Tätigkeiten der Agentur überwachen und gewährleisten soll.

(2) Jede Person, die von den Maßnahmen oder Unterlassungen des an einer gemeinsamen Aktion, einem Pilotprojekt, einem Soforteinsatz zu Grenzsicherungszwecken, eines Einsatzes eines Teams zur Unterstützung der Migrationsverwaltung, einer Rückkehraktion, einem Rückkehreinsatz oder einer operativen Tätigkeit der Agentur in einem Drittstaat beteiligten Personals unmittelbar betroffen ist und die Auffassung vertritt, dass ihre Grundrechte aufgrund dieser Maßnahmen oder Unterlassungen verletzt wurden, oder jede andere Partei, die Vertreter einer solchen Person ist, kann bei der Agentur schriftlich Beschwerde einlegen.

(3) Nur Beschwerden, die begründet sind und konkrete Grundrechtsverletzungen betreffen, sind zulässig.

(4) Der Grundrechtsbeauftragte ist im Einklang mit dem Recht auf eine gute Verwaltung für den Umgang mit an die Agentur gerichteten Beschwerden verantwortlich. Daher prüft er die Zulässigkeit einer Beschwerde, registriert zulässige Beschwerden, leitet alle registrierten Beschwerden an den Exekutivdirektor und Beschwerden über Teammitglieder an den Herkunftsmitgliedstaat weiter, unter anderem an die einschlägige Behörde oder für Grundrechte zuständige Stelle in einem Mitgliedstaat, damit diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit ihrem Mandat ergreifen können. Zudem registriert und gewährleistet er Folgemaßnahmen der Agentur oder des Mitgliedstaats.

(5) Im Einklang mit dem Recht auf eine gute Verwaltung wird ein Beschwerdeführer bei Zulässigkeit seiner Beschwerde davon in Kenntnis gesetzt, dass die Beschwerde registriert wurde, mit ihrer Prüfung begonnen wurde und zu gegebener Zeit mit einer Antwort zu rechnen ist. Wird eine Beschwerde an die nationalen Behörden oder Stellen weitergeleitet, werden dem Beschwerdeführer deren Kontaktdaten zur Verfügung gestellt. Wird eine Beschwerde für unzulässig erklärt, werden dem Beschwerdeführer die entsprechenden Gründe und, sofern möglich, weitere Optionen zur Ausräumung seiner Bedenken mitgeteilt.

Die Agentur sieht ein geeignetes Verfahren für den Fall einer Beschwerde vor, die für unzulässig oder unbegründet erklärt wird.

Jede Entscheidung erfolgt schriftlich und wird begründet. Der Grundrechtsbeauftragte unterzieht eine Beschwerde einer erneuten Prüfung, wenn ein Beschwerdeführer neue Beweismittel in einem Beschwerdefall vorlegt, der für unzulässig oder unbegründet erklärt wurde.

(6) Im Fall einer registrierten Beschwerde in Bezug auf einen Bediensteten der Agentur empfiehlt der Grundrechtsbeauftragte dem Exekutivdirektor angemessene Folgemaßnahmen einschließlich Disziplinarmaßnahmen und gegebenenfalls die Überweisung zur Einleitung zivil- oder strafrechtlicher Verfahren gemäß der vorliegenden Verordnung und dem nationalen Recht. Der Exekutivdirektor sorgt für angemessene Folgemaßnahmen und erstattet dem Grundrechtsbeauftragten innerhalb eines festgelegten Zeitraums sowie erforderlichenfalls daran anschließend in regelmäßigen Abständen im Hinblick auf die Ergebnisse von Beschwerden, die Durchführung von Disziplinarmaßnahmen und die Folgemaßnahmen der Agentur zu Beschwerden, Bericht.

Im Fall einer Beschwerde im Zusammenhang mit Datenschutzfragen hört der Exekutivdirektor den Datenschutzbeauftragten der Agentur an, bevor er eine Entscheidung über die Beschwerde trifft. Der Grundrechtsbeauftragte und der Datenschutzbeauftragte legen in einer schriftlichen Vereinbarung die Aufteilung ihrer Aufgaben und die Art der Zusammenarbeit in Bezug auf die eingegangenen Beschwerden fest.

