ANHANG VI VO (EU) 2019/627

PRAKTISCHE MODALITÄTEN FÜR AMTLICHE KONTROLLEN IN BEZUG AUF FISCHEREIERZEUGNISSE GEMÄSS ARTIKEL 70

KAPITEL I

A.
Organoleptische Prüfungen

Auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen werden organoleptische Stichprobenkontrollen durchgeführt. Ein Ziel dieser Kontrollen ist es, die Einhaltung der im Einklang mit der vorliegenden Verordnung festgelegten Frischekriterien zu überprüfen. Dazu gehört insbesondere, dass überprüft wird, dass die Fischereierzeugnisse auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen mindestens die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2406/96 des Rates(1) festgelegten grundlegenden Frischekriterien erfüllen.

B.
Frischeindikatoren

Lässt die organoleptische Prüfung Zweifel an der Frische der Fischereierzeugnisse aufkommen, so können Proben entnommen und gemäß den technischen Vorkehrungen in Kapitel II im Labor auf ihren Gehalt an flüchtigem Basenstickstoff (TVB-N) und Trimethylamin-Stickstoff (TMA-N) untersucht werden. Lässt die organoleptische Prüfung Zweifel dahin gehend aufkommen, dass zuvor gefrorener Fisch im Handel als frisch dargeboten wird, so können Proben zu Überprüfungszwecken entnommen und Laboruntersuchungen unterzogen werden, wie z. B. einem HADH-Test (Hydroxyacyl-Coenzym-A-Dehydrogenase), einer histologischen Untersuchung, einer UV/VIS/NIR-Spektroskopie (ultraviolett — sichtbar — Nahinfrarot) oder der hyperspektralen Bildgebung. Die zuständigen Behörden wenden die in der vorliegenden Verordnung festgelegten Kriterien an. Lässt die organoleptische Prüfung auf andere für den Menschen potenziell gesundheitsgefährdende Zustände schließen, so werden zur Überprüfung geeignete Proben entnommen.

C.
Histamin

Es werden Histamin-Stichprobentests zur Überprüfung der Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 festgesetzten Grenzwerte durchgeführt.

D.
Rückstände und Kontaminanten

Es werden Vorkehrungen gemäß der Richtlinie 96/23/EG und der Entscheidung 97/747/EG getroffen, um die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften in Bezug auf Folgendes zu überwachen:

Rückstandshöchstmengen für pharmakologisch wirksame Stoffe gemäß den Verordnungen (EU) Nr. 37/2010 und (EU) 2018/470;

verbotene und nicht zugelassene Stoffe gemäß der Verordnung (EU) Nr. 37/2010, der Richtlinie 96/22/EG und der Entscheidung 2005/34/EG;

Kontaminanten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln; und

Pestizidrückstände gemäß der Verordnung (EG) Nr. 396/2005.

Für Fischereierzeugnisse aus Wildfang werden Vorkehrungen eingeführt, um die Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften über Kontaminanten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln zu überwachen.

E.
Mikrobiologische Kontrollen

Erforderlichenfalls werden im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften und Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 mikrobiologische Kontrollen durchzuführen.

F.
Parasiten

Zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen von Anhang III Abschnitt VIII Kapitel III Teil D der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 und Anhang II Abschnitt I der Verordnung (EG) Nr. 2074/2005 werden risikobasierte Tests durchgeführt.

G.
Giftige Fischereierzeugnisse

Es werden Kontrollen durchgeführt, um Folgendes sicherzustellen:
1.
Fischereierzeugnisse, die aus giftigen Fischen der folgenden Familien hergestellt wurden, werden nicht in Verkehr gebracht: Tetraodontidae, Molidae, Diodontidae und Canthigasteridae;
2.
frische, zubereitete, gefrorene oder verarbeitete Fischereierzeugnisse der Familie Gempylidae, insbesondere Ruvettus pretiosus und Lepidocybium flavobrunneum, werden nur in umhüllter/verpackter Form in Verkehr gebracht werden und enthalten auf dem Etikett in angemessener Weise Verbraucherinformationen über die Zubereitungs-/Garmethoden und das Risiko infolge etwa vorhandener Stoffe, die Magen-Darm-Störungen hervorrufen können. Auf dem Etikett werden der wissenschaftliche Name der Fischereierzeugnisse und die Handelsbezeichnung ausgewiesen;
3.
Fischereierzeugnisse, die Biotoxine wie Ciguatoxin oder andere die menschliche Gesundheit gefährdende Toxine enthalten, werden nicht in Verkehr gebracht. Aus lebenden Muscheln, Stachelhäutern, Manteltieren und Meeresschnecken gewonnene Fischereierzeugnisse dürfen jedoch in Verkehr gebracht werden, wenn sie gemäß Anhang III Abschnitt VII der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 erzeugt wurden und den in Kapitel V Nummer 2 des genannten Abschnitts festgelegten Standards entsprechen.