(7) Im Fall einer registrierten Beschwerde in Bezug auf ein Teammitglied eines Einsatzmitgliedstaats oder eines anderen teilnehmenden Mitgliedstaats, einschließlich abgeordneter Teammitglieder oder abgeordneter nationaler Sachverständiger, sorgt der Herkunftsmitgliedstaat für angemessene Folgemaßnahmen einschließlich erforderlichenfalls Disziplinarmaßnahmen und die Überweisung zur Einleitung zivil- oder strafrechtlicher Verfahren und sonstiger Maßnahmen im Einklang mit dem nationalen Recht. Der betreffende Mitgliedstaat erstattet dem Grundrechtsbeauftragten innerhalb eines festgelegten Zeitraums und danach erforderlichenfalls in regelmäßigen Abständen über die Ergebnisse von Beschwerden und die in Bezug auf die Beschwerde getroffenen Folgemaßnahmen Bericht. Die Agentur verfolgt die Angelegenheit weiter, wenn sie keinen Bericht von dem betreffenden Mitgliedstaat erhält.

Wenn der betreffende Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Frist keinen Bericht erstattet oder nur eine nicht schlüssige Antwort gibt, unterrichtet der Grundrechtsbeauftragte den Exekutivdirektor und den Verwaltungsrat darüber.

(8) Werden Grundrechtsverletzungen oder Verletzungen der Pflichten im Zusammenhang mit dem internationalen Schutz seitens eines Teammitglieds festgestellt, fordert die Agentur den Mitgliedstaat auf, dieses Mitglied unmittelbar von der Aktivität der Agentur oder der ständigen Reserve abzuziehen.

(9) Der Grundrechtsbeauftragte nimmt gemäß Artikel 109 Absatz 4 Informationen zum Beschwerdeverfahren in seinen jährlichen Bericht auf, einschließlich spezifischer Hinweise auf die Ergebnisse von Beschwerden und die Folgemaßnahmen der Agentur und der Mitgliedstaaten zu Beschwerden.

(10) Im Einklang mit den Absätzen 1 bis 9 und nach Anhörung des Konsultationsforums erstellt der Grundrechtsbeauftragte ein standardisiertes Beschwerdeformular, in dem detaillierte und spezifische Informationen über die mutmaßliche Grundrechtsverletzung anzugeben sind. Der Grundrechtsbeauftragte erstellt außerdem weitere detaillierte Bestimmungen nach Bedarf. Der Grundrechtsbeauftragte legt dieses Formular und weitere derartige detaillierte Bestimmungen dem Exekutivdirektor und dem Verwaltungsrat vor.

Die Agentur trägt dafür Sorge, dass Informationen über die Beschwerdemöglichkeit und das Verfahren leicht erhältlich sind, auch für schutzbedürftige Personen. Das standardisierte Beschwerdeformular ist in Sprachen, die die Bürger von Drittstaaten verstehen oder bei denen es Grund zu der Annahme gibt, dass sie sie verstehen, auf der Website der Agentur und während sämtlicher Tätigkeiten der Agentur in Papierform verfügbar. Das standardisierte Beschwerdeformular muss leicht zugänglich sein, auch auf mobilen Geräten. Die Agentur stellt sicher, dass die Beschwerdeführer weitere Orientierungshilfen und Unterstützung in Bezug auf das Beschwerdeverfahren erhalten. Beschwerden werden vom Grundrechtsbeauftragten geprüft, auch wenn sie nicht über das standardisierte Beschwerdeformular eingereicht wurden.

(11) Alle in einer Beschwerde enthaltenen personenbezogenen Daten werden von der Agentur, einschließlich des Grundrechtsbeauftragten, im Einklang mit der Verordnung (EU) 2018/1725 und von den Mitgliedstaaten im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680 be- und verarbeitet.

Bei Einreichung einer Beschwerde wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Einklang mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EG) 2018/1725 in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch die Agentur und den Grundrechtsbeauftragten einwilligt.

Zur Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers werden Beschwerden vom Grundrechtsbeauftragten im Einklang mit nationalem und Unionsrecht vertraulich behandelt, es sei denn, der Beschwerdeführer verzichtet ausdrücklich auf sein Recht auf Vertraulichkeit. Verzichtet der Beschwerdeführer auf sein Recht auf Vertraulichkeit, wird davon ausgegangen, dass er im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand soweit erforderlich mit der Offenlegung seiner Identität gegenüber den zuständigen Behörden oder Stellen durch den Grundrechtsbeauftragten oder die Agentur einverstanden ist.

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