KAPITEL II

A.
TVB-N-Grenzwerte für bestimmte Kategorien von Fischereierzeugnissen und anzuwendende Analyseverfahren

1.
Unverarbeitete Fischereierzeugnisse gelten als genussuntauglich, wenn die organoleptische Prüfung Zweifel an ihrer Frische aufkommen ließ und chemische Kontrollen ergeben, dass die folgenden TVB-N-Grenzwerte überschritten wurden:

a)
25 mg Stickstoff/100 g Fleisch bei den Arten gemäß Buchstabe B Nummer 1 des vorliegenden Kapitels;
b)
30 mg Stickstoff/100 g Fleisch bei den Arten gemäß Buchstabe B Nummer 2 des vorliegenden Kapitels;
c)
35 mg Stickstoff/100 g Fleisch bei den Arten gemäß Buchstabe B Nummer 3 des vorliegenden Kapitels;
d)
60 mg Stickstoff/100 g unzerteilte Fischereierzeugnisse, die gemäß Anhang III Abschnitt VIII Kapitel IV Teil B Nummer 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 unmittelbar für die Zubereitung von für den menschlichen Verzehr bestimmtem Fischöl verwendet werden; wenn das Rohmaterial jedoch den Bestimmungen des Absatzes 1 Buchstaben a, b und c der genannten Nummer entspricht, können die Mitgliedstaaten bis zum Erlass spezifischer Unionsvorschriften höhere Grenzwerte für bestimmte Arten festlegen.

Das zur Kontrolle der TVB-N-Grenzwerte anzuwendende Referenzverfahren umfasst die Destillation eines mit Perchlorsäure denaturierten Extraktes im Sinne des nachstehenden Buchstaben C.

2.
Die Destillation gemäß Nummer 1 wird mit einem Gerät durchgeführt, das dem Schaubild in Buchstabe D entspricht.
3.
Folgende Routineverfahren können zur Kontrolle der TVB-N-Grenzwerte angewendet werden:

a)
Mikrodiffusion nach Conway und Byrne (1933);
b)
einfache Destillation nach Antonacopoulos (1968);
c)
Destillation eines mit Trichloressigsäure denaturierten Extraktes (Ausschuss des Codex Alimentarius für Fische und Fischereierzeugnisse, 1968).

4.
Die Probe besteht aus rund 100 g Fleisch, das an mindestens drei unterschiedlichen Stellen entnommen und durch Zerkleinern vermischt wird.
Die Mitgliedstaaten empfehlen, dass die amtlichen Laboratorien die genannten Verfahren als Routineverfahren anwenden. In Zweifels- oder Streitfällen bezüglich der Ergebnisse eines Routineverfahrens darf zur Bestätigung der Ergebnisse nur das Referenzverfahren angewendet werden.

B.
Artenkategorien, Für Die TVB-N-Grenzwerte Festgesetzt Werden

Für folgende Artenkategorien werden TVB-N-Grenzwerte festgesetzt:
1.
Sebastes spp., Helicolenus dactylopterus, Sebastichthys capensis;
2.
Arten der Familie der Pleuronectidae (mit Ausnahme des Heilbutts: Hippoglossus spp.);
3.
Salmo salar, Arten der Familie der Merlucciidae und der Familie der Gadidae.

C.
Referenzverfahren zur Bestimmung der TVB-N-Konzentration in Fisch und Fischereierzeugnissen

1.
Zweck und Anwendungsgebiet

Dieses Verfahren beschreibt ein Referenzverfahren zur Bestimmung der Stickstoffkonzentration von TVB-N in Fisch und Fischereierzeugnissen. Das Verfahren ist bei TVB-N–Konzentrationen von 5 mg/100 g bis mindestens 100 mg/100 g anwendbar.

2.
Begriffsbestimmungen

„TVB-N-Konzentration” bezeichnet den nach dem beschriebenen Referenzverfahren bestimmten Stickstoffgehalt flüchtiger stickstoffhaltiger Basen. „Lösung” bezeichnet eine wässrige Lösung wie folgt:
a)
Perchlorsäurelösung = 6 g/100 ml;
b)
Natriumhydroxidlösung = 20 g/100 ml;
c)
Salzsäure-Standardlösung 0,05 mol/l (0,05 N). Bei Verwendung eines automatischen Destilliergeräts muss die Titrierung mit einer Salzsäure-Standardlösung von 0,01 mol/l (0,01 N) durchgeführt werden;
d)
Borsäurelösung = 3 g/100 ml;
e)
Silikon-Schaumverhüter;
f)
Phenolphtaleinlösung = 1 g/100 ml 95-prozentigem Ethanol;
g)
Indikatorlösung (Tashiro-Mischindikator) = 2 g Methylrot und 1 g Methylenblau gelöst in 1000 ml 95-prozentigem Ethanol.

3.
Kurzbeschreibung

Der flüchtige Basenstickstoff wird mit einer Lösung von 0,6 mol/l Perchlorsäure aus einer Probe extrahiert. Nach Alkalisierung wird der Extrakt wasserdampfdestilliert und die flüchtigen Basenanteile werden in einer Säurevorlage absorbiert. Die TVB-N-Konzentration wird durch Titrierung der absorbierten Basen bestimmt. Die Konzentration wird in mg/100 g ausgedrückt.

4.
Reagenzien

Sofern nicht anders angegeben, werden analysenreine Reagenzien verwendet. Das Wasser ist entweder destilliert oder demineralisiert und weist mindestens die gleiche Reinheit auf.

5. Es werden folgende Geräte und folgendes Zubehör verwendet:
a)
Fleischhackmaschine zur Herstellung eines ausreichend homogenen Fischprobengemenges;
b)
Hochgeschwindigkeitsmischer mit Drehzahlen von 8000 min-1 bis 45000 min-1;
c)
Faltenfilter, 150 mm Durchmesser, Schnellfilterung;
d)
5-ml-Bürette, 0,01-ml-Graduierung;
e)
Gerät für die Wasserdampfdestillation: Das Gerät muss für die Regelung unterschiedlicher Dampfmengen ausgelegt sein und über eine bestimmte Zeit konstante Dampfmengen erzeugen können. Es muss gewährleistet sein, dass die bei Zugabe der alkalisierenden Substanzen freiwerdenden Basen nicht entweichen können.

6.
Durchführung des Referenzverfahrens

Beim Arbeiten mit hochgradig korrosiver Perchlorsäure werden erforderliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Die Proben werden so schnell wie möglich nach ihrem Eintreffen nach folgenden Anweisungen zubereitet:
a)
Zubereitung der Probe

Die zu untersuchende Probe wird in einer wie in Nummer 5 Buchstabe a beschriebenen Fleischhackmaschine sorgfältig zerkleinert. 10 g ± 0,1 g der zerkleinerten Probe werden in einen geeigneten Behälter eingewogen. Sie werden mit 90,0 ml Perchlorsäurelösung versetzt, zwei Minuten mit einem wie in Nummer 5 Buchstabe b beschriebenen Mischer homogenisiert und anschließend gefiltert.

Der so gewonnene Extrakt kann mindestens sieben Tage lang bei Temperaturen zwischen annähernd + 2 °C und + 6 °C aufbewahrt werden;

b)
Dampfdestillation

Es werden 50,0 ml des nach Buchstabe a gewonnenen Extrakts in ein wie in Nummer 5 Buchstabe e beschriebenes Gerät für die Wasserdampfdestillation gegeben. Damit später überprüft werden kann, ob der Extrakt ausreichend alkalisiert ist, werden einige Tropfen Phenolphtaleinlösung hinzugegeben. Nach Zugabe einiger Tropfen Silikon-Schaumverhüter wird der Extrakt mit 6,5 ml Natriumhydroxidlösung versetzt und es wird umgehend mit der Dampfdestillation begonnen.

Die Dampfdestillation wird so eingestellt, dass innerhalb von 10 Minuten rund 100 ml Destillat entstehen. Das Ablassrohr wird in eine Vorlage mit 100 ml Borsäurelösung eingetaucht, der drei bis fünf Tropfen der Indikatorlösung zugesetzt wurden. Nach genau 10 Minuten ist die Destillation beendet. Das Ablassrohr wird aus der Vorlage entfernt und mit Wasser gespült. Die flüchtigen Basen in der Vorlagelösung werden durch Titrierung mit Salzsäure-Standardlösung bestimmt.

Der pH-Wert des Endpunkts muss bei 5,0 ± 0,1 liegen;

c)
Titrierung

Die Analysen sind zweimal durchzuführen. Das angewendete Verfahren wurde korrekt durchgeführt, wenn die Differenz zwischen beiden Analysen nicht mehr als 2 mg/100 g beträgt.

d)
Blindtest

Es wird ein Blindtest gemäß Buchstabe b durchgeführt. Anstelle des Extrakts werden 50,0 ml Perchlorsäurelösung verwendet.

7.
Berechnung der TVB-N-Konzentration

Durch Titrierung der Vorlagelösung mit Salzsäure-Standardlösung wird die TVB-N-Konzentration anhand folgender Gleichung berechnet:TVB-N in mg100 g ProbeV1V00,142100M dabei gilt:
V1=
Volumen von 0,01 mol Salzsäure-Standardlösung (in ml) für die Probe;
V0=
Volumen von 0,01 mol Salzsäure-Standardlösung (in ml) für die Blindprobe;
M=
Masse der Probe in Gramm.
Außerdem ist folgendes zu beachten:
a)
zweifache Analyse. Das angewendete Verfahren wurde korrekt durchgeführt, wenn die Differenz zwischen beiden Analysen nicht mehr als 2 mg/100 g beträgt;
b)
Überprüfung der Geräte. Die Geräte werden durch Destillieren einer NH4Cl-Lösungsmenge überprüft, die 50 mg TVB-N/100 g entsprechen;
c)
Standardabweichungen. Die Wiederhol-Standardabweichung Sr = 1,20 mg/100 g und die Vergleich-Standardabweichung SR = 2,50 mg/100 g werden berechnet.

D.
TVB-N-Dampfdestilliergerät

Fußnote(n):

(1)

Verordnung (EG) Nr. 2406/96 des Rates vom 26. November 1996 über gemeinsame Vermarktungsnormen für bestimmte Fischereierzeugnisse. ABl. L 334 vom 23.12.1996, S. 1.

